Moin,
Es wurde zwar schon des Öfteren angeführt, daß der Begriff 'Geschichte' für eine Diskussion hier absolut sinnentlehrt ist, da jeder hineinlegt, was er gerne darin sehen würde.
Da er aber Essenziel zu sein scheint — Bzw. meine Interpretation des Geschichts-Begriffs essenziel zu sein schein, versuche ich mich hier erst einmal an einer Definition, die für den Rest dieses Threads gelten soll, da sie meiner Interpretation des Begriffs entspricht (und um die ging es ja
).
Definition:Eine Geschichte im Sinne dieses Threads ist eine Erzählung zusammenhängender fiktiver Ereignisse, welche einer bestimmten
absichtlichen Erzählstruktur folgt, um dem Leser/Zuschauer/Zuhöhrer zu gefallen.
Sie besteht sowohl aus einer
fiktionalen, als auch einer
narrativen Ebene. Diese beiden Ebenen beeinflußen sich Gegenseitig. Hierbei umfasst die
fiktionale Ebene die Ereignisse und Elemente der vorgestellten Wirklichkeit, während die
narrative Ebene den geregelten Informationsaustausch vom Erzähler zum Zuhöhrer, also die Präsentation der Fiktion umfasst.
Wenn man diese Definition einer Geschichte anlegt, kommt man zu dem Schluß, daß der Inhalt eines RPG-Abends zwingend immer genügt, um die
fiktionale Ebene mindestens einer Geschichte zu füllen.
Sobald die Erzählung dieser Inhalte eine
beabsichtigte Strucktur aufweist, kann man —im Sinne der Definition— tatsächlich von 'Geschichten erzählen' reden.
Um meinen Standpunkt zu verstehen, müßen wir noch etwas tiefer gehen. Wenn ich eine solche Geschichte zu einer 'guten' (lies: interresanten) Geschichte machen will, so fallen mir zwei Ebenen auf, auf denen ich ein paar Schalter drehen kann, um Interresse zu wecken:
- Auf der fiktionalen Ebene kann ein interresanter Inhalt geschaffen werden. Ich kann Personen, Gegenstände und Beziehungen darstellen. Starke Beziehungen, unterschiedliche Machtverhältnisse, interresante Gegenstände und vielschichtige Personen machen diese Ebene interressant.
- Auf der narrativen Ebene kann ich eine möglichst interresante Erzählstruktur schaffen. Ich kann durch das bewuste Ordnen und Priorisieren von Informationen, so wie durch das bewusste Verschweigen oder Zurückhalten wichtiger Fakten genauso Interesse erzeugen, wie z.B. durch eine gute oder wortgewandte Erzählung oder bewust den Blickwinkel des Zuschauers/Zuhöhrers lenkende Beschreibungen.
Ein Erzähler kann sich also zu jedem Zeitpunkt entscheiden, welcher der beiden Ebenen er Aufmerksamkeit widmet, um seine Geschichte interresant zu machen.
Legt er mehr wert auf die narrative Ebene, kommt es häufig zu dem Effekt, das Inhalte der fiktionalen Ebene verändert oder angepasst werden, um eine bessere narrative Strucktur zu ermöglichen.
Die veränderte Situation in der Fiktion ist hierbei nicht aus der Fiktion selbst motiviert (kein direkter kausaler Zusammenhang), sondern aus der narrativen Ebene.
Wenn wir von einer durch das Rollenspiel erzählten Geschichte ausgehen, ist das der Punkt, an dem mein Spielerlebniss (wenn nicht vorher eindeutig 'Storymode ON' vereinbahrt wurde) die Waffen streckt. In meiner Hausrunde ist dieser Eingriff von der narrativen auf die fiktionale Ebene eine ultimative Sünde und mit Tod durch Steinigung zu ahnden.
Bemerkbarer Weise, passieren solche Durchgriffe aber immer, wenn eine Geschichte erzählt wird, den ein Geschichte (laut meiner obrigen Definition) zeichnet sich nunmal dadurch aus, einer bestimmten
absichtlichen Erzählstruktur zu folgen.
Also umgehe ich in Situationen, in denen ein solcher Durchgriff (narrativ->fiktional) von Nöten wäre um der Erzählstruktur Rechnung zu tragen bewußt die Absichtlichkeit der Narration, um der puren, aus ebeneneigener Kausalität motivierten Fiktion Rechnung zu tragen.
Ab diesem Moment, wird die Struktur der Narration beliebig und die Gesammte Erzählung ist daher nicht mehr als Geschichte zu betrachten.
Alle Klarheiten beseitigt?
Gruß,
Hr. Rabe