Autor Thema: Spielleiterwillkür Revised  (Gelesen 8566 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

cmdlightning

  • Gast
Spielleiterwillkür Revised
« am: 25.11.2007 | 13:34 »
Liebe Leute,

sorry, dass ich parallel zur GNS-Diskussion noch nen anderes Fass aufmache, aber ich fand die Idee mitteilungswürdig und hätte gern Meinungen. Im Zuge einiger theoretischer Diskussionen fielen immer mal wieder die Begriffe Railroading, Illusionismus und Zwangfrei und eine Beziehung zum oft bemühten Begriff der Spielleiterwillkür liegt nahe.

Deshalb versuche ich hier mal, das theoretisch ein wenig aufzuklären und bitte wie immer um Kommentare und Meinungen. Bin dabei wie immer insbesondere für konstruktive Vorschläge dankbar.

Also:

Meines Erachtens sind Railroading, Illusionismus und Zwangfreiheit keineswegs trennbare Begriffe, sondern markieren verschiedene Punkte der gleichen Skala. Der Name dieser Skala heißt: Massivität des Spielleitereingriffs. Railroading bezeichnet auf dieser Skala heftige, Illusionismus mittlere und Zwangfreiheit den Verzicht auf Eingriffe. Das scheint mir übrigens derart naheliegend, dass da bestimmt schon vor mir jemand drauf gekommen ist. Auch da bin ich für Hinweise dankbar.

Um nun den Bogen zur Spielleiterwillkür zu spannen, ist neben der Massivität (s.o.) auch die Frequenz solcher Eingriffe nach meiner Ansicht bedeutend und muß insofern verknüpft werden.

Für eine bestimmte Zeiteinheit gilt dann also als Gesamtmaß für die Heftigkeit der Spielleitereingriffe pro Zeiteinheit die Summe der einzelnen Eingriffsmassivitäten, was im übrigen gleichbedeutend ist mit dem Produkt aus mittlerer Eingriffsmassivität und Eingriffsfrequenz.

Nun hat zudem jeder Spieler eine andere Wahrnehmung und andere Erwartungen an Spielleiterverhalten und insofern auch einen anderen Schwellenwert für ein Konstrukt wie "Spielleiterwillkür". Insofern schlage ich vor, den Begriff Spielleiterwillkür wie folgt zu definieren:

Spielleiterwillkür bezeichnet eine Heftigkeit der Spielleitereingriffe, welche als Summe der Eingriffsmassivitäten den individuellen Schwellenwert eines Spielers überschreitet.

Die Definition ist ein wenig technisch geraten, aber inhaltlich eindeutig, oder? Als Anhaltspunkt für eine Diskussion finde ich das aber gar nicht mal so schlecht.


Mögliche Erweiterungen:

1. Idealpunktmodell:
Wenn nun jeder Spieler nicht nur einen Schwellenwert hat, sondern einen Idealpunkt auf der summierten Skala der Eingriffsmassivitäten, kann man als Komponente der Qualität guten Spielleiterverhaltens die Abweichung zwischen dem Ist-Wert des jeweiligen Spielleiters vom Idealpunkt des Spielers heranziehen.

2. Situative Ergänzungen:
Es mag zudem sein, dass Spieler in verschiedenen Situationen verschieden starke Eingriffe des Spielleiters zu tolerieren bereit sind. Das kann man sicherlich kontrovers diskutieren. Sollte man sich für eine Aufnahme entscheiden, könnte man eine entsprechende Gewichtung in der Summierung der Eingriffsmassivitäten einbauen.


Fazit:
Es handelt sich hierbei um eine Analyse. Das Ziel ist erst einmal nicht, das Rollenspiel in Gruppen zu verbessern, sondern theoretisch ein wenig besser Prozesse in Rollenspielgruppen zu verstehen. Es handelt sich also eine Hypothese mit dem Ziel zu beschreiben. Erklären und vorhersagen kann man darauf aufbauend vielleicht später noch mal ;-)

Was meint Ihr?


EDIT: Habe noch kurz ne Idee aus der visuellen Wahrnehmung anzufügen. Dort gibt es nämlich das Phänomen, dass zunächst unterschwellige (sprich: unsichtbare) Reize wahrgenommen werden können, wenn sie von anderen Reizen überlagert werden. Das übertragen auf obiges Thema des Illusionismus würde lauten: obwohl Spieler im Einzelfall eventuell nicht bemerken, wenn sie vom Spielleiter unauffällig manipuliert werden, mag sich das unter bestimmten Rahmenbedingungen durchaus ändern. Das fiel mir als Argument ein, da man sonst einfach sagen könnte, dass Spielleiterinterventionen, die von Spielern nicht bemerkt werden, genauso zu behandeln sind wie keinerlei Intervention. Das halte ich aber für falsch und der obige Gedankenfaden mag diese Sicht ein wenig untermauern ;-)
« Letzte Änderung: 25.11.2007 | 13:43 von cmdlightning »

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #1 am: 25.11.2007 | 14:29 »
Auch hier muss ich erstmal auf den Stand der Diskussion hinweisen:
Meines Erachtens sind Railroading, Illusionismus und Zwangfreiheit keineswegs trennbare Begriffe, sondern markieren verschiedene Punkte der gleichen Skala. Der Name dieser Skala heißt: Massivität des Spielleitereingriffs. Railroading bezeichnet auf dieser Skala heftige, Illusionismus mittlere und Zwangfreiheit den Verzicht auf Eingriffe.
Zwangfreiheit sehe ich als Begriff in diesem Zusammenhang das erste mal, aber er ließe sich ja leicht als Abwesenheit einer der beiden anderen beschreiben. Das ist also denke ich klar.
Allerdings liegen Illusionismus und Railroading nicht auf einer gemeinsamen Skala, so wie sie auch beide für sich genommen nicht auf einer Skala gemessen werden (können). Erstmal sind das beides einfach nur Merkmale eines Spielvorganges, die entweder vorhanden oder nicht vorhanden sein können. Dabei bilden in der Ur-Definition alle Fälle von Illusionismus eine echte Untermenge von Railroading. Das Oberthema ist also Railroading.

In der Rollenspieltheorie bemüht man sich außerdem erst einmal so weit wie möglich von konkreten Regelwerken unabhängig zu sein und teilt deshalb auch nicht in Spielleiter und Spieler ein, wenn das prinzipiell nicht nötig ist. Außerdem sind wir ja nur Theoretiker und wir können selten wirklich Versuche durchführen.
Wenn du also von einer "Massivität des Spielleitereingriffs" sprichst, dann muss ich da zwei Dinge anmerken. Erstmal handelt es sich einfach nur um den Eingriff eines Spielers in die Sphäre eines anderen, indem ihm Entscheidungen abgenommen werden (Definition von Railroading). Und außerdem kann man Massivität nicht messen. Man könnte zwar über Befragung o.ä versuchen zu operationalisieren, das tun wir aber nicht, weil wir das nie praktisch so genau feststellen könnten. Es reicht also erstmal einfach festzustellen ob ein Spieler einen Eingriff in seine Spähre empfindet oder nicht.

So kommt man auch zum Punkt Illusionismus. Wie schon mal gesagt ist das ein extrem kontroverses Thema. In der Kontroverse geht es in erster Linie darum wie Illusionismus zu bewerten ist (erlaubt oder nicht erlaubt).
Illusionismus ist nicht einfach nur "schwächeres" Railroading, vor allem da uns die Feststellung der Stärke ja nicht viel sagt. Illusionismus ist Railroading das nicht bemerkt wird. Das heißt es besteht aus zwei Komponenten einmal Railroading und einmal einer Verschleierung. Wäre diese nicht vorhanden würde der Spieler den Vorgang als Railroading empfinden.


Dir geht es ja nun in erster Linie um dem Begriff der Spielleiterwillkür.
Um nun den Bogen zur Spielleiterwillkür zu spannen, ist neben der Massivität (s.o.) auch die Frequenz solcher Eingriffe nach meiner Ansicht bedeutend und muß insofern verknüpft werden.
Du möchtest die Spielleiterwillkür über Railroading definieren. Die einfachste Möglichkeit wäre es zu sagen: Spielleiterwillkür ist Railroading des SL gegenüber einem oder allen Spielern.
Du möchtest nun ein Maß für die Willkür entwickeln. Das finde ich aber sehr schwierig. Dabei geht es um das empfundene Maß der Einflussnahme. Erstens können wir das nicht feststellen (es ist möglicherweise auch gar nicht sinnvoll zu objektivieren) und zweitens ist mir wieder nicht klar wozu man das braucht.

Da ein ungerechtfertigter Einfluss generell zu vermeiden ist, sollte dieser völlig ausgeschlossen werden. Das einzige von dem was du definierst was mir dabei helfen würde wäre die Frequenz der Einsprüche. Diese gilt es auf 0 zu reduzieren. Wobei es keinen großen qualitativen Unterschied machen muss ob es 1 oder 20 Einsprüche gibt, aber es kann einen sehr großen Unterschied machen ob 1 oder 0 Einsprüche vorhanden sind.
Die Massivität des Einspruchs auf einer reellen Skala irgendwie sinnvoll zu bewerten, ist ungefähr so aussichtsreich wie eine utilitaristische Universalethik zu schaffen.
Was man eventuell machen könnte ist die Massivität des Einspruchs an ihrer direkten Wirkung auf das Spiel zu klassifizieren. Man könnte etwa prüfen ob ein Einspruch so massiv ist, dass er stört, aber im Gesamtbild eines Spiels von anderen Faktoren ausgeglichen werden kann, ob er nicht ausgeglichen werden kann, oder ob er sogar zu einem Abbruch des Spiels führt.
Auch hier gilt, lieber klassifizieren als quantifizieren. Letzteres bringt uns meist nicht so viel. Das ist hier keine Experimentalwissenschaft.

cmdlightning

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #2 am: 25.11.2007 | 15:22 »
Hallo Boom,

danke für die Anmerkungen. Habe ne Viertelstunde Zeit und schreibe schnell meine Gedanken auf. GNS ist dann heute Abend dran.

Finde Deine Posts sehr erfrischend und spannend und danke Dir sehr herzliche! Hier schnell die Ausführungen:

Zitat
In der Rollenspieltheorie bemüht man sich außerdem erst einmal so weit wie möglich von konkreten Regelwerken unabhängig zu sein und teilt deshalb auch nicht in Spielleiter und Spieler ein, wenn das prinzipiell nicht nötig ist. Außerdem sind wir ja nur Theoretiker und wir können selten wirklich Versuche durchführen.
Theorien sind empirisch überprüfte und dabei nicht falsifizierte Hypothesen. Rollenspieltheorie als solche kann es also angesichts mangelnder Empirie gar nicht geben, sondern es existiert alleinig eine Hypothesenbildung. Die Trennung vom Regelwerk finde ich in Ordnung, die von Spielleiter und Spieler für unnötig und künstlich, da - ohne auf die Schnelle eine Definition geben zu wollen und zu können - SL und Spieler genuin unterschiedliche Aufgaben haben. Halte mich also an eine Systemunabhängigkeit, spreche aber im folgenden weiterhin von SL und Spieler.

Zitat
Wenn du also von einer "Massivität des Spielleitereingriffs" sprichst, dann muss ich da zwei Dinge anmerken. Erstmal handelt es sich einfach nur um den Eingriff eines Spielers in die Sphäre eines anderen, indem ihm Entscheidungen abgenommen werden (Definition von Railroading). Und außerdem kann man Massivität nicht messen. Man könnte zwar über Befragung o.ä versuchen zu operationalisieren, das tun wir aber nicht, weil wir das nie praktisch so genau feststellen könnten. Es reicht also erstmal einfach festzustellen ob ein Spieler einen Eingriff in seine Spähre empfindet oder nicht.
Noch einmal: Hypothesen und Theorien sollen beschreiben, erklären und vorhersagen. Wenn ich also "Massivität des Spielleitereingriffs" durch besagte Formel definiere, denke ich nicht zwangsläufig an eine Operationalisierung. Mir reicht es zunächst mal, in der Folge eine (in meinen Augen bessere) Beschreibung dessen zu liefern, was Spielleiterwillkür ist und wie dieses Konzept mit den bislang aus meiner Sicht unzureichend fundierten Begriffen "Railroading" und "Illusionismus" verknüpft werden kann. Dazu ein Beispiel aus der "echten" Wissenschaft: Wenn z.B. Herr Vroom definiert, dass Motivation das Produkt aus Valenz, Instrumentalität und Erwartung ist, dann denkt er auch nicht zuerst an eine Operationalisierung, sondern an eine Beschreibung und eventuell zusätzlich noch an eine Erklärung. Vrooms Motivationstheorie ist seit den 60ern weithin anerkannt, obwohl es meines Wissens keine nennenswerten Versuche gab, Valenz, Instrumentalität und Erwartung empirisch mit Motivation tatsächlich im Sinne einer Vorhersage oder konkreten Anwendung messbar zu machen.

Zitat
So kommt man auch zum Punkt Illusionismus. Wie schon mal gesagt ist das ein extrem kontroverses Thema. In der Kontroverse geht es in erster Linie darum wie Illusionismus zu bewerten ist (erlaubt oder nicht erlaubt).
Illusionismus ist nicht einfach nur "schwächeres" Railroading, vor allem da uns die Feststellung der Stärke ja nicht viel sagt. Illusionismus ist Railroading das nicht bemerkt wird. Das heißt es besteht aus zwei Komponenten einmal Railroading und einmal einer Verschleierung. Wäre diese nicht vorhanden würde der Spieler den Vorgang als Railroading empfinden.
Und eben das lässt sich, wie ich finde, deutlich eleganter über eine gemeinsame Skala regeln, die sich bei mir vorläufig "Massivität des Spielleitereingriffs" nennt. Ziel des Spielleiters muss es sein, etwaige Eingriffe so subtil wie möglich, aber so nachhaltig wie nötig vorzunehmen. Das beinhaltet, dass unbemerkte Eingriffe zwangsläufig besser sind als klar bemerkbare Eingriffe. Für den Rest siehe meine Ausführungen im Ursprungsthread.

Zitat
Erstens können wir das nicht feststellen (es ist möglicherweise auch gar nicht sinnvoll zu objektivieren) und zweitens ist mir wieder nicht klar wozu man das braucht.
Zu erstens: das muss nicht messbar sein, da es zweitens um Erkenntnis geht. Die Zusammenführung von Railroading und Illusionismus zu einer Skala samt Verbindung mit Spielleiterwillkür ist in meinen Augen eine Weiterentwicklung der bisherigen theoretischen Basis und insofern nützlich für die beschreibende Ausrichtung der Theorieentwicklung.

Zitat
Da ein ungerechtfertigter Einfluss generell zu vermeiden ist, sollte dieser völlig ausgeschlossen werden.
Klar.
Zitat
Die Massivität des Einspruchs auf einer reellen Skala irgendwie sinnvoll zu bewerten, ist ungefähr so aussichtsreich wie eine utilitaristische Universalethik zu schaffen.
Was man eventuell machen könnte ist die Massivität des Einspruchs an ihrer direkten Wirkung auf das Spiel zu klassifizieren. Man könnte etwa prüfen ob ein Einspruch so massiv ist, dass er stört, aber im Gesamtbild eines Spiels von anderen Faktoren ausgeglichen werden kann, ob er nicht ausgeglichen werden kann, oder ob er sogar zu einem Abbruch des Spiels führt.
Es geht mir auch gar nicht in erster Linie um Messbarkeit, sondern um die Beschreibung von Phänomenen.

Wird mein Anliegen klarer und verliert dabei nicht zugleich die Nützlichkeit?

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #3 am: 25.11.2007 | 16:02 »
Ok was Theorie angeht und ob wir hier wirklich Theorie machen, das ist ein anderes Thema, aber da solltest du dann vielleicht deinen Begriff von Theorie erweitern. Wir machen hier keine Wissenschaft. Deswegen sind auch deine meisten Ansätze nicht wirklich sinnvoll in meinen Augen, da du damit unsere Möglichkeiten etwas verkennst.
Alles was wir machen muss sich daran messen lassen ob es in Punkto Rollenspiel beim Überlegen, beim Spielen oder Designen irgend einen Nutzen hat oder haben kann. Irgendwelche Maßzahlen, deren Wert wir nie erfahren werden, fallen da also schon mal raus.

Aber mal weg von der Theorie der Theorie und zum eigentlichen Thema.

Wir kommen mit unseren unterschiedlichen Ansätzen zu ganz anderen Ergebnissen, darüber sollten wir lieber diskutieren:
Ziel des Spielleiters muss es sein, etwaige Eingriffe so subtil wie möglich, aber so nachhaltig wie nötig vorzunehmen. Das beinhaltet, dass unbemerkte Eingriffe zwangsläufig besser sind als klar bemerkbare Eingriffe.
Absolut nicht! Ziel muss es sein überhaupt keine Eingriffe mehr zu haben, sondern nur noch klar geregelte Kompetenzen aller Spieler inklusive des SL. Außerdem unterscheidest du weiterhin nur in zwei Fälle, was für mich noch lange keine reelle Skala rechtfertigt.
Ein Eingriff im Sinne des Railroading ist ein Bruch des Social Contract, der erwarteten Verhaltensweise der Gruppe. Der Sinn der Definition ist es nicht darzustellen wie ein SL seine Aufgabe als SL wahrnehmen sollte, sondern die Beschreibung eines Problemfalles. Unbemerkte Eingriffe sind nicht prinzipiell besser als bemerkte, weil sie Betrug darstellen.
Dieses Missverständnis ist zugegeben sehr verbreitet und führt auch zu den oben angesprochenen Kontroversen.
Man kann etwas das Railroading ähnelt, nämlich das anbahnen verschiedener Spielsituationen, als neutrale Technik betrachten und sich dann überlegen wie man diese am besten und effektivsten einsetzt. Das ist aber ein völlig anderes Thema, das im Prinzip nichts mit Railroading zu tun hat, eventuell aber mehr mit SL- oder Spieler-Willkür, denn Willkür ist ja erstmal nur eine freie Entscheidung für die man sich nicht rechtfertigen muss. Dann darf man aber diese Form der Willkür auf keinen Fall über Railroading definieren.

cmdlightning

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #4 am: 25.11.2007 | 17:18 »
Für mich ist es fraglos so, dass jegliches Spielleiterverhalten einen Eingriff in die Spielwelt darstellt. Das kann man nach meiner Ansicht weder leugnen noch wegdiskutieren.

Die entscheidende Frage ist: ab wann wird Spielleiterverhalten zum (negativ wahrgenommenen) Spielleitereingriff und wann zu Spielleiterwillkür. Das ist in meinen Augen die den Begrifflichkeiten Illusionismus, Railroading und "anbahnen verschiedener Spielsituationen" zugrunde liegende Kateogie und die ist kontinuierlich. Deshalb hatte ich vorgeschlagen, eine entsprechende Skala (die für jeden Spieler natürlich subjektiv ausfällt) einzuführen, die eben diese Massivität des Eingriffs misst.

Überschreitet die Summe der Eingriffe eine ebenfalls subjektive Schwelle, erscheint das Verhalten des Spielleiters als willkürlich. Das klärt nach meiner Ansicht elegant die bisher aufgeworfenen Fragen, integriert Railroading und Illusionismus und muss zudem nicht auf zusätzliche, in meinen Augen schlecht definierte zusätzliche Konstrukte (z.B. Gruppenvertrag) zurückgreifen.

Also eine konsistente, nützliche und ökonomische Hypothese. Oder?

Zudem:
Zitat
Alles was wir machen muss sich daran messen lassen ob es in Punkto Rollenspiel beim Überlegen, beim Spielen oder Designen irgend einen Nutzen hat oder haben kann. Irgendwelche Maßzahlen, deren Wert wir nie erfahren werden, fallen da also schon mal raus.
Aber um zu einer Nützlichkeit zu kommen, darf man doch auch mal die Grundannahmen überprüfen oder? Das sehe ich quasi als Grundlagenforschung zum Thema Rollenspiel an. Wenn wir bessere "theoretische" Grundlagen haben, läßt sichdaraus in der Konsequenz der bessere Nutzen ziehen, finde ich.

Offline Maarzan

  • Mythos
  • ********
  • Beiträge: 8.794
  • Username: Maarzan
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #5 am: 25.11.2007 | 17:27 »
Sind da nicht eher mehrere unabhängige Elemente bei beteiligt?

Wie oft greift der Spielleiter ein?

Wie stark/wichtig ist dieser Eingriff (Achtung Geschmackssache)

Wie offensichtlich ist dieser Eingriff?

Darf der das, sprich - weiß derSpieler davon und hat dies in irgend einer Form abgesegnet?

Ich denke, das läßt sich alles unabhängig beantworten und führt so zu verschiedensten Problembildern.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Dom

  • Stiftung Rollenspieltest
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.369
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dom
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #6 am: 25.11.2007 | 17:31 »
cmdlightning, ich glaube, du machst noch ein paar Fehler.

1. Die meisten Hypothesen in der RPG-Theorie sind nicht (im wissenschaftlichen Sinne) überprüft und daher natürlich immer noch Hypothesen. Die "Überprüfung" findet nur durch das Kramen im Erfahrungsschatz der Spieler statt, ist also sehr subjektiv.

2. Du blickst sehr "klassisch" auf die Rollenspiele. Die Rolle des Spielleiters ist keineswegs in allen Spielen gleich, es muss nicht mal einen Spielleiter geben! Um das unter einen Hut zu bekommen, abstrahiert man normalerweise und sagt: Alle Teilnehmer sind Spieler, die verschiedene Rollen ausfüllen. In vielen Spielen ist eine dieser Rollen ein Spielleiter.

3. Die Rolle des Spielleiters kann sehr unterschiedlich ausfallen. So bereitet beispielsweise ein Producer bei Primetime-Adventures keinen Plot vor, sondern regelt im Wesentlichen den Spielablauf und bestimmt, welche Szenen als nächstes gespielt wird. Außerdem nimmt er in Konflikten die Opposition ein.

4. Daher ist Railroading auch erstmal ohne jeglichen Rollenbezug definiert; auch als DSA-Charakterspieler könnte ich ja einfach erzählen "Dein Charakter zieht sich die Rüstung aus, weil ihm warm ist". Das wird nur niemand akzeptieren, weil ich kein Spielleiter bin, d.h. weil meine Rolle im Spiel dies nicht zulässt. Dem SL hingegen wird (um beim Beispiel DSA zu bleiben) die ultimative Kompetenz zugesprochen, weswegen solche Aussagen von den Spielern dann zähneknirschend hingenommen und als "schlechter SL-Stil" bezeichnet werden.
Bei Wushu dagegen wird meine Aussage "Dein Charakter zieht sich die Rüstung aus, weil ihm warm ist" wahrscheinlich von meinem Mitspielern akzeptiert. Dort kommt es eher drauf an, was ich dann draus mache. Ist es doof, dann wir der andere entweder ein Veto einlegen oder es als "schlechten Stil" bezeichnen.

5. Wie du siehst, ist das Ziel des SLs nicht unbedingt, eine Geschichte zu lenken und im geheimen irgendwie die Charaktere dahin zu kriegen, wohin sie sollen. Deswegen ist Illusionismus auch nicht weniger schlimm als Railroading, wobei RR immer bedeutet: "Ein unerwünschter Eingriff in die Kompetenzen eines anderen Spielers", d.h. der Spieler überschreitet die Kompetenzen, die ihm durch den Gruppenvertrag zugestehen. Illusionismus ist dasselbe, nur versteckt, so dass es die betroffenen Spieler nicht merken.

6. Ob der SL, wenn er versteckt die Charaktere lenkt, nun den Gruppenvertrag bricht oder nicht, ist genau der Unterschied Illusionismus und Partizipationismus. Nehmen wir wieder klassisches DSA-Spiel: Der SL hat einen vorbereiteten Plot, die Charaktere sollten diesem folgen. Also zieht der SL die Fäden so, dass die Spieler dahin gelenkt werden, sich so zu entscheiden, dass die Charaktere beim Plot bleiben. Das ist bei DSA so erwünscht, es gibt viele Tipps, die in diese Richtung gehen und eigentlich wissen alle Spieler, das SLs bei DSA sowas tun (z.B. heimlich Würfeln, um das Ergebnis auf die richtige Art zu fälschen). Das ist in diesem Fall kein Bruch des Gruppenvertrages, also auch kein Illusionismus.
Je auffälliger das Lenken wird, umso mehr fühlen sich DSA-Spieler normalerweise dadurch gestört, weswegen das dann als Railroading bezeichnet wird. In diesem Sinne hast du für eine bestimmte Sorte von Spielen Recht: Heimliches Lenken ist nicht so schlimm wie offenes Gängeln. Wobei ich auch einige kenne, die DSA wegen des vorgeschlagenen, heimlichen Lenkens nicht spielen, weil sie dies bereits als Bruch empfinden (das sind dann die, die von "Schummeln" sprechen).

Bei D&D beispielsweise würde mich das übrigens auch ankotzen, wenn ein SL sowas macht. Denn dort kommt es auf die Herausforderungen an, die ich ehrlich überwinden will!

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #7 am: 25.11.2007 | 17:50 »
Für mich ist es fraglos so, dass jegliches Spielleiterverhalten einen Eingriff in die Spielwelt darstellt. Das kann man nach meiner Ansicht weder leugnen noch wegdiskutieren.
Abgesehen davon dass das auch nicht stimmt, ist viel entscheidender dass es darum bei Railroading überhaupt nicht geht. Es geht dabei nur um den Eingriff in den Bereich, der laut Social Contract unter die Entscheidungsgewalt eines anderen Spielers fällt, ob nun direkt auf die Spielwelt bezogen oder nicht. Das heißt ganz einfach, wenn ein Spieler glaubt er könne etwas entscheiden, diese Entscheidung wird ihm aber abgenommen, dann haben wir eine Form von Railroading. Du kannst das meinetwegen auch SL-Willkür nennen wenn du damit glücklicher bist.

Das ist in meinen Augen die den Begrifflichkeiten Illusionismus, Railroading und "anbahnen verschiedener Spielsituationen" zugrunde liegende Kateogie ...
Eben nicht! Was den Begriffen Railroading und Illusionismus zu Grunde liegt ist eine Beschreibung für Brüche des Social Contract durch Kompetenzüberschreitung.

Wenn du meinst du kannst was besser definieren dann zeig doch was es mir nützt. Ich habe langsam das Gefühl du willst die gesamte Diskussion neu aufrollen, ohne zeigen zu können was es da neues geben soll. Gib mal ein Beispiel was man mit deinem Modell besser schöner oder eleganter erklären kann.

Und ansonsten: Was Dom sagt. :)
Wenn dir das absolut unbekannt vorkommt, dann musst du dich wahrscheinlich erstmal mit Grundlagen auseinandersetzen bevor du sie ändern willst. Du musst hier schon gegen eine gewisse Trägheit ankämpfen ;)
« Letzte Änderung: 25.11.2007 | 17:53 von Dr.Boomslang »

Offline Gaukelmeister

  • Aggressionsenthemmter Eierschlächter
  • Legend
  • *******
  • Herzkasper, Paddelgladiator, Atmo-Queen +1.
  • Beiträge: 4.088
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Gaukelmeister
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #8 am: 25.11.2007 | 18:04 »
Spielleiterwillkür bezeichnet eine Heftigkeit der Spielleitereingriffe, welche als Summe der Eingriffsmassivitäten den individuellen Schwellenwert eines Spielers überschreitet.

Je nachdem, wie Du "Eingriffsmassivität" ausbuchstabierst, bekommst Du ein Problem. Denn entweder meinst Du:

(i) die tatsächlichen Eingriffe des Spielleiters (unabhängig davon, ob die Spieler diese Eingriffe mitbekommen oder nicht)

oder Du meinst:

(ii) nur die von den Spielern bemerkten Eingriffe.

Im ersten Fall spielt der Begriff des Illusionismus keine Rolle mehr (da bei (i) das Wissen der Spieler ja explizit ausgeschlossen wird). Im zweiten Fall ist Illusionismus auf demselben Niveau wie "Zwangsfreiheit".

Das Problem ist also, dass Du entweder Illusionismus nicht mehr definieren kannst oder dass Illusionismus dasselbe ist wie Zwangsfreiheit. Beide Alternativen erscheinen Deinem Interesse entgehen zu stehen.
Who is Who  Enthüllungen, Halbwahrheiten und Eitelkeiten - der Mensch hinter der Maske

cmdlightning

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #9 am: 25.11.2007 | 20:00 »
Liebe Leute,

vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Insbesondere Doms Erläuterungen fand ich sehr hilfreich.

Mir scheint insgesamt leider, dass unsere Vorstellungen zu weit auseinanderliegen, um eine wirklich fruchtbare Diskussion führen zu können. Das liegt sicherlich zum einen daran, dass ich in der Tat vornehmlich über das rede, was hier "klassisches Rollenspiel" genannt wird und den überwältigenden Teil des Marktes (schätze jenseits 99% Umsatz und Spieler) ausmacht. Angesichts solcher Zahlen finde ich eine derartige Beschränkung sinnvoll, eine Betrachtung darüber hinaus nicht relevant (My Life with Master unter 1000 Stück verkauft im gesamten Produktlebenszyklus, Wushu in Deutschland unter 100 Spieler etc...).

Zum anderen wirkt sicher auch die genannte "Trägheit", durch die sich neue Gedanken zunächst mal recht mühevoll durcharbeiten müssen. Habe das versucht, aber völlig zu Recht lasst Ihr Euch erst einmal nicht die Butter vom Brot nehmen und hört erst einmal ganz genau hin. Hab ja nen paar Ausführungen hinterlassen und eventuell hats Euch ja auch zumindest bei Euren weiteren Überlegungen geholfen.

Spaß gemacht hats mir jedenfalls und ich danke ganz herzlich für diesen Thread.

Besten Gruß und bis zum nächsten Thema
Ralf
« Letzte Änderung: 25.11.2007 | 20:01 von cmdlightning »

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #10 am: 25.11.2007 | 21:38 »
Mir scheint insgesamt leider, dass unsere Vorstellungen zu weit auseinanderliegen, um eine wirklich fruchtbare Diskussion führen zu können. Das liegt sicherlich zum einen daran, dass ich in der Tat vornehmlich über das rede, was hier "klassisches Rollenspiel" genannt wird und den überwältigenden Teil des Marktes (schätze jenseits 99% Umsatz und Spieler) ausmacht.
Das ist natürlich eine extrem lahme Ausrede. Denn weder weigern wir uns über klassisches Rollenspiel zu reden, noch ergeben deine Ansätze vor dem Hintergrund unbedingt mehr Sinn.
Was ich aber sehr wohl verlange, ist das man sich mit den Themen auseinandersetzt über die man spricht. Dann könnten wir uns auch verstehen wenn es um noch so klassisches Rollenspiel geht.

Aber wenigstens siehst du ein wenn es keinen Sinn mehr macht in eine bestimmte Richtung zu argumentieren.

Offline Dom

  • Stiftung Rollenspieltest
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.369
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dom
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #11 am: 25.11.2007 | 21:39 »
@cmdlightning: Wie ich schon geschrieben habe, sind sogar innerhalb der klassischen Systeme die Funktionen der Spielleiter recht weit auseinander (DSA vs. D&D). Was bei DSA zum guten Ton gehört, ist bei D&D total daneben. Von daher kannst du dir ein System rausgreifen (eben z.B. DSA) und versuchen, SL-Willkür innerhalb dieses Systems zu betrachten. Das ist für die Spielerschaft dieses Systems eventuell hilfreich, keine Frage. Aber dann solltest du das auch dazuschreiben, wir können gerne versuchen, darüber zu reden.

Und was die Spieler-Anzahl angeht: Klar gibt es nicht so viele Spieler, die Indies und "abgefahrene Konzepte" spielen. Aber wenn du nur das Bekannte betrachtest, wirst du kaum weiter kommen. Mein Lieblingsbeispiel in diese Richtung ist der mathematische Fortschritt zur Zeit der Römer.

Offline Gaukelmeister

  • Aggressionsenthemmter Eierschlächter
  • Legend
  • *******
  • Herzkasper, Paddelgladiator, Atmo-Queen +1.
  • Beiträge: 4.088
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Gaukelmeister
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #12 am: 25.11.2007 | 22:01 »
@ cmdlightning
Ich finde es ein wenig unbefriedigend, dass Du Dich mit einem sehr globalen Argument aus einer Diskussion rauszieht, die Du selbst initiiert hast. Ich sehe nicht, dass Dein Einwand irgendetwas mit meiner begrifflichen Anmerkung zu tun hat. Da geht es nicht um irgendwelche Rollenspieltheorien, Regelwerke oder sonst was, sondern um eine Anfrage zur Konsistenz Deiner Begrifflichkeit. Vielleicht liege ich falsch, aber wenn Du eine Diskussion anfängst, finde ich es nur fair, wenn Du reagierst.
Who is Who  Enthüllungen, Halbwahrheiten und Eitelkeiten - der Mensch hinter der Maske

Joe Dizzy

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #13 am: 25.11.2007 | 23:20 »
Railroading macht als Begriff erst Sinn, wenn man vorraussetzt, dass es SL-Entscheidungen gibt, die nicht die Handlungsfreiheit der Spieler einschränken. Genauso wie es auch Spielerentscheidungen gibt, die die Handlungsfreiheit des SLs nicht einschränken.

In beiden Fällen bietet man dem jeweils anderen die Möglichkeit eine relevante Entscheidung zu fällen, in dem man bestimmte Dinge festlegt. Wenn der SL sagt: "tut was ihr wollt", dann kann keiner der Spieler eine relevante Spielhandlung ausüben. Es fehlen ganz einfach die Parameter. In einem Rollenspiel werden die Parameter für die eigene Spielhandlung (meistens) von anderen am Tisch gesetzt. In der Regel ist es der SL. Dieser darf, soll und muss gemäß der Regelvorgaben Entscheidungen fällen, damit die Spieler überhaupt eine Grundlage haben auf der sie dann spielen können.

Das findet bei jedem Rollenspiel so statt. Sogar die Freiformer arbeiten nach diesem Prinzip. Railroading ist eine Bezeichnung für Entscheidungen, die nicht mehr nur die Grundlage für die Handlungen der Spieler stellt, sondern diese Handlungen bereits vorrausgreift. Sei es, weil der SL alle Entscheidungen so dreht, dass sie seiner Vorstellung entsprechen; weil er gnadenlos alles blockt, was ihm nicht in den Kram passt oder weil er den Spielern Situationen bietet, die nur eine einzige sinnvolle Wahl lassen.

Es gilt also zu unterscheiden zwischen für das Spiel notwendige SL-Handlungen bzw. Entscheidungen und denen, die darüber hinausgehen und die Spieler in ihrer Rolle als Spielteilnehmer zurückdrängen. (Ich finde den Begriff Spielerentmachtung sehr gut um das zu beschreiben.) Das Ganze wird immens kompliziert, da die Grenze zwischen "für das Spiel notwendig" und "über den eigenen Entscheidungsbereich hinaus" von Spiel zu Spiel, von Gruppe zu Gruppe und (in ganz problematischen Fällen) von Spieler zu Spieler unterschiedlich sein können.


Offline Falcon

  • HvD
  • Titan
  • *********
  • Raise Your DICE !
  • Beiträge: 12.009
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tiamat
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #14 am: 25.11.2007 | 23:24 »
Georgies schrieb:
Zitat
In beiden Fällen bietet man dem jeweils anderen die Möglichkeit eine relevante Entscheidung zu fällen, in dem man bestimmte Dinge festlegt. Wenn der SL sagt: "tut was ihr wollt", dann kann keiner der Spieler eine relevante Spielhandlung ausüben.
Was meinst du mit "relevant"?
angenommen ein SL, der sehr gut improvisieren kann, sagt seinen Spielern  - tut was ihr wollt - und macht dann was draus. Dann ist, nach meinem Veständnis, jede ihrer Handlungen relevant.

Bei dir bezieht sich die Relevanz offensichtlich nicht auf einen erfolgreichen Abend. Worauf dann?
In dem Sinne wäre ja die Spielerhandlung die Vorgabe für die SL Entscheidung (und nicht andersherum wie bei der Spielleiterwillkür).

bei uns wartet man selten darauf das der SL Entscheidungen fällt damit wir eine Grundlage zum spielen haben. Eben eher andersherum.
« Letzte Änderung: 25.11.2007 | 23:27 von Falcon »
Roll and ROCK! GetSavaged!
             still counting: "... dieses EINE Mal stimme ich Falcon zu..."
hoch ist gut Sowas wie'n Blog

cmdlightning

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #15 am: 25.11.2007 | 23:27 »
@ Boom, Dom, Gaukel:

Will keinesfalls kneifen. Der Austausch scheint mir aber schlicht nicht vielversprechend genug, da wir nicht so recht weiterkommen- Liegt in meinen Augen an diversen Punkten, da wir nicht die gleiche Sprache sprechen, von anderen Voraussetzungen ausgehen, nur bedingt diskussionsbereit im eigentlichen Sinne sind (ich auch), partiell aneinander vorbeireden, keine direkte Kommunikation betreiben (im Forum können), durch Quereinschübe abgelenkt werden, (zu) schnell schreiben, ein wenig beharrend wirken und ich den Weg bis hierher bereits mühsam, wenn auch spannend fand. Habe eine Menge Anregungen erhalten, bin dafür sehr dankbar und hoffe, meinerseits ebenfalls ein wenig (und sonst zumindest zur Belustigung) beigetragen zu haben.

Würde mich freuen, mich mit Euch zu anderen Themen noch einmal austauschen zu dürfen. Aber für derlei theoretische Aspekte ist ein Forum für meinen Eindruck der falsche Ort. Gehe lieber zurück zu etwas rollenspielnäheren Diskussionen. Das ist die richtige Schwerpunktsetzung im richtigen Umfeld ;-)

EDIT: Kam noch Gaukels Post: Ein bisschen sehe ich mich natürlich durchaus in der Pflicht, da hast Du vollkommen recht. Deshalb hier noch mal anders formuliert.

Ich habe den dringenden Eindruck, dass eine Diskussion inklusive Meinungsbildung irgendwie in Foren für mich nicht befriedigend zu funktionieren scheint. Das mag für andere Leute anders sein und vielleicht erwarte ich zu viel oder bemühe mich zu wenig. Wenn eine Diskussion über solcherlei Rollenspielthemen fruchtbar ist, dann zweifelsohne hier. Aber ich hadere, da ich so wenig Fortschritte trotz Mühen erkennen kann. Das Aufwand-Ertragverhältnis ist einfach unbefriedigend. Irgendwie müsste es noch eine zwischengeschaltete Stelle geben, die Meinungen sammelt, editiert und in einen gemeinsamen Kontext setzt. So eine Art Peer Review. Das gibts aber nicht. Außerdem kann man die diversen Meinungen nicht bewerten, da sämtliche Empirie fehlt, der Bezugsrahmen der Diskutanten vollkommen verschieden ist, der professionelle Hintergrund vollkommen unklar und mutmaßlich extrem heterogen und zudem keine Literatur außer irgendwelchen fragwürdigen Internetquellen existiert. Ich weiß es nicht. Seid Ihr denn zufrieden mit dieser Diskussion bis hierher gewesen (abgesehen davon, dass Ihr meine Ideen für mittleren bis völligen Quatsch haltet)? Habe halt grundsätzlich mit dieser Kommunikationsform so meine Probleme und vermute, dass eher intellektuelle Themen vielleicht in einem Forum schlicht falsch aufgehoben sein könnten. Bewußtseinsstrom Ende ;-)


Und nochn EDIT: Geht mir wirklich nicht um Kritik. Arbeite selbst wissenschaftlich und von mir wurden zu anderen Gelegenheiten schon mehr Artikel deftig kritisiert oder abgelehnt als auf jede Kuhhaut geht. Bei Ablehnungsquoten jenseits der 90% lernt man neben Fachlichem vor allem Einstecken ;-) Bin zwar gegen einen unsachlichen Ton sehr allergisch, den gab es aber hier nicht oder wenn, dann nur in freundlich ironischem bis zu leicht paternalistischem Ton. Bewegte sich alles locker im Rahmen und geht aus meiner Sicht sehr in Ordnung.
« Letzte Änderung: 25.11.2007 | 23:40 von cmdlightning »

Joe Dizzy

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #16 am: 26.11.2007 | 00:23 »
Was meinst du mit "relevant"?
angenommen ein SL, der sehr gut improvisieren kann, sagt seinen Spielern  - tut was ihr wollt - und macht dann was draus. Dann ist, nach meinem Veständnis, jede ihrer Handlungen relevant.

Relevant ist vermutlich etwas irreführend. Gemeint war eine Entscheidung, die ein gewisses Gewicht trägt und für das Spiel von Bedeutung ist. Kurz: eine Spielerhandlung, die nach den Vorgaben der Spielsituation gefällt wurde und nicht einfach nur frei in den Raum gesprochen wurde.

Ohne Vorgaben - keine Spielerhandlung, sondern einfach nur Erzählung.

In den meisten Fällen gibt der SL ja diese Vorgaben (Wo sind die Charaktere? Was gibt es da alles? Was kann man da machen? usw.). Erst wenn die Spieler sich mit diesen Vorgaben auseinandersetzen, entsteht ein Spiel.

Offline Purzel

  • Spielt jeden Scheiß
  • Hero
  • *****
  • Würfel-Fetischist & Besser-Spieler
  • Beiträge: 1.308
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Purzel
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #17 am: 26.11.2007 | 08:55 »
Ansonsten würde ich mich freuen, wenn Du mal kurz irgendwo etwas über Dich erzählst. Z. B. welchen Rollenspielbackground Du hast und was Du sonst so für wissenschaftliche Sachen machst. Ich hab Dir ja bereits im anderen Thema die Links zu meinem 'Rollenspielkram' gegeben. :-)

Was Wheels will ist, daß du ins Who is Who-Board schreibst, wer du bist, wo du dich bislang versteckt hast, was zu vorhast, etc.

 MfG, Purzel

cmdlightning

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #18 am: 26.11.2007 | 09:28 »
Danke für den Tip. Verstanden und umgesetzt!

Offline Falcon

  • HvD
  • Titan
  • *********
  • Raise Your DICE !
  • Beiträge: 12.009
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tiamat
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #19 am: 26.11.2007 | 15:07 »
@georgies: ok, demnach hat natürlich jeder RPG Abend seine Vorgaben und Spieler sind immer eingeschränkt. Sonst sitzt man in einem Luftleeren Raum. Das stimmt natürlich.

Nur finde ich dies Ansicht nicht zweckdienlich. Niemand (Ausnahmen rausgenommen) spielt in einem Luftleeren Raum aber in der Praxis will man ja trotzdem noch die Runden unterscheiden die im Grunde frei Spielen, also ohne Vorgaben, weshalb es zweckmäßig ist bestimmte Dinge einfach rauszunehmen (wie spielwelt z.b. )

sonst ists wieder ne Fachwortkiste die in der Praxis nichts bringt
Roll and ROCK! GetSavaged!
             still counting: "... dieses EINE Mal stimme ich Falcon zu..."
hoch ist gut Sowas wie'n Blog

Offline Dom

  • Stiftung Rollenspieltest
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.369
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dom
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #20 am: 26.11.2007 | 15:16 »
Falcon, das Wörtchen "relevant" ist sicherlich hier nicht Kern der Sache und muss im Zusammenhang gesehen werden. Das hat mit Fachwort nix zu tun, sondern nur um die Bedeutung im Kontext.

Offline Falcon

  • HvD
  • Titan
  • *********
  • Raise Your DICE !
  • Beiträge: 12.009
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tiamat
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #21 am: 26.11.2007 | 15:23 »
Das Fachwort bezog sich eher auf die Spielleiterwillkür.

Wenn ein Rollenspieler einem anderen sagt seine Runde spiele ziemlich frei ohne Spielleiterwillkür wird der andere aufgrund diverser Hobbykonventionen wissen was damit gemeint ist.

Wenn dann ein Schlaumeier ankommt und ihnen erzählt in all ihren Runden wären die Spieler aber eingeschränkt, zeigen sie ihm doch den Vogel.

Nicht weil sie nicht verstehen warum, denn er hat ja Recht. Sondern weil die Betrachtung absolut unpraktikabel ist.

Das geht in dieselbe Sparte wie "alles was man tut ist Rollenspiel". Weshalb es auch aufgrund diverser Schlaumeier immer wieder zu Diskussion kommt wenn diese nicht akzeptieren wenn jemand sagt Hack'n Slay sei für ihn kein Rollenspiel. Obwohl JEDER weiss was damit gemeint ist.

wenn es noch irgendwie anwendbar sein soll machts imho halt keinen Sinn zu genau auf etwas zu schauen.

cmdlightnings Willkürmeßlatte mag schon stimmen. Nur wird der Nullpunkt eben nie erreicht (absolut keine Vorgabe) weshalb die Community schon von ganz alleine einen zweckmäßigen Nullpunkt trotz diverser Vorgaben gesetzt hat (die z.b. Spielwelt beinhaltet). Es macht also keinen Sinn daran jetzt herumzudoktorn weil es sich ja bewährt. Die Leute können sich damit gut verständigen.

« Letzte Änderung: 26.11.2007 | 15:31 von Falcon »
Roll and ROCK! GetSavaged!
             still counting: "... dieses EINE Mal stimme ich Falcon zu..."
hoch ist gut Sowas wie'n Blog

Joe Dizzy

  • Gast
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #22 am: 26.11.2007 | 18:25 »
Falcon, ich stimme dir ja teilweise zu. Mein Ausflug ins Land der Relevanz sollte nur erklären, weshalb ich es für unsinnig halte Railroading nur als Einschränkung der Spielfreiheit zu beschreiben. Wir stimmen ja beide überein, dass es irgendeine Einschränkung geben muss. Man spielt ja in der Tat nicht im luftleeren Raum.

"Railroading" hat als Begriff eine ganz spezifische Bedeutung und Funktion. Damit wird eine Einschränkung der Spielerfreiheit beschrieben, die als negativ/falsch/unangebracht/regelwidrig/(hier wort deiner Wahl einsetzen) empfunden wird.

Deshalb sind Behauptung wie "ein wenig Railroading braucht man ja immer" oder "es gibt auch gutes Railroading" einfach irreführend oder schlichtweg falsch. Es kommt nicht darauf an, dass ja "jeder irgendwie versteht was gemeint ist". Du gehst davon aus, das jeder der das liest von alleine den richtigen Kontext sieht in dem der Satz gemeint ist. Du solltest aber lange genug schon Internetdiskussionen verfolgt haben, um zu wissen, dass das utopisch gedacht ist.

Railroading oder SL-Willkür bezeichnet halt nicht den großen Topf an Handlungen, die der SL im Spiel ausübt. Die beiden Begriffe sind für spezielle, das Spiel untergrabende Handlungen reserviert. Wenn man sich das nicht klar macht, wird man ständig im Kreis rennen wenn man versucht zu fassen wo Spielerfreiheit aufhört und SL-Zwang anfängt.

Offline Falcon

  • HvD
  • Titan
  • *********
  • Raise Your DICE !
  • Beiträge: 12.009
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Tiamat
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #23 am: 26.11.2007 | 20:54 »
achso, gut. Bei dem Begriff Railroading stimme ich dir zu.
Im Grunde ist das ja auch ein guter Beleg. Es wird vorgeschlagen eine Bedeutung dafür zu erfinden, die in der Community schon ganz bestimmte Assoziationen weckt, die man aber sicher nicht kategorisieren kann, weil es zu speziell ist.

Eben wie ein Eigenname.

also Zustimmung. Die Kritik bezog sich auch eher auf eine direkte Unterhaltung, bzw. auf die Berücksichtigung derselben. Im Forum muss man natürlich vorsichtiger bei der Formulierung sein, das ist klar, da gebe ich dir völlig Recht. Das ist aber kein Grund, hier für den Threadstarter z.b., völlig an der im RL genutzen begriff vorbei zureden bzw. ihn neu zu definieren. Ich bin mir nämlich sicher das Railroading für cmdlightning sicher ein Begriff ist, das einfachste wäre also gewesen ihn einfach aus der Realen Welt (nur genauer beschrieben) in ein Forum zu übernehmen. Aber hier versucht man eben wieder mal hinein und hindurch zu lesen und zu strukturieren. Imho geht das aber nicht immer weil es so chaotisch ist.
Das passiert bei der "theoretisierung" von im Hobby benutzen Begriffen nämlich gerne mal. Die sind aber größtenteils nunmal schon belegt. Und zwar sehr speziell, schwammig, auf direkte Kommunkation und Intuition ausgelegt. Aber sie funktionieren halt da draussen, damit muss man sich auch im Foren abfinden.
Sonst erzeugt man eine Subkultur... hust. hust. Rollenspieltheorie.. hust...ich denke, das meintest du sicher auch.


Wobei man glaube ich kein RPG Phänomen als grundsätzlich negativ einstufen kann. Zumindest nicht, wenn es nach festen Vorgaben funktionieren soll (und das tut Railroading ja, sofern ich das verstehe).
Und da muss ich sagen, daß ich auch schon Spieler erlebt habe, die mit Railroading, bei der sich eine Runde typischerweise schrecklich aufregt und langweilt, auf einmal Spass haben.
Dann finde ich es blöd zu sagen:
"joa, in der Runde, die es nicht mag war es Railroading aber in der anderen, die exakt dasselbe gespielt hat ist es kein Railroading mehr, denn die hatten ja Spass."

Da würde der Begriff nur am Effekt festgelegt statt am Inhalt (was cmd lightning und viele andere versuchen) aber viel besser ist das auch nicht.

Railroading = schlecht ist imho eine Mär, die nur im Internet verbreitet wird, es gibt aber viele Rollenspieler die sagen "joa, komme ich mir klar, so ein bisschen ist ok". Ist zwar nicht wissenschaftlich aber die Leute können kommunizieren. Ich hab das nie anders kennengelernt bis die RPG-Foren stark wurden (und damit auch die Mißverständnisse und umständlichem Diskussionen).
Und das ist eben genau der Effekt den ich meine. Ignorierung der tatsächlichen Benutzung.
« Letzte Änderung: 26.11.2007 | 21:07 von Falcon »
Roll and ROCK! GetSavaged!
             still counting: "... dieses EINE Mal stimme ich Falcon zu..."
hoch ist gut Sowas wie'n Blog

Offline Haukrinn

  • BÖRK-Ziege
  • Mythos
  • ********
  • Jetzt auch mit Bart!
  • Beiträge: 11.763
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: haukrinn
Re: Spielleiterwillkür Revised
« Antwort #24 am: 26.11.2007 | 21:20 »
Sowas wie Gandalf?
What were you doing at a volcano? - Action geology!

Most people work long, hard hours at jobs they hate that enable them to buy things they don't need to impress people they don't like.