Autor Thema: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign  (Gelesen 8708 mal)

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Offline 1of3

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Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« am: 16.12.2007 | 16:22 »
Hi.

Ich blogge ja regelmäßig über Rollenspieldesign und Rollenspieldesigntheorie. Ich dachte präsentiere das hier nochmal gesammelt.

Ich ignoriere bewusst alles, was für das Design von Spielen nicht gebraucht wird.


Zunächst brauchen wir einige Begrifflichkeiten zur Funktion des Spiels:


Vorstellung / Fiktion / Gemeinsamer Vorstellungsraum: Die Spieler stellen sich beim Rollenspiel etwas vor. Dieses gemeinsame sich vorstellen, ist Kern des Rollenspiels.

Werte: Rollenspiele können Werte benutzen. Werte sind eine Sammlung von Variablen, die nummerische, alpha-nummerische, boolsche oder auch weniger greifbare Belegungen haben können.


Dies sind die beiden "dinglichen" Bestandteile eines Spiels. Darüber hinaus gibt es die prozessuralen. Zentral ist dabei der Begriff der Regel, der sich aber direkt schlecht fassen lässt.

Ich benutze einen Umweg:

Technik: Jedes Vorgehen, dass die Spieler absichtsvoll mit einer bestimmten Zielsetzung anwenden.

Techniken können sein:

- Einen SL haben, um den den Protagonisten Herausforderungen in den Weg zu setzen.
- Das Licht dimmen, um eine gruselige Atmosphäre zu erzeugen.
- Würfeln, um den Erfolg bestimmter Charakterhandlungen zu bestimmen.
- Einen Teilnehmer über die Vorhaben seines Charakters frei entscheiden lassen, um ihm ein besseres Einfühlen zu ermöglichen.

Es sind unbegrenzt viele Techniken denkbar, aber alle müssen bewusst sein. Das bedeutet also insbesondere, dass wenn ein Autor Techniken in seinem Spiel vorschlägt, er sich klar sein muss, was man damit erreichen soll.


Eine Regel ist nun eine Technik, auf deren ständige / regelmäßige  Anwendung sich die Gruppe geeinigt hat.

Für bestimmte Techniken besteht offenbar eine größere Wahrscheinlichkeit sie zur Regel zu erklären als für andere, aber grundsätzlich sind wir als Designer frei jede beliebige Technik als Regel vorzuschlagen. Zwingen können wir die Spieler so oder so nie etwas als Regel zu verwenden.


Ein Technik nenne ich nun mechanisch, wenn sie auf die Werte zugreift, sie auslesen lässt oder beeinflusst. Ist eine mechanische Technik auch eine Regel, spreche ich von einem Mechanismus.

Wie verhalten sich nun Werte und Fiktion zu einander? Sie müssen dies grundsätzlich gar nicht tun, wie man z.B. an Spielen wie Pool oder SEUCOR sieht.

Wenn Beziehungen bestehen, sind die Modell-Beziehungen. Es werden also bestimmte Werte benutzt, um als Modell für Elemente der Vorstellung zu dienen.

Es ist dabei völlig willkürlich, welche Elemente und wie sie modelliert werden. Dies sieht man vor allem, an Spielen, wo auch im fertigen Spiele diese Willkürlichkeit noch erhalten ist, wie z.B. bei Capes. Dort ist die einzige Möglichkeit der Modellierung ein Element der Vorstellung zu einem "Charakter" zu machen.

Was das ist ist völlig egal. Man kann die X-Men als Charakter bauen oder auch Gambit und Rogue oder auch die Beziehung zwischen Gambit und Rogue. Man kann auch alle vier Charaktere gleichzeitig in der Szene haben (oder nach Belieben nur einen einzelnen.)

Nun sehen zwar die meisten Spiele vor, dass bestimmte Elemente auf bestimmte Weise modelliert werden doch sind dies Vorgaben des Designers. Der Designer selbst ist frei, was er wie modellieren will.



Wie funktioniert nun Rollenspiel? Rollenspiel ist zunächst die Manipulation der Vorstellung. Dies funktioniert auf mehreren Wegen:

- Ein Spieler macht ein offenes Angebot, das dann in der Gruppe (modifziert) angenommen oder abgelehnt wird.

- Der Spieler ist oder wird durch eine Regel ermächtigt, bestimmte Dinge in der Vorstellung frei zu ändern.

- Es wird ein Mechanismus angewendet, aus dessen Anwendung schon bestimmte Vorstellungsinhalte resultieren. Solche Mechanismen heißen informativ.

- Die letzte Möglichkeit ist ein zweistufiges Verfahren: Ein Mechanismus angewedet, um aus möglichen Entwicklungen, die die Gruppe oder einzelne Teilnehmer vorher festgelegt haben, eine auszuwählen. Dies ist als Stake Resolution bekannt.


Offene Angebote sind dabei grundsätzlich immer möglich. Die Erfolgschancen eines offenen Angebotes steigen, wenn die Glaubwürdigkeit der Vorstellung gewahrt bleibt und wenn das Angebot in einer Weise vorgebracht wird, die häufig benutzen Techniken (insbesondere also Regeln) ähnelt.

(Auch die soziale Stellung in der Spielgruppe damit zu tun, aber das interessiert uns als Designer nicht.)

Natürlich können diese Varianten beliebig kombiniert werden und werden das für gewöhnlich.



Wie entscheidet jetzt ein Designer aber darüber, welche Regeln er in seinem Spiel vorschlagen soll? Zunächst kann man erkennen, dass Rollenspiele folgende Fundamente beinhalten oder beinhalten können:

Spielstil: Welche Handlungen sollen die Spieler während des Spiels ausführen? Inwiefern kooperieren und konkurrieren sie? Gibt es verschiedene Arten der Spielteilnahme?

Core Story: Was tun die Protagonisten? Welche Handlungselemente kommen im Spiel immer wieder vor?

Hintergrund: Die Welt in der die Handlung spielen soll.


Dabei muss logischer Weise jedes Spiel einen Spielstil vorsehen. Core Story und Hintergrund sind optional, aber es führt häufig zu Problemen, wenn man zwar Hintergrund, aber nicht Core Story vorsieht.


Ein aufgeklärter Designer wird nun versuchen seine Regeln an Hand der Fundamente zu auszuwählen und zu begründen.

Dabei dienen Regeln dazu den Spielstil explizit zu machen, das Spiel auf die Core Story hinzulenken, und den Hintergrund zu veranschaulichen.

Ggf. wird der aufgeklärte Designer erklären, wie sich aus den Fundamenten Regelvorschläge ergeben. Tut er dies nicht und zeigt sich der Zusammenhang nicht von allein, ist dies ein Grund das Spiel als schlecht zu bezeichnen.

Kinshasa Beatboy

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #1 am: 16.12.2007 | 16:49 »
Hm, vielleicht hilft Dir bei Deinem Modell ein Definitionsversuch von Setting und Regelwerk in diesem Post: http://tanelorn.net/index.php/topic,29809.msg720286.html#msg720286

So könntest Du nach meiner Einschätzung Deine Begrifflichkeiten Werte, Regel und Mechanismus als eine gemeinsame Facette von Technik zusammenfassen. Den Rest verstehe ich irgendwie nicht so richtig. Vermutlich sind die Ausführungen in Deinen Blogs deutlich umfassender  ;)

Offline 1of3

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #2 am: 16.12.2007 | 16:59 »
Du ich hab das Thema wohl gelesen. Und nein, das hilft alles nicht. Ich brauch auch keine Hilfe. Du kannst mir Fragen stellen oder Kritik üben, Hilfe brauch ich nun wirklich nicht.

Ein

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #3 am: 16.12.2007 | 17:40 »
Ich sehe nicht wo dein "pragmatisch" herkommt. Wie immer bei der Untersuchung von Design ist auch hier die Theorie von der Praxis gelöst. Ich sehe nicht, wo mir diese "Theorie" einen konkreten Ansatz beim Design geben sollte.

Offline 1of3

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #4 am: 16.12.2007 | 17:43 »
Pragmatisch, weil sie sich nur mit dem selbstgewählten Gegenstand, dem Rollenspieldesign, beschäftigt, anders als andere Ansätze, die sich eben z.B. für das Sozialverhalten der Spieler interessieren, auf das ein Designer keinen Einfluss hat.

Offline Gaukelmeister

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #5 am: 16.12.2007 | 19:01 »
Vieles von dem, was Du schreibst, finde ich überzeugend. Allerdings würde mich ganz allgemein interessieren, was genau Du mit der Theorieskizze vorhast. Wenn ich den Begriff der pragmatischen Designtheorie richtig interpretiere, willst Du letztlich auf handfeste Orientierungshilfen für Designer hinaus. Dieses Ziel ist aber bisher nur in Ansätzen erreicht, da klare Handlungsanweisungen für den Designprozess fehlen. Du stellst fest, dass ein Designer sich bestimmte Dinge klar machen sollte und seine Entscheidungen begründen können sollte. Aber das ist eine wenig konkrete Unterstützung. (Diese Anmerkung ist eher als Hinweis darauf zu verstehen, was ich beim weiteren Ausbau der Überlegungen noch erwarten würde.)

Nun würde ich gerne noch einige Anmerkungen machen oder Nachfragen formulieren:

(i) Du definierst Technik unter anderem als etwas Bewusstes. Bewusstheit als notwendige Bedingung für das Vorliegen einer Technik erscheint mir aber eine zu starke Voraussetzung zu sein. Zumindest im alltäglichen Sinne lassen sich Techniken auch unbewusst verwenden. Aufs Spiel bezogen: Ein SL, der in Actionsituationen lauter und schneller spricht und in gruseligen Situationen seine Stimme senkt, mag dies tun, ohne es sich bewusst zu machen. Natürlich könnte er sich dies relativ leicht bewusst machen, wenn man ihn darauf hinweist. - Vielleicht erläuterst Du einfach, wieso Du Bewusstheit als notwendige Bedingung ansiehst.

(ii) Lediglich eine Erbsenzählerei: In Deiner Technikdefinition sprichst Du davon, dass jedes absichtsvolle Verhalten "mit einer Zielsetzung" Technik ist. Im Kontext ist allerdings klar, dass es nur um Verhalten geht, dass unmittelbar den Spielprozess betrifft (also nicht etwa die Pizzabestellung). Diesen Zusatz würde ich, bevor Du das Ganze in wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlichst, hinzufügen.  ;) (spielt für unsere Diskussion hier keine Rolle)

(iii) Folgende These verstehe ich nicht:

Wie verhalten sich nun Werte und Fiktion zu einander? Sie müssen dies grundsätzlich gar nicht tun, wie man z.B. an Spielen wie Pool oder SEUCOR sieht.

Deine Beispiele helfen mir mangels einschlägiger Kenntnisse leider nicht weiter. Und inhaltlich erscheint mir Deine These auf den ersten Blick falsch. Wie muss ich mir Werte vorstellen und was muss ich mir unter Fiktion vorstellen, damit sich Werte und Fiktion nicht zueinander verhalten? Es wird Dich vielleicht nicht verwundern, dass ich davon ausgehe, dass die Fiktion von Werten (im Verein mit Regeln) inhaltlich mitbestimmt wird. Wenn es hier also um Werte geht, mit denen irgendwelche Bereiche der Fiktion näher bestimmt werden sollen, kann es keine Unabhängigkeit geben. Was genau heißt dann aber, dass die beiden sich nicht zueinander verhalten müssen?

(iv) Deine Formulierung, dass Regeln den Hintergrund veranschaulichen müssen, verstehe ich nicht. Meinst Du damit, dass die Regeln so funktionieren sollten, dass die Dynamik des Spielprozesses (also die Gestaltung der gemeinsamen Fiktion) sich kohärent in den Hintergrund einfügt? In diesem Fall würde ich nicht von veranschaulichen sprechen, sondern vielleicht davon, dass die Regeln dem Hintergrund angemessen sein sollten. (es gibt sicherlich noch geschicktere Formulierungen)

Du merkst, dass ich eher auf Kleinigkeiten eingehe. Dies liegt, wie eingangs gesagt, daran, dass ich viele Deiner Begriffsbestimmungen und systematischen Überlegungen gut nachvollziehen kann. Falls mir noch etwas Grundsätzlicheres auffällt, werde ich es nachreichen.
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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #6 am: 16.12.2007 | 19:45 »
Zitat
Wenn ich den Begriff der pragmatischen Designtheorie richtig interpretiere, willst Du letztlich auf handfeste Orientierungshilfen für Designer hinaus. . Dieses Ziel ist aber bisher nur in Ansätzen erreicht, da klare Handlungsanweisungen für den Designprozess fehlen.

Man kann natürlich ganz viele handwerkliche Ratschläge erteilen, wie z.B. keine Ressourcenstrohmdoppelungen einzubauen, das WuShu-Verbrechen zu meiden usw. Das hier Vorliegende ist nur der gröbste Rahmen.


TOP (i):

Zitat
Vielleicht erläuterst Du einfach, wieso Du Bewusstheit als notwendige Bedingung ansiehst.

Gute Frage, ich überlege grade und mir scheint: Als Designer kann ich nur vom rationalen Spieler ausgehen. Klar müssen meine Regeln von möglichst Menschen anwendbar sein. Rechnen jenseits von 20 lass ich also nach. Und natürlich muss ich versuchen, mein Werk möglichst deutlich zu schreiben, so dass es auch verstanden wird.

Aber alles, was ich in ein Rollenspielbuch schreiben kann und dann auch so angewendet wird, kann nur über die bewusste Schiene laufen. Vielleicht hätten die Spieler das unbewusst sowieso gemacht. Fein. Vielleicht haben sie meine Techniken sogar verstanden, schaffen es aber nicht. Dann kann ich nicht mehr verlangen. Vielleicht haben sie die Technik auch verstanden, finden sie blöd und machen was Anderes. Dann ist das auch OK.

Es bleibt, allein auf bewusster Ebene kann ich wirken. Ich kann mit meinen Vorschlägen nur mit Dingen konkurrieren, die die Spieler bewusst tun. Alles andere ist mir verschlossen und ich muss es nicht betrachten.



TOP (ii): Jo. Hast Recht.


TOP (iii): SEUCOR ist ganz leicht nachzulesen. http://1of3.blogspot.com/2006/09/schnell-einfach-universal.html
SEUCOR hat in der cinematischen Ausführung für jeden Spieler einen Wert. Nämlich die gesammelten W8. Die sind aber nicht Modell für irgendetwas in der Vorstellung.

Pool gibts auch kostenlos unter: www.randomordercreations.com/rpg.htm
Da hat jeder Spieler einen Pool von Würfeln, der auch nicht Modell für Dinge in der Vorstellung ist.


TOP (iv): Nein, ich meine, die Regeln sind Medium für den Hintergrund. (Vielleicht hätt ich die Formulierung wählen sollen.) Wenn die Regeln sagen: "Du kannst einen Magier spielen.", heißt das, dass es in der Welt Magier gibt.

Wenn die Regeln mich dazu animieren für meinen Charakter einen Geburtstag auszuwürfeln und ich dann feststelle, dass ich am 13. Travia geboren bin, wird mir auf diese Weise vermittelt, dass es einen Monat gibt der Travia heißt. (Und mit etwas weiterer Nachforschung, dass Travia eine Göttin ist.)

Natürlich sind die Regeln nicht alleiniges Medium, aber wenn ich schon diesen Hintergrund fest einplane, wäre blöd diesen Kanal nicht zu nutzen.
« Letzte Änderung: 16.12.2007 | 19:47 von 1of3 »

Offline Gaukelmeister

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #7 am: 16.12.2007 | 20:01 »
Alles klar. Deine Erläuterungen zur Bewusstheit sind mit Blick auf den Desingprozess natürlich klar. Ich würde nur aus der Definition von Technik die Bewusstheit rauslassen. Für den Designer ist es ja gleich, ob Techniken auch unbewusst zur Anwendung kommen können. Darauf kann er sich nicht verlassen bzw. das kann er nicht beeinflussen. Alles, was er machen kann, ist - wie Du zu Recht feststellst -, Techniken anzubieten, die dann von den Spielern bewusst genutzt werden können.

Das mit den Werten hilft mir auch weiter. Wenn ich Dich richtig verstehe, weist Du darauf hin, dass es möglicherweise Werte geben kann, die nicht unmittelbar auf die Fiktion wirken, sondern bspw. Erzählrechte, die Organisation des Spielprozesses etc. betreffen - das leuchtet ein. (die Links schaue ich mir bei Gelegenheit an)
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Offline 1of3

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #8 am: 16.12.2007 | 23:01 »
Zitat
Ich würde nur aus der Definition von Technik die Bewusstheit rauslassen.

Das geht nicht. Technik heißt übersetzt Kunstfertigkeit. Dann muss ich mir auch einen anderes Wort suchen. Wäre ne Überlegung wert, aber sowohl die Forgianer arbeiten mit diesem Begriff als auch die Finnen im Process Modell mit der äquivalenten Bezeichnung "Methode". Mal gucken.


Zitat
Wenn ich Dich richtig verstehe, weist Du darauf hin, dass es möglicherweise Werte geben kann, die nicht unmittelbar auf die Fiktion wirken, sondern bspw. Erzählrechte, die Organisation des Spielprozesses etc. betreffen - das leuchtet ein.

Ich sage sogar noch mehr. Ich sage: Diese Unverbundenstand ist der Urzustand. Beziehungsweise erst, wenn dies als Urzustand annimmt - das ist ja ein Gedankenkonstrukt -, kann man vernünftig Rollenspiele bauen, weil man erst dann wirklich frei ist, sich die Modell-Beziehungen zu wählen, die für das Spiel wirklich gut sind.

Offline Gaukelmeister

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #9 am: 16.12.2007 | 23:26 »
Das geht nicht. Technik heißt übersetzt Kunstfertigkeit. Dann muss ich mir auch einen anderes Wort suchen. Wäre ne Überlegung wert, aber sowohl die Forgianer arbeiten mit diesem Begriff als auch die Finnen im Process Modell mit der äquivalenten Bezeichnung "Methode". Mal gucken.

Das verstehe ich nun nicht. Ich habe nicht vorgeschlagen, den Begriff der Technik wegfallen zu lassen, sondern die Definition unabhängig vom Begriff der Bewusstheit zu definieren. Techniken sind auch ohne Bewusstheit genau das, was Du mMn brauchst - nämlich Mittel zu bestimmten Zwecken.

Ich sage sogar noch mehr. Ich sage: Diese Unverbundenstand ist der Urzustand. Beziehungsweise erst, wenn dies als Urzustand annimmt - das ist ja ein Gedankenkonstrukt -, kann man vernünftig Rollenspiele bauen, weil man erst dann wirklich frei ist, sich die Modell-Beziehungen zu wählen, die für das Spiel wirklich gut sind.

Das hatte ich bisher noch nicht so verstanden. Insofern bin ich Dir dankbar für diese Klärung. Allerdings sehe ich noch nicht, dass die von Dir unterstellte systematische Abhängigkeit besteht. Wieso braucht man diesen Urzustand? Falls Du irgendwann in der Diskussion die Zeit findest, diesen Urzustand genauer zu beschreiben und zu erläutern, wieso er das systematische Fundament fürs Design darstellt, würde ich mich sehr freuen. (Mir ist schon klar, dass bspw. Erzählrechte von elementarer Bedeutung fürs Rollenspiel[-design] sind. Aber wieso können Werte und Regeln, die unmittelbar die Fiktion betreffen, erst designt werden, wenn Erzählrechte verteilt sind? - Du merkst, ich hab's noch nicht ganz klar vor Augen.)
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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #10 am: 16.12.2007 | 23:51 »
Man kann das schon zusammen erdenken. Kein Problem, das passiert natürlich auch normalerweise so.

Aber wenn die Werte nicht unabhängig von der Vorstellung existierten, könnte ich sie nicht betrachten ohne die Vorstellung zu betrachten. Das kann ich aber und das ist ungemein wichtig so.

Stell dir vor, du nimmst Siedler von Catan, ignorierst alle Schäfchen und Lehmziegel und schreibst A, B, C, D auf die Ressourcenkarten und Sechsecke. Dann hast du nur die Werte ohne die (natürlich primitive) Vorstellung und kannst dann analysieren, ob sich die Werte sinnvoll verhalten. Bei Siedler ist das natürlich trivial, da hätte man die Schafe lassen können, bei Rollenspielen muss man die Leute teilweise drauf stoßen.

Nehmen wir mal ein klassisches Rollenspiel, wo es die Fertigkeit Schwertkampf und die Fertigkeit Töpfern gibt. Wenn ich jetzt die Begriffe "Fertigkeit", "Schwert" und "Töpfern" ignoriere, habe ich zwei Werte s, t aus einer Klasse F. Ich lass die Bezeichnungen jetzt mal da, weils sonst Kacke zu lesen wird.

Ich stelle also fest, dass ich töpfern, wenns hoch kommt, einmal am Abend würfle, Schwertkampf aber in jedem Kampf (Kampf-Sein ist ein boolscher Wert von Szenen) mehrere Dutzend mal und manipuliere dabei irgendwelche anderen Werte, die ich mal "LP des Gegners" nenne.

Ich stelle also fest: s und t sind mechanisch nicht äquivalent. Jetzt brauch ich echt gute Gründe, die in die gleiche Klasse F zu tun.


Zitat
Ich habe nicht vorgeschlagen, den Begriff der Technik wegfallen zu lassen, sondern die Definition unabhängig vom Begriff der Bewusstheit zu definieren.

Das geht nicht. Technik kommt von techné und das ist auf jeden Fall bewusstes Handeln und kein reflexhaftes Hundgebell. Mathematiker meinen zwar immer, man könnte definieren, was man wollte, das ist aber praktisch Unfug.

Das wär der gleiche Nonfug, den Kinshasa Beatboy in dem anderen Thema anstellen wollte, wo er einfach mal frei Schnauze Regel definiert.
« Letzte Änderung: 16.12.2007 | 23:54 von 1of3 »

Offline Dr.Boomslang

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #11 am: 17.12.2007 | 04:51 »
Technik heißt übersetzt Kunstfertigkeit. [...]aber sowohl die Forgianer arbeiten mit diesem Begriff als auch die Finnen im Process Modell mit der äquivalenten Bezeichnung "Methode".
Wobei der Begriff "Technik" von Forge ziemlich schlampig und auf jeden Fall anders definiert wurde. Deine Definition finde ich dabei sinnvoller. Ich nehme mal an in "die Spieler wenden an" ist das Lumpley Prinzip schon enthalten?
"Absichtsvoll" und "auf's Spiel bezogen" finde ich ansonsten die wichtigen Elemente, wobei zu klären wäre was denn "auf's Spiel bezogen" eigentlich ist.

Regel würde ich einen Hauch anders definieren, nämlich als die unter allen Spielern explizit gesetzten Techniken (auf die sie sich also beziehen können und damit ihre Credibility für ihr individuelles Vorgehen daraus schöpfen). "Ständige Anwendung" ist mir zu missverständlich (was ist "Anwendung"? was ist "ständig"?) und "regelmäßig" ist mir dann bei einer Regel auch etwas zu tautologisch.

Ansonsten passt alles in mein Weltbild (das ich dir dann bei Gelegenheit mal genauer erläutere ;D ).

Offline 1of3

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #12 am: 17.12.2007 | 09:15 »
Zitat
Deine Definition finde ich dabei sinnvoller. Ich nehme mal an in "die Spieler wenden an" ist das Lumpley Prinzip schon enthalten?
"Absichtsvoll" und "auf's Spiel bezogen" finde ich ansonsten die wichtigen Elemente, wobei zu klären wäre was denn "auf's Spiel bezogen" eigentlich ist.

Das lumpley-Prinzip habe ich eliminiert. Du findest ja auch nirgendwo das Wort "System".

Nein, selbstverständlich basiert alles Rollenspiel auf Konsens, aber der Systembegriff würde mir das ganze Konzept zerschießen. Wenn alles, was die Spieler tun, System ist, kann der Designer nichts tun, weil er eben nur ganz bestimmtes Tun der Spieler beeinflussen kann.

Damit der Designer arbeiten kann, muss es unsystematisches Handeln geben.

Offline Dr.Boomslang

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #13 am: 17.12.2007 | 14:57 »
Das lumpley-Prinzip habe ich eliminiert.
So lange es nur das gute "eliminiert" ist und nicht das böse ;)

Damit der Designer arbeiten kann, muss es unsystematisches Handeln geben.
Naja, es muss nur Handeln geben das der Autor auf bestimmte Weise beeinflussen kann und welches das er eher nicht beeinflussen kann, der Autor also quasi als eine Art Mitspieler. Ich verstehe aber warum du diesen Umweg hier nicht gehst. Aus meiner Sicht wäre das aber eine einfache Ergänzung zur bisherigen Theorie.

Offline Gaukelmeister

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #14 am: 17.12.2007 | 17:47 »
@ 1of3
Zwischenzeitig dachte ich, dass Du auf Werte hinauswillst, die nicht unmittelbar die Fiktion beeinflussen (weil sie sich auf Erzählrechte oder Ähnliches beziehen). Dein Beispiel zeigt aber nun, dass Du Dir Werte (und Regeln), die in einem Regelset vorkommen, völlig losgelöst von den durch sie repräsentierten Inhalten anschauen willst, um so etwas wie ihre "innere Logik" oder vielleicht besser ihre strukturellen Eigenschaften zu verstehen. Das kann man natürlich tun. Sobald man Werte und Regeln auf ihre mathematischen Eigenschaften reduziert, hat man keine Semantik.

Meinst Du mit der Metapher vom Urzustand nun, dass Werte und Regeln zunächst immer als mathematische Entitäten verstanden werden müssen, denen man dann einen repräsentationalen Gehalt zuordnet?

Falls ich Dich jetzt einigermaßen richtig verstanden habe, würde mich interessieren, anhand welcher Grundsätze Du (mathematischen) Modellen eine repräsentationale Funktion zuordnen würdest. Dazu steht, soweit ich das sehe, noch nichts Konkretes in Deinem Eingangspost. Aber mMn könntest Du hier viel Gutes tun, wenn Du Designern dabei hilfst, die Zusammenhänge von mathematischer Modellierung und der dadurch repräsentierten Bereiche der Fiktion besser zu verstehen, und Vorschläge unterbreiten könntest, wie man sinnvoller Weise Modelle für bestimmte Fiktionen entwickelt.

Das geht nicht. Technik kommt von techné und das ist auf jeden Fall bewusstes Handeln und kein reflexhaftes Hundgebell. Mathematiker meinen zwar immer, man könnte definieren, was man wollte, das ist aber praktisch Unfug.

Auch wenn es für Dein Anliegen von nachgeordneter Bedeutung ist, will ich noch einmal antworten. Zwei Dinge sollte man auseinander halten: Jemand kann bewusst handeln, ohne dass ihm dabei alles, was er tut, bewusst ist. Man reduziert Handeln nicht auf reflexhaftes Hundegebell, wenn man darauf hinweist, dass sich ein Handelnder in seinen intentionalen Vollzügen nicht vollständig transparent ist. Der SL in meinem Beispiel handelt selbstverständlich intentional - er redet ja mit seinen Spielern. Aber der Einsatz unterschiedlicher Stimmlagen, der Wechsel im Sprechtempo etc. erfolgt, ohne dass er darüber nachdenkt - er ist sich also dessen nicht bewusst, obwohl er bewusst handelt. (Das hängt damit zusammen, dass man Handlungen unterschiedlich beschreiben kann.)

EDIT: Warum muss es unsystematisches Handeln geben, damit der Designer arbeiten kann?
« Letzte Änderung: 17.12.2007 | 17:49 von Gaukelmeister »
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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #15 am: 17.12.2007 | 18:58 »
Zitat
Zwischenzeitig dachte ich, dass Du auf Werte hinauswillst, die nicht unmittelbar die Fiktion beeinflussen (weil sie sich auf Erzählrechte oder Ähnliches beziehen). Dein Beispiel zeigt aber nun, dass Du Dir Werte (und Regeln), die in einem Regelset vorkommen, völlig losgelöst von den durch sie repräsentierten Inhalten anschauen willst,...

Sag ich mal: Beides.


Zitat
Meinst Du mit der Metapher vom Urzustand nun, dass Werte und Regeln zunächst immer als mathematische Entitäten verstanden werden müssen, denen man dann einen repräsentationalen Gehalt zuordnet?

Ja.


Zitat
Falls ich Dich jetzt einigermaßen richtig verstanden habe, würde mich interessieren, anhand welcher Grundsätze Du (mathematischen) Modellen eine repräsentationale Funktion zuordnen würdest. Aber mMn könntest Du hier viel Gutes tun, wenn Du Designern dabei hilfst, die Zusammenhänge von mathematischer Modellierung und der dadurch repräsentierten Bereiche der Fiktion besser zu verstehen, und Vorschläge unterbreiten könntest, wie man sinnvoller Weise Modelle für bestimmte Fiktionen entwickelt.

Ich kann betrachten, wie man Werte sinnvoll miteinander interagieren lässt. Genauso man sich beim Malen über Kontraste unterhalten kann. (Zu diesem Thema sollte man sich die Notation anschauen, die John Kirk in den Design Patterns entwickelt hat. Die ist nicht perfekt, aber schon mal ganz nett.)

Aber diese Prinzipien dann mit irgendwelchen Entitäten zu verbinden, ist der künstlerische Teil. Da Ratschläge zu erteilen wäre wie jemandem zu sagen, welches Motiv er nehmen soll.


Zitat
EDIT: Warum muss es unsystematisches Handeln geben, damit der Designer arbeiten kann?

Kennst du das lumpley-Prinzip - also insbesondere die Formulierung und der Grund, warum diese Formulierung getätigt wurde?
« Letzte Änderung: 17.12.2007 | 19:00 von 1of3 »

Offline Gaukelmeister

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #16 am: 17.12.2007 | 19:48 »
Kennst du das lumpley-Prinzip - also insbesondere die Formulierung und der Grund, warum diese Formulierung getätigt wurde?

Dass Du meine Frage mit einer Gegenfrage beantwortest, ist hoffentlich sachdienlich  ;) Ich kenne das Lumpley-Prinzip in der Definition des Glossars sowie dessen Ausdeutung in einigen anderen Kontexten. Zu meinen Fragen rund ums Lumpley-Prinzip (das ja im Glossar nicht als Prinzip, sondern als Definiton von System daherkommt), äußere ich beizeiten an passender Stelle (also nicht in diesem Thread). Ich kenne weder die Begriffsgeschichte noch die Gründe von Lumpley, warum er sein "Prinzip" Prinzip und nicht etwa Systemdefinition genannt hat - und auch die Gründe für die genaue Formulierung kenne ich nicht (vermute aber, dass er geglaubt hat, die Sache so am besten auf den Punkt bringen zu können).
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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #17 am: 17.12.2007 | 20:45 »
OK. Es begab sich so, dass die These "System does matter." immer wieder zitiert wurde. Gemeint war mit System natürlich das, was die meisten Rollenspieler unter System verstehen: Die Regeln.

Das lumpley-Prinzip ist jetzt in gewisser Weise eine clevere Antwort auf dieses... Motto: System ist, was die Leute tatsächlich tun. Es handelt also mehr um eine augenzwinkernden Augenöffner. Klar: Regeln, die im Buch stehen, aber nicht benutzt werden, sind egal. Daraus resultiert auch die im Forge-Jargon übliche Gegenüberstellung:

- Rules stehen im Buch.
- System ist das, was die Leute tun.

Und system does matter.



Lumpleys Systembegriff führt aber in letzter Konsequenz dazu, dass alles beobachtbare Verhalten Teil des Systems ist. Nicht nur, was wohlüberlegt getan wird. Nicht mal nur das, was wiederholt getan wird. Alles. Und das System ist auch schon immer so gewesen, wir konnten nur nicht sehen, dass es so ist.

Da ist auch wieder das Problem mit Definitionen, das ich oben angesprochen habe. Hier wird das Wort "System" für etwas völlig Unsystematisches gesetzt. Natürlich aus verständlichen Gründen, um eben dieses Wortspiel zu spielen, aber wenn man zu Ende gespielt hat, kann man ja - so denk ich - wieder richtig reden.

Unabhängig davon will ich das aber nicht haben. Wenn die Spieler einen Wurf ignorieren, will ich nicht, dass sich ein Aspekt des Systems (also eigentlich der Regeln) zeigt, der noch nicht bekannt war, sondern das die Regeln für diesen Moment außer Kraft gesetzt wurden.

Offline Fredi der Elch

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #18 am: 17.12.2007 | 23:13 »
Lumpleys Systembegriff führt aber in letzter Konsequenz dazu, dass alles beobachtbare Verhalten Teil des Systems ist. Nicht nur, was wohlüberlegt getan wird. Nicht mal nur das, was wiederholt getan wird. Alles.
Ich weiß nicht, wo du das her hast. So sehe ich das nämlich nicht (und das Glossary ist da nicht wirklich eindeutig). IMO ist das "System" die Sammlung von expliziten und impliziten Techniken, die die Gruppe verwendet.

Und dementsprechend kann der ignorierte Wurf eine Technik sein (z.B. "wir ignorieren das, wenn das Ergebnis nicht cool ist"), die wir noch nicht kannten, muss es aber nicht. Jedes Verhalten kann das Indiz für eine solche implizite Technik sein, muss es aber nicht.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #19 am: 17.12.2007 | 23:18 »
Lumpleys Systembegriff führt aber in letzter Konsequenz dazu, dass alles beobachtbare Verhalten Teil des Systems ist. Nicht nur, was wohlüberlegt getan wird. Nicht mal nur das, was wiederholt getan wird. Alles. Und das System ist auch schon immer so gewesen, wir konnten nur nicht sehen, dass es so ist.
Ich weiß nicht wie letztlich und konsequent diese letzten Konsequenzen sein müssen, aber alle Konsequenzen die ich da sehe führen nicht dazu dass "alles beobachtbare Verhalten" Teil des Systems ist.
Gib's zu, du möchtest gerne das System ein sinnloser Begriff ist, damit du was besseres definieren kannst und Lumpley nicht den ganzen Ruhm abstaubt. ;D

Unabhängig davon will ich das aber nicht haben. Wenn die Spieler einen Wurf ignorieren, will ich nicht, dass sich ein Aspekt des Systems (also eigentlich der Regeln) zeigt, der noch nicht bekannt war, sondern das die Regeln für diesen Moment außer Kraft gesetzt wurden.
Tollerweise verbietet dir das Lumpley Prinzip das ja auch gar nicht, denn Regeln sind ja eben nicht System, wie du schon sagst. Wenn du Regeln so definierst wie ich oben, dann ist das gar kein Problem.

Ich verstehe auch nicht warum wir in einer besseren Welt leben wenn "Regeln" und "System" Synonyme sind.
Und was das Wort System angeht, du bist doch Lateiner, also brauche ich dir wohl nicht sagen woher das Wort System kommt. Etwas systematisches ist eine Gesamtheit aus Teilen, etwas zusammengestelltes oder zusammen Wirkendes, und das ist exakt das was da beschrieben werden soll, das Zusammenwirken von Spielern. Nur das dir das aus irgend einem Grund nicht gefällt, den ich nicht nachvollziehen kann.

Offline pharyon

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #20 am: 18.12.2007 | 10:58 »
Schöner Thread, in der Tat.

@ Gaukelmeister und 1of3: Ich glaube in dem Punkt "Bewusstheit" redet ihr momentan ein wenig aneinander vorbei. Wenn ich 1of3 richtig verstanden hab, ist eine "Technik" immer bewusst, da ich sie im "Regelwerk" aufschreiben kann. Wenn ein SL diese dnn liest, lenkt er also seine Aufmerksamkeit auf sie - macht sie sich "bewusst". Diese Technik kann er später auch anwenden, ohne große Aufmerksamkeit auf sie zu lenken - also quasi "unbewusst". Da sie aber auf jeden Fall bewusstseinsfähig ist (kann formuliert, besprochen und aufgeschrieben werden), geht die Definition so erst mal in Ordnung. Um zu dem Beispiel zu kommen: Der Spielleiter, der in spannenden Situationen die Stimme senkt und andere spielförderliche (oder auch -hinderliche) Maßnahmen ergreift, kann dies bewusst oder unbewusst tun - was davon der Fall ist kann der Designer nicht direkt beeinflussen.
Immerhin: Dadurch, dass ich solche "Techniken" zumindest erwähne, kann sich ein SL zumindest mal darüber Gedanken machen.

@alle: Wenn es solche Abstraktionen gibt, die mir zum Beispiel beim Ausbalancieren von Spielelementen helfen, gibt es doch bestimmt auch bestimmte Voraussetzungen, wie dies "gut" erreicht wird, oder? In dem Fall würde mich interessieren, welche ihr kennt.
Am Beispiel: Welche Möglichkeiten gibt es denn, töpfern und Schwertkampf gegeneinander auszutarieren? Bisher fällt mir nur die Steigerungskostentabelle aus DSA4 ein (was mir eine ausgewachsene Gänsehaut einbringt - aber ich weiche ab, sorry). Spontan könnte ich mir noch denken, dass ich fürs töpfern evtl. einen anderen (zusätzlichen) Bonus zuweisen müsste.

Ideen?
^^
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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #21 am: 18.12.2007 | 20:31 »
Ich weiß nicht, wo du das her hast. So sehe ich das nämlich nicht (und das Glossary ist da nicht wirklich eindeutig). IMO ist das "System" die Sammlung von expliziten und impliziten Techniken, die die Gruppe verwendet.

Implizite Techniken kenn ich nicht. Über sowas muss ich nicht reden.

Etwas systematisches ist eine Gesamtheit aus Teilen, etwas zusammengestelltes oder zusammen Wirkendes, und das ist exakt das was da beschrieben werden soll, das Zusammenwirken von Spielern. Nur das dir das aus irgend einem Grund nicht gefällt, den ich nicht nachvollziehen kann.

Das lumpley-System ist nicht systematisch, sondern systemisch. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung. Mit systemischen Dingen muss ich nicht beschäftigen.



@alle: Wenn es solche Abstraktionen gibt, die mir zum Beispiel beim Ausbalancieren von Spielelementen helfen, gibt es doch bestimmt auch bestimmte Voraussetzungen, wie dies "gut" erreicht wird, oder? In dem Fall würde mich interessieren, welche ihr kennt.

Ich hab dazu ein neues Thema aufgemacht.

Offline Fredi der Elch

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #22 am: 18.12.2007 | 20:44 »
Implizite Techniken kenn ich nicht. Über sowas muss ich nicht reden.
[...]
Mit systemischen Dingen muss ich nicht beschäftigen.
Du bist echt ein ganz cooler Macker... ::)
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #23 am: 18.12.2007 | 20:58 »
Das lumpley-System ist nicht systematisch, sondern systemisch. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung. Mit systemischen Dingen muss ich nicht beschäftigen.
Komm schon... Ich zwinge dich nicht dich mit irgendwas zu beschäftigen, du tust es aber indem du den Begriff kritisierst, was aber völlig unangebracht ist.
Ob was systemisches oder systematisches gemeint ist wenn man von System spricht ist ja wohl erstmal egal und liegt auch nicht zwingen in dem Begriff "System". Darüberhinaus ist mir auch gar nicht wirklich klar welchen Unterschied du da meinst. Wikipedia sagt mir das Systematik eine Form der Klassifikation ist (was ich auch so sehen würde), dabei geht es um Abgrenzung und Ordnung, und das macht man auch mit dem Lumpley-System, man grenzt das Verhalten der Spieler in dem sie sich auf Fiktion einigen vom anderen ab. Ein System im Sinne der Systemtheorie ist ein Etwas aus Teilen mit einer eigenen (emergenten) Eigenschaft, auch das trifft auf das L-System zu (wenn du das mit systemisch meinst).

Diese ganze Begriffskritik ist daher verfehlt. Dass du dich mit bestimmten Aspekten nicht beschäftigen möchtest sei dir ja zugestanden, das können wir uns merken.

Joe Dizzy

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Re: Pragmatische Theorie zum Rollenspieldesign
« Antwort #24 am: 18.12.2007 | 23:56 »
Du bist echt ein ganz cooler Macker... ::)

Das geht also nicht nur mir so? Da bin ich ja beruhigt.