Okay, ihr habt es so gewollt, jetzt kommt der Vortrag zum Thema Bass Playing.
Der Unterschied fängt schon bei der Charaktererschaffung an. Wenn ihr Spieler habt, die sowieso Charaktere spielen, die „so ausgelegt sind, dass das Ende nicht feststeht“, um es mal mit Rohajas Worten zu sagen, dann seid ihr auf dem richtigen Weg.
Viele Spieler sind es aber gewohnt und kennen es nicht anders, Charaktere zu erschaffen, die möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Ist ja auch klar, sollten diese Charaktere doch jeden noch so blöden Auftrag annehmen, für einen Sack voll Silber ein Höhlensystem oder eine alte Ruine auszuräuchern. D.h. sie durften nichts, wirklich nichts Wichtigeres zu tun haben. Oder in den DSA-Publikationen spätestens seit DSA3 sollten sie dann in eine vorgescriptete Geschichte verwickelt werden und den großen NSCs dabei helfen, die Welt zu retten. Auch dafür war es nur hinderlich, wenn die Charaktere irgendwelche eigenen Interessen und Pläne hatten.
Wenn man aber eine Story haben will, die sich aus den Handlungen der Charaktere ergibt, und nicht eine Story, die passiert, egal was die Charaktere machen... dann braucht man Charaktere mit Plänen. Charaktere mit Zielen. Charaktere mit Vergangenheit. Charaktere mit Beziehungen zu anderen Charakteren und zu NSCs. Waren solche Dinge vorher der Story im Weg, sind sie jetzt der Stoff, aus dem die Story gemacht wird.
Dabei empfiehlt es sich sehr, dass sich die Spieler ein wenig über die Charakterkonzepte abstimmen und ggf. der SL gewisse Vorgaben macht. Kommt euch dieses Szene bekannt vor:
SL: Gut, ihr sitzt in diesem Wirtshaus in Grangor...
Geweihter: Quatsch, ich bin im Tempel.
Thorwaler: Und ich werd mich hier nicht öffentlich blicken lassen, ich suche heimlich ein Schiff nach Prem.
Zwerg: Ich will Met!
Krieger: Ich gehe zu Bett, weil ich morgen früh nach Vinsalt reiten will.
SL: Nein, denn euch alle hat ein Schreiben eines gewissen Myster Iöser Auftraggeber erreicht, worin...
Mit einer solchen Gruppe hat der SL gar keine andere Chance als Railroading, um sie in derselben Story zu halten. Wenn man auf Railroading verzichten will, muss man die Charaktere von Anfang an miteinander verknüpfen. Selbst dann sollte man sich aber darauf einstellen, dass man relativ viele Einzelszenen spielen wird, wenn man wirklich auf die Story-Interessen der Spieler eingehen will. Ist kein Beinbruch: Wenn man die Szenen nicht ewig in die Länge zieht, sondern beizeiten schneidet, und den Mitspielern Kommentare und Vorschläge bis zu einem gewissen Grad erlaubt, und auf so Sachen wie „vor die Tür gehen“ verzichtet, dann spielen trotzdem alle
Spieler die ganze Zeit mit und haben Spaß, selbst wenn nicht alle
Charaktere in jeder Szene dabei sind.
Und was ist jetzt deine Rolle als SL? Nun, zunächst mal nimmst du das, was die Spieler dir an Material geben, und verknüpfst es mit deiner Ausgangsidee. Dann arbeitest du diverse NSCs aus, die Berührungspunkte mit den SCs haben, gibst diesen NSCs Pläne und Ziele und gestaltest das ganze so, dass interessante Konflikte entstehen und eine Konfrontation unausweichlich ist. Im Optimalfall zielen diese Konflikte auf diejenigen Themen, die die Spieler interessieren. (Wenn nicht anhand der Charakterkonzepte klar ist, welche Themen sie interessieren: Fragen kostet nichts.)
Sagen wir mal, du hast eine Idee für ein paar coole NSCs und ein abgefahrenes Komplott in Fasar. Das hast du den Spielern gesagt, daher sind ihre Charaktere alle Einwohner von Fasar. Einer ist vielleicht wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bann-Akademie, ein anderer dient vielleicht dem Kor-Tempel. Vielleicht haben wir dazu noch eine junge, ehrgeizige Einbrecherin und einen alternden Novadi-Stammeskrieger, der mit seiner Familie im Novadi-Viertel lebt. Jeder von ihnen hat Leute in Fasar, die ihm was bedeuten. Familie. Freunde. Feinde. Liebhaber. Und hoffentlich haben sie auch schon Beziehungen zueinander. Vielleicht ist die Einbrecherin die Halbschwester des Kor-Tempeldieners und die uneheliche Tochter des Novadis. Damit wäre die Mutter der beiden schon mal ein NSC, auf den du großes Augenmerk legen würdest. Unser Bann-Akademiker hat vielleicht viel für seine Dissertation im Kor-Tempel recherchiert und sich so mit dem Tempeldiener angefreundet. Er könnte natürlich auch in die Tochter des Novadis verliebt sein. Oder sein Vater könnte mit dem Novadi zusammen auf Abenteuer gezogen sein. Höhlen ausräuchern für eine Handvoll Silber.
All das nimmst du, verknüpfst es mit deinem Komplott und gestaltest anhand dessen die NSCs – deine, die du schon im Kopf hattest, und diejenigen, die sich aus dem Hintergrund der Charaktere direkt oder indirekt ergeben. Dazu kommen die maßgeschneiderten Konflikte. Der wissenschaftliche Mitarbeiter ist vielleicht ein Feigling: Du wirst Dinge in Gefahr bringen, die ihm wichtig sind, und er wird zeigen müssen, aus welchem Holz er wirklich geschnitzt ist. Der Kor-Diener hat es sich vielleicht mit seiner großen Liebe verdorben: Sie wird in das Komplott verwickelt und braucht seine Hilfe; kann er seinen Fehler wieder gutmachen? Die Einbrecherin will unbedingt nach oben: Sie bekommt die Chance dazu, aber dafür müsste sie jemanden verraten, den sie liebt. Der Novadi pflegt eine alte Fehde mit einem anderen alternden Stammeskrieger: Beide kriegen Probleme mit dem gleichen Feind und müssen zusammenarbeiten.
Hier zu Anfang brauchst du ein paar gute Ideen, aber wenn du die Spieler die Vorarbeit machen lässt und dir ein gutes Setting als Inspiration dient, geht das fast von alleine. Wenn du die NSCs und die Konflikte erst einmal fertig hast, wird dein Job sehr einfach: Du spielst Bass. Du gibst den Grundrythmus vor. Die NSCs machen irgendwas, was die Charaktere in Zugzwang setzt. Dann lehnst du dich zurück und lässt die Spieler reagieren (das wäre dann das Gitarrensolo oder der Gesang oder was auch immer). Du nimmst das auf, spiegelst es und spielst den Rhythmus weiter, spielst einfach nur deine NSCs. Du lässt sie reagieren, wie sie eben reagieren würden, lässt sie ihre Pläne verfolgen und treibst die Konflikte weiter auf die Spitze. Du beurteilst die
Konsequenzen der Handlungen der Charaktere, und aus diesen Konsequenzen entsteht die Geschichte. Wenn deine Konflikte gut sind, wird es eine interessante Geschichte, egal wie sich die Spieler entscheiden.
Natürlich brauchst du ein bisschen Gespür, um zu beurteilen, wann du Öl ins Feuer gießen musst und wann es vielleicht besser ist, ein bisschen vom Gas zu gehen. Bestenfalls setzt du außerdem die richtigen Schnitte, um langweilige Szenen zu überspringen und gleich da weiter zu machen, wo es wieder interessant wird.
Durch die Zuspitzung und Auflösung der Konflikte entsteht ein Spannungsbogen, wie man ihn aus Romanen und Filmen kennt. Zwar wird die Handlung nicht so ausgefeilt, die Dramaturgie nicht so geschliffen und aus einem Guss sein wie bei einem gut gerailroadeten Plot. Aber dafür wird jeder Spieler seinen Beitrag dazu geleistet haben, und du als SL wirst den Luxus genießen, vom Ausgang der Geschichte genauso überrascht zu sein wie die Spieler.
Klingt schwer? Gutes Bass Playing ist nicht ganz einfach. Aber immer noch viel einfacher als gutes Railroading.