Ich bin jetzt erst einmal von einer traditionellen Wirtschaft ausgegangen da du nichts anderes angesprochen hast. Möchtest du denn eine andere haben?
Naja, so eine happy-go-lucky "Jeder nimmt sich einfach, was er mag" Pseudowirtschaft à la Star Trek soll es nicht werden. (Da könnte es ja auch keinen Handel geben und so weiter.) Aber eben auch keine Sklaverei nach "libertärem" Strickmuster. Da ja bekanntlich jede SF mit den persönlichen politischen Ansichten des Autors beladen ist, hier mal meine: (Exkurs, kann übersprungen werden)
Ich halte es nämlich schlicht für unmöglich, dass aus einem System, in dem nur auf kurzfristigen Profit ohne Rücksicht auf die Konsequenzen wert gelegt wird, sich eine fortschrittliche Raumfahrergesellschaft entwickeln kann. Da beisst sich nämlich der Neokapitalismus in den Schwanz: einerseits ist man auf Wachstum angewiesen, andererseits will man den Motor des Wachstums, nämlich die Werktätigen, nicht an den Früchten des Wachstums teilhaben lassen. Das zeigt sich heutzutage z.B. darin, dass Konzerne mit zehnstelligen Gewinnen unbekümmert zehntausende Angestellte rausschmeißen, um ihren Gewinn von 1 Milliarde auf 1.1 Milliarden zu steigern. Das kann auf Dauer nicht funktionieren, da die Konzerne ihre Konsumentenbasis in den Ruin treiben.
Ich sage bewusst "Neokapitalismus", obwohl es das früher auch schonmal so ähnlich gab. Denn dazwischen gab es mal eine Phase, ich sage mal so 50er Jahre, als sowohl Kapitalismus als auch kollektive Teilhabe hervorragend zusammengepasst haben. Zu der Zeit ging es z.B. den US-Amerikanern so gut wie nie, man hatte eine sehr breite Mittelschicht, die Leute gingen arbeiten, hatten Häuser und Autos und Gefrierschränke (das war damals ja was Neues) und so weiter. Heute sieht das schon ganz anders aus; in den USA ist die Armutsquote so hoch wie in keinem anderen westlichen Industrieland, während sich The Man die Taschen immer weiter vollstopft und noch ein paar Rentenfonds plündert. Wie gesagt, so wird es nicht mehr lange weitergehen - das System muss sich ändern, oder alles bricht zusammen.
Und aus diesem Grunde glaube ich, dass langfristig nur eine Wirtschaft der Teilhabe funktionieren und zu dem von uns gewünschten Techlevel führen kann. Aber: der Teufel wird immer auf den größten Haufen scheißen. Es ist also durchaus denkbar, dass traditionell starke Regionen (z.B. Westeuropa) mit Genuss und ohne Hemmungen schwache Regionen (wie z.B. Afrika) als billigen Ressourcenlieferanten ausnutzen. Die Produktion hingegen werden die reichen Länder aus protektionistischen Gründen bei sich verankern.
Sollte die meiste Arbeit tatsächlich von Robotern verrichtet werden, müsste das so geregelt sein, dass das durch den Roboter gesparte Geld nicht bei irgendeinem Konzern verbleibt, sondern an diejenigen verteilt wird, denen der Roboter die Arbeit abnimmt. Denn Roboter konsumieren nicht. Das ist jetzt natürlich nur ein ganz einfaches und schematisches Modell.
Übrigens, a propos Roboter: es wird bei mir keine Androiden in dem Sinne geben. Roboter als relativ autonome Maschinen, vielleicht. Aber keine künstlichen Intelligenzen à la Asimov oder Star Wars (und erst recht nicht Data).
Das Umsiedeln geht ja eigentlich da Raumflüge bei dir spott billig sind. [...] Eine Kolonie zu gründen ist nicht gerade billig.
Die Betriebskosten der Raumflüge sind relativ gering, das stimmt. Aber die Schiffe sind teuer und müssen sich amortisieren. Im Moment sehe ich das Problem vor allem darin, genügend Lift (Spediteursdeutsch für: Transportkapazität) für die ganzen Aussiedler, die Ausrüstung, Vorräte etc. zur Verfügung zu stellen.
Es ist halt eine Frage nach der gewünschten Stimmung. Sind es Pioniere oder ist es der letzte Ausweg?
Sicherlich teils-teils, obwohl ich rein gefühlsmäßig sagen würde, mehrheitlich eher Pioniere. Die rein wirtschaftlichen Fragen mal außen vor gelassen, stelle man sich mal die Erde in 500 Jahren vor:
Globale Erwärmung - allein in den nächsten 100 Jahren soll die Durchschnittstemperatur je nach Rechenmodell um 2-5°C ansteigen. Damit ist es aber noch nicht genug. Wahrscheinlich geht es danach nochmal 1-200 Jahre so weiter, ehe es sich wenigstens einpegelt. Desertifikation, Erosion, veränderte Wettersysteme und Meeresströmungen, Naturkatastrophen en masse: in einem großen Teil der Erde dürfte es ziemlich ungemütlich werden.
Dazu noch weitere Nettigkeiten wie Umweltverschmutzung, Vernichtung der Wälder, v.a. tropischen Regenwälder, und was es nicht noch alles gibt. Selbst wenn die Menschheit in den nächsten 100 Jahren zur Besinnung kommt, wird es verdammt lange dauern, bis dieser Schaden wieder gutgemacht ist.
Dazu noch das Bevölkerungswachstum: momentan immerhin nur noch exponentiell und nicht mehr superexponentiell. Doch man stelle sich das mal vor, wenn die Bevölkerung nur um 1% jährlich weiterwächst (weniger als die aktuelle Rate): dann betrüge die Weltbevölkerung um 2500 rum ca. 1 Billion, also 1000 Milliarden. Bei gleichzeitig schrumpfender besiedelbarer Landfläche.
Und DA sind wir an einer Stelle angelangt, wo meine Vorstellungskraft aussetzt. 1000 Milliarden. Der Taschenrechner verrät mir, dass die durchschnittliche Bevölkerungsdichte weltweit 1.800/km² sein müsste, inklusive Wüsten und Gebirge. Rechnet man diese noch weg, müsste quasi die gesamte restliche Erdoberfläche eine einzige Stadt sein.
Wie gesagt, das kann ich mir nicht vorstellen, wie sowas jemals funktionieren sollte. Daher müssen da irgendwelche Mechanismen greifen, seien es nun Seuchen (wie in Shadowrun) oder Atomkrieg (wie in Star Trek), oder im günstigsten Fall einfach eine wohlstandsinduzierte Selbstregulierung wie bei uns im Westen.
10 Milliarden kann ich mir vorstellen. Bei 30-50 Milliarden wird es schon knifflig. 100 Milliarden wären das alleräußerste, was ich irgendwie noch in meinem Hirn unterbringen könnte. Und da muss man schon die ganzen futuristischen Konzepte zur Nahrungserzeugung implementieren, sprich, außer Algen und Hefe gibts nicht viel zu fressen.
Laaaanger Rede kurzer Sinn: wenn ich mir einerseits den Zustand der Erde selbst vorstelle, und die zu erwartende Bevölkerungsdichte andererseits, sage ich einen ausgesprochenen RUN auf die Kolonien voraus. Die Menschen werden sich darum prügeln, aus diesem Affenstall zu entkommen. Da müssen die Kolonialbüros eigentlich nur ein paar hübsche Poster von der unberührten Natur auf einem Zielplaneten aufhängen, und man wird ihnen die Bude einrennen.
(Wie dann die Planeten tatsächlich aussehen, und wieviel terraforming da noch betrieben werden muss, steht da auf einem ganz anderen Blatt, hähähä.)
Ich würde eine geeinte Erde vorziehen in deren Regierung sich einzelne Fraktionen einen Schattenkrieg liefern.
Aber das ist natürlich nur eine Ansicht. Aber dein Modell ist mir zu nah am heute. Es fühlt sich nicht nach Far Future an.
Da ist auch noch nichts in Stein gemeißelt. Vielleicht beschreibt dieses Modell auch nur die Situation zu Beginn der Exploration, so etwa um 2200 rum oder wann auch immer. Eine übergeordnete Organisation wie die UNO wird es sicherlich geben, die Frage ist nur, wieviel Macht sie hat.
Die Sache ist ja auch die: wenn es einerseits eine friedlich geeinte Menschheit gibt, und andererseits keine Aliens -- wozu sollte dann irgendjemand bewaffnete und schwergepanzerte Raumschiffe bauen?
Feuersänger, dieses Setting hört sich so verdammt gut an. Außerdem scheinst Du so ziemlich jede Vorstellung von
guter SF mit mir zu teilen.
Schön, das freut mich zu hören. ^^
Angesichts der Tatsache, dass alles von Robotern erledigt wird, gibt es keine zwanghafte Arbeit in dieser Welt.
Jeder Bürger bekommt einen bestimmten Monats-Etat, den er konsumieren kann. Besonders gute Bürger (z. B. Künstler) bekommen mehr als der Durchschnitt.
Siehe oben, Politik der Teilhabe - das würde soweit zusammenpassen. Bei der zu erwartenden Bevölkerungszahl ist das jedoch etwas hakelig, denn es gibt bestimmt keinen Arbeitskräftemangel. Für wahrscheinlicher halte ich es da, dass die Lebensarbeitszeit relativ kurz ist, damit "jeder mal drankommt".
Außerdem erinnere ich da an Brave New World, wo der World Controller von einem Experiment auf einer Insel erzählt (Irland?), auf der niemand mehr arbeiten musste. Es hat da schon nicht funktioniert, weil den Leuten langweilig wurde. Nun stelle man sich diese Situation mal in einer globalen Stadt vor - man kann nichtmal raus an den See zum Angeln fahren!
(In einer weniger dicht besiedelten Welt hätte ich persönlich überhaupt kein Problem damit, auf Arbeit zu verzichten.
)
Wie schon gesagt: es wird lange Wartelisten für Plätze auf einem Kolonialtransporter geben. Da hat es der Staat nicht nötig, einem einzelnen "Aussteiger" ein (umgerechnet) millionenteures Fluggerät kostenlos hinzustellen. Das Geld wird er lieber in den Bau von weiteren Kolonialschiffen stecken.
Menschen, die (z. B. aus Gründen eines Gehirndefekts) eine besonders schwere Straftat begangen haben, werden zwangsläufig aus dem Monatsverteiler genommen und bekommen etwas weniger Ausrüstung mit auf den Weg.
Straftäter, mit Dachschaden oder ohne, werden bestimmt die allerletzten sein, denen man die Zündschlüssen zu einem Raumschiff in die Hand drückt. Ein Raumschiff ist immer auch ein potentielles Mordinstrument.
Nein, schwere Straftäter werden wohl eher auf irgendeinem Mond in die Bergwerke gesteckt und fertig.
Das Spiel beginnt quasi auf der Startrampe in ein neues Leben.
Das wohl. ^^ Aber natürlich braucht man gerade bei so spezialisierten Berufen einen entsprechenden Hintergrund. Der kommt nich von der frischen Luft. Und gerade interplanetare Raumfahrt ist nichts für Schiffschaukelbremser, sondern erfordert hohe Intelligenz und jahrelange Ausbildung. Einmal beim Kurs verrechnet, und du driftest ins Nichts, während dein Treibstoff an sich genau aufgegangen wäre... du verstehst, was ich meine.
Daher sind Traveller-artige Hintergründe wohl sehr sinnvoll. Einer vielleicht Pilot bei der Systempatrouille, ein anderer Ingenieur auf einem Kolonialschiff (oder vielleicht auch nur Sicherheitsinspektor in einem Fusionskraftwerk), und so weiter.