Ich sehe auch keinen tollen planwirtschaftlich-sozialistischen Staat, in dem es allen gut geht und man sich der Kunst und der Philosophie widmet. Vielmehr werden die einen in unendlichem Luxus schwelgen und die anderen gerade genug bekommen, dass sie nicht aufmucken. Arbeit gibt’s noch, aber nur noch für Hochqualifizierte (s.o. im Luxus schwelgen). Die Auslese setzt sehr früh ein.
Der Reiche hat Platz, tolle große Häuser mit einer unglaublichen Vielfalt an Wellness- und Multimedia-Zeugs, traumhafte Parks und ein orgiastisches Unterhaltungsprogramm einschließlich vieler sozialer Kontakte. Er unternimmt tolle Reisen zu denjenigen Teilen der Erde, an denen spektakuläre Natur und Kultur für Touristen erhalten worden ist – oder eine Kreuzfahrt zum Mond. Der Arme, Arbeitslose, Perspektivlose hingegen lebt in äußerst beengten Verhältnissen und von wenig Geld. Er kann in jeder Apotheke rezeptfrei und günstig moderne Antidepressiva kaufen, die ihn fügsam und zufrieden machen. Er hat platzsparende aber wirkungsvolle Unterhaltungsmedien zu Hause, die ihm das Leben erträglich machen, wahrscheinlich ziemlich viel Virtual Reality-Zeugs.
Weltraum-Pioniere sind eben solche, die sich mit diesem sinnleeren Leben nicht zufrieden geben wollen. Klar gibt’s auch auf der Erde noch Unternehmertum, neue Ideen, Start-Ups, Banken, Börsen. Aber den echten Pionier zieht es eben zu den Grenzen hin. Der typische selbständige Raumfahrer hat es bis an eine der großen Akademien geschafft, ist aber nicht in das staatliche Programm aufgenommen worden. Er wurde zu einem späten Zeitpunkt ausgesiebt, ist hochqualifiziert und voller Tatendrang. Und auf ihn hat sich eine kleine Industrie spezialisiert, die ihn mit ihren Finanzierungsangeboten lockt. Denn wenn der Markt gesättigt ist, sind auch die Zinsen niedrig, oder? Natürlich braucht man einen Business Plan, eine Projektion, ein Geschäftsmodell. Viel Spaß beim Erstellen, liebe Gruppe! Und als Kreditsicherheiten gibt’s ne Schiffshypothek (im Schiffsregister eingetragen) und ne Globalzession künftiger Forderungen sowie Verpfändung von Bankkonten.
Was das politische Gefüge angeht, scheint es mir bei Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung als Laie zunächst unwahrscheinlich, dass die heutigen Staaten 500 Jahre überdauern. Kulturen ja, Staaten nein. Wobei auch eine totale kulturelle Durchmischung („Das Ende der Kulturen“) ein interessantes Szenario wäre, befördert durch zunehmende Vernetzung und Englisch als globaler „Gemeinsprache“ (ja, Englisch, nicht Chinesisch, es sei denn die stellen auf lateinische Schrift um). 500 Jahre Erdengeschichte schreiben, wow, eine sehr interessante Aufgabe und die Möglichkeiten sind Legion. „USA, EU, China, Indien“ erscheint mir dabei eher laaaangweilig.
Interessant finde ich auch die gesellschaftliche Entwicklung, was z.B. Familienbild und Sexualmoral angeht. Die erdrutschartigen Veränderungen der letzten Jahrzehnte sind noch nicht vorbei, und wenn man bedenkt, wie lange sich hier vorher rein gar nichts getan hatte, finde ich die Frage doppelt spannend, wo es sich am Ende einpendelt bzw. verfestigt. Ich stelle mir eine diesbezüglich sehr diverse und auch verwirrende Welt vor. Mangels anderer Sorgen werden vermutlich die meisten Probleme im Alltag durch sexuell motivierten Beziehungsstress entstehen. Möglichwerweise sind die unterschiedlichen gesellschaftlichen Modelle sogar prägend für die neuen Staaten bzw. Blocks. Ein anderes Abgrenzungskriterium könnten der Umgang mit fortschrittlicher Gentechnologie sein: Wie beantwortet man die sich daraus ergebenden ethischen Fragen?
Ich würde sagen, es gibt viele interessante Anworten, geh los und finde sie!