So, Zeit gefunden...
Es sei nochmal darauf hingewiesen dass eher "unperfekte" als "fehlerhafte" Rollenspiele gemeint waren. Ich habe einfach alle Antworten die sich um dieses Mißverständnis drehen ignoriert und weise stattdessen nochmals global darauf hin, als fünf mal das gleiche zu schreiben.
und Anpassung an den eigenen Geschmack kann ja ein Feature des Spiels selbst sein, Modularität z.b.
Ich denke ein Unterschied ist dabei Handwerkerstolz und persönliche Investition in das Endprodukt.
Eine fertiges Regelmodul ist wie ein Regal von der Stange. Man kauft es einfach, es ist professionell gemacht und es arbeitet problemlos und gut, aber es ist eben nichts eigenes und persönliches.
Eine selbst erstellte Anpassung ist wie das selbstgebaute Regal. Vielleicht ist es ein bißchen schief, vielleicht sind die Schrauben ein paar Millimeter falsch angesetzt oder es ist an den Kanten nicht sauber geschliffen, aber es ist dennoch was persönliches und ist entsprechend stolz und emotional investiert.
Ich gebe mal ein brutales Gegenbeispiel:
Schach
Halte ich ehrlich gesagt für ein schlechtes Beispiel. Da ist nicht nur der Mediensprung vom Rollen- zum Brettspiel, auch der Zusammenhang zwischen den Sitzungen ist ein anderer. Bei Schach hat man viele unverbundene Sitzungen, und zu Beginn jeder Sitzung ist die Lage wieder beim Ursprungszustand. Es gibt da keine Entwicklung, keine Kontinuität und keine Kampagne die in Gang gehalten werden muss, sondern nur abgeschlossene Einzelsitzungen die man spielt und wo man das Spiel im Anschluss daran verstauben lassen kann bis zur nächsten Sitzung.
Natürlich betreiben engagierte Schachspieler Vorbereitung, Nachbereitung, studieren Züge und Meisterschaftsspiele etc., aber das ist eine sehr engagierte Minderheit.
Beim Rollenspiel scheint das Solospiel schon eher eine "Volksbewegung" zu sein die den Standard darstellt.
Und man darf nicht vergessen dass auch für Schach Varianten entwickelt wurden und werden. (Wobei die meisten dieser Varianten relativ bedeutungslos sind gemessen an der Relation zur Verbreitung des normalen Schachs und wiederum der relativen Verbreitung von Hausregeln unter Rollenspielern.)
Ich sage aber bewusst "eine Möglichkeit", da ich persönlich auch andere Erfahrungen gemacht habe. Meine PtA-TeamSpeak-Runde läuft nun auch schon ewig (über 2 Jahre, wenn man Skype mitzählt, glaube ich) und das, obwohl wir uns alle zwischen den Sitzungen effektiv überhaupt nicht mit den Spiel befassen. Meine Erklärung hier wäre, dass das Spielerlebnis einfach so gut ist, dass man weitermacht, obwohl man sonst kaum einen Gedanken an das Spiel verschwendet.
Passiert da wirklich nichts? Machst du dir nicht zwischendurch Gedanken um deinen Charakter, überlegst wie sich die Handlung aus der letzten Sitzung und den aufeinanderprallenden Konflikten entwickeln könnte, was eine interessante Szene zur Einführung wäre etc.?
Ich muss dazu einräumen dass ich PTA nur von den Forendiskussionen her kenne, aber AFAIK gibt es da ja für ein Forgespiel relativ viele Möglichkeiten für Solospiel zwischen den Sitzungen. Etwa den Next-Week-On um den man sich zwischendurch Gedanken machen könnte, oder die Verteilung des Story Arcs und daraus resultierende Überlegungen wie der Hauptcharakter der Woche gut zur Geltung gebracht werden könnte.
Würde in mein Konzept passen: Solospiel ist dann wichtig, wenn das Gruppenspiel nicht alles das leistet, was man gerne möchte. Dann muss man alleine "vor sich hin phantasieren" und alleine Sachen "ausleben", die man in der Gruppe nicht bekommt, da das System (oder die Gruppe oder was auch immer) das nicht ermöglicht. Wenn das Gruppenspiel alle Bedürfnisse erfüllt, fällt das Verlangen nach Solospiel weg - man kommt aber trotzdem wieder zum Spiel, weil das Gruppenspiel selber ja die Bedürfnisse erfüllt.
Bezug nehmend auf die Aussagen im verlinkten Text: "The quality of personal play often matters more to actually getting a game than the quality of group play." - In der Praxis stimmt das sehr oft. Aber eben, weil das Group Play oft so schlecht ist, dass das Personal Play das einzig wirklich gute am Spiel ist.
Ich stimme dir insofern zu dass das Solospiel vor allem da glänzt wo es Bedürfnisse befriedigen kann, die das Gruppenspiel nicht befriedigen kann.
Gleichzeitig will ich aber vehement der Behauptung widersprechen dass sich nur aus schlechtem Gruppenspiel der Bedarf an Solospiel ergibt.
Zum einen gibt es viele Solobeschäftigungen die am eigentlichen Tisch nichts verloren haben, sondern es nur unterstützen. Abenteuervorbereitung wäre da der Klassiker.
Dann gibt es auch Solobeschäftigungen, die am Tisch langweilig wären. Wenn jemand ein Bild von seinem Charakter zeichnet, den Wohnungsgrundriss skizziert, seine Werte verbessert oder überlegt welchen Nippes er von der Bezahlung der Woche kauft dann ist dieser Prozess für den einzelnen Spieler sicher interessant, aber die gesamte Gruppe würde davon Schnarchanfälle erleiden wenn man ihr damit die Lebenszeit stiehlt.
Mit den Ergebnissen kann sie vielleicht schon eher etwas anfangen, aber daneben hocken und zuhören zu müssen würde wahrscheinlich zu schlechterem Gruppenspiel führen.
Wobei natürlich in sehr vielen Runden vor allem der SL sich zwischen den Sitzungen mit dem Spiel befasst, die Spieler nicht so sehr. Das ist immer eine Frage des Enthusiasmus', ich selbst bin auch als Spieler bei einer guten Kampagne zwischen den Sitzungen oft dabei, über das Spiel nachzudenken und zu phantasieren, wobei mich aber eher die Fiktion als die mechanische Seite interessiert.
Guter Punkt.
Ich möchte dazu auch zu bedenken geben dass ihn nicht wenigen Gruppen die Begeisterung eines einzelnen Extremspielers ist die das Momentum aufrechterhält und sicherstellt dass sich jemand darum kümmert dass rumtelefoniert wird, dass jeder vom Termin weiß, dass ein Abenteuer steht etc. (Meistens der SL, oder der SL und ein oder zwei besonders engagierte andere Spieler.)
Da nimmt Solospiel sicher eine wichtige Funktion ein um diese hyperaktiven Spieler begeistert zu halten und ihnen einen Kanal zu schaffen über den sie ihr Engagement ausleben können, ohne dass es auf Kosten der zurückhaltenderen Spielteilnehmer geschieht.
Zu 1.)
Nein, Rollenspiel beginnt, mit dem Wunsch nach sozialen Aktivitäten.
Jemand möchte etwas mit Freunden oder anderen Leuten machen, und wählt das Rollenspiel als Mittel zum Zweck. Es ist also erst einmal der Wunsch nach Gesellschaft da, bevor das das Rollenspiel als Transportmittel für die sozialen Wünsche gewählt wird. Ich kann natürlich nicht wiedersprechen, das das eigentliche Rollenspiel mit den anderen Sachen beginnt, aber sie bleiben IMHO immer ein Mittel zum Zweck.
Ich habe da natürlich übersimplifiziert.
Natürlich ist der Wunsch nach sozialer Aktivität ein wichtiger Faktor bei der Schaffung von Rollenspiel (wenn nicht der Hauptfaktor), aber ebenso sehe ich das mit dem Solospiel. Irgendwer muss den Kram lesen, vorstellen wie geil die Regeln interagieren würden oder was für geile Kampagnenmöglichkeiten da wären oder was für geile Charaktere man spielen könnte, und mit diesem Kram als Sprungbrett kommt das Gruppenspiel zustande.
Das gilt auch wenn wir die Henne vor das Ei setzen und von sozialer Aktivität als Anfangsimpuls ausgehen. Die klassische Ausgangssituation wäre da: "Jetzt sitzen wir hier am Küchentisch und wollen eine Kampagne beginnen, welches Spiel nehmen wir?" Irgendwer muss da von einem Spiel begeistert sein und ein paar gute Ideen haben warum das Spiel so begeisternd ist, und Solospiel ist da oft der Impuls hinter dem Vorschlag.
OffTopic: Abgesehen davon würde mich deine Robustheits-Definition interessieren. Ich halte Forge-Spiele im gegebenen Rahmen in der Regel für robust; würde sie aber als unflexibel qualifizieren. Deswegen ist es ja gut, dass es so viele verschiedene davon gibt (-:
Ich habe keine eigene Robustheitsdefinition, diese habe ich von Zornhau bei den Blutschwertern geklaut.
Robust ist ein System das Änderungen, Anpassungen, Hausregeln und verschiedene Spielweisen verträgt; unrobust ist es wenn es unter diesen zusammenbricht.
Extrembeispiel für Robustheit: SR3 besteht aus einem Haufen grob ausgestanzter Löcher und in verschiedene Richtungen deutenden Pfeilen. Man kann da relativ problemlos Regeln ändern und Zahlen verschieben, ohne dass man fürchten muss dass die Lage deutlich schlimmer wird.
Ebenso schluckt das System problemlos wenn man es auf verschiedene Arten spielt, egal ob als plausibilitätsabwägungsgetriebene Refereeingorgie, als von Bodenplan zu Bodenplan stolperndes Buttkicking oder als Downtime-Seifenoper mit Connectionsregeln etc. (Allerdings macht es davon natürlich auch nichts wirklich gut.)
Extrembeispiel für Anpassungs-Unrobustheit: Capes. Ändere die Ressourcenflüsse, die Charakterwerte oder die genaue Rundenverwaltung, und die Chancen stehen gut dass das Spiel in Rauch aufgeht und vollkommen vor die Wand fährt.
Extrembeispiel für Spielweisen-Unrobustheit: Sorcerer. Sorcerer funktioniert nur mit einer sehr engen Spielweise, die dazu unklar dargelegt ist. Weiche vom Kickernachrennen, Bangschleudern, Dämonenbeziehungsdrama etc. ab oder behandle es falsch, und das Spiel fährt vor die Wand.