Stakes sind ein Kommunikationsmittel, mit dem verhindert werden soll, dass Konfliktmechanismen eingesetzt werden, wenn kein Konflikt besteht. Ich weiß jetzt nicht, wer "Konflikt ist immer ein Interessenkonflikt" gesagt hat – aber genau da setzt es an: Stakes beschreiben die Interessen der Parteien, die an einem Konflikt beteiligt sind. Um klar sehen zu können, dass ein Konflikt besteht, muß man diese verbalisieren. Bei Actionsequenzen ist es am Einfachsten, diese explizite Kommunikation zu überspringen, weil die Beschreibung eines wahnsinnigen Axtschwingers implizit wie explizit klarmacht, worum es geht. Wenn man "den anderen Kram" dann "einfach ausspielt", sind Stakes und aufwändige Konfliktmechanismen tatsächlich unnötiger Overhead[1].
Völlig Offtopic: Was Vermi da über einen Kamm schert, wird in den verschiedenen Spielen aber ganz unterschiedlich gehandhabt[2]. Bei Dogs in the Vineyard sind die Stakes tatsächlich dazu da, um zu klären worum es geht (siehe das Beispiel aus dem Buch, wo man von einem Axtmörder angegriffen wird: "What's at stake: Do you get murdered in your bed?". Hier wird nicht vorweggenommen, wer bestimmt, ob man in seinem Bett stirbt – und in anderen Fällen als der Auseinandersetzung mit einem Axtmörder kann es hier durchaus im Wimpernschlag zu einer Interessenumkehr kommen. Ohne dass etwas zerbricht, weil die eigentlichen Stakes – richtig gewählt, siehe meine Einschränkungen oben – eben nicht vorwegnehmen müssen, wie die Teilnehmer des Konfliktes am Ende(!) zu den Stakes stehen.
Nur wenn im Verlauf des Konfliktes keine Partei mehr an den Stakes interessiert ist, endet er, ohne dass wir etwas über die Antwort auf die Frage erfahren, die die Stakes beschreiben (Das ist aber selten genug der Fall, Im Axtmörderbeispiel hätten wir dann ja auf einmal so einen Schrödingers-Katze-Effekt, dass man nicht weiß, ob der Charakter lebt oder tot ist…).
Bei The Shadow of Yesterday ist es viel klarer eine zweigeteilte Vorab-Diskussion: Der Spieler sagt "ich mache x", woraufhin der SL mit "daraufhin kann a oder im negativen Falle b geschehen" antwortet (die Tatsache, dass a sich in dem allermeisten Fällen direkt aus x ergibt, und dass das alles verhandelbar ist, lasse ich mal aus). Dabei sind die Absichten und Auswirkungen im erweiterten Konflikt jederzeit änderbar (siehe oben) – von der Spielstruktur her ist hier also viel weniger Stringenz vorgegeben als bei Dogs-Stakes, wo man im Zweifelsfall einen Konflikt invalidiert, weil der Verlauf zeigt, dass die Stakes niemanden interessieren.
Vielleicht ist aber auch nur mein Haarspaltometer auf 'ultra' eingestellt, keine Ahnung. Auf jeden Fall juckts mir schon im Follikel; wer sich mit dem oben Geschriebenen nicht als Fakt abfinden kann, kann es unter "unmaßgebliche Meinungsheischerei eines Theorie-Hansels" abheften.
[1] Ziemlich Offtopic: Bei In a Wicked Age gibt es keine Stakes, sondern die "No you don't, you fucking Asshole"-Regel: Gelabert werden darf bis der Arzt kommt. Erst wenn es um konkrete Handlungen (oder Beeinflussung) geht, die man nicht akzeptieren will, greift man zu den Würfeln, um die Integrität des eigenen Charakters zu verteidigen. Hier würde ich nicht von Stakes sprechen, weil weder die Absichten noch die Auswirkungen des Konfliktes vorab bestimmt werden – außer, dass Haarspaltometer ist auf 'mega-ultra' gestellt, und 'das was Du gerade machen willst, will ich aber nicht' sind auch Stakes; aber dann gibt es meiner unbescheidenen Theorie-Hansel-Meinung nach kein Spiel ohne Stakes. Ich sehe hier eher das, was Ron Edwards in Spione als Flashpoint bezeichnet hat: Eine Situation an der sich die Geschichte entzündet und wir die Mechanik zuhilfe nehmen um herauszufinden, wer am dransten ist.
[2] "Spiele mit Stakes taugen nix" zu sagen ist genauso sinnlos wie "Spiele mit Kampfsystemen/Traglastregeln/Gesinnungssystemen taugen nix" – ich glaub auch nicht, dass Vermi das meint, er kommt nur mit Stakes nicht klar – ist ja auch kein Beinbruch! Schließlich reden wir über Vorlieben in einem Hobby, nicht über wichtige Dinge wie Fußballvereinepolitische GesinnungMenschenrechte.