Ja, das Potential haben sie.
Rollenspiel ist nur das Medium, mit dem man die Fiktion erschafft. Und wie jedes andere Medium (z. B. Schreiben, Film, Malerei, Theater) beinhaltet auch Rollenspiel das Potential, "große Kunst" zu erschaffen. Ob man das will, es dann auch schafft oder ob man das überhaupt muss ist eine ganz andere Frage.
Wobei man eigentlich erst mal wieder klären müsste, was genau "große Kunst" eigentlich ist - aber die Debatte ist wirklich uferlos.
Bitpicker hat in dem Zusammenhang mal ein paar schlaue Sachen gesagt (da ging es zwar um Theorie, aber bezüglich des Kunstbegriffs passt das hier auch):
Eine weitere Beobachtung: wenn ich von der deutschen Kunst- und Literaturtheorie mal auf Rollenspieltheorie schließen darf, dann fällt mir auf, dass entsprechende Theorien in Deutschland immer irgendwie auf Werte abzielen. Wir kennen das noch aus dem Schulunterricht: die wichtigste Frage zu irgend einem belibebigen Text war doch immer 'was will mir der Autor beibringen?'. Für die deutschen Ansätze der Literaturtheorie ist nur das beobachtungswürdig, was einen pädagogischen Nutzwert hat, was mir etwas beibringen will, und wehe, es ist dabei unterhaltsam oder gar NUR unterhaltsam, das darf nicht sein - das ist 'trivial'. So eine Haltung ist in der anglistischen Literaturtheorie nicht gegeben. Dem anglo-amerikanischen Professor ist es nicht peinlich, mit einem Grisham in der Hand gesehen zu werden. In Deutschland ist das undenkbar.
Man muss doch nur einmal schauen, mit welcher Vehemenz sich in einigen früheren Diskussionen manche dagegen wehrten, wenn jemand Rollenspiel als Kunst bezeichnete: 'ich will doch nur spielen, das ist doch nur Unterhaltung' wurde da gesagt. Das ist typisch deutsche Denke, etwas kann nicht Kunst sein, wenn es nicht wehtut und mit dem Holzhammer winkt. Was nicht Kunst ist, wird auch nicht mit Theorie bedacht. Insofern ist es tatsächlich vielleicht auch ein deutsches Phänomen.
Um den Kontrast zu verdeutlichen: während meines Literaturstudiums hatte ich ein Seminar in der Germanistik zum Thema 'Trivialliteratur' (ein Begriff, der so wertend nur in der deutschen Literaturwissenschaft existiert). Von vornherein wurde deutlich, dass es sich um minderwertige Literatur für die Masse handelt, die aus niederen Beweggründen mit niederer stilistischer Kunstfertigkeit usw. geschrieben wurde. Praktisch alles, was man gerne liest, wurde unter diesem Begriff eingeordnet.
In der Anglistik hingegen gab es z.B. konstruktive Seminare zum Thema Cyberpunk, Krimi usw. Ein neueres Buch zur amerikanischen Literaturwissenschaft erwähnt mit einigem Detail Cyberpunk, Stephen King, Comics usw.; deutsche Bücher zur deutschen Literaturwissenschaft haben Mühe, sich überhaupt von lange toten Autoren zu lösen und zählen bestenfalls lebende Autoren, die Reich-Ranicki gefallen, listenartig auf. Da wird vielleicht ein Günter Grass erwähnt, weil man ihn schlecht ignorieren kann, aber niemals würde ein Konsalik oder ein Hohlbein auch nur eines Blickes gewürdigt.
Das deutsche Denken hat da m.E. ein gewaltiges Defizit.
Kann ich so unterschreiben.
Meines Erachtens ist alles, was aus ästhetischen Gründen, aus Freude am kreativen Prozess und zur seelischen Erbauung erschaffen wurde Kunst. Und große Kunst ist die Kunst, die ihre eigenen Ansprüche erfüllt. Eine tiefere, zu interpretierende Bedeutung und sonstiges, was gemeinhin erfüllt sein muss, um als Kunst anerkannt zu werden sind für mich dann nur noch nette Dreingaben.
Eine packende Rollenspielrunde ist nach dieser Maßgabe tatsächlich große Kunst. So, und jetzt schlagt mich.