Autor Thema: Gasthof zur Fröhlichen Stute  (Gelesen 2296 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Gasthof zur Fröhlichen Stute
« am: 13.05.2008 | 18:16 »
Das hier ist als In-Time-Spielwiese gedacht, um eure liebsten DSA-Helden aller Editionen und Zeiten kennen zu lernen. Bitte schreibt in der dritten Person Präsens (Alrik betritt den Raum) und setzt wörtliche Rede in Anführungszeichen („Bei den Zwölfen!“ ruft Alrik aus.)

An der Straße von Punin nach Grangor, nahe der Grenze zum Horasreich, zwischen Obstbaumhainen und Weinbergen, liegt auf einem Hügel der Gasthof zur Fröhlichen Stute. Es handelt sich um ein stattliches Bauwerk mit zwei Vollgeschossen und einer großen Stallung, soliden Balken aus dunklem Holz und weiß verputzen Mauern. An zwei Ketten baumelt das kunstvoll geschnitzte Abbild einer sich aufbäumenden Stute. Über der Eingangstür steht in geschwungenen Buchstaben geschrieben: Rahja schenke Euch Muße, Wanderer.

Auf der großen Terasse sitzt man in lauen Sommernächten von Weinreben überdacht und genießt die guten Tropfen des Hauses. Musikanten spielen zum Tanze auf, und leicht gewandete Tänzer und Tänzerinnen animieren die Gäste zu allem, was Rahja gefällig ist. Das angegliederte tulamidische Bad läd dazu ein, den Staub der Straße abzuwaschen und den müden Gliedern eine wohltuende Massage zu gönnen. Selbst der Kaiser persönlich soll hier schon genächtigt haben, in der Kaisersuite, versteht sich, doch auch der einfache Reisende findet bezahlbare Unterkunft in den Gruppenschlafräumen im Ostflügel. Im Hof befindet sich ein kleiner Schrein der Rahja, und das gesamte Grundstück ist der schönen Göttin geweiht.

Inhaber des Gashofes sind Jostik, ein ehemaliger Gaukler und Abenteurer, der seine Gäste gern mit Geschichten und Kunststücken unterhält, und seine Frau Similie, eine Rahjageweihte. Bei ihnen ist jeder willkommen, der bereit ist, seine Waffen und seine Feindschaften am Eingang zurückzulassen. Jostik unterhält beste Beziehungen zur Straßenwacht und weiß dafür zu sorgen, dass auch diese ihre Amtspflichten nicht in das Gasthaus mit hinein nimmt.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #1 am: 14.05.2008 | 17:25 »
Es ist früher Nachmittag, als ein einzelner Reiter seinen prächtigen Braunen vor dem Gasthof zügelt. Seine Reiserobe aus robustem hellem Stoff ist ausgefranst und fleckig, ebenso wie die Schärpe über der Brust, auf der ein goldenes Pentagramm prangt. Das lange, widerspenstige Haar ist dicht und kastanienbraun, ebenso wie der Bart des Reisenden. Er hat es im Nacken zu einem lockeren Zopf gebunden.

Als er sich gekonnt vom Pferd schwingt, kommen unter der Robe abgewetzte lederne Reithosen und -stiefel zum Vorschein. Er wechselt ein paar Worte mit dem herbeigeeilten Stallburschen, warnt ihn vor dem Temperament des Braunen und schnippt ihm einen Heller zu. Dann betritt er den zu dieser frühen Stunde noch leeren Schankraum.

Das Gesicht des Wirtes hinter dem Tresen erhellt sich, als er den Reisenden erblickt. „Yaro, alter Junge, gut siehst du aus!“ grinst Jostik der Gaukler.

Der so Angesprochene bleckt die Zähne. „Erzähl das mal seiner Spektabilität in Punin“, entgegnet er. „Erst wollten sie mich überhaupt nicht reinlassen.“ Unaufgefordert löst er den Waffengurt mit Rapier und Dolch von der Hüfte und legt ihn auf den Tresen. „Pass gut darauf auf, hörst du?“

Jostik zwinkert ihm zu. „Sicher. Wo ist dein Stab?“

Yaro zieht eine Grimasse. „Sehr witzig.“ Und nach einer kurzen Pause: „Ich brauche jetzt ein Bad.“

Jostik klatscht in die Hände, und kurz darauf erscheint eine schöne Tulamidin in einem freizügigen Seidengewand, die Yaro ihren schönsten Augenaufschlag schenkt, ihn an die Hand nimmt und nach hinten ins Bad führt.
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Offline Grimnir

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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #2 am: 18.05.2008 | 15:08 »
Im Ingerimm regnet es noch häufig im Yaquirtal. Auch heute jagen dunkle Wolken über den Himmel, unzusammenhängend, mit kleinen Löchern, durch die die Praiosscheibe ihre Strahlen wie Speere stößt und die Schleier aus Niesel und Regen silbern schimmern lässt.

Das Wetter mag auch erklären, warum der Reisende, der gerade am Gasthof zur fröhlichen Stute seinen Rappen zügelt, einen schweren Bärenpelzmantel trägt – eine Kleidung, ganz und gar unüblich für diese Gegend. Bedächtig, beinahe schwermütig steigt er ab und führt den Rappen zum schlacksigen, blonden Stallburschen. Leise flüstert er seinem Tier noch einige Worte ins Ohr, dann betritt er das Gasthaus.

Obwohl er seine bornländische Pelzmütze abnimmt, ist der Türsturz beinahe noch zu niedrig für seine hochaufragende Gestalt. Er bleibt stehen, schaut sich im beinahe leeren Schankraum um und kratzt sich dabei gedankenverloren am sorgsam gestutzten, blonden Bart. Knapp nickt er Jostik zu und schickt sich an, sich an einen freien Tisch niederzulassen.

„Die Waffen, mein Herr!“ Jostik deutet auf das Schild an der Theke. „Ihr bekommt sie wieder, keine Sorge! Sie sind hier in guten Händen. Ein Diener kann sie ölen, wenn Ihr danach verlangt.“ Der Reisende tritt an die Theke und überreicht Jostik ein schweres Schwert, das dieser in ein Tuch einschlägt und sorgsam unter der Theke verstaut. Als er wieder aufblickt hält er kurz inne und rümpft die Nase. „Ach… und Euer Bärenpelz… wenn Ihr ihn mir auch reichen würdet, ließe ich ihn reinigen und mit Duftwässerchen behandeln… Ich hoffe, Ihr nehmt es mir nicht übel.“

Ein strenger Blick des Fremden, der aber schnell in ein sardonisches Lächeln umschlägt. Er nimmt seinen Mantel und reicht ihn Jostik. „Es täte ihm vielleicht wirklich gut. An ihm hängen Blut, Schweiß und Tränen. Er möge auf ihn Acht geben.“ Unter dem Mantel trägt er abgewetzte Kleidung, deren ehemalige Kostbarkeit noch sichtbar ist und ihn unzweifelhaft als bornischen Bronnjaren kennzeichnet – zumindest für den, der wie Jostik weit gereist ist und den Stil der Stickereien erkennen kann.

„Was darf ich Euch bringen, mein Herr?“ – „Er bringe uns einen Meskinnes, wenn er denn ein solches Getränk anzubieten hat. Wenn nicht, dann einen guten Schnaps aus der Gegend. Dazu einen Eintopf, aber achte er darauf, dass er nicht zu wässrig ist.“

Mit schweren Schritten bewegt sich der Reisende zu einem der vielen freien Tische und lässt sich nieder. Als er sitzt, scheint alle Anspannung von ihm abzufallen und einem tiefen Gefühl von Gemütlichkeit Platz zu machen. Aus einer speckig glänzenden Gürteltasche nimmt er ein Pfeifchen und beginnt es sorgsam zu stopfen. 

„Und wie ist Euer werter Name, mein Herr?“ fragt Jostik einige Momente später, als er den dampfenden Eintopf bringt. „Tsawulf. Tsawulf von Scherpinskoje“, antwortet der Fremde und versucht, einen Rauchkringel in die Luft zu blasen, was ihm aber nicht recht gelingen will.
« Letzte Änderung: 19.05.2008 | 00:19 von Grimnir »
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Offline Lord Verminaard

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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #3 am: 19.05.2008 | 15:12 »
Fröhliches Lachen ertönt, als Yaro den Schankraum in Begleitung der tulamidischen Dienerin erneut betritt. Anstelle seiner Reisekleidung trägt er nun nach Art der Tulamiden weite Hosen und eine bunte Weste auf bloßer Haut – die Feuer in den zwei großen Kaminen des Schankraums sorgen dafür, das man es auch in leichter Kleidung gut aushält. Sein braungebrannter Oberkörper ist ungewöhnlich muskulös für einen Magier, und zahlreiche Narben zeugen davon, dass er sich im Gefecht selten in der zweiten Reihe aufhält. Auf seinem rechten Oberarm ist ein sich aufbäumendes Einhorn tätowiert, auf dem linken eine Seeschlange, durch deren Hals sich eine lange Harpune bohrt.

„Habt dank für diese Kleidung, sie passt wie angegossen“, zwinkert er der schönen Tulamidin zu und gibt ihr ein großzügiges Trinkgeld. Sein Blick wandert anerkennend über den großen und doch gemütlichen Schankraum mit seinen kunstvoll gewebten Wandbehängen, die in leuchtenden Farben alle Sinnesfreuden der Rahja abbilden. Von der gewölbten Decke baumeln schmiedeiserne Leuchter, die mit ihren vielen Kerzen ein warmes Licht zaubern. Dann fällt sein Blick auf den Neuankömmling.

Zielstrebig geht er zum Tisch des Bronnjaren hinüber. „Hesinde zum Gruß, Freund“, grinst er und lässt sich mit einem wohligen Seufzen auf die hölzerne Bank plumpsen. „Ihr erlaubt doch? Ich bin Yaro Sagorin, ein Magus aus Bethana.“ Wie zum Beweis hebt er die Hand, um sein Gildensiegel zu zeigen. „In der Regel findet Ihr mich jedoch eher in Gesellschaft von Soldaten und Seefahrern. Und wer seid Ihr?“
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Offline Grimnir

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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #4 am: 21.05.2008 | 10:37 »
Seufzend schaut Tsawulf der Tulamidin nach, als sie sich wieder zurückzieht. „Ach ja, die Genüsse des Südens“ zwinkert er Yaro zu. „Bei uns im Norden bläst selbst im Sommer der Wind so kalt, dass man oftmals nur raten kann, ob unter einem Berg aus Pelzen und Schafsfellen ein wohlgeformtes Mädchen oder ein räudiger Goblin stecken mag.“

„Aber ach, ich vergaß mich vorzustellen.“ Der Bornländer deutet eine knappe Verbeugung an. „Tsawulf von Scherpinskoje ist mein Name. Ich bin Bronnjar aus dem Sewerischen, genauer gesagt vom Oberlauf des Walsach. Mein Vater ist Vasall des Grafen von Notmark.“ Das Wort ‚Vater’ spricht Tsawulf hart und mit nur mühsam unterdrückter Verachtung aus. Dann hält er kurz inne, kratzt sich am Bart und schaut grübelnd an die Decke. „Oder mittlerweile der Gräfin von Notmark? Ihr müsst verzeihen, ich war schon viele Jahre nicht mehr in der Heimat.“

Er deutet auf Yaros Hand, die ihm eben das Gildensiegel wies. „Ein Magier, sagt Ihr? Vor einigen Jahren hätte mich das misstrauisch gemacht. Ihr müsst wissen, wir Bornländer sind von Natur aus vorsichtig. Es gibt viele Spukgestalten in unseren dunklen Wäldern. Aber ein guter Freund von mir ist ebenfalls Magier. Vitario ist sein Name, aus Andergast kommt er. Er ist auch in der Gegend, und er sollte eigentlich ebenfalls hier vorbeikommen.“ Kurz äugt er zur Tür des Schankraums, als erwarte er, dass in diesem Moment seine Worte wahr werden.

„Aber erzählt, wo kommt Ihr her? Und wie hat es Euch auf das Meer verschlagen?“ Er deutet auf die Tätowierung, die die sterbende Seeschlange zeigt. „Ihr seid doch nicht etwa mit Thorwalern gefahren? Erzählt, und nehmt meine Einladung zu einem Meskinnes an, eine bornländische Spezialität. Tatsächlich ein Wunder, dass es dieses Schnäpschen so weit im Süden gibt“

Er winkt Jostik zu, deutet auf seinen leeren Becher und hält zwei Finger hoch. Jostik nickt und schickt sich in seiner ihm eigenen Gemütlichkeit an, den Wunsch des Bronnjaren zu erfüllen.

Kaum ist der Becher wieder gefüllt, hebt Tsawulf ihn und prostet Yaro zu: „Auf Euer Wohl, Yaro, mein Freund!“.
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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #5 am: 21.05.2008 | 11:58 »
Grinsend ergreift Yaro den Becher, prostet Tsawulf zu und leert ihn in einem Zug. Um seine tränenden Augen zeigen sich Lachfalten, Zeugen seines fröhlichen Gemüts. Er schüttelt den Kopf, dass die Wangen schlackern. „Guter Stoff“, keucht er. „Habt Dank für die Einladung. Wisst ihr, als ich von der Akademie kam, hielt ich mich für einen harten Kerl, weil ich mich gelegentlich verbotener Weise vom Akademiegelände geschlichen und mir einen Schlauch Wein mit zwei Kameraden geteilt hatte. Doch auf meiner ersten Reise ins Svellttal begegnete ich einem Ambosszwergen und einem Seesoldaten aus Tobrien, die mich in jeder verdammten Taverne, in der wir Halt machten, mit Zwergenbier und Premer Feuer abfüllten, dass ich am nächsten Morgen noch nicht geradeaus gehen konnte. Als uns die Reise später tatsächlich nach Prem verschlug, war ich nicht mehr so leicht unter den Tisch zu trinken...“

Yaro lächelt fast wehmütig in sich hinein und schüttelt den Kopf. „Ach, wir haben eine Menge zusammen erlebt. Und ja, mit Thorwalern sind wir gesegelt, von einem Ende Aventuriens zum anderen und darüber hinaus. Eure bornländische Heimat habe ich ebenfalls bereist. Und was eure Vorbehalte gegen Magier angeht: Ich teile sie.“ Bei der letzten Aussage zwinkert er Tsawulf zu, doch in seiner Stimme schwingt keine Ironie. „Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich beinahe von der Akademie oder aus der Gilde geflogen wäre.“

Mit einem Blick auf den guten Eintopf winkt er Jostik zu. „Gib mir auch so eine Schüssel, und Brot dazu, ja? Und zwei Krüge Zwergenbier!“ Dann wendet er sich wieder Tsawulf zu. „Und Ihr? Was hat Euch aus der Heimat fort getrieben, wenn die Frage nicht zu vermessen ist?“
« Letzte Änderung: 21.05.2008 | 12:01 von Lord Verminaard »
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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #6 am: 22.05.2008 | 23:25 »
"Zwergenbier..." Nachdem Tsawulf den Becher wieder abgesetzt hat, schluckt er nicht sofort das Gebräu hinunter. Bedächtig, mit geschlossenen Augen, genießt er den Geschmack, und es erscheint, als würden seine Gedanken weit entfernt weilen, als wären sie auf Streifzügen in kalten nördlichen Öden.

"Das Zwergenbier", beginnt er nach einer Weile, "erinnert mich an einen guten Freund... Roglom, Sohn des Fux, war sein Name. Er war ein Brillantzwerg, und von all unseren Freunden war er der aufgeweckteste, der lebhafteste. Er hatte immer einen Scherz auf den Lippen, wie schlecht das Wetter auch sein mochte, wie gefährlich auch die Wägnisse unserer Wanderungen. Jetzt ruht er bei seinen Ahnen. Wie so viele meiner Freunde."

Ein Anflug von Bitterkeit macht sich der Miene des Bronnjaren breit, der jedoch sogleich wieder verschwindet, als er an seiner Pfeife zieht und eine Reihe kleiner Wölkchen ausstößt.

"Aber, Freund Yaro, ich habe Eure Frage noch nicht beantwortet. Wieso ich die Heimat verlassen habe, fragtet Ihr. Nun, es ist eine lange Geschichte. Und sie hat entfernt mit dem Sphärenschänder zu tun, doch das wusste ich damals noch nicht, und auch heute bleibt mir vieles verschlossen. Ihr müsst wissen, die hohe Politik ist nicht gerade das, woran ich Gefallen finde... Aber zurück zu meiner Geschichte. Nun, wo fange ich an?"

Tsawulf lehnt sich zurück und pafft an seiner Pfeife. Die grünen, ernsten und auch etwas grausamen Augen blicken nachdenklich und verloren an seinem Gesprächspartner vorbei, und selbst im warmen, flackernden Feuerschein des Kamins erscheint sein Gesicht so bleich, als wolle es Yaro daran erinnern, dass im Bornland die Sonne nur selten scheint.

"Es gibt Zeiten, da ist man erfüllt, ja besessen vom Willen, göttergefällig zu leben und das Richtige zu tun. Und es gibt Zeiten, zu denen man den Göttern hadert, zu denen einem Recht und Unrecht gleich sind. Ich habe beide durchlebt, und für die letzteren schäme ich mich nicht selten. Es war in den Jahren nach meiner Kriegerausbildung in Neersand. Ich wollte in die Welt hinaus, in den Süden fahren, zu den Waldinseln, und Abenteuer erleben. Aber mein älterer Bruder Vitoje lag krank darnieder, und mein Vater, ein harter und kompromissloser Mann, beorderte mich zurück. Ich sollte das Gut meiner Familie zu führen lernen. Dann geschah es..." Tsawulf hält kurz inne, als würde ein tief sitzender Schmerz plötzlich wieder auflodern.

"Nun ja, das ist ein Teil der Geschichte, den ich Euch später vielleicht einmal erzähle. Wenn ich Euch besser kenne. Wie dem auch sei, es folgte eine dunkle Phase meines Lebens. Alles war mir gleich. Irgendwann rief uns Graf Uriel von Notmark zu den Waffen. Er war der Lehnsherr meiner Familie. Mein Vater nahm seinen Flügelpanzer, ich mein Kettenhemd und wir folgten dem Ruf. Und ich tat Dinge, die mich seitdem in meinen Träumen verfolgten. An der Seite von Goblins und Söldner focht ich beim Gasthaus zu Ochs' und Eiche gegen die Gräfin von Ilmenstein, tötete tapfere Männer und Frauen. Einige Zeit später zog ich mit einem Heerhaufen den Walsach hinab, mordend und sengend. Schließlich kamen wir zu einem kleinen Städtchen, und Graf Uriel, die alte Warzensau, befahl, sämtliche Einwohner über die Klinge springen zu lassen."

"Und Rondra hilf! Da erst wurde mir des Unrechts bewusst, das ich begangen hatte und das vor meinen Augen geschah. Ich konnte diesen Feldzug nicht weiter begleiten, das wusste ich. Mein Vater verbot mir selbstverständlich die 'feige Flucht', wie er es nannte, doch ich ließ mich nicht beirren, nicht mehr. Er schalt mich einen Feigling, und er sagte... er beleidigte SIE... und so schlug ich ihn nieder... und floh!"

"Tja, und jetzt sitze ich hier, ein Deserteur, der den Vater geschlagen und sein Erbe für immer verloren hat." Der Bornländer lacht bitter. Dann zwinkert er Yaro zu: "Ihr habt die seltene Fähigkeit, Menschen mehr erzählen zu lassen, als sie eigentlich wollen. Ich glaube, jetzt werde ich auch einmal ein genüssliches Bad nehmen. Was haltet Ihr davon, wenn wir uns anschließend wieder zu einem kleinen Wettschießen mit dem Bogen treffen? Ich habe gesehen, dass das Gasthaus draußen im Apfelhain einige Strohscheiben stehen hat. Und dann erzählt Ihr mir, was Ihr so alles in der Akademie und der Gilde getrieben habt, dass man Euch beinahe rausgeschmissen hat."

Tsawulf erhebt sich und verstaut sorgsam seine Pfeife. Er nickt Yaro zu und verschwindet durch den Perlenvorhang im hinteren Bereich des Schankraums. Jostik schmunzelt ob der überraschenden Eile, die Tsawulf dabei zeigt und die in einem erstaunlichem Gegensatz zu der entspannten Ruhe steht, mit der er einige Stunden später das Bad wieder verlässt.
« Letzte Änderung: 23.05.2008 | 12:03 von Grimnir »
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Re: Gasthof zur Fröhlichen Stute
« Antwort #7 am: 30.05.2008 | 14:05 »
Wenig später beobachtet Tsawulf anerkennend, wie Yaro mit geübter Hand seinen Kurzbogen spannt, einen Pfeil einlegt und diesen nach einem kurzen Seitenblick auf den Bronjaren fliegen lässt. Aus 30 Schritt Entfernung trifft er den äußeren Ring der Zielscheibe. Yaro legt den Kopf schief.

„Wäre es ein Mann gewesen, ich hätte ihn an der Schulter erwischt“, meint er dann. „Nun ja, ich bin etwas eingerostet, aber ich könnte die Scheibe natürlich immer noch mit einem Ingnifaxius rösten. Tatsächlich habe ich genau das einmal an der Akademie zu Bethana gemacht, nachdem mein ewiger Konkurrent Sinan von Gamaldon, dieser Streber vom Dienst, mich beim Bogenschießen geschlagen hatte.“ Yaro grinst gänzlich ohne Reue. „Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen.“

Er tritt beiseite, um Platz für Tsawulf zu machen, nimmt einen Schluck Zwergenbier, und fährt fort: „Ich war als Studiosus ein ziemlicher Racker und bin es eigentlich immer noch. Autorität und ich, das geht selten gut. Aber ich hatte meinen Spaß, das kann ich euch sagen. Ich bin kein Adliger, sondern der Sohn eines einfachen yaquirischen Weinbauern. Während ein Pinkel wie Sinan in seinem Palais im Kaminzimmer saß und ein Buch gelesen hat, bin ich mit einem Holzschwert über Stock und Stein geturnt. Für die Akademie erhielt ich ein Stipendium. In einigen der theoretischen Fächer wäre ich beinahe durch die Prüfung gerasselt, aber einer der Magister meinte, ein weiteres Jahr hätten sie mich nicht ertragen...

Doch verzeicht, ich will euch nicht von Eurem Schuss ablenken.“
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