Hallo, ich habe das hier die letzten Tage mal gelesen und will nun meine Ideen dazu mitteilen:
Es hätte sein können - und kann immer noch sein - dass jemand eine andere Definition hat, die sinnvoller ist als meine. Die ist hier willkommen.
Mein derzeitiger Eindruck jedoch ist, dass der Begriff noch nicht in besonderer Weise definiert ist. Es werden auch nur wenige Alternativvorschläge gemacht, sondern der größte Teil der Diskussion dreht sich darum, meine Vorstellung als nutzlos oder unmöglich zu entlarven.
Im Rollenspiel ist das Spiel mit einer Rolle (oder mehreren Rollen) wesentlich. Diese Rollen werden, davon gehe ich jetzt mal aus, durch je einen Charakter fiktiv verkörpert. Diese Charaktere sind nicht allein sondern in einer fiktiven Welt. Unter Spielwelt verstehe ich diese Welt, in der die Charaktere sich befinden.
Ich verstehe Ansonsten nicht was hier für ein Begriff von Existenz verwendet wird, vermutlich eher ein Ideologischer, so nach Platon, oder wovon wird hier gesprochen?
Für die Existenz genau einer Spielwelt pro Rollenspiel (zu Ausnahmen sie unten) mach ich eine Anleihe aus der Mathematik: In der Mathematik werden unter anderem Axiomensysteme aufgebaut und etwas untersucht, was diese Axiome erfüllt. So existiert z. B. ein Gruppe und einige ihrer Eigenschaften können untersucht werden. Ob diese untersuchte Gruppe nun die ganzen Zahlen mit der Addition oder eine andere Gruppe ist, ist bei diesen Betrachtungen unerheblich. Es kann dennoch von "einer Gruppe" bzw. "der Gruppe" geschrieben werden. So wie diese Gruppe der mathematischen Betrachtung existiert, so existiert für mich die Spielwelt.
Was auch in der Mathematik/Logik vorlommt, ist eine Aussage, es existiere etwas (z. B. O genannt), das bestimmte Eigenschaften besitzt. Sofern diese Existenz bewiesen werden kann, kann dann mit diesem einen O weitergearbeitet werden, ohne O selbst genauer zu bestimmen. Aber O soll genau ein solches existierendes Objekt bezeichnen, nicht alle Objekte, die die Bedingung erfüllen.
Du sagst sie ist nicht SIS. Deine weiteren Aussagen interpretiere ich so, dass der SIS jederzeit einen Ausschnitt der Spielwelt enthalten kann. Er kann nichts anderes als Ausschnitte der Spielwelt enthalten (also nichts was nicht in der Spielwelt ist), und er kann auch die ganze Spielwelt enthalten, falls diese nur aus wenigen Informationen besteht.
Für mich ist der SIS das wesentliche Kriterium dafür, um zu sehen, ob eine beliebige fiktive Welt die Spielwelt sein kann, ob sie die Bedingung erfüllt: Trifft der Teil des SIS, der sich auf die Vorstellung der Spieler über die Welt der Charaktere bezieht, auf die fiktive Welt zu, so kann die fiktive Welt die Spielwelt sein. Wiederspricht die fiktive Welt dem SIS, so ist sie nicht die Spielwelt. Ich denke, im SIS kann auch etwas sein, was sich nicht auf die Welt bezieht sondern auf Abmachungen der Spieler. Z. B. wenn vereinbart wurde, das Rollenspiel soll eine soziale Intriege ohne Gewalt durchspielen, ist zwar das "ohne Gewalt" in der gemeinsammen Vorstellungen der Spieler, aber sie schließt nicht Gewalt in der Spielwelt aus. Wenn nun ein Ereignis "Charakter A wird weinend im Nebenraum gehört" im SIS ist, kann aus dem "ohne Gewalt" gefolgert werden, dass er nicht wegen Gewaltanwendung weint sondern z. B. eher aus Trauer oder Enttäuschung.
Ändert sich nun der SIS durch Handeln der Spieler, so kann dies sowohl eine zeitliche Entwicklung innerhalb der Spielwelt in die Vorstellung aufnehmen als auch eine weitere Einschränkung, welche fiktiven Welten nun noch die Spielwelt sein können.
Die Spielwelt enthält ja auch Sachen, auf die sich die Gruppe nicht geeinigt hat:
Der Bauer hat einen Namen, obwohl sich die Spielwelt nicht auf den Namen geeinigt hat.
Ansonsten existiert nunmal ein Name.
Wenn mein Krieger zum Wirt geht und ihn nach seinen Namen fragt, dann ist es vollkommen legitim vom SL zu sagen: "Der Wirt sagt dir einen Namen. Ich bin mir zu faul, ihn mir jetzt auszudenken, aber dein Char kennt ihn jetzt."
Dieser Name ist nicht Teil des SIS, weil jeder Spieler einen andere Vorstellung von dem Namen hat. Vielleicht haben einige Spieler (inklusive des SLs) nichtmal eine Vorstellung des Namens. Dennoch hat der Wirt einen Namen und mein Krieger kennt ihn. Dieser Name muss also in der Spielwelt enthalten sein.
Diesen Ausführungen stimme ich zu. In der Spielwelt hat der Wirt einen Namen. Das sehe ich so wie folgendes: Es gibt (mindestens) eine eineindeutige Abbildung der Natürlichen Zahlen auf die Rationalen Zahlen. Eine solche Abbildung werde e genannt. Nunn wird in e die natürliche Zahl 2 genau auf eine rationale Zahl abgebildet, auch wenn wir weder e noch diese rationale Zahl genauer festgelegt haben. So hat auch in der Spielwelt der Wirt einen Namen.
Wenn du seine Familie fragst, wie lange der Wirt schon Alrik heißt, wird sie dir antworten, dass er so seit seiner Geburt vor 30 Jahren so heißt.
Wenn du jedoch einen Spieler fragst, wie lange der Name des Wirtes im SIS ist, wir er dir antworten: "Seit 5 Minuten."
Nein, die Einigung findet genau so statt, wie beim SIS.
Der Clou ist jedoch, dass diese Elemente schon lange in der Spielwelt sind, bevor sie überhaupt im SIS landen.
Hier widerspreche ich. Die reale Zeit, in der die Spieler spielen, ist nicht identisch mit der Zeit in der Spielwelt. Also ein Zeitpunkt in der Spielwelt kann nicht vor einem Zeitpunkt der realen Zeit liegen. Deshalb sind die beiden Zeitdauern "30 Jahre" und "5 Minuten" ohne Widerspruch beide möglich: Seit 5 realen Minuten ist der SIS so geartet, dass nur fiktive Welten, in denen der Wirt seit der Geburt vor 30 fiktiven Jahren so hies, die Spielwelt sein kann.
Aber dann enthält die Spielwelt nun zu jeden Zeitpunkt die gleichen Informationen für die Spieler wie der SIS. Wo ist der Unterschied für die Spieler?
Die Spielwelt und der SIS sind eng miteinander verbunden, da der SIS bestimmt, welche fiktive Welt Spielwelt sein kann. Doch mit Hilfe des Begriffs Spielwelt lassen sich jene Veränderungen des SIS voneinander trennen, die eine (fiktiv zeitliche) Entwicklung innerhalb der Spielwelt beschreiben und denen, die die Auswahl der möglichen fiktiven Welten weiter einschränken:
Wenn in den SIS der Fakt hinzukommt, ein Char habe eine Tür geöffnet, so ist das eine Entwicklung innerhalb der Spielwelt. Wenn in den SIS der Fakt hinzu kommt, einige Chars treffen an Ort X drei Orks, dann werden alle fiktiven Welten aussortiert, in denen dort keine drei Orks sind.
Oben schrieb ich von Ausnahmen zu der Aussage, es gäbe zu einem Rollenspiel genau eine Spielwelt. Die Ausnahme sehe ich dann, wenn die Spieler übereinkommen, Fakten zurückzunehmen: Wenn sie sich einigen, dass das, was sie eben noch als in der Spielwelt geschehen festgelegt hatten, nun doch nicht mehr geschehen sein sollte. Dann hat für mich die Spielwelt gewechselt: von der mit diesem Geschehen zu einer ohne ihm.
Gruß Andreas