Autor Thema: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten  (Gelesen 4909 mal)

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Offline Joerg.D

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Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« am: 17.07.2008 | 21:22 »
Der Ursprung dieses Themas liegt in der Aussage von MSch die ich in meine Signatur gepackt habe:

Das einzige, was ein Abenteuer mit einer Geschichte verbindet ist, daß wenn das Abenteuer fertig ist, in der Retrospektive, eine Geschichte erzählt wurde. Während des Abenteuers selber wird aber keine Geschichte erzählt ... höchstens Geschichte gemacht  ;-)

Wenn der Abenteuerband eine Geschichte erzählt, dann nennt man sowas einen Roman.

Und der Antwort von Vash darauf:

Demnach muss ich wohl oder übel mit dem Rollenspielen aufhören und Bücher schreiben, auch wenn ich das nicht kann. Der Grund für meinen RSP-Weggang wäre dann, weil ich nur Abenteuer nicht spielen mag, da ich auch Charaktere und nicht nur Figuren spielen will.  ~;Db(Ich bitte für die letzte Aussage bei Tim um Entschuldigung, denn sie könnte ihn verärgern.)

Ich will Charaktere und Figuren mit ihren Abenteuergeschichten in Settings erleben.

Ich glaube, das 90% der Rollenspieler einen Charakter spielen wollen, der Abenteuer in interessanten Settings erlebt.

Martins Aussage sagt nicht, das man in Abenteuern seinen Charakter nicht spielt oder spielen darf. Sie sagt auch nicht, das man keine Geschichte erleben soll oder darf.

Zitat
Das einzige, was ein Abenteuer mit einer Geschichte verbindet ist, daß wenn das Abenteuer fertig ist, in der Retrospektive, eine Geschichte erzählt wurde.

Ein Abenteuer das man mit seinem Charakter spielt wird nach seinem Ende zu einer Geschichte, die in einem hoffentlich gefällt. Das Abenteuer hat aber im Gegensatz zu Geschichte keine streng lineare Form. Es wird durch die Entscheidungen der Spieler eines Charakters und durch das Würfelglück nachhaltig beeinflusst. Diese Zufallselemente und die aus ihnen enstehende Dynamik machen jedes Abenteuer für mich besonders, denn:

Zitat
Während des Abenteuers selber wird keine Geschichte erzählt ... höchstens Geschichte gemacht.

Die Spieler machen also für mich mit der Hilfe ihrer Charaktere, deren Auftreten und ihren Taten die Geschichte. Wenn der Sl die Abenteuer gut strukturiert und mit den Spielern harmoniert auch oft eine verflucht gute Geschichte.

Zitat
Wenn der Abenteuerband eine Geschichte erzählt, dann nennt man sowas einen Roman.

Im Laufe einer Kampagne wird aus vielen Abenteuern und den aus ihnen resultierenden Geschichten vielleicht etwas großes, was sich mit einem Roman messen kann.

Edit:
Der letzte Absatz wird von MSch anders gemeint, als von mir interpretiert:
Zitat von: MSch MSch>wenn ein Abenteuerband eine Geschichte ohne Spielerinteraktion erzählt, dann ist es ein Roman.[/quote

« Letzte Änderung: 17.07.2008 | 21:35 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
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Ein

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #1 am: 17.07.2008 | 21:33 »
Das ist zwar ganz lustig, nur ist das große Problem, dass sich diese spontan entstehenden und wieder vergehenden Geschichten nicht reproduzieren lassen. Nun soll aber ein Abenteuerband eben genau das ermöglichen: Eine vorbereitete "Geschichte" zu reproduzieren.

Das Problem ist damit inherent. Während des Spiels wird die Geschichte, die sich am Spieltisch entwickelt, von der Geschichte im Buch unterscheiden. Daher kann ein Abenteuerband immer nur eine Hilfestellung sein, die unterschiedlich sinnvoll sein kann, ganz abhängig vom Spielstil und der Erfahrung sowohl der Rezipienten als auch des Autors.

Offline Joerg.D

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #2 am: 17.07.2008 | 21:41 »
Wo hast Du in diesem Tread etwas von Abenteuerbänden gelesen?

Oder verstehe ich etwas nicht?
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Ein

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #3 am: 17.07.2008 | 21:59 »
Wie ich gerade nach nochmaligem genauen Lesen sehe nichts. Du hast mich einfach nur mit deinen ganzen Abenteuern, Abenteuerbänden und Abenteuergeschichten durcheinander gebracht. ;)

Offline Joerg.D

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #4 am: 17.07.2008 | 22:00 »
Ha ha, ich habe Ein verwirrt!
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Ein

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #5 am: 17.07.2008 | 22:04 »
Ja, ich sollte wohl langsam in die Kiste.

Aber im Ernst, was willst du sagen?

Offline Joerg.D

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #6 am: 17.07.2008 | 22:51 »
Ein gutes Abenteuer sollte im Nachhinein eine tolle Geschichte ergeben. Dabei müssen die Taten der Charaktere aber Relevanz haben um den Charakter des Rollenspiels zu erhalten. Das bedeutet, das der Zufall und die Entscheidungen der Spieler (für ihre Charaktere) ein wesentlicher Bestandteil der Handlung sind. Es muss sich nicht nur um den vom SL erdachten Plot drehen, sondern organisch wachsen. Nur dann kann das Spiel seine waren Qualitäten zeigen.

Wenn hingegen nur ein fest vorgegebener Plott verfolgt wird und die Taten der Spieler dem Ablauf der Geschichte untergeordnet sind, um eine tolle Storyline zu erhalten, dann verliert das Spiel seine Besonderheit. Die Spieler sorgen in diesem Fall nur für Farbkleckse im Plot und könnten  stattdessen auch ein Buch lesen, da es letzten Endes egal ist was sie würfeln, oder wie sich ihre Charaktere entscheiden.

Rollenspiel muss interaktiv sein, nicht linear.
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Ein

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #7 am: 17.07.2008 | 22:59 »
Darauf muss ich mit einem klaren Jain antworten. ;)

Einerseits gibt es Spieler, die einfach gerne als Passagiere durch die Geschichte gefahren werden. Für diese spielen relevante Entscheidungen im Sinne von geschichtsändern kaum eine Rolle.

Andererseits ist Zufall nur einer von verschiedenen Entscheidungsmechanismen für den weiteren Verlauf der Geschichte. Demokratische Abstimmungen oder Spielleiterwillkür sind ebenso denkbare Mechanismen. Genau genommen finden sogar alle drei Anwendung in allen realen Spielrunden.

Deine Aussage ist nur dann korrekt, wenn man sich mit seinen Vorlieben in einem bestimmten Spielstilspektrum bewegt.

Joe Dizzy

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #8 am: 17.07.2008 | 23:18 »
Für mich ist "Geschichte" nur ein weiterer Spielaspekt am Tisch. Irgendwo zwischen "Plausibilität", "Spielbarkeit", "Herausforderung", etc..

Es nur auf ein Produkt zu reduzieren, dass rückblickend entsteht, halte ich für zu stark vereinfacht. Aber ich stimme zu, dass eine vorgefertigte Geschichte sich nicht für ein richtiges Rollenspielabenteuer qualifiziert.

oliof

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #9 am: 17.07.2008 | 23:41 »
Der Informatiker in mir sagt: Geschichte kann das Ergebnis der Funktion Abenteuer sein, die die Argumente Spielwelt, Situation und Charaktere benötigt.

Offline Merlin Emrys

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #10 am: 18.07.2008 | 00:14 »
Der Informatiker in mir sagt: Geschichte kann das Ergebnis der Funktion Abenteuer sein, die die Argumente Spielwelt, Situation und Charaktere benötigt.
Aber unter Umständen genügt - wie in Matheklausuren vor unvordenklichen Zeiten - nicht, daß das Ergebnis stimmt. Der Weg zum Ergebnis wurde bei uns höher bewertet als das Ergebnis selbst...

Offline Woodman

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #11 am: 18.07.2008 | 00:20 »
Das wäre dann die implementation der funktion Abenteuer, nur weil ich eine funktion deklariere tut die ja noch nix, der geneigte programmierer muss sie ja erst mit sinnvollem inhalt füllen. Außerdem werden bei so einer funktion die argumente sicher nicht unverändert bleiben, Spielwelt, Situation und Charaktere sind am ende der funktion Abenteuer in einem anderen zustand als am anfang.

oliof

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #12 am: 18.07.2008 | 00:22 »
Merlin Emrys: In der Tat. Deswegen "kann" – und ob es gefällt, was da rauskommt, hab ich gar nich betrachtet in meiner definition.

Woodman: Exakt.

Conclusio: Die Metapher geht so lange zum Brunnen, bis sie bricht.

alexandro

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #13 am: 18.07.2008 | 00:55 »
Zitat
Der Informatiker in mir sagt:
Der Linguist in mir sagt: Geschichte ist der Prozess (nicht das Ergebnis) des Austausch verbaler und nonverbaler Codes um einen über bestimmte Modalitäten strukturierten Diskurs zu ermöglichen.

Und der Literaturtheoretiker fügt hinzu: Geschichte wird durch das "übereinanderschaufeln" von Bedeutungsebenen erzeugt und dieser Prozess ist auf einer abstrakten Ebene dem Rollenspiel verdammt ähnlich.
Der einzige Unterschied: beim Rollenspiel wird der Grad der "Dekodierung" der Geschichte durch die Spieler übernommen, welche den SL in eine Richtung der Spielwelt "stoßen" und ihn zwingen sich eine Bedeutung für diesen auszudenken.
z.B. in einem Roman führt der Author langsam den Protagonisten ein, lässt ihn die Tatorte von schaurigen Verbrechen entdecken und dann schließlich das Versteck des Mörders finden. Jedes dieser Elemente hat seine eigene, für die Geschichte bedeutungsvolle Funktion. Lässt man den Schluss weg: es ist immer noch eine Geschichte. Enthüllt man bereits auf Seite 2 wer der Mörder ist: es ist immer noch eine Geschichte. Verändert man die Perspektive: es ist immer noch eine Geschichte.
Warum? Weil die Ereignisse Bedeutung haben und zueinander in Beziehung stehen.
Es ist nicht erst eine Geschichte, wenn es fertig ist, sondern der Prozess des Erzählens (egal ob der beim Schreiben des Manuskripts, beim Lesen des fertigen Buches oder beim Lauschen einer mündlichen Erzählung erfolgt) ist die Geschichte.

Natürlich muss man sich dabei von formalisierten und fixierten narrativen Strukturen lösen- der Prozess des Rollenspiels ist non-lineares Geschichtenerzählen- so weit nichts ungewöhnliches, jeder Roman ist in seiner Konzeption non-linear- mit dem großen Unterschied zu unseren modernen Erzählmedien, dass beim Rollenspiel (wie auch beim ursprünglichen "Geschichten erzählen") es eine direkte Interaktion zwischen dem "Erzähler" und seinem "Publikum" gibt, was wiederum die Grenzen zwischen diesen beiden Entitäten verwischt und ihre Aufgabenbereiche organisch ineinander übergehen lässt (im klassischen Rollenspiel besonders auf homodiegetische Weise- das was idR als Immersion bezeichnet wird).

Niemand würde auf die Idee kommen zu sagen "Was? Ich soll einen Roman schreiben? Das ist blöd, da kann ich meine Kreativität doch gar nicht ausleben und werde auf ein festgelegtes Ende gerailroadet! Nicht mit mir!" Und trotzdem ist das der erste Gedanke vieler Spieler, wenn man das (viiiiel weiter gefasste und offenere) Konzept "Geschichte" in den Raum wirft. Irgendwie setzt sich in ihren Köpfen der verrückte Gedanke fest, dass "Story" gleichzusetzen ist mit "abarbeiten vorbereiteter Erzählmuster" (nicht mal ein tausendstel Bruchteil von "Story"). Komisch.

Also nochmal für die Langsamen:
Geschichte= der Prozess des "Erlebens", das "Herantasten" an Fiktion/Spielwelt und die langsame Etablierung von Querverbindungen (wer die nicht mag und sagt "ich will einfach nur 'die Spielwelt darstellen'" kann wieder GTA oder WoW spielen gehen, da hat er genau das- eine Spielwelt in der man alles machen kann und alles egal ist- weil keinerlei Querverbindungen zwischen den Spielelementen existieren (abgesehen von denen, welche sich die Spieler selbst- durch die "Community" der Gilden- schaffen)- es ist "friss oder stirb").
Erzählung= in mündlicher oder schriftlicher Form (Charaktertagebuch, Actual Play, "Ich erzähl dir mal von meinem Charakter") Darstellung (Ergebnis!) einer Geschichte.

Sodele.
P.S.: "Handlung" (plot) ist was ganz anderes, das ist nur eines (von vielen) Werzeugen, die bei der Etablierung einer guten Geschichte helfen.

Offline Joerg.D

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #14 am: 18.07.2008 | 01:37 »
Tja Alexandro der Post ist verflucht gut.

Da werde ich noch ein zweimal drüberlesen müssen um ihn in seiner ganzen Komplexität zu erfassen (oder einfach weniger Müde).
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

oliof

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #15 am: 18.07.2008 | 08:49 »
alexandro: Wunderbar. Mein Informatiker-Geschwafel war bewußt so gekennzeichnet, damit jeder erkennt, dass es eine verkürzte und zu Teilen verfälschte Darstellung ist.

Kleine Anmerkung: Natürlich ist das Schreiben eines Romans ein kreativer Akt des Autors[1], der ständiger Entwicklung unterworfen ist. Doch das Endergebnis ist eine in Buchseiten gegossene, "fertige" Erzählung. Wenn ich einen Roman haben will, ist das genau richtig.

Wenn der  Roman aber unter dem Deckmäntelchen eines Abenteuer(bandes) angeboten wird, was Einflußnahme und Relevanz der kreativen Impulse der Spieler suggeriert, dann sehe ich (und Martin, und Jörg) ein Problem. Roman verstehe ich also als handlichen Begriff für "fertige Erzählung ohne Einflußnahme", und Abenteuer(band) als "Prozeß-Katalysator für gemeinsame[2] Schaffung einer Geschichte" (in Deinem Sinne).

[1] Ja ich weiss, Protagonisten entwickeln ihr Eigenleben, es gibt Impulse von außen, Autorenkombinate, etc.pp. … geschenkt.
[2] Mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen für Autoren, Spielleiter und Spieler!

Offline Thot

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #16 am: 18.07.2008 | 08:54 »
Das ist zwar ganz lustig, nur ist das große Problem, dass sich diese spontan entstehenden und wieder vergehenden Geschichten nicht reproduzieren lassen. Nun soll aber ein Abenteuerband eben genau das ermöglichen: Eine vorbereitete "Geschichte" zu reproduzieren.
[...]

Da bin ich aber entschieden anderer Meinung. Ein Abenteuerband soll dem Spielleiter ermöglichen, mit wenig Inspirationsaufwand und unter Verwendung von wenig kreativer Energie erfolgreich eine oder mehrere Spielsitzungen vorzubereiten, so dass die Spieler Freude am Spiel haben. Dass die Spielercharaktere dabei das gleiche erleben wie hundert andere Gruppen, ist ja eher ein unerwünschter Nebeneffekt.

Offline Settembrini

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #17 am: 18.07.2008 | 09:00 »
alexandros: Benutzung des Worts Geschichte ist orthogonal zu der Parallelwertung der Laiensphäre.

Geschichte ist nie Prozeß, sondern immer etwas passiv aufgenommenes, etwas, was andere sich ausgedacht haben, bzw. niedergelegt haben.

Jetzt das Gegenteil zu behaupten, hilft garkeinem.

Aber gerne kannst du uns mal eine Quelle nennen, wo Geschichte als Prozeß behandlet wird. Wird ja wohl irgendein Fachwörterbuch geben, was so in Bibliotheken rumsteht, da kann man ja gucken.

Wie gesagt, für Otto-NormalBürger stimmt das einfach nicht, was du sagst.

Differenziert die Literaturwissenschaft WIRKLICH zwischen Plot und Geschichte und nennt das auch genau so? Du siehst meine Augenbrauen hochgezogen.
caveat lusor, sie befinden sich in einer Gelben Zone - Der PESA RHD warnt!

Abenteuerpunkt. das fanzine des autorenkollektivs.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #18 am: 18.07.2008 | 09:31 »
Worum geht’s hier eigentlich? Nur um Wortklauberei, oder auch um Spielstile?

Weil, für letzteres ist ersteres irrelevant. Geschichte als Prozess, Geschichte in der Restrospektive, das ist doch reine Definitionsfrage. Die eigentliche Frage ist doch, was wollte Martin mit seiner Aussage über den zugehörigen Spielstil ausdrücken? Ich schätze mal, es ging ihm eher darum, dass das Spiel, während es gespielt wird, nicht davon geprägt ist, dass die Spieler sich um Szenen, Konflikte und Spannungsbögen Gedanken machen, sondern eher um, na ja, eben das Abenteuer, das ihr Charakter erlebt, und wie er da lebend (und vielleicht sogar siegreich) wieder rauskommt.

Dazu würde ich sagen, dass es auf viele, aber beileibe nicht alle Spielrunden, die ich gespielt habe, zutrifft.
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Wolf Sturmklinge

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #19 am: 18.07.2008 | 09:35 »
Der Ursprung dieses Themas liegt in der Aussage von MSch die ich in meine Signatur gepackt habe:

Und der Antwort von Vash darauf:

Ich glaube, das 90% der Rollenspieler einen Charakter spielen wollen, der Abenteuer in interessanten Settings erlebt.

Martins Aussage sagt nicht, das man in Abenteuern seinen Charakter nicht spielt oder spielen darf. Sie sagt auch nicht, das man keine Geschichte erleben soll oder darf.

Ein Abenteuer das man mit seinem Charakter spielt wird nach seinem Ende zu einer Geschichte, die in einem hoffentlich gefällt. Das Abenteuer hat aber im Gegensatz zu Geschichte keine streng lineare Form. Es wird durch die Entscheidungen der Spieler eines Charakters und durch das Würfelglück nachhaltig beeinflusst. Diese Zufallselemente und die aus ihnen enstehende Dynamik machen jedes Abenteuer für mich besonders, denn:

Die Spieler machen also für mich mit der Hilfe ihrer Charaktere, deren Auftreten und ihren Taten die Geschichte. Wenn der Sl die Abenteuer gut strukturiert und mit den Spielern harmoniert auch oft eine verflucht gute Geschichte.

Im Laufe einer Kampagne wird aus vielen Abenteuern und den aus ihnen resultierenden Geschichten vielleicht etwas großes, was sich mit einem Roman messen kann.

Edit:
Der letzte Absatz wird von MSch anders gemeint, als von mir interpretiert:
Zitat von: MSch MSch>wenn ein Abenteuerband eine Geschichte ohne Spielerinteraktion erzählt, dann ist es ein Roman.


[/quote
Richtig!

Um was gehts?

Ein

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #20 am: 18.07.2008 | 16:36 »
Zitat
Freude am Spiel haben.
Geschichte. Siehe alexandros gute Definition.

Zitat
Dass die Spielercharaktere dabei das gleiche erleben wie hundert andere Gruppen, ist ja eher ein unerwünschter Nebeneffekt.
Zu allererst können Spielercharaktere nicht dasselbe wie Spieler erleben. Erstere sind fiktive Figuren, die von letzteren erzählt werden. Ganz genau genommen, erleben fiktive Figuren aber garnichts, da sich bei ihnen um reine Gedankenkonstrukte handelt. Die Erzählungen, die um sie gespannt werden, werden erst von den Rezipienten erlebt, wenn diese die Erzählung mit dem Filter der eigenen Erfahrungen interpretieren.

Im weiteren entsprechen sich die Geschichten, die in verschiedenen Spielrunden entstehen niemals, selbst wenn als Grundlage dieselbe Erzählung dient. Selbst wenn dieselbe Spielrunde dieselbe Erzählung mehrmals bespielt wird die Geschichte unterschiedlich oder besser nicht gleich sein. Das habe ich schon vor Jahren getestet.


Offline Joerg.D

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #21 am: 18.07.2008 | 16:58 »
Ich habe auch ein paar Standartabenteuer für Cons und Treffen. Die fallen von der Handlung immer total unterschiedlich aus, je nachdem wie die Gruppe agiert.

Die Geschichte wird also durch die Charaktere wärend des Spiels gemacht. Die Grundvorraussetzungen sind ja bei allen Gruppen gleich.

Harald bringt meine Meinung aber recht gut auf den Punkt.
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Ein

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #22 am: 18.07.2008 | 17:04 »
Nein, die Geschichte wird von den Spielern erzählt. Die Charaktere sind nur Elemente des Spiels. ;)

Offline MSch

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #23 am: 18.07.2008 | 21:46 »
Der Linguist in mir sagt: Geschichte ist der Prozess (nicht das Ergebnis) des Austausch verbaler und nonverbaler Codes um einen über bestimmte Modalitäten strukturierten Diskurs zu ermöglichen.
...
Also nochmal für die Langsamen:
Geschichte= der Prozess des "Erlebens", das "Herantasten" an Fiktion/Spielwelt und die langsame Etablierung von Querverbindungen (wer die nicht mag und sagt "ich will einfach nur 'die Spielwelt darstellen'" kann wieder GTA oder WoW spielen gehen, da hat er genau das- eine Spielwelt in der man alles machen kann und alles egal ist- weil keinerlei Querverbindungen zwischen den Spielelementen existieren (abgesehen von denen, welche sich die Spieler selbst- durch die "Community" der Gilden- schaffen)- es ist "friss oder stirb").
Erzählung= in mündlicher oder schriftlicher Form (Charaktertagebuch, Actual Play, "Ich erzähl dir mal von meinem Charakter") Darstellung (Ergebnis!) einer Geschichte.

Äh was???

Das ist doch Quatsch, durch und durch.

Das Wort Geschichte zeigt doch, daß es kein Prozess ist. Sonst würde es Geschichten heißen oder Geschichtieren. Geschichte ist kein Vorgang sondern ein Ergebnis. Sowohl im "erzählerischen" als auch im "historischen" Kontext.

Außerdem ist es im Kontext klar was mit Geschichte gemeint ist. Mein (ich nenn' es jetzt mal) Bonmot bezog sich einzig und allein darauf, daß ein Abenteuerband, der wenn man ihn durchliest genau die gleiche Erzählung/Geschichte erzählt wie wenn die Spieler daran beteiligt werden, ein Roman ist und nix mit Rollenspielabenteuer zu tun hat.

Es nützt aber nichts den Begriff "Geschichte" zu überladen (egal ob er nun tatsächlich unter Eierköpfen so behandelt wird), denn gemeinhin unterschieden wir doch ohne großes Nachdenken und eigentlich auch kontextfrei zwischen einer Geschichte, dem Geschichtenerzählen und dem Geschichtenerfinden.

Danke, daß Du so schlau bist und uns dran teilhaben läßt. Aber laß uns doch bitte mit den Begriffen hantieren, die jeder versteht.


Ciao,

Martin

Offline Thot

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Re: Von Charakteren, Abenteuern und Geschichten
« Antwort #24 am: 18.07.2008 | 21:50 »
Geschichte. Siehe alexandros gute Definition.

Die gefällt mir nun gar nicht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass sie ein altbekanntes Wort völlig neu zu besetzen versucht.

Zitat
Zu allererst können Spielercharaktere nicht dasselbe wie Spieler erleben.  Erstere sind fiktive Figuren, die von letzteren erzählt werden. Ganz genau genommen, erleben fiktive Figuren aber garnichts, da sich bei ihnen um reine Gedankenkonstrukte handelt. Die Erzählungen, die um sie gespannt werden, werden erst von den Rezipienten erlebt, wenn diese die Erzählung mit dem Filter der eigenen Erfahrungen interpretieren.

Absätze mit so viel nutzloser Rabulistik habe ich selten gesehen, und das trotz langjähriger Usenet-Erfahrung. Respekt. ;)

Zitat
Im weiteren entsprechen sich die Geschichten, die in verschiedenen Spielrunden entstehen niemals, selbst wenn als Grundlage dieselbe Erzählung dient. Selbst wenn dieselbe Spielrunde dieselbe Erzählung mehrmals bespielt wird die Geschichte unterschiedlich oder besser nicht gleich sein. Das habe ich schon vor Jahren getestet.

(Es juckt mich, Dir diese kategorischen Aussagen, gepaart mit der anekdotischen Begründung "das habe ich schon vor Jahren getestet" um die Ohren zu hauen, wie Du es nach dem Absatz davor verdientest. Aber ich habe irgendwie gerade keine Lust dazu. Wahrscheinlich werde ich zu alt für solche Kindereien.)

Deiner These könnte man entnehmen, dass man Rollenspiele Deiner Ansicht nach nur mit einem einzigen fertigen Abenteuer auszustatten bräuchte, und alles andere sei nur Beiwerk, weil man dieses Abenteuer ja immer wieder mit neuem Unterhaltungswert spielen könne. Das ist... nicht sehr intuitiv.