Demnach ist es also doch wieder nicht so klar, dass die Spieler nur dann Erzählrecht haben, wenn sie entweder mit der Scene Request dran sind oder die Narration gewonnen haben (und sich ihr Beitrag ansonsten streng auf ihren eigenen Protagonisten beschränkt).
Es ist vielleicht eine Überlegung wert, erstmal mit strengen und restriktiven Erzählrechten anzufangen um die Aufmerksamkeit deiner Spieler auf die Dinge zu lenken, die für PTA wichtig sind. (Ich würde es nicht unbedingt empfehlen, aber du kannst deine Mitspieler am Besten einschätzen. Vielleicht ist das für sie ein nützliche Hilfestellung.) Denn was man erzählt und was man den Karten anvertraut ist halt im Prinzip das selbe wie bei anderen Rollenspielen ("Wichtiges sollte nicht frei entschieden werden."), aber in der Ausführung merklich anders ("Es ist nicht wichtig, ob der Charakter gewinnt oder verliert, sondern wie er damit umgeht.").
Ich denke eine Sache die man auch bei "klassischen Rollenspielen" erst langsam lernen musste und erst mit der Zeit verinnerlicht hat, ist die Verwandlung von Fähigkeiten, Talenten und Eigenschaften in in abstrakte Begriffe und Zahlenwerte. "Reiten 4" sagt an sich nichts aus. Man muss erst lernen, was ein Wert von 4 in der Spielwelt bedeutet und was alles unter "Reiten" fällt.
Bei PTA muss man auch einige Dinge erst neu lernen. Deshalb wirkt das zu Beginn auch wie "eine Wissenschaft", die jedoch verhältnismäßig einfach und selbstverständlich wirkt, wenn man sich daran gewöhnt hat. Bei PTA gilt es bei den Beschreibungen, Erzählungen und Spielen der Charaktere zwischen wichtigem und unwichtigem zu unterscheiden. Unwichtiges darf jeder erzählen, einstreuen und bestimmen und so die jeweilige Szene weiterentwickeln und ggf. auf einen Konflikt zuspitzen. Wichtiges hingegen läuft über die Regeln ab. Wichtig ist erstmal alles, was den Charakter mit seiner Issue ringen lässt bzw. zeigt wie er damit fertig wird.
Wenn der Charakter als Issue: Gewalt hat, dann darf man alles erzählen, beschreiben und erfinden was den Charakter mit seiner Issue in Kontakt bringt oder ihn in Versuchung bringt sich für oder gegen die Anwendung von Gewalt zu entscheiden. (Bei Uneinigkeit in der Gruppe entscheidet der Spieler mit Erzählrecht.) Ob er der Versuchung nachgibt, wie er ihr nachgibt und welche unmittelbaren Folgen das hat... hängt jedoch von den Karten ab bzw. entscheidet die Person, die die höchste Karte hat.
Was hat das mit Konflikten zu tun? Nun, je nachdem wieviel Gestaltungsfreiheit du dem Spieler mit der höchsten Karte im Konflikt geben willst, müssen die Konflikte so formuliert sein, dass sie diese Entscheidungen nicht vorweg nehmen. Wenn du möchtest, dass nach dem Konflikt der Spieler nur noch absegnet was passiert und das ganze vielleicht noch dramatisch ausschmückt oder erzählt, dann solltest du gleich benennen was passiert wenn ein Charakter den Konflikt für sich entscheidet.
Man kann jedoch auch Konflikte so formulieren, dass nach den Karten noch ausgiebig Raum bleibt um den Konflikt ähnlich wie zu Beginn der Szene ausklingen zu lassen. Jeder erzählt, beschreibt oder schlüpft vielleicht in die Rolle des Charakters und der Spieler mit der höchsten Karte hat das letzte Wort dazu. Um das zu erreichen, darf die Formulierung der Stakes nicht zu konkret sein. Ein Konflikt wie: "Jackson will den Roadie überzeugen, dass er ihn aus seinem Trailer lässt. (Issue ist Gewalt)" wäre ok. Wendet er dafür Gewalt an? Wenn ja, welche Form von Gewalt? Was hat das zur Folge für ihn und den Roadie? All das sind Fragen, die man erst beantworten würde, wenn man die Karten gespielt hat. Dadurch, dass die Karten dann aber vielleicht so liegen, dass ein anderer Spieler das Erzählrecht hat, als z.B. der Producer kann das zur Folge haben, dass die Szene eine andere Richtung einschlägt als erwartet.
Wenn der Producer diese Dinge bestimmt hätte, dann hätte Jackson vielleicht auf den Roadie mit bloßen Fäusten eingeschlagen um rauszukommen. Ein anderer Spieler hätte vielleicht gesagt, dass Jackson psychologische Gewalt einsetzt um den Roadie klein zu kriegen. Ein anderer Spieler hätte vielleicht dem Roadie nichts getan und Jackson lieber den Trailer kurz und klein hauen lassen. Wenn man eine Einigung vor den Karten durch Aushandlung der Konfliktergebnisse erzwingt, dann verändert dass den Spielverlauf merklich. Es wird überschaubarer und etwas gleichförmiger. Stakes, die jedoch nur grob umzeichnet sind, haben den Vorteil, dass jeder die Chance hat eine Szene so entwickeln zu lassen wie er sie gut findet. Man weiß so nie genau, was als nächstes passieren wird und auf welche Ideen man dadurch kommt.