Ich hab mir da nun im stillen Kämmerlein noch ein paar Gedanken zu Bran und weiterführend der Transformation der Sieben Königslande hin zu einer Wahlmonarchie gemacht. tl;dr: Eigentlich ist es die Mühe überhaupt nicht wert, da genauer drüber nachzudenken, weil ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehe, dass die Autoren der Serie da nicht großartig drüber nachgedacht haben und die ganze Sache egal wie man sie dreht und wendet deshalb eh nicht zusammen passt.
Bran persönlich finde ich in einem vormodernen Kontext nach wie vor eine unglaubwürdige Wahl. GRRM gibt sich ja einige Mühe die gesellschaftliche Position von körperlich und/oder geistig behinderten Menschen in Westeros herauszuarbeiten, gerade in den Kapiteln von Tyrion. Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass genau diese Gesellschaft jemanden wie Bran auf den Thron setzt. Seine übernatürlichen Begabungen retten ihn da imho auch nicht. Für sein gesamtes Umfeld muss das einfach nur unheimlich und bedrohlich sein. Man bedenke, dass schon Varys für die Mächtigen in King's Landing eher eine latente Bedrohung denn tatsächlich anerkannte Bereicherung war. Und der konnte den Menschen wenigstens nicht im wahrsten Sinne des Wortes in den Kopf gucken und sie fernsteuern.
Auf den ersten Blick plausibel sind die politischen Implikationen: Bran wird keine Kinder bekommen, die Wahrscheinlichkeit also, dass er das frische Wahlkönigtum zu Gunsten seiner Dynastie gleich mal wieder einstampft ist einfach nicht gegeben. Aber: das gilt doch auch für jeden anderen König. Fangen die Kurfürsten die Bemühungen des Königs, eine neue Dynastie zu begründen, gleich wieder ein, kann er da auch nicht viel gegen tun. Wollen die Kurfürsten seinen Sohn nicht, wird er sehr wahrscheinlich auch nicht König. Im allerschlimmsten Fall gibt es Krieg, im günstigeren Fall ermordet man den Aspiranten, sobald der gegenwärtige König tot ist. (Da tun sich übrigens aus meiner Perspektive gleich wieder ganz viele Probleme auf, aber dazu unten mehr.) Einzig seine Neutralität spricht wohl wirklich für ihn. In dieser Hinsicht würde mir kein Besserer einfallen.
Allerdings: wer in Westeros bitte unterwirft sich denn den Schlichtungssprüchen eines körperlich behinderten Königs? Vormoderne Gesellschaften kennen keinen Inklusionsgedanken, sie kennen auch keine Bemühungen um gesellschaftliche Teilhabe. Und wie oben erwähnt: Westeros ist hier explizit vormodern. Bran ist für die Menschen von Westeros bestenfalls ein halber Mensch. Kein Adliger und schon gar kein Mann wird sich so den Entscheidungen eines solchen - aus ihrer Perspektive - Wichts beugen. Auch nicht, wenn dieser Wicht ihm in den Kopf gucken kann. Und wenn der Norden aus dem Königreich austritt: auf welche Hausmacht soll Bran sich berufen, um sich ggf durchzusetzen? Ist da die vage Hoffnung, dass sich ggf jemand finden wird? Oder das Bran das mittels Fernsteuerung irgendwie regelt? Wird das nicht wieder massiven Widerstand hervorrufen oder nicht wenigstens langsam diese auf Sand gebaute Macht aushöhlen?
Ad Wahlkönigtum: hier sehe ich vor allem das Hauptproblem, dass das praktisch in der letzten Folge einfach vom Himmel fällt. Vll trügt mich da auch meine Erinnerung, aber ich erinnere mich nicht an Hinweise, dass Westeros sich da schon in einem entsprechenden, transformativen Prozess befindet. Zur Erinnerung: zwischen Karl dem Großen und der Goldenen Bulle, wo das Wahlkönigtum formal bestätigt wird, vergehen im Heiligen Römischen Reich über 500 Jahre. Im Vergleich dazu muss dieser ganze Krönungsprozess einfach wie notdürftig aufgesetzt wirken. Ein Aufsatz, der noch dazu mehr Probleme und Fragen aufwirft, als er beantwortet.