Was bitte ist "Interactive Digital Storytelling"?
Der Begriff stammt von
Chris Crawford. Die Bezeichnung ist ziemlich unscharf und meint alle computerbasierten Anwendungen, die interaktiv sind und irgendeine Form von Erzählung erzeugen. Landläufig sind das Spiele, E-Learning-Tools, aber auch Chatsysteme oder computergestützte Geländespiele.
Kannst du ein bisschen genauer berichten? Insbesondere, was diese unterschiedlichen Denkrichtungen angeht?
Da könnte man Seiten schreiben. Da keiner genau festlegen will, was nun "Story" ist und was nicht, gibt es einen Blumenstrauß von Ansätzen. Einige verstehen unter Storys Text, also Buchstaben. Andere programmieren Bots (so wie NSCs in Computerspielen), lassen die aufeinander los und behaupten, das, was entstehe, sei eine Story. Wieder andere nehmen Versatzstücke von Geschichten und lassen einen Algorithmus eine "optimal spannende" Geschichte zusammensetzen. usw.
Es gibt einige Paralellen zur RSP-Theoriediskussion. Einige schwören auf frei agierende Agenten ohne zentrale "Storyführung", das ähnelt einem simulationistischen Ansatz. Andere bauen einen "drama manager" ein, ein eher narrativistisches Konzept. Ob Story gelenkt werden soll oder frei entsteht, wird heiß diskutiert.
Was waren denn da für Leute? Alles Computerspielentwickler, oder auch andere?
Also wir hatten Leute von Ubisoft und Crytek da, aber tatsächlich waren kaum Spieleentwickler anwesend. Das ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Erstens funktionieren Spiele mit linearen oder nur schwach branchenden Storys sehr gut. Zweitens dauert Forschung lange, und die Developer brauchen schnell, jetzt, hier funktionierende Lösungen. Die überwiegende Mehrheit waren also Professoren, Doktoranden und Studenten, die sich auf die eine oder andere Art mit dem Thema beschäftigen. Das ist ein kleiner, aber internationaler Kreis, ca. 200 Leute aus 14 Ländern (auch Übersee).
Wie kommt man denn dazu, an sowas teilzunehmen?
Das ist gar nicht so schwer. Wenn man in dem Gebiet promoviert, wird man sogar regelrecht gezwungen.
Was war denn der Plot des Abenteuers? Würde mich mal interessieren, was man solchen Leuten denn so anbietet.
Die Frage war, was spielt man inhaltlich mit Leuten aus x verschiedenen Kulturkreisen, um Rollenspiel als ernstzunehmendes Modell anzubieten. Ich wollte von Anfang an kein High Fantasy, weil Magier, Zwerge und Drachen das ganze zu sehr Richtung "Kinderspiel" gezogen hätten. Für den Einstieg war also ein Hintergrund gefragt, der auf Menschen und realen Erfahrungen basierte, möglichst noch mit einem international verständlichen kulturellen Code. Wir haben uns dann für eine Gothic Novel entschieden, also britisch angehauchten Grusel im einsam gelegenen Herrenhaus Ende des 19. Jahrhunderts. Die Figuren stranden dort, werden Zeuge seltsamer (aber nicht all zu übernatürlicher) Ereignisse und müssen am Ende ihre Haut retten. Das hat sehr gut funktioniert. Ich hatte einen Tisch von Leuten, die nie zuvor gespielt hatten. Nach erstaunlich kurzer Zeit hatte ich sie "in character", und sie berieten und taktierten, als hätten sie nie was anderes gemacht.
Und, neugierdehalber: Wie gut war der P&P-Workshop denn besucht?
Wir hatten etwa 30 Teilnehmer für zwei Spielleiter. Gemessen an der Größe der Konferenz ist das ein ordentliches Ergebnis. Jeder nahm sechs Spieler, der Rest durfte/musste zusehen.
Aufgrund des Erfolges werden wir das nächstes Jahr wieder anbieten, vielleicht sogar mit Videoanalyse. Die nächste Konferenz ist allerdings in Portugal.
Florian