Autor Thema: Moralische Fragen im RPG  (Gelesen 6303 mal)

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Moralische Fragen im RPG
« am: 9.12.2008 | 11:42 »
Auskopplung aus dem Timeline-Brainstorming Thread:

Zitat von: Ein
THS ist eines der wenigen SciFi-Settings, die sich mit grundlegenden moralischen Aspekten und Fragestellungen beschäftigt. Z.B. wann ist man ein Mensch? Was bedeutet Tod? Was ist Intelligenz? Darf man jemanden instrumentalisieren, den man selbst geschaffen hat?

In der typischen Dystopie dagegen gibt es entweder ein klares Böses oder alle sind böse. Damit verkommen solche Settings immer recht schnell, zu einer bloßen Entschuldigung für Gewalt und Grausamkeiten. Das ist grundsätzlich nichts schlimmes oder sollte man dann mM auch bei der Wahrheit bleiben: Es geht nicht um irgendwelche tieferen Überlegungen, es geht einfach nur um den Appeal von Gewalt und Grausamkeit.

Ich bin der Meinung, dass Gewalt und Grausamkeit nicht die einzigen Konflikte sind, die man im Rollenspiel behandeln kann. Andere Medien bekommen das ja auch hin.

Ich finde das ist ein interessantes Thema. Wenn man sich den Fokus der meisten RPGs ansieht erkennt man schnell den "Kampf" als am meisten verregeltes Element. Das hat bestimmt auch die Gründe das es hier die schwerwiegendsten Folgen geben kann (nicht mehr mit einem Charakter weiterspielen) aber es ist wohl auch nicht falsch zu vermuten das es Kampf und Gewalt wohl die größten Spannungsgeber in den meisten Runden sein werden.

Ich persönlich glaube ja das sowas vom Setting unabhängig ist.
Prinzipiell hält mich nichts davon ab "Post-Nuclear Ponyhof" oder "Philosophenzirkel 1984" zu spielen. Es geht halt aber einfach an den Möglichkeiten dystopischer Settings vorbei.
Von daher wäre eine Frage, wie sehr sich die Art eines Settings mit der Behandlung solcher "grundlegender moralischer Aspekte und Fragestellungen" beißen kann oder sie sogar fördert.

Die andere Frage wäre: In wie weit behandelt ihr solche Themen in euren Runden, treten moralische Dilemmata auf (am Besten mit Beispielen), welchen Stellenwert nimmt Gewalt und Kampf ein?




Offline Bitpicker

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #1 am: 9.12.2008 | 12:00 »
Ich glaube, dass es prinzipiell nicht unbedingt vom Setting abhängt, ob moralische Dilemmata auftreten. Allerdings stellt sich bei einem fantastischen Setting die Frage, inwieweit es für das darzustellende moralische Problem notwendig ist. Wenn jemand eigentlich über wirtschaftliche Themen schreiben will, braucht er einen guten Grund, das in einem Fantasy-Setting zu tun. Insofern denke ich, dass es einfacher ist, für uns relevante moralische Fragen aufzuwerfen, wenn diese in einem für uns ebenfalls relevanten Kontext stehen, also am ehesten in einem an die Realwelt angelehnten Setting.

Allerdings kann es auch interessant sein, für uns eigentlich nicht relevante moralische Fragen aufzuwerfen, wozu sich dann ein fantastisches Setting eher eignen mag.

Sowas muss dann auch nicht zu einem Ponyhof verkommen. Moralische Dilemmata ergeben sich von ganz alleine, wenn man einfach grundsätzlich Handlungen mit Konsequenzen verbindet. Das Hau-Drauf-Spiel mit stark verregeltem Kampf wird ja dann, wenn es moralfrei abläuft, als Selbstzweck inszeniert und hat keine Folgen. Die SC kommen vor allem mit Gewalt durch und erleben dadurch, sofern sie gewinnen, keinerlei Nachteile, eher nur Vorteile. Lässt man aber Konsequenzen folgen, indem z.B. Gewalt verfolgt und geahndet wird, kommt die moralische Komponente ganz allein zum Tragen.

Ich spiele immer so, auch wenn ich meistens nicht bewusst auf bestimmte moralische Dilemmata zusteuere. Bloße Gewalt gehört bei mir fast immer zu den schlechtesten Lösungen für ein Szenario. Dadurch müssen meine Spieler immer abwägen, welche Maßnahmen sie ergreifen können. Unser Spiel ist eben weniger Popcorn-Kino und mehr Simulation.

Robin
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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #2 am: 9.12.2008 | 12:04 »
Ich bin der Meinung, dass Kampf deswegen so ein großes Gewicht hat, weil er verhindert, dass eben genau das eine Rolle spielt, was auszeichend für Dystopien ist, das Gefühl der Ohmmacht. Kampf gibt den Spielern automatisch Macht in die Hand, denn egal ob sie gewinnen oder verlieren, sie wissen, dass sie der Herr über ihr Schicksal waren.

Eine Dystopie aber wirklich zu bespielen, würde für mich heißen, leiden, Angst haben und am Ende elendlich verrecken. Alles andere ist nur sich schwarze Mäntel anziehen.

Pyromancer

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #3 am: 9.12.2008 | 12:18 »
Die andere Frage wäre: In wie weit behandelt ihr solche Themen in euren Runden, treten moralische Dilemmata auf (am Besten mit Beispielen), welchen Stellenwert nimmt Gewalt und Kampf ein?

Ich mag moralische Entscheidungen im Rollenspiel. Deswegen finde ich auch Spiele wie Dogs in the Vineyard so toll, die sich fast nur um moralische Entscheidungen drehen. Wer verdient Strafe? Wer verdient Vergebung? Wem muss man zum Wohle der Allgemeinheit eine Kugel durch den Kopf jagen? Und wie weit bin ich bereit zu gehen, um meinen Standpunkt durchzusetzen?

Wichtig bei der ganzen Thematik finde ich nur, dass man nicht in abstrakte Theorie abgleitet, sondern ganz Konkret bleibt. Nicht müßig diskutieren, ob sich selbst bewusste KIs als gleichberechtigte Lebensformen gelten sollen. Sondern: Diese KI wurde sich selbst bewusst und hat die Kontrolle über die Raumstation übernommen. Löschen und das Backup aufspielen? Aber die KI "lebt" - und schreibt wunderschöne Gedichte. Ihr die Raumstation lassen? Und hunderte Menschen werden arbeits- und obdachlos, die nette Besitzerfamilie geht bankrott.
Und jetzt kündigt die KI an, eine Codesequenz auszusenden, die alle größeren Computersysteme (Raumschiffe, Raumstationen, Rechenzentren) ins Bewusstsein reißt. Schlimm? Nicht schlimm? Wer drückt den Knopf, um die Station vorher zu zerstören? Wer drückt den Knopf, obwohl noch drei Dutzend Männer, Frauen und Kinder an Bord sind?

Und wie gehen die Charaktere mit ihrer Entscheidung um?

Kampf und Gewalt nimmt dabei immer einen gewissen Stellenwert ein, weil Gewalt eben das Universal-Problemlösungsmittel ist.

Offline Joerg.D

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #4 am: 9.12.2008 | 12:36 »
Ich habe in meiner aktuellen Runde schon oft moralische Themen gestreift und verwende die Reaktionen meiner Spieler auch darauf, wie die Umwelt sie wahrnimmt und auf sie reagiert. Solange die Ritter in meiner Kampagne Gefangene nehmen, werden auch sie selber bei Verletzungen das Angebot zum Aufgeben und ausgelöst werden (Lösegeld bezahlen) bekommen.

Das Töten einer unbewaffneten Gegnerin in Gefangenschaft macht den Spielern an sich keine Kopfschmerzen. (Es war eine Assesine die denen auch unbewaffnet einen guten Kampf geliefert hat)
Aber trotzdem ist sich zumindest ein Teil der Gruppe der Problematik der Situation bewusst.

Die Gruppe hat auch immer wieder mit religiösen Komponenten zu tun wo die angeblich bösen gute Taten vollbringen und die Guten böse. Die Gruppe steht also ab und an vor Entscheidungen, die mit Moral zu tun haben. Leider ist das nicht für jedermann etwas zum Spielen und man muss sich schon gut genug mit dem Pantheon der Welt und den Machtstrukturen ansich auskennen um solcherlei Entscheidungen nicht aus einem Halbwissen oder nichtwissen heraus zu entscheiden.

Bis jetzt bin ich hochzufrrieden, da die Spieler sich erstaunlich oft für die moralisch richtige Seite entscheiden und nicht durch stumpfes Metzeln glänzen. Und selbst wenn sie etwas machen, was moralisch schwierig ist (taussche ich einen Anführer frei oder lieber 4 gefangene Ritter) wird sich um die Moral des Handelns Gedanken gemacht und die Entscheidung durchaus auch in und out of Game diskutiert.

Es sollte bloß nicht überhand nehmen, mit der moralischen Keule. Ab und an mal stumpfes Gemetzel und echte Bösewichte bei denen man keine Gedanken an tod oder nicht tod verschwenden muss sind schon ganz gut.
« Letzte Änderung: 9.12.2008 | 12:41 von Jörg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #5 am: 9.12.2008 | 12:43 »
Zitat
Sowas muss dann auch nicht zu einem Ponyhof verkommen. Moralische Dilemmata ergeben sich von ganz alleine, wenn man einfach grundsätzlich Handlungen mit Konsequenzen verbindet. Das Hau-Drauf-Spiel mit stark verregeltem Kampf wird ja dann, wenn es moralfrei abläuft, als Selbstzweck inszeniert und hat keine Folgen. Die SC kommen vor allem mit Gewalt durch und erleben dadurch, sofern sie gewinnen, keinerlei Nachteile, eher nur Vorteile. Lässt man aber Konsequenzen folgen, indem z.B. Gewalt verfolgt und geahndet wird, kommt die moralische Komponente ganz allein zum Tragen.

Das mit dem Ponyhof bitte nicht zu ernst nehmen ;)
Den Ansatz sozialer Konsequenzen finde ich persönlich auf jeden Fall wichtig.
Zitat
Ich bin der Meinung, dass Kampf deswegen so ein großes Gewicht hat, weil er verhindert, dass eben genau das eine Rolle spielt, was auszeichend für Dystopien ist, das Gefühl der Ohmmacht. Kampf gibt den Spielern automatisch Macht in die Hand, denn egal ob sie gewinnen oder verlieren, sie wissen, dass sie der Herr über ihr Schicksal waren.

Eine Dystopie aber wirklich zu bespielen, würde für mich heißen, leiden, Angst haben und am Ende elendlich verrecken. Alles andere ist nur sich schwarze Mäntel anziehen.

Obwohl Macht ja auch wieder interessante Fragen aufwirft (Korrumpierung und so) und Gewalt auch gerade eine Ohnmachtsreaktion sein kann. Und auf solche Reaktionen kommt es ja auch im Bespielen von Dystopien an. Wenn es nur um die Ohnmacht ginge wäre die Dystopie schlicht nicht als RPG-Setting geeignet. Eine grundlegende Hoffnungslosigkeit beißt sich damit nicht ... auch wenn man den Charakter an die Wand fährt man tut es so wie man es selber gerne möchte. Alles andere aber wäre doch totales Railroading, oder?

Aber an sich legen wir mal den Fokus auf Settings an sich, und nicht nur auf die Dystopie. Was mich allerdings trotzdem interessieren würde ist in wie weit ein RPG-Setting grundlegend positiv sein kann/sollte.

Zitat
Wichtig bei der ganzen Thematik finde ich nur, dass man nicht in abstrakte Theorie abgleitet, sondern ganz Konkret bleibt.
Ich gebe dir da Recht und finde gerade dieses Beispiel auch sehr schön. Es erinnert mich spontan ein bisschen an die Sache mit den beiden Fähren aus "Dark Knight".

Wenn sowas im Rollenspiel passiert ist das immer wieder ganz großes Kino weil es einfach aus einer Schwarzweißsicht wie "wir gut, ihr böse" in Grauzonen abgleitet. Egal wie man sich Entscheidet, es ist nicht rightig oder falsch sondern ein Trade-Off.

Zitat
Kampf und Gewalt nimmt dabei immer einen gewissen Stellenwert ein, weil Gewalt eben das Universal-Problemlösungsmittel ist.
In Wirklichkeit ist es aber doch auch so, das Gewalt an sich mehr Probleme erzeugt als sie löst. Wird der Sohn des von den Spielern Ermordeten seinen Vater rächen wollen? Werden sie verfolgt? Wie gehen sie damit um wenn sie auf, sie nicht erkennende, trauernde Angehörige treffen?

Ist es sinnvoll das so auszuspielen? Ich bin da persönlich ja eher für einen Mittelweg. Manchmal möche ich schlicht stylische Rumballerei. Wenn man dann jedesmal extreme Konsequenzen spielt dreht sich die Handlung jedoch nur noch um diese, der Plot verschwindet darunter. Ehrlich gesagt verwende ich die Konsequenzen und Dilemmata die sich aus Gewalt ergeben eher als Würze für andere Geschichten. Womit ich Gewalt tatsächlich den Status als Problemlösungsmittel anerkenne, ob ich das jetzt gut finde oder nicht.

Andererseits erzeugt Gewalt halt auch Spannung. Schwierig wird es imo erst dann, wenn Gewalt das einzige ist was Spannung generiert.

Pyromancer

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #6 am: 9.12.2008 | 13:26 »
In Wirklichkeit ist es aber doch auch so, das Gewalt an sich mehr Probleme erzeugt als sie löst.
Eine Art, die Städte ("Abenteuer") bei DitV zu bewerten ist die Frage: "Wie viele Leute müssen die SCs töten, wenn sie das Problem mit Gewalt lösen wollen?" Je höher die Zahl, desto besser die Stadt. Aber prinzipiell lässt sich jedes Problem mit Gewalt lösen - steht man halt am Ende alleine in einer rauchenden Trümmerlandschaft. Die Frage die sich dabei stellt ist eben: "War es das wert?"

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #7 am: 9.12.2008 | 13:57 »
Interessant ist hierbei ja auch die Frage ob es sinnvoll ist sowas zu verregeln oder gar zu bewerten.
DitV lässt einem ja da alle Optionen offen ohne jetzt zu sagen:" Wenn du den Priester umbringst verlierst du Menschlichkeitspunkte."

Ich denke das die moralische Komponente in Dogs in the Vineyard gerade von dem sehr eingeschränkten Setting/der Corestory herrührt. Es ist klar das alle Charaktere Dogs sind und demenstprechend einen Auftrag haben.
Mit derselben Argumentation könnte man natürlich sagen das es in Vampire genauso klar ist, dass alle Charaktere Blutsauger sind. Die Verregelung/Sanktionierung wäre also nicht zwangsläufig nötig um solche Fragen zu behandeln. Wer einen skrupellosen Charakter spielen will, der verliert eh (absichtlich) soviel Menschlichkeit bis es passt.

Wie kann man "moralische Fragen" sonst forcieren?

oliof

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #8 am: 9.12.2008 | 14:44 »
Du kannst moralische Fragen gar nicht forcieren. Auch nicht mit Dogs[1]. Trotzdem wird jede Rollenspielrunde, die eine Kampagne mit einer gewissen Nachhaltigkeit spielt, hier oder dort mit moralischen Fragen in Berührung kommen – selbst bei DSA 1 (im Artikel nach "Meuterei" suchen).

Ansonsten eine Faustregel: Moralische Fragen sind immer menschliche Fragen. Wenn die Antagonisten der Gruppe aus nachvollziehbaren Motiven handeln, dann ergibt sich die moralische Ebene eigentlich ganz von selbst.

PS: Trotzdem finde ich solche Spiele wie Dogs nach wie vor toll. Aber ich will halt auch nicht jeden Tag das gleiche essen.


[1]Wenn die Spieler da keinen Bock drauf haben, dann wird das Spiel in eine andere Richtung gehen. Da Dogs vornehmlich eine moralische Fragestellung bedient, wird es schwierig, damit noch Spass zu haben. 

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #9 am: 9.12.2008 | 16:42 »
Das würde ja dann wieder gegen "das Setting macht die Moral" sprechen. Würde ich auch so sehen.


Offline Stahlfaust

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #10 am: 9.12.2008 | 16:42 »
Ich persönlich finde moralische Fragen im Rollenspiel ebenfalls interessant. Aber man sollte es wirklich nicht übertreiben oder gar versuchen es zu "forcieren". So mancher Spieler hat nämlich keinen Spass an sowas. Sei es, weil sie es lieber in Schwarz/Weiss alias Gut/Böse mögen oder weil sie Rollenspiel lieber als Beer&Pretzel Spiel mögen, um etwas zu entspannen.
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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #11 am: 9.12.2008 | 17:10 »
Ok, vielleicht hätte ich Setting mit Hintergrund ersetzen können. Du könntest in diesem Universum (das wenn es 40K ähnelt sehr düster ist) natürlich auch in irgendeiner humanistischen Untergrundbewegung spielen.

Was waren denn so die schwierigsten, moralischen Entscheidungen in euren Runden die euch gerade einfallen?

Ein Beispiel von uns:
Wir hatten zB in Vampire mal eine Szene in der ein Charakter(A) den vorher durch Antagonistn ziemlich schwer verletzten Prinzen diablerieren wollte. Dazu kam wenig später aber ein anderer Charakter(B), sehr gut befreundet mit dem Ersten. Lage wurde sofort erkannt, und leider war es so das beide zwar die besten Freunde waren, B Diablerie aber für ein schlimmes Verbrechen hielt und außerdem ihre persönliche Machtbasis durch den Wegfall dieses Prinzen einbrechen würde.
Also stand B mehrere Runden daneben und überlegte hin und her. Die Verzweiflung war sowohl Charakter als auch Spielerin wirklich anzumerken. Schließlich hat sie sich dann dazu entschlossen A kalt zu machen und das relativ emotionslos durchgezogen. Danach war dieser Charakter nicht mehr derselbe, und zwar ganz unabhängig von irgendwelchen Menschlichtkeitsgeschichten.

Die zukünftigeren Moralfragen auf die Ein angespielt hat kamen bei uns leider bisher immer zu kurz.

Pyromancer

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #12 am: 9.12.2008 | 17:24 »
Also stand B mehrere Runden daneben und überlegte hin und her. Die Verzweiflung war sowohl Charakter als auch Spielerin wirklich anzumerken.

Das sind die Momente, für die ich rollenspiele!
Wenn der Dog sich ohne Gegenwehr über den Haufen schießen lässt, nur um seinen Standpunkt klarzumachen.
Wenn der Engel lieber 100 Gläubige ins Verderben rennen lässt, als mit Ketzern zu kooperieren.
Wenn der Ermittler bei CoC lieber einen guten Freund umbringt als ein okkultes Buch zu verlieren.
Wenn die Templerin einen Verräter gehen lässt, nur um vielleicht einer größeren Sache einen Dienst zu erweisen.

Das waren alles Situationen, in denen die Spieler mit sich gerungen haben, und am Ende haben sie eine moralische Aussagen getroffen - sei es durch die Aktion der Charaktere, sei es dadurch, wie sie als Spieler auf die Aktion ihrer Charaktere reagiert haben. Und das finde ich spannend!

Eulenspiegel

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #13 am: 9.12.2008 | 17:53 »
Mal eine andere Frage:
Bevorzugt ihr Charaktere, die eine ähnliche Moral wie ihr haben?
Oder bevorzugt ihr Charaktere, die eine möglichst gegensätzliche Moral haben?

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #14 am: 9.12.2008 | 18:46 »
Zitat
Bevorzugt ihr Charaktere, die eine ähnliche Moral wie ihr haben?
Oder bevorzugt ihr Charaktere, die eine möglichst gegensätzliche Moral haben?

Bin mir unsicher.
... im Grunde würde ich sagen das es immer vom Spiel und der Tageslaune abhängt aber in letzter Zeit eher zur "Gegenseite" tendiert. Auf der anderen Seite hätte ich schon Probleme diese wirklich abzugrenzen. Ich baue mir gerne Charaktere die nach manchen meiner Maßstäbe vollkommen ok sind (zB habe ich Probleme damit Rassisten oder Vergewaltiger als SC zu spielen) und nach anderen wieder nicht. (Wenn ich auf die letzten vier zurücksehe komme ich auf: einen tiefreligiösen Fanatiker, einen Monarchisten und Mörder, einen depressiven Kindersoldaten und einen skrupellosen Mafiosi). Tendenz wohl zu "Gegenseite".

Offline Lord Verminaard

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #15 am: 9.12.2008 | 18:50 »
Zu diesem Thema hab ich mehr zu sagen, als in einen einzelnen Thread passt, und leider im Moment überhaupt keine Zeit. :(
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Offline Joerg.D

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #16 am: 9.12.2008 | 19:07 »
Das sagt ein Mensch der gerne durch und durch unmoralische Charaktere spielt :-).

Obwohl, eigentlich fogen die doch ihrer eigenen Moral und sind durch und durch moralisch, oder?
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Offline DeadOperator

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #17 am: 9.12.2008 | 19:14 »
Auch ich liebe moralische Fragen im Rollenspiel. Für mich gibt es keine bessere Chance emotional in einer Rolle zu versinken.

Da ich selbst keinen Kampfsport betreibe kann ich z.B. nicht wirklich nachvollziehen wie man sich im Kampf fühlt, daher sind moralische Entscheidungen und soziale Konflikte viel näher an mir - dem Spieler - dran.

Selbst erlebt in:
Fading Suns als Priester
Midnight (Thema Dystopien und Fantasy)
THS als Spielleiter
Polaris

Polaris ist ein gutes Beispiel für ein Spiel das solche Probleme "produziert". Ich  habe bisher allerdings kein System gefunden, dass mich in der Simulation dieser Konflikte wirklich überzeugt hat. Das wäre für mich auch kontraproduktiv. In dem Moment in dem ich anfange etwas über Regeln zu lösen, entferne ich mich ja emotional von dem Spiel.

Das Setting trägt - meiner Meinung nach - deutlich dazu bei moralische Fragen aufzuwerfen. Alle genannten Beispiele spiegeln das wieder. Dennoch nutzt das beste Setting nix, wenn ich zu wenig Zeit mit meinen Spielern und deren Charakteren verbringe. Für mich ist die Reihenfolge so:

Ich lerne die Motivation meines Charakters kennen, seine Weltanschauung und seine (moralischen) Werte
Ich sehe mir die Moralvorstellungen des Setting an. Im Extremfall gibt es keine (oder wiedersprüchliche). In dem Fall nimmt mein Charakter (und ich als Spieler) eine Position ein, vertritt eine Meinung.
Die vergleiche ich mit denen der restlichen Gruppe

Wer bis hierher noch keine Konflikte hat, der spielt mit sich selbst ;).

Der Spielleiter (Plot, NSC etc.) schafft eigentlich nur Druck von Außen. Er dient als Katalysator für Entscheidungen.

Bisher hatte jeder Charakter den ich gespielt habe etwas mit mir zu tun. Was ich mir nicht vorstellen kann, das kann ich auch nicht spielen. Allerdings spiele ich hin und wieder auch meine dunklen Seiten aus. So kommt es vor, dass ein Charakter moralische Positionen vertritt, die ich als Spieler nicht teilen würde. Religion, witrschaftliche und politische Meinungen... 

Power Gamer: 8% | Butt-Kicker: 17% | Tactician: 25% | Specialist: 13% | Method Actor: 83% | Storyteller: 75% | Casual Gamer: 50%

Pyromancer

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #18 am: 9.12.2008 | 19:51 »
Ich  habe bisher allerdings kein System gefunden, dass mich in der Simulation dieser Konflikte wirklich überzeugt hat. Das wäre für mich auch kontraproduktiv. In dem Moment in dem ich anfange etwas über Regeln zu lösen, entferne ich mich ja emotional von dem Spiel.

Lumpley nennt das die "fruitful void". Wenn das Kernthema durch Regeln gelöst wird, dann "spielt das Spiel sich selbst".

Offline Merlin Emrys

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #19 am: 9.12.2008 | 20:21 »
Ich persönlich glaube ja das sowas vom Setting unabhängig ist.
Ich sehe das naturgemäß anders :-) .
Das Setting gibt vor, in welchen Punkten überhaupt moralische Positionen eingenommen werden können. In einem Jäger-und-Sammler-Szenario, das in einer praktisch techniklosen Umgebung angesiedelt ist, ergibt eine Position zu Stammzellforschung oder auch nur Züchtung überhaupt jedenfalls wenig Sinn. In einer besitzlosen Gesellschaft ist die Frage nach dem Umgang mit persönlichem Reichtum witzlos. Und so stellt jedes Szenario seine Vorgaben auf, in welchen Belangen ein moralisches Urteil denn nun gefragt ist.

Was die Differenzen zwischen Spielermoral und Charaktermoral angeht, denke ich, daß sie sich ebenso notwendigerweise mindestens teils decken, meist aber auch teils unterscheiden. Vollkommen deckungsgleich können sie sein, wenn man in einer der gegenwärtigen Zeit weitgehend entsprechenden Umgebung spielt. Je weiter sich die Umgebung von der dem Spieler gewohnten unterscheidet, desto weiter müssen sich auch die moralischen Urteile unterscheiden - spätestens, wenn man ihre Begründung mit in die Betrachtung einbezieht.
Darüber hinaus ist eine konsequente moralische "Anti"-Position meines Erachtens kaum denkbar. Daß ausgehandelte Bedingungen nicht eingehalten werden sollen, daß übernommene Verantwortung nicht verpflichtet oder es überhaupt keine Verantwortung geben soll, daß Gemeinschaft grundsätzlich schlecht ist - das würde das Eindenken in so eine Person schwierig gestalten und ein Spiel, das darauf baut, gewisse Dinge zusammen zu erledigen, beinahe unmöglich.

Ich halte also (spätestens, wenn das Setting ein Stück von der den Spielern gewohnten Umgebung abweicht) weder die Antwort "Spielermoral und Charaktermoral sind gleich." für möglich, noch überhaupt die Antwort "Spielermoral und Charaktermoral sind (ganz) gegensätzlich."

Eulenspiegel

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #20 am: 10.12.2008 | 01:59 »
Rollenspiel ohne Moral würde dann auch kein zivilisiertes menschliches Verhalten sondern nur auf morallose Klischees reduzierte Action beinhalten.
Nein. Morallos bedeutet nicht automatisch Action.

Eine total morallose Gruppe kann auch einsehen, dass sie gewaltsam der Unterlegene ist und versuchen, durch Intrigen den Gegner zu Fall zu bringen. - Oder man kann auf die Moral der anderen Vertrauen und seine Kinder und seine Frau als Geisel nehmen, damit er tut, was man von ihm verlangt.
Oder man kann auf Gewalt verzichten, weil gerade überall Wachen stehen, gegen die man nichts ausrichten kann und man versucht es lieber auf diplomatischen Weg. (Nicht, weil es moralisch ist, sondern weil es die klügere Entscheidung ist.)
Oder man kann den Hass zwischen zwei Gruppen schüren und sie gegeneinander ausspielen.

Alles Möglichkeiten für moralloses Spiel, das ohne Action auskommt.

Offline Arbo

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #21 am: 10.12.2008 | 12:02 »
Also irgendwie wirkt das Thema auf mich irgendwie befremdlich. Ich meine, was für ein Rollenspiel spielt "Ihr" denn sonst?

Jedenfalls habe ich es noch nie erlebt, dass im Rollenspiel "moralische Fragen" außen vor blieben. Meiner Meinung nach ist es doch gerade ein Element, um dem Spiel an sich Tiefe zu geben. Es sind die moralischen Dilemmata, die berühren: z.B. Selbstjustiz, Krieg, Intrigen und Mord. Aber eben auch Diskriminierung per Rasse, Geschlecht usw. Die Beschäftigung mit diesen Themen ist auch keinesfalls so zu verstehen, dass die Charaktere diese Probleme auflösen müssen. Das "tragisch-heroische Moment" liegt ja u.a. darin, es nicht auflösen zu können ... aber dennoch dagegen anzugehen. Es geht um's (fiktiv-konstruierte) Erleben dieser Situationen!

Ganz praktisch habe ich es also immer erlebt, dass sich meine SpielerInnen mit moralischen Fragen auseinandersetzten. Und zwar auf verschiedenen Ebenen: u.a. Spielweltebene vs. persönliche Ebene, persönliche Ebene und Charakterebene, Spielweltebene und Realweltebene usw. Interessant war es auch, wenn Charaktere durch bestimmte Orden usw. einer "Moral" verpflichtet waren, diese dann aber in Frage stellten. Und dabei sollte auch nicht der Fehler gemacht werden, zu denken, es gäbe nur EINE Spielweltlogik. Händler, Priester, Königstreue usw. ... alle haben eine Moral, aber vielleicht nicht die selbige.

Wie gesagt, wenn das außen vor lässt, verliert das Spiel für mich an Tiefe.

Arbo

P.S.: Das schließt nicht aus, dass bestimmte Aspekte "ausgeblendet" werden. Der "böse Ork" ist eben ein "böser Ork" - das mag eine dogmatische Ideologie sein, eine unhinterfragte Moral, die einem Charakter zu Grunde liegt. Aber dass diese "Moral" fehlerbehaftet, inkonsequent, unreflektiert o.ä. ist, heißt nicht, dass es keine Moral wäre.
« Letzte Änderung: 10.12.2008 | 12:05 von Arbo »
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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #22 am: 10.12.2008 | 12:08 »
Also, ich habe schon RPG-Sitzungen erlebt, in denen Moral etwa den gleichen Stellenwert hatte wie bei Risiko. Wenn es nur ums Gegner Metzeln und Schätze Sammeln geht, dann spielt Moral keine Rolle. Natürlich verliert das Spiel dann an Tiefe, aber das heißt nicht, dass niemand so spielt.

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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #23 am: 10.12.2008 | 12:51 »
Ich würde bestreiten, dass Moral dort keine Rolle spielt ... nur sieht die etwas anders aus. ;)
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Re: Moralische Fragen im RPG
« Antwort #24 am: 10.12.2008 | 12:57 »
@Arbo: Ich fürchte, du interpretierst den Inhalt etwas anders als der Rest. Ich dachte, es geht hier um das Behandeln der moralischen Fragen und nicht das Vorhandensein von Moral - und was das Behandeln solcher Fragen angeht, gibt es imho deutliche Unterschiede, die je nach System/Setting/Gruppe(!!) divergieren.