Ganz kurz zum Thema hohe Stufen:
Je mehr Material zur Verfügung steht bzw. produziert werden muss, desto schlechter können Unterschiede in der Gleichwertigkeit von Spielregeln vermieden werden. Das ist eine Grundregel des Balancing von Spielregeln.
In D&D4 wurde insgesamt mehr Wert auf Balancing gelegt als in den Vorgängereditionen. Eine der angewandten Strategien besteht darin, die insbesondere den Klassen zur Verfügung stehenden Kräfte und Feats zu parallelisieren. Das wird gemacht, um eine quantifizierte Betrachtung des Impacts der Kräfte zu ermöglichen und man kann das schätzen oder auch nicht. Selbstverständlich ist nämlich ein negativer Nebeneffekt dieser Strategie, dass der Entscheidungsfreiraum beim Charakterbauen wie auch während des Spiels dadurch beschnitten (Settembrini würde vermutlich "entwertet" sagen) wird.
Auch bei der 4th Edition gibt es bereits beim FRPG mit Impiltur und Thay zwei Regionalfähigkeiten, die die grundlegende Regelmechanik aushebeln. Und je mehr Kombinationen von Feats, Rassen, Klassen, Powers und Items publiziert wird, desto mehr solcher Dysfunktionalitäten (unter dem Gesichtspunkt des Balancing) wird es geben. Neben der Anzahl der zur Verfügung stehenden Sourcebooks ist ein weiterer Aspekt, der die Kombinationszahl in die Höhe treibt, ganz einfach die Stufe der Charaktere, denn mit zunehmenden Stufen nimmt die Anzahl dieser Kombinationen zu. Und da die Entwicklung der Charaktere nicht linearisiert ist, sondern auch zwischen Klassen bestimmte Kombinationen erlaubt sind, ist ein perfektes Balancing zunehmend schwierig und irgendwann einfach unmöglich.
Diesen Umstand beklagen Jack, Christian und Selganor hier augenscheinlich (und sind sich überdies mit hoher Wahrscheinlichkeit der obigen Ausführungen voll bewusst). Es besteht jedoch für diejenigen, denen ein gelungenes Balancing wichtig ist, die Hoffnung, dass die Zahl der Dysfunktionalitäten bei D&D4 aufgrund des etwas rigideren (manche sagen beschneidenden oder entscheidungsentwertenden) Designs geringer ist. Ich teile diese Hoffnung und hoffe, mit den Ausführungen helfen zu können, das vermeintlich zugrunde liegende Problem etwas greifbarer zu machen.
EDIT: Ganz zu schweigen übrigens davon, dass innerhalb einer Gruppe und besonders vor Kämpfen die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten von Fähigkeiten der verschiedenen Charaktere mit steigender Stufe erheblich (und aufgrund des Designs von 3.x eben stärker als bei 4E) ansteigt. Die Konsequenzen daraus sind dann abermals verschieden und reine Geschmackssache.
EDIT 2: Zum Vergleich ein System mit einem vollkommen anderen Ansatz: Rolemaster. Denen ist ein rigides Balancing weitgehend schnuppe. Rolemaster basiert im Gegensatz zu D&Dx darauf, dass die Charaktere unterschiedliche Sachen können, die sich vergleichbar cool anfühlen, deren Einfluss auf die Spielwelt jedoch ebenso unterschiedlich wie unvergleichbar ist. Das ist in D&D, weitgehend egal welcher Edition, eben absichtsvoll anders. Je wichtiger einem Spieler dieser Aspekt ist, desto stärker werden die Präferenzen für verschiedene Systeme ausfallen. Natürlich gibt es noch diverse weitere Vor- und Nachteile von D&D3.x gegenüber D&D4. Aber da es hier im Thread vor allem um 3.x und die damit verbundenen (Dys-)Funktionalitäten beim Leiten geht, beschränke ich mich einfach mal auf den Punkt des Balancing in Verbindung mit der in höheren Stufen fast exponentiell zunehmenden Kombinationsvielfalt der Charakterfähigkeiten.