Interessant finde ich Ludovicos Gedanken insoweit, als das immer gefordert wird, dass "Einsteigersysteme" doch "spielerfreundlich" sein müssten, mit möglichst einfachen Regeln, "weil 12-jährige so komplexe Regeln nicht verstehen". Die Spielleiterseite aber, deren Unterstützung natürlich weit mehr Arbeit, vor allem auch Denkarbeit (Konzeptionierung, Design), erfordert, wird dabei gerne ignoriert.
Spielerfreundlichkeit
ist Spielleiterfreundlichkeit... nur bezweifle ich, daß das, was gemeinhin als "spielerfreundlich" deklariert wird, es auch wirklich ist. Aber das ist ein anderes Thema...
Der Grund hierfür liegt vor allem darin, daß, wenn man nicht gerade ein SL-loses System nimmt (welche aber immer noch ein Außenseiterdasein führen), dann ist es doch diese eine Person, die die Orga der Runde übernimmt.
Ist das in der Mehrzahl der Fälle denn überhaupt so? Bei uns jedenfalls nicht; da werden organisatorische Aufgaben flexibel verteilt. Auch das "Anwerben neuer Spieler" machen diejenigen, die Leute kennen, und nicht diejenigen, die den nächsten Abend leiten. Eventuell hängt beides damit zusammen, daß bei uns verschiedene Leute leiten (nicht alle, aber diejenigen, die es halbwegs können).
Auch wir bennenen Runden nach irgendwelchen "Alleinstellungsmerkmalen" - das
kann der Spielleiter sein, häufiger ist es die Charakterkonstellation, zuweilen auch das Wunschziel der Gruppe... oder was auch immer. Dennoch ist die Gewichtung dieses Elements nicht das ausschlaggebende für die "Qualität" der Runde.
Wie interessant das Spiel aber ist, hängt nun mal vor allem vom Spielleiter ab.
Nein. Wenn ein Mitspieler "mauert", kann er den gesamten Abend ebensogut ruinieren wie der Spielleiter. Wenn es Streit gibt, kann das ebensogut zu einer mißlungenen Sitzung führen. Wenn Spieler sich nicht auf das Angebot einlassen wollen, wird aus der ganzen Sache nichts. Das auf den Spielleiter abzuschieben, ist zweifellos bequem, aber mE ebenso zweifellos ungerecht.
Ich würde zustimmen, daß der Spielleiter wichtig ist - aber nur in dem Sinne, daß er in einer Weise leiten muß, die zu den Wünschen der Spieler, wie sie spielen wollen, passt. Ein Spielleiter, der "theoretisch" supertoll ist, wäre dennoch ein miserabler Spielleiter, wenn die Spieler eine andere
Art von Spielleitung brauchen. Vielleicht ist es weniger wahrscheinlich, daß ein Spielleiter, der selbst einlädt, Spieler einlädt, die nicht in gewisser Weise zu ihm "kongruent" sind - zumindest, wenn er es einschätzen kann. Da aber der Spielleiter auch innerhalb des Spiels sozialkompetent handeln muß, mag es statistisch gar nicht so selten der Fall sein, daß der Spielleiter zugleich der Mitspieler mit der höchsten Sozialkompetenz ist und damit auch derjenige, der am ehesten sagen kann, welche Menschen "noch gut in die Runde passen würden". Notwendig ist es keineswegs, und bei uns auch nicht der Fall, weil einige der Spielleiter eher nur so recht und schlecht das nötige Maß an Sozialkompetenz aufbringen, das zum Leiten nötig ist. Oder sie bewältigen nichtmal das, und die Spieler gleichen mit ihren Fähigkeiten aus, was dem Spielleiter fehlt. Spätestend dann sollte aber genau nicht der Spielleiter weitere Gäste einladen, sondern einer der Spieler, der dafür ein bessres Händchen hat.
Es gibt in der Medizin gerade ein aktuelles Thema, das (ich kenne den Begriff nur in der englischen Form) "Superspreader" heißt. Dahinter steht die Beobachtung, daß bei Infektionskrankheiten einzelne Individuen überproportional viele andere anstecken, während eine ganze Reihe anderer Infizierter die Infektion praktisch nicht weiterverbreiten. Wenn man also die "Superspreader" ausfindig machen und impfen könnte, könnte man die Ausbreitungsgeschwindigkeit solcher Infektionskrankheiten enorm reduzieren. Soweit zur Medizin.
Auf's Rollenspiel übertragen, wäre das Ansinnen natürlich genau das andere: Wenn man "Superspreader" finden und begeistern kann, werden in der Folge besonders viele neue Spieler geworben. Aber diese "Superspreader" müssen nicht selbst auch die Spielleiter sein; eventuell ist es sogar günstiger, wenn sie es
nicht sind.