OK, ich versuche es mal etwas pragmatischer und ohne Theorie-Gelaber zu erklären:
1) Man kann mit jedem Rollenspiel oder Brettspiel alles spielen:
Ich kann PTA super herausforderungsorientiert und Hack'n'Slay mäßig spielen. Ich kann PTA auch sehr brettspielig spielen.
Aber es wird vom System her nicht unterstützt.
Andererseits kann ich D&D 4 auch sehr immersiv spielen. Oder ich kann sehr viele moralische Konflikte einbauen. Natürlich ist es möglich, aber es wird vom System her nicht unterstützt.
Ich kann sogar Descent sehr immersiv spielen und mit moralischen Konflikten. Aber imho wird es nicht von den Regeln unterstützt.
Die Frage ist also nicht, ob es mit einem Rollenspiel möglich ist, einen bestimmten Spielstil zu spielen. Die Frage ist, ob das RPG dies unterstützt.
2) Wenn ich sage, ein Spiel ist brettspielig, dann ist das keine Beleidigung, sondern nur eine bestimmte Art, ein Spiel zu spielen.
Ich spiele zum Beispiel HeroQuest oder StarQuest oder Empire in Arms extrem brettspielig. Aber dennoch machen mir diese Spiele Spaß. (Doom kenne ich nicht, werde ich mir aber demnächst zulegen, da ich bisher nur Gutes darüber gelesen habe.)
Die Frage ist also nicht, sind brettspielige Spiele gut oder schlecht? Das kann man nicht beantworten. Sie sind anders.
Die Frage ist eher, was zeichnet ein brettspieliges Spiel aus?
Jeder, der schonmal HeroQuest, das Brettspiel, und HeroQuest, das RPG gespielt hat, kann bestätigen, dass sich diese beiden Spiele vom Spielgefühl her extrem unterscheiden, obwohl sie vom Setting her relativ ähnlich sind.
Wodrin liegt also der Unterschied, den schonmal jeder gespürt hat, der die beiden Spiele RAW gespielt hat?
Imho liegt der Unterschied in den Prioritäten:
Beim Brettspiel gilt:
Das Spiel ist herausforderungsorientiert. Man muss versuchen zu gewinnen. (Ob kooperativ (PvE) oder alle Spieler gegen einen SL (PvSL oder jeder gegen jeden (PvP) ist egal. Wichtig ist: Man versucht zu gewinnen und wenn man sich doof anstellt, kann man verlieren.)
Außerdem ist es extrem wichtig, dass es festgeschriebene Regeln gibt, die man auf alle Fälle einhalten muss. Während des Spiels mal eine Regel zu ändern oder etwas fernab von Regeln zu improvisieren, sollte eigentlich nie vorkommen.
Herausforderungsorientiert und RAW sind also die Top Prioritäten beim Brettspiel.
Bei einem "german-style" Brettspiel ist die Immersion ebenfalls recht wichtig. Und man will eine schöne Geschichte erleben. Diese beiden Sachen haben aber nru niedrigere Priorität. (Immersion ist zwar wichtig, aber weniger wichtig als RAW.)
Beim Rollenspiel gilt:
Man will eine coole Story und man will Immersion. Das sind die beiden Top Prioritäten. (Disclaimer: Und auch, wenn einige Theoretiker sagen, dass Immersion überhaupt nicht wichtig ist und man ja Author-Stance spielen kann: Verglichen mit Brettspielen, ist der Author-Stance von RPGs extrem immersiv.)
Das sind also die Top Prioritäten beim RPG.
Je nach Spielstil, kann Herausforderungsorientiertheit auch sehr wichtig sein. Und das man sich an bestehende Regeln hält und nicht andauernd improvisiert, ist ebenfalls recht wichtig. Aber diese beiden Sachen sind halt KEINE Top Prioritäten. Sie sind eher sekundäre Prioritäten.
3) Was hat das ganze jetzt mit D&D 4 zu tun?
a) Man vergleiche D&D 4 einfach mal mit den beiden HeroQuests? Wo herrscht mehr Ähnlichkeit? Beim Brettspiel HeroQuest oder beim RPG HeroQuest?
b) Man schaue sich einfach mal die top Prioritäten bei D&D 4 an:
Das Spiel ist recht eindeutig herausforderungsorientiert geschrieben.
Außerdem wird recht klar, dass RAW wichtiger als Immersion ist: "Du kannst dir nicht vorstellen, wieso du den "Brute Strike" nur einmal täglich einsetzen kannst? Pech gehabt, RAW ist wichtiger als deine Immersion." (Wenn Immersion wichtiger als RAW wäre, dann könnte derjenige, der brute Strike gelernt hat, diesen so häufig einsetzen, wie er will.)
Das macht D&D 4 jetzt nicht schlecht. D&D 4 ist nach wie vor ein super Spiel. - Aber es macht D&D4 nunmal brettspielig.