@Dirk
Deine Rechnung geht allerdings davon aus, dass die Werbung die Absatzzahl nicht erhöht. In dem Fall ist sie natürlich sinnlos.
Nein, meine Rechnung geht davon aus, dass der Werbeaufwand so kalkuliert wird, dass er die Druckauflage trägt. In dem Fall wären die 3000 EUR auf die 3000er-Auflage abgestimmt; die 3000 EUR Werbung sind nötig, um die 3000 Stück zu verkaufen. Ohne diese Werbung würde der Verlag weniger Exemplare loswerden.
Von den 3000 EUR müssen aber auch so Dinge wir Rezensionsexemplare (verschenkte Bücher), Webauftritt und Messepräsenzen (Standmiete, Anreise und Transportkosten, Unterbringung des Standpersonals) finanziert werden!
Die erste Auflage von Arcane Codex hatte eine ähnliche Höhe. In deren Lebensdauer hat Nackter Stahl zwei Essener Messestände betrieben (wobei ich mich nicht erinnern kann, ob es im ersten Jahr schon ein Supplement gab, das an der Finazierung des zweiten Standes Anteil gehabt hätte).
Mein Argument war, dass man mit egal welchem in dieser Branche
überhaupt möglichen Werbeaufwand
in den klassischen Medien und Werbeformen nicht viel bewegen kann.
Bleiben wir bei meiner Bierdeckelrechnung und stellen wir uns vor, dass ein Verlag 10.000 verkaufte Exemplare für realistisch hält,
wenn er dafür entsprechend viel Werbung macht. Dann hätte er 10.000 EUR zur Verfügung.
Dafür bekommt man immer noch keine Breitenwirkung, keine Anzeige in der Micky Maus, vielleicht 2 oder 3 (je nach Größe) Anzeigen in Anime-Magazinen, deren Auflage sich irgendwo zwischen 12 und 15 T Exemplaren bewegt. Bei Berücksichtigung des Streuverlustes (d.h. Leuten, die sich egal wie sehr sie umworben werden niemals für Rollenspiele interessieren) ist die Reichweite alles andere als rosig. Wenn man sich dann vorstellt, dass dieses 10.000-Exemplare-Produkt ein Grundregelwerk ist, das den Grundstein für eine Linie legen soll, kann man sich ausmalen, wie viel (oder wenig) Werbung erst mit den naturgemäß auflagenschwächeren Folgeprodukten möglich ist.
Wer kann sich noch an Werbung aus den Jahren 1985/86 erinnern, als DSA und D&D angeblich jeweils 100.000 Boxen verkauft haben sollen?
- Droemer/Knaur/Schmidt haben TV-Werbung und (Eigen-)Anzeigen in Fantasy-Romanen gemacht.
- FSV hat Anzeigen in der Spielbox und den schnell aufkommenden Fanzines geschaltet.
- Beide haben "Stealth"-Marketing in Gestalt von "Sachbüchern" gemacht (Knaur: Knaurs Buch der Rollenspiele; Corian: Das große Buch der Fantasy-Rollenspiele), herausgegeben von Leuten, die ein Interesse an einer positiven Darstellung des Hobbys hatten (Knaur/DSA: Werner Fuchs und Jürgen Franke; Corian/FSV/D&D: Ulrich Kaiser). Vielleicht fehlt sowas heute, aber ohne ein weit verfügbares, einsteigertaugliches Spiel verpufft so ein Buch ohnehin.
Jedenfalls war selbst zu einer Zeit höherer Auflagen nur ein Minimalaufwand an Werbung möglich - und ich vermute, dass die DSA-TV-Werbung nicht wirklich oft geschaltet wurde - wie viele Leute können sich denn daran erinnern, sie gesehen zu haben? Ich war damals ein echter Vielgucker und ich habe den Spot
genau 1 Mal gesehen.
(Das wäre auch eine Erklärung dafür, dass der Spot verschollen ist, weil es einfach kaum jemanden gibt, der ihn damals aus Versehen auf Video aufgenommen hat.)
Ich sehe zum Beispiel auf Google zu einschlägigen Begriffen gar keine Werbung für Rollenspiele. Und das kostet nu nich die Welt.
Das stimmt allerdings. Ich wollte gerade sagen, dass man keine Google Ads schalten braucht, wenn man sowieso unter den ersten Treffern ist, aber mein Test eben gerade (Suchwort "Rollenspiele") brachte Feder & Schwert als ersten Verlag auf Platz 61. Davor waren haufenweise Computer-RPG-Zeitschriften, Heise-Artikel, Browsergames, vereinzelte RPG-Webshops; und in den Ads das gleiche Bild, plus Managerseminare.
Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass Adwords
zumindest für unseren Anime-Verlag nicht sehr effektiv waren. Mit Klickraten um 2 % war da schon kein Staat zu machen (was eigentlich keine Rolle spielt, man zahlt ja erst, wenn geklickt wird, da soll es mir egal sein, wie oft die Anzeige geschaltet wird; obwohl das Verhältnis für Google ein Indikator für Relevanz ist und die Seitenposition bestimmt - und ob die Anzeige überhaupt bei dem Suchwort gezeigt wird), aber unter Betrachtung der "Conversion Rate" wurde es endgültig unsinnig. Wenn man 150 EUR aufwenden muss, um eine einzige 25-EUR-DVD zu verkaufen, sollte man schnellstens die Notbremse ziehen.
Ich glaube, die Keywords kosten alle dasselbe. Und ich hab mich da jetzt seit Jahren nicht mehr drum gekümmert, aber ich meine mich vage zu erinnern, dass man da mit ca. 300 Euro mehrere Monate lang hinkommt.
Unsere Keywords schwankten zwischen 2 Cent und 4 EUR, je nach von Google bestimmter "Relevanz". Das ist ein ganz eigenes Thema...!
Und wie lange man mit 300 EUR hinkommt, ist davon abhängig, wie man sein eigenes Tageslimit ansetzt. Wenn das bei 10 EUR liegt, dann kommt man gerade einen Monat hin.
Bannerschaltung bei MMORPG-Webseiten und Fan-Seiten von PC-RPGs sind nicht sonderlich teuer.
Da war das Verhältnis allerdings noch schlechter, denn da zahlt man nicht für erfolgte Klicks, sondern für das reine Anzeigen. Auf MMORPG-Seiten sind ein paar Tausend Page Impressions ruckzuck durch, und ob da jemand geklickt hat, interessiert die Werbeagentur herzlich wenig.
Das Anbieten von Runden außerhalb von Cons wäre auch eine Idee. Hier würden sich Jugendtreffs anbieten.
Promotion-Aktionen mit Werbegeschenken und Testregeln (wie bei Cthulhu) in Spiele- und Bücherläden wären auch was.
Die Maßnahmen an sich sind erfolgversprechend, aber ebenfalls kaum bezahlbar. Ein Propagandist kann in einer Buchhandlung an einem Tag vielleicht (im Akkord...) 2 Spielrunden à 6 Leuten bespaßen (wenn sich so viele Interessenten melden, von denen einige zu allem Überfluss bestimmt schon Rollenspieler sind). Gehen wir von 10 EUR/Std. aus (weil es sich schön rechnen lässt) und von 3 Std. Spielzeit pro Runde, kostet jeder Spieler 5 EUR. Wenn jeder einzelne Spieler dann so begeistert ist, dass er das Grundregelwerk kauft, wurde jeder Kauf mit 5 EUR subventioniert. Das ist die Gewinnspanne des Verlages. Ich rechne damit, dass das Verhältnis schlechter sein wird, also bezahlt der Verlag für jeden Konvertiten aus eigener Tasche.
Die Konkurrenz bedankt sich, denn sie wird Gewinner sein, wenn die neuen Spieler in einem Jahr auf deren System umsteigen.
Das ist alles noch ohne die Kosten für Anreise, Aufbau, Spielmaterial, Fotokopien, Kommunikation mit und Vorbereitung durch die Buchhandlung...
Aber eigentlich ist doch Rollenspiel seit eh und je durch eine Art Graswurzelbewegung verbreitet worden, oder?
Das funktionierte aber nur, weil es sehr schnell sehr viele Leute gab, die sich gegenseitig anfixten. Irgendwann war das Netzwerk groß genug und an den genau richtigen Orten aktiv (Schulhöfe, Universitäten), um einen stetigen Nachwuchs zu schaffen, der größer war als die Zahl der Aussteiger.
Das gleiche haben wir bei Magic The Gathering gesehen, und in viel stärkerem Maße bei Pokemon.
Die Zahl der Graswurzeln ist heute unter der kritischen Masse. Hinzu kommt, dass sich das Freizeitverhalten der Jugend gewandelt hat; die Art und Weise, wie Freizeittermine organisiert werden und wie Netzwerke funktionieren kommt mir anders vor.
Alle Rollenspielrunden, die ich in den Achtzigern und Neunzigern kannte, haben sich aus zwei Gründen zusammengefunden: Sie waren entweder Klassenkameraden oder Nachbarschaftsfreunde. Vier der fünf Leute meiner ersten AD&D-Runde wohnten Steinwürfe auseinander - wirklich Steinwürfe; sie konnten einander sozusagen gegenseitig in die Kinderzimmer gucken.
Wenn ich mich in meiner Verwandtschaft umschaue und die Freundessituationen in dem Alter betrachte, stelle ich fest, dass sich Nachbarn nicht mehr kennen. Dazu kommt eine viel stärker organisierte und verplante Freizeit.
Und dann ist da noch das Phänomen der abgeschotteten Spielrunden, die gar kein Interesse haben, sich auszutauschen und neue Spieler zu erschließen. (Die gab es in den Neunzigern aber auch schon...)
Ach ja, das Interesse der Medien zu wecken, wäre auch eine Idee (wie durch Fernsehberichte).
Das klappt auch nur, wenn man da jemanden kennt, der Fürsprecher der Rollenspielidee ist - und der wird von sich aus schon versuchen, das Thema unterzubringen. Außenstehende Journalisten scheitern an dem Mangel an Bildern, die Rollenspiele(r) bieten und machen dann gerne Skandalberichte daraus.
Man braucht einen medienwirksamen Aufhänger, und den bietet unser Hobby abseits von Jubiläen (D&D4, 25 Jahre DSA) nicht.
Wieder ein Blick über den Tellerrand:
Mangas waren eine Zeitlang die neue, exotische, knallbunte Comic-Subszene, voller kostümierter Spinner. Das Bild hat sich irgendwann erschöpft, es wurde ruhig im Blätterwald. Dann hat Tokyopop einen Aufhänger gefunden und seitdem geht alle halbe Jahre (meist zu den Buchmessen) eine Welle von Berichten durch das Feuilleton, in denen über kreative junge Mädchen vorgestellt werden, die Comics zeichnen und einerseits bei Carlsen, EMA und Tokyopop hohe Auflagen erreichen und andererseits wie Stars gefeiert werden.
Das ist ein Aufhänger, denn er ist positiv und zu allem Überfluss wahr. Die Mangas haben etwas geschafft, was westliche Comics (sowohl die frankobelgische Schule als auch die Superhelden) nicht vermochten: einen sich selbst tragenden Zeichner(innen!)nachwuchs. Dass es Mädchen sind, macht die Geschichte gleich doppelt berichtenswert, denn Comics waren eigentlich immer eine Jungsdomäne.
Aber das ist vermutlich auch der Grund für den Erfolg. Die jungen Manga-kas sind hoch diszipliniert, arbeiten termingerecht, sind aufnahmefähig für Anregungen des Lektorats - da lohnt sich Verlagsförderung auch. Und da schlage ich den Bogen zurück zu Rollenspielen: Rollenspielautoren schreiben in der Regel nur das, wofür sie sich selbst interessieren (wie der langfristig doch erfolglose männliche Comic-Zeichner-Nachwuchs in den Achtzigern).
Wo war das
Harry-Potter-
ähnliche Einsteigerrollenspiel, als man damit hätte punkten können?
Wo war das
Herr-der-Ringe-
ähnliche Einsteigerrollenspiel, als man damit hätte punkten können?
Wo ist das
Bis(s)-zum-Morgengrauen-
ähnliche Einsteigerrollenspiel, mit dem man heute punkten könnte?
(Wobei ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen möchte; ich schreibe es ja auch nicht...)
Zu guter Letzt muss allerdings auch gesagt werden, dass alle Verlage die Notwendigkeit erkannt haben und ein Umdenken stattfindet. Quest, Freelancer u.ä. weisen ja in die richtige Richtung.
So oder so stellt man fest, dass PDF kaufen und selbst ausdrucken sich nicht lohnt. Der Preisabschlag auf das PDF ist so gut wie immer kleiner als die Kosten zum selbstdrucken. Also entweder man holt sich ein PDF und verwendet es als solches nur elektronisch, oder man kann gleich das richtige Buch kaufen.
ZORNHAU ...
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