Ich lese den Setting-Guide jetzt gerade von vorne nach hinten (bin im Astral-Space-Kapitel) und muss meinen schon etwas länger zurückliegenden ersten Eindruck doch revidieren: Ich mag das Verschwörungstheorie-Thema immer noch nicht so recht, aber immerhin geht der Text recht gewitzt damit um, indem er selbst widersprüchliche Kommentare liefert und so verschiedene Positionen liefert, mit denen man sich identifizieren kann. Zwar habe ich schon den Eindruck, dass man da als Leser eher in die Richtung der Verschwörungstheoretiker des Settings gedrängt wird, aber es gibt in den eingstreuten Kommentaren auch Kritik an selbigen, die sich gewaschen hat und mir zumindest kleine Identifikationsangebote liefert (am schönsten finde ich bisher die Passage, die inhaltlich etwa aussagt: "Ja, klar, immer stecken die Dämonen dahinter. Nein, Menschen haben sich niemals aus Gier oder Neid oder Hass gegenseitig schlimme Dinge angetan, es muss eine Verschwörung böser Mächte dahinterstecken.")
Wenn die Settinginformationen tatsächlich darauf hinauslaufen, dass irgendwie immer hinter allem die Dämonen stecken, fände ich das ehrlich gesagt auch für's Setting etwas schade, weil es ja viel anderes Konfliktpotenzial bietet - da dann immer alles auf das eine Ur-Böse zulaufen zu lassen, würde mich doch eher langweilen. Aber das lässt sich im eigenen Spiel ja auch leicht beheben, indem man den Fokus weg von den Dämonen verschiebt ...
Und spielen würde ich das Setting jedenfalls schon gerne mal, weil es einfach viel Material bietet, mit dem man einen Farscape-Vibe erzeugen kann und auch einige neue interessante Elemente - Spirits statt KI, z.B., und eine Version des "Sleeving"-Körperwechsel-REisens aus den Romanen Richards Morgans bzw. des Eclipse-Phase-Settings, die dadurch, dass sie magisch ist, sogar lustigerweise etwas mehr Sinn ergibt als die pseudowissenschaftliche Variante.
Andere Notizen:
Die Subspezies sind größtenteils interessant, wobei mir allerdings gerade bei den Gor die Ausbildung einer so starken Subspezies-Kultur etwas unglaubwürdig erscheint - wie viele Generationen hatten die Gor denn bitte, zwei oder drei? Und jetzt sehen sie sich als "aussterbend"? Soll das heißen, dass sie ihre menschlichen Kinder nicht als ihre "richtigen" Kinder ansehen? Auch die Hokai mit der Technikablehnung kommen mir da etwas konstruiert vor - insgesamt fände ich eine stärkere kulturelle Mischung der Subspezies in dem Setting viel einleuchtender. Wobei der Text in den Kommentaren auch wieder genau darauf eingeht und die eigenen Stereotypisierungen dekonstruiert - durchaus extraschlau, vielleicht auch ein bisschen zu extraschlau, ich bin mir da nicht sicher.
Die Shanrazi sind natürlich super, die Ex-Fußsoldaten der Dämonen, und jetzt müssen sie sehen, wo sie bleiben ...
Die Vagrants, die ja offenbar die Core Story, also das, was man spielen soll, sind mir ehrlich gesagt nicht besonders sympathisch - so eine Art libertär-reaktionäre Rebellion gegen einen repressiven Staatsapparat. Werte wie Solidarität scheinen da nichts zu zählen, stattdessen gibt's den Kampf aller gegen aller, der dann als große Freiheit angepriesen wird. Ehrlich gesagt sieht Consortium gegen Vagrants für mich ein bisschen nach Staats-Faschismus gegen Bewegungs-Faschismus aus. Aber das ist schon okay, man will schließlich spielen, also Abenteuer und Gefahren erleben, und dafür eignet sich so eine Prämisse eben gut. Nein, zugegeben, ein bisschen stört es mich auch, aber ehrlich gesagt unterscheidet sich die rebellische-Einzelkämpfer-Prämisse bei den Vagrants ja kaum von dem, was man in den meisten anderen RSP-Settings geboten kriegt. Die Helden sind halt immer Helden, die ihre eigenen Regeln machen und sich berufen fühlen, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Bei Equinox rückt die unschöne politische Dimension davon nur mehr in den Vordergrund, was bei mir ein gewisses Unbehagen erzeugt, das aber eigentlich nicht am Material liegt, sondern an seiner durchaus ehrlichen Präsentation.
Kurz: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das, was Equinox inhaltlich ausprobiert, gut finde, aber immerhin: Gut gemacht ist es!
Eine Frage für Leute, die vielleicht schon das Match System kennen: Ist das eigentlich darauf ausgelegt, dass man nur Mystics spielen kann? Unter den Vagrants gibt es ja laut Setting durchaus auch Nicht-Mystics, die ich da als Rolle spontan durchaus interessanter fände ...