Ich bin endlich mit der Charaktergenerierung durch. Das war das bislang mit Abstand chaotischste, aber auf traurige Art und Weise auch lustigste Kapitel.
Also vorweg: Es gibt ein Lifepathsystem und ein Custom Creation System. Bevor ich das erläutere, möchte ich aber sagen, was ich so chaotisch und lustig fand. Das Kapitel erklärt nämlich die Charaktergenerierung gleich mehrfach. Zunächst gibt es einführende Worte (wie in FS2), dann eine Erläuterung des Lifepath System (die ist neu!!) und schließlich eine Erläuterung des Custom Creation System. Das scheint ja logisch zu sein. Aber der Witz ist, dass innerhalb des Lifepath System auf einmal - also mitten drin - das Lifepath System noch einmal erklärt wird (scheint weitgehend der alten Erklärung aus FS2 zu stammen), wo am Ende dieser Erklärung auch noch einmal auf das Custom Creation System als Alternative hingewiesen wird (was kein Copy & Paste Fehler aus FS2 ist, da es dort diesen Hinweis nicht gab, die Verantwortlichen dachten wohl wirklich, dass man bis dahin schon wieder vergessen hat, dass es auch Custom Creation gibt bzw. dass man wo man schon mitten im Lifepath System ist vielleicht doch lieber noch schnell wechseln möchte). Zudem scheint die Einführung zu Beginn noch von einer alten Version der Generierung auszugehen (obwohl es neu hinzugefügt wurde), denn dort finden sich Hinweise, die einfach keinen Sinn ergeben - im besten Fall werden sie "nur" so scheiße nicht so gut erklärt, dass ich nach mehrmaligem Lesen und hin und her blättern nicht raffe, was die jetzt von mir wollen. Sobald hier noch ein, zwei Leute das Revised Buch haben, würde ich gerne darüber sprechen, wie da ein paar Details gemeint sein könnten.
Dieser chaotische Aufbau hat nun aber dazu geführt, dass ich wenigstens ein paar lustige Momente erleben durfte. Dazu gebe ich einfach mal ein paar Zitate zum Besten mit Seitenzahl - Hervorhebungen sind so im Text!
"A beginning character may not raise a characteristic above 8 (such perfection requires not only innate ability, but also tempering in the fires of experience). One exception to this rule is a Vorox’s Body characteristics, which can be raised to 10 (only Experience points can raise them higher)." - 107 (in der Einführung in die Charaktergenerierung)
"Characters cannot begin play with any skill or characteristic above 8. If this happens during character history, the player should take the extra levels and redistribute them elsewhere" - 108 (in der ersten Erläuterung des Lifepath-Systems im Abschnitt zu den "Histories", aus denen man wählen kann)
"However, characters cannot begin play with any skill or characteristic above 8. If this happens during Character History, the player should take the extra levels and redistribute them elsewhere." - 116 (im Lifepathsystem im Abschnitt Histories, wo glücklicherweise - das ist jetzt nicht sarkastisch, ich habe erst hier richtig verstanden, was die von mir wollen - das Lifepathsystem ein zweites Mal erklärt wird, natürlich wenn man schon mitten drin ist eben bei den Histories; hier wird auch mitten im Lifepathsystem noch mal auf das Custom Creation System hingewiesen, sehr löblich)
"A beginning character may not raise a characteristic above 8 (such perfection requires not only innate ability, but also tempering in the fires of experience). The one exception to this rule is a Vorox’s Body characteristics, which can be raised to 10 (only Experience points, however, can raise them above this)." - 130 (in dem Custom Creation System, Schritt 2)
"A beginning character may not raise a skill above 8 (such perfection requires not only innate ability, but also tempering in the fires of experience). The one exception to this rule is a Vorox’s Body characteristics, which can be raised to 10 (only Experience points can raise this higher, however)" - 131 (Custom Creation System, Schritt 3)
Ich finde das höchst köstlich, wobei ich später erfahren habe, dass diese Wiederholungen grundsätzlich schon in FS2 angelegt waren und hier durch die Dopplung der Erklärungen nur noch häufiger geworden sind.
Von solchen Wiederholungen macht das Regelbuch übrigens grundsätzlich Gebrauch, hier ein anderes Beispiel, das habe ich noch nicht mit FS2 gegen-gecheckt:
"Characteristics are the innate qualities of a character, the hereditary or otherwise deep-rooted aspects defining the character. Like most traits,
characteristics range from 1 to 10, with 1 indicating an extreme deficiency and 10 indicating human perfection. There are several types of characteristics: Body
(physical), Mind (mental), and Spirit (psychological and emotional)." - 93
"Characteristics are the innate qualities of a character, the hereditary or otherwise deep-rooted aspects defining the character. Characteristic ratings range from 1 to 10, with 1 indicating an extreme deficiency and 10 indicating human perfection (see Characteristics, p. 93). There are three standard types of characteristics: Body (physical), Mind (mental), and Spirit (psychological and emotional). " - 107
Großartig, nicht wahr?
Für mich sind das alles Dinge, die man in einer revidierten Fassung - egal wie weit die tatsächlichen regeltechnischen Änderungen nun gehen - hätte besser machen können. Als ich nachträglich in FS2 gesehen habe, war ich wirklich entsetzt, denn dort war das auf den ersten Blick identische Lifepath System wesentlich übersichtlicher dargestellt und sofort eingängig zu verwenden. In FSR gibt es also eine klassische Verschlimmbesserung, die Umstellungen und Änderungen des Textes - d.h. vor allem der Kram mit den Character Roles und die keinen Sinn ergebende neue Erläuterung des Lifepath Systems - sind echt übel. Grundsätzlich haben sie den Text ja auch absichtlich neu geordnet und manchmal auch zum besseren, so sind nun die Regeln zu Erhalt und Nutzen von Experience bereits im "Rules"-Kapitel und nicht in den Traits versteckt (wo ich sie in FS2 nur dank des Index gefunden habe).
So, aber ich wollte wenigstens ein bisschen was zum Lifepath System sagen. Dies ist für diejenigen, die FS2 kennen, weitgehend uninteressant, aber vielleicht gibt es hier ja noch den ein oder anderen interessierten FS-Neuling.
Dies ist kein Würfelsystem wie in Traveller. Im Gegenteil verlangt das Spiel, dass man sich zunächst ausgiebig Gedanken um seinen Charakter macht - was ist er für ein Typ, wie war seine Kindheit, was hat er erlebt, ist er verliebt, was sind seine Ziele usw. usf. Erst wenn man das hat, soll man in die Lifepath-Generierung gehen.
Man muss sich nun für seine Rolle entscheiden - Noble, Priesthood, Merchant, Serf, Alien. (Nein, es gibt keine Lifepaths für Serfs. Ich nehme an, das hatte man vor, darum werden die als Rolle erwähnt, aber dann doch nicht umgesetzt und vergessen, es wieder zu streichen. Die Generierung geht ganz klar von freien Leuten aus.) Das hat im Lifepath System aber erst in einem weiteren Schritt eine Auswirkung, weil man zunächst innerhalb dieser Rolle drei Etappen auswählt: Upbringing, Apprenticeship, Early Career. Darin befinden sich jeweils verschiedene Optionen die dann auch die Rolle enger fassen können - so kann es beim Noble einen Unterschied machen, welchem Haus man angehört, während bei den Etappen der Rolle der Merchants die Gilde relevant wird. Dadurch ist das System relativ verschachtelt.
Beispiel: Ich entscheide mich für die Rolle des Merchants. Unter Upbringing ist hier eine Besonderheit, ich darf ein Environment und meine soziale Klasse wählen (anstatt nur eine Option wie bei Nobles). Nun entscheide ich mich, mein Upbringing auf einem Space Habitat als Environment in einer Wealthy Class verbracht zu haben. Daraus folgen Boni für meine Charakterstika und Fertigkeiten. Im Apprenticeship entscheide ich mich, auf der Academy ausgebildet worden zu sein (und z.B. nicht in der Guild Hall oder in The Streets), hier wähle ich nun noch mal die passende Option entsprechend einer Gilde aus, z.B. Charioteers - andere Gilden würden in der Academy andere Boni vergeben. Schließlich folgt die Early Career, hier kann ich mich z.B. für Starship Duty mit weiteren Boni entscheiden.
Schließlich folgen noch 2 Extra-Stages mit weiteren Boni. Die sind besonders wichtig, weil man hier z.B. auch okkulte Fähigkeiten oder Cybernetics erwerben kann. Dann kommen noch ein paar Boni, z.B. eine Auszeichnung, und schließlich das Startgeld für Ausrüstung.
Die verschiedenen Lifepath-Etappen sind untereinander balanciert, so dass sie in der Summe alle gleich viel "wert" sind, zumindest im Rahmen der Generierung.
Das Lifepathsystem ist ganz nett, um einen kohärenten Charakter zu erhalten, der ins Setting passt. So ist eher gewährleistet, dass man Charaktere spielt, wie sie für das Spiel vorgesehen ist und nicht unpassende Charaktere baut, wie es mit dem Custom Creation System geschehen kann.
Dazu muss man sagen, dass das System Minmaxing fördert: Während der Generierung stehen die Kosten für Skills und Characteristics nämlich in einem anderen Verhältnis zueinander als in der späteren Steigerung mit Experience. Das führt dazu, dass auch die Lifepath-Etappen natürlich zwar in Hinblick auf die Generierungsregeln balanciert sind, die Generierungsregeln aber wiederum in Hinblick auf die späteren Steigerungsmöglichkeiten schon nur ein begrenztes Maß an Fairness bieten.
Der Spieler steht nun vor dem Dilemma, das er seinen Charakter auf die späteren Steigerungskosten hin ausrichten kann, sprich er kann einen effizienten Charakter bauen, der auf lange Sicht von einer geschickten Verteilung der Punkte profitieren kann. Damit wird er aber dem Vorwurf des "Powergamings" ausgesetzt - oder ärgert sich vielleicht selber darüber, dass der Charakter wie er ihn eigentlich spielen möchte womöglich ineffizient ist und die Punkte ungünstig verteilt.
Das ist einfach absolut unnötig. Gerade in einem Lifepath System wäre es möglich gewesen, dies zu berücksichtigen und die Generierung analog zur späten Steigerung aufzubauen.
Nun ist es aber auch so, dass in Fading Suns Revised der Spieler nicht selbst entscheiden darf, wofür er seine Erfahrungspunkte ausgibt! Es ist tatsächlich so, dass der Spielleiter darüber bestimmt. (Überhaupt gibt Fading Suns Revised dem SL sehr, sehr viele Rechte - es geht ganz klar von einem starken SL aus, der so ziemlich alles entscheiden darf, z.B. wird ihm ausdrücklich erlaubt, nach Belieben die Regeln zu brechen und zu biegen.) Damit hat man natürlich einen Kontrollmechanismus - wenn man nicht steigern darf, was möchte, sondern nur, was der SL erlaubt oder wünscht, kann man natürlich nicht davon ausgehen, dass man seinen Charakter im Nachhinein so hinbiegen kann, wie man ihn eigentlich haben wollte und dabei noch Punkte spart. Damit wird ein optimierter Charakter auf einmal wieder weniger sinnvoll.
Zu Detailänderungen gegenüber FS2 kann ich wie gesagt leider nichts sagen. Ich habe die Regeln hier zwar vorliegen und vergleiche gelegentlich den Textaufbau, aber ich kenne die FS2-Regeln nicht - FSR ist wie gesagt das erste Fading Suns, das ich von vorne bis hinten lese, da ich 5 Jahre gewartet habe, um mit dem groß angekündigten FS3 in das Spiel einzusteigen.
Dieses Charaktergenerierungskapitel bewegt sich für mich aber in Sachen Textorganisation und Verständlichkeit der Regeln etwa auf einer Ebene mit Doomstone, wenn es nicht noch schlechter ist.