Eine Spielleitung, die sich nicht traut, die Verantwortung (gerne gemeinsam mit den Spielenden) für die Handlung, die Welt und die gespielte Geschichte zu tragen und diese in dem von Dir genannten Umfang an Tabellen abtritt, wäre keine, der ich meine Zeit, Phantasie, Taktikkompetenz und Kreativität als Spieler schenken würde:
Hervorhebung durch mich.
Es kann im ergebnisoffenen Spiel keine geplante Geschichte, vorgegebene Handlung geben, diese entsteht durch das Spiel selbst. Es kann Szenarien, auf den Akteuren aufbauende Entwicklungen, geplante Ereignisse, Gerüchte und Geheimnisse, Dilemmata und Verrat, Überraschung etc. geben, aber eines nicht:
Eine geplante Geschichte/Handlung, für die
allein der Spielleiter die Verantwortung trägt.
Sondern eben auch die Spieler, die den Antrieb liefern müssen, die Welt auch zu erkunden, und sich ihre eigenen Ziele zu setzen.
Sie können dabei Erfolg haben oder scheitern, sich etwas anderes aussuchen als vom SL ursprünglich vorgesehen, sie können drohende Katastrophen abwehren, den BBEG durch einen Glückstreffer, guten Plan oder System Mastery erledigen - oder eben das Leben verlieren und sterben oder
zu etwas schlimmeren werden.
Zweitens: Taktik ist bedeutungslos, wenn "Geschichte" dominiert oder auch nur auf dem Tisch liegt. Wenn ich als Spieler mitbekomme, dass sich alles entlang an Eisenbahnschienen, durch Mary Sues und Würfeldrehen entwickelt, gebe ich mir keine Mühe mehr, und viele Spieler, die ich kenne, verhalten sich ähnlich.
Drittens: Je mehr "Geschichte" dominiert, desto weniger wichtig ist die "Welt" - erst recht, wenn es darum geht, sie zu erkunden. Das Primat des Plots erlaubt keine Exploration oder Interaktion mit Teilen der Welt, die für den Plot nicht notwendig sind- und damit passiert dies nicht oder nur sehr eingeschränkt.
Viertens: "Tabellen" sind Teil der Welt, die man gestaltet. Das Element des Chaos, sicherlich, aber auch ein Abbild dessen, wie die Welt abseits der Erste-Person-Singular-Perspektive funktioniert. Gute Tabellen folgen einer inneren Logik, seien es Aufbau von unterschiedlichen Begegnungswahrscheinlichkeiten und die Art der ausgewählten Einträge, und
sollten dynamisch auf die Ereignisse in der Welt reagieren.
In manchen Fällen stellen die Tabellen auch den Algorhytmus zum Generieren des Settings dar - jemand schrieb mal über
Traveller vor vielen Jahren, das Setting ist das, was man bekommt, wenn man das System verwendet. Traveller ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie scheinbar inkompatible Ergebnisse unter dem Einfluss eigener Kreativität zu einzigartigen Lösungen und Bedeutungen führen können.
Oder in altem D&D: Wandernde Monster erzeugen einen Zeitdruck auf die Gewölbeforscher, damit nicht ziellos rumgetrödelt wird, sondern eben auch Spannung erzeugt wird (neben anderen Benefits.)
Bleibt noch zu sagen, dass niemand gezwungen wird, die Tabellen erst am Tisch anzuwenden; man kann sie auch in der Vorbereitung des Spiels anwenden, und hat dann auch mehr Zeit, sie auszugestalten.
Natürlich stören Zufallstabellen das Primat des Plots.
Und letztlich:
Die konsumistische Grundhaltung, das Rollenspielsessions nur gelingen, wenn alleine die SL, nicht aber die Spieler Verantwortung übernehmen, ist fehlgeleitet.
Meine Gruppe erreicht zuverlässig seit längerem das Ziel, das ARS formuliert (viel "Handlung, Personnagenidentifikation, atmosphärischer Kampagne und Nervenkitzel") ohne PESAs recommondierte zweifelhaften Methoden ("Dies wird erreicht durch unmanipulierten Gebrauch des Zufallsgenerators Würfel..."), seine bislang nuancenlosen, engen Vorgaben (kein SCHerz!) - und das obendrein mit einem Spielsystem (3.5E), das mit seiner Kultur ARS eigentlich verhindert. Ich schließe daraus: Viele Wege führen zum Ziel von ARS. Wäre das ein Satz, auf den wir uns einigen könnten?
Oh, du hast nur eine Gruppe? Ich habe und hatte mehrere in meinem Leben. Bestimmt nicht so viele wie andere in diesem Faden Aktive, aber doch einige.
Jede einzelne läuft unter eigenen Regeln ab, ist ein eigenes Soziotop.
Gruppen gewöhnen sich an einen Stil. Spieler haben einen Einfluss auf die Leitung, der Stil der Leitung, über lange Jahre ausgeübt, setzt Erwartungshaltungen an die Leitung , die wiederrum diesen Stil umzusetzen hat (und dann auch irgendwann nicht mehr anders kann, im schlimmsten Falle).
Gruppen mit Personen, die sich kennen, haben Vorteile; aber eben auch diesen Nachteil, das irgendwann nichts mehr hinterfragt wird, und sich niemand mehr weiterentwickelt. Überspitzt ausgedrückt.
Ich lade Dich daher ein, für Dich selbst im stillen Kämmerlein zu überprüfen, in wie weit Du selbst Erwartungshaltungen in all den langen Jahren geprägt hast, und schlußendlich Deinen Stil zu leiten danach ausgerichtet hast.
Deine doch etwas begrenzte anekdotische Erfahrung hat es denn dann doch etwas schwer, gegen die all der anderen (mich noch nicht einmal eingeschlossen) in diesem Faden und anderswo zu bestehen. Selbst dann, wenn wir rausrechnen, dass Du durch
möglichen Einsatz von Framing, Walls of Text und anderen Techniken der unlauteren Kommunikation diesen und mir nicht als integrer Gesprächspartner gelten könntest.