[...]Du unterstellst ja implizit den Leuten, die sich am Layout orientieren, dass sie keine Rollenspiele kennen, die ihnen Spaß machen - aber ich schätze, die meisten Leute haben längst ein System gefunden, in dem sie sich "zu Hause" fühlen. Und ob man dann noch was anderes ausprobiert, hängt plötzlich von ganz anderen Faktoren ab, als du sie beschreibst.
Nein, das ist etwas komplexer.
Ich bin überzeugt, dass auch die ersten Spieler von D&D1 in den Siebzigern viel Spaß beim Spiel hatten. Dennoch fanden sich mit der Zeit Methoden, um diesen Spaß noch zu optimieren. Das nennt man technischen Fortschritt, in diesem Fall bei Rollenspielregeln.
Technischer Fortschritt setzt voraus, dass man mit verschiedenen Herangehensweisen experimentiert und die Ergebnisse dieser "Forschung" einer breiteren Öffentlichkeit zur "Peer Review" zugänglich gemacht werden. Das alleine reicht aber nicht - die breitere Öffentlichkeit muss die Ergebnisse auch zur Kenntnis nehmen und Feedback geben, damit der Fortschritt tatsächlich bei mehr als einer Hand voll Spielrunden stattfindet. Dazu ist es erforderlich, diese neuen Spiele auf Papier verfügbar zu machen und Geld dafür zu nehmen. Das muss nicht viel sein, aber so viel, dass nur die das System betrachten, die es auch benutzen wollen. Ein PDF zum Download wird vielleicht von vielen überflogen, von manchen gelesen, von ganz wenigen gespielt... und das Feedback wird gegen Null gehen. Nur wer etwas investiert, bringt normalerweise auch die Mühe auf, von eigenen Erfahrungen mit dem Spiel zu berichten.
Wenn nun, wie in den letzten Jahrzehnten geschehen, durch eine (wie ich meine) alberne Fixierung auf Gestaltungsfragen beim Druck die Einstiegshürden für das Veröffentlichen von Rollenspielen immer weiter gesteigert werden, wird die Zahl der Leute, die das Wagnis eingehen, ihre Ansichten, Erfahrungen und "Forschungsergebnisse" auf eine Feedback erzeugende Weise zu teilen, automatisch sinken. Das ist dann für den Fortschritt schlecht. Dem wirkt auf der anderen Seite technischer Fortschritt in anderen Bereichen (Stichwort Digitaldruck) entgegen, so dass es einfacher ist, ein Hardcover in einer sehr kleinen Auflage zu produzieren, aber suboptimal für den Fortschritt ist das Gestaltungsdogma dennoch.
[...] Mich persönlich interessiert bei einem Rollenspiel zuallererst das Setting, ich bin ein ganz urtypischer Erzähler, ich kann mMn aus fast jeder Regel was brauchbares machen, notfalls durch Weglassen eben dieser Regel. Da spielt es für mich auch gleich eine deutlich größere Rolle, wie dieses Setting transportiert wird - und da kommt eben nicht nur der Text mit rein, den ich bewusst lese, sondern auch die Aufmachung dieses Textes - ein absolut nicht zu quantifizierender unterbewusster Eindruck, der imho extreeeem viel Stimmung und Feeling vermitteln kann, aber auch, wenn das Layout nicht passt, diese sogar absolut zerstören kann.
"Stimmung und Feeling hängen vom Layout ab." Soll ich Dir was sagen: Das ist Bockmist. Stimmung und Feeling am Spieltisch entstehen durch die Spielenden. Selbst die früher in diesem Thread zitierte, nur mit einer schönen Illustration einer Burg mögliche Spielrunde hätte genauso gut funktioniert, wenn jenes Bild eine Karte in schwarzweiss gewesen wäre und der Text des Regelwerkes als simples Nimbus Roman No.9/Times New Roman in einspaltigem Office-Layout auf weißem Untergrund daherkäme.
Ja, Bilder vermitteln Informationen, und das kann enorm nützlich sein, um zu zeigen, statt zu erzählen. Aber die Forderungen nach "zeitgemäßem Layout" gehen ja viel weiter.
[...]Und da die Preisspanne bei RPG-Regelwerken wirklich nicht so gewaltig ist, und da z.B. Regeln von einigen Gruppen gar nicht so wichtig genommen werden wie Stimmung und erster (!) Eindruck, [...]
Es ist doch genau diese Haltung, sich vom ersten Eindruck und praktisch nichts sonst abhängig zu machen, die ich als dumm bezeichne.