Was wird das hier? Ich habe vor länger Zeit mal einen Text geschrieben, hatte ihn mir jetzt wieder angeschaut und dachte mir, poste ihn halt mal.
Figuren, Charaktere und deren Spieler
Zunächst ein Wort zum Thema an sich. Die folgenden Aussagen sollen keine Wertigkeit besitzen bzw. mein Ziel ist es nicht, dass sie so ist. Sollte dennoch der Eindruck entstehen, so möchte ich schon im Vorfeld dafür um Entschuldigung bitten. Beide Herangehensweisen sind richtig und wichtig und da sie während des Spielens sowieso in Mischform auftauchen, kann man auch keine endgültige Wertung abgeben.
Im weiteren muss etwas Definitionsarbeit geleistet werden. Wenn ich nun von Figuren und Charakteren spreche, meine ich alle im Rollenspiel, in einer Runde und einer Geschichte auftauchenden Wesen, ob sie nun Menschen, Tiere, Monster, usw. sind. Ich möchte daher von einer Rolle sprechen, wenn es beides sein kann oder noch nicht klar bestimmt ist.
Doch zum eigentlichen Thema: Figuren, Charaktere und deren Spieler
Grundsätzlich stellt sich die Frage, was die jeweilige Bezeichnung aussagt. Ich möchte zunächst auf die Figur eingehen und später auf den Charakter. Wie schon oben angedeutet, wird es wohl nie eine Reinform der Beiden geben. Das kanmn auch damit begründet werden, das sie eigentlich zusammengehören. Jedoch können sie unterschiedlich gewichtet, ausgearbeitet und dargestellt werden.
Die Figur zeichnet sich durch eine klare Oberfläche, Werteausprägung und einer gewissen Distanz aus. Das dem Begriff der Figur eine Doppeldeutigkeit innewohnt, ist sicherlich kein Zufall. Der Begriff meint sowohl eine Rolle in einer Geschichte als auch die Statue oder Spielfigur z.B. eines Brettspiels. Nimmt man den letzten Ansatz, zeigt sich schon, dass das Äußerliche über allem anderen steht. Dennoch besitzt eine Figur eine Vor- und Entstehungsgeschichte, nur rückt diese nach der Fertigstellung der Figur in den Hintergrund. Ein Effekt, den man auch häufig bei Rollenspielfiguren ausmachen kann. Selbst eine aufwändig gestaltete Hintergrundgeschichte spielt dann keine Rolle mehr und wirkt sich nicht auf die Handlungen der Figur aus.
Ein Beispiel: Ein vom Krieg gezeichneter Kämpfer, der sich eigentlich von der Gewalt zurück ziehen will und von ihr traumatisiert ist, wird in einer strittigen Situation sofort wieder kämpfen, wenn es sich um eine Figur handelt. Seine offensichtlichen Fähigkeiten, werden über die innewohnenden obsiegen.
Doch jede Rolle lebt durch den Spieler und wie er die Rolle für sich gestaltet, spielt und darstellt. Ich behaupte nun, das ein Figurenspieler besser auf Was-Fragen antworten kann. Damit meine ich Fragen wie „Was ist deine Rolle?“, „Was kann deine Rolle?“ oder „Was sind die Ziele deiner Rolle?“.
Auch hier ein Beispiel. Der Einfachheit halber bleiben wir bei einem Kämpfer und ich übernehme die obigen Fragen:
-> Was ist deine Rolle? - Ich bin ein Krieger.
-> Was kann deine Rolle? - Er kann gut kämpfen, rennen und alle weiteren körperlichen Tätigkeiten.
-> Was sind die Ziele deiner Rolle? - Er möchte der beste Kämpfer der Welt werden, ein magisches Schwert besitzen und eine bessere Rüstung bekommen.
Die Antworten sind sehr klischeehaft gewählt und somit Kritik anfällig, aber ich möchte mit ihnen zeigen, dass es dem Figurenspieler einfacher fällt auf solche Fragen zu antworten. Zudem kann ich sie zur Überführung der nächsten Behauptung nehmen.
Die Ziele einer Figur sind in seinem Können, in der Anwendung dieses Könnens und seinen Besitztümern zu finden. Für den Figurenspieler ist es wichtig, was die Figur kann, das sie dieses Können einsetzen und verbessern können und das er Gegenstände erhält, die sein Können verbessern oder sichern und einen gewissen Status repräsentieren. In gewisser Weise könnte man davon sprechen, das eine Figur sehr materialistisch geprägt ist.
Aufgrund dieser Betrachtung einer Rolle, wird die Figur auch eher distanziert gespielt. Es ist nicht so wichtig, wie die Figur etwas sagt oder tut, sondern ob die Nachricht ver- oder übermittelt wird und ob eine Handlung erfolgreich ist. Dadurch bleiben Figuren immer sehr abstrakt, auf Werte beschränkt und unnahbar.
Noch eine Metapher mit der ich eine Figur beschreiben möchte. Betrachtet man eine Rollenspielrunde und -geschichte als Auto, so könnte man sagen, das Figurenspieler so etwas wie das Getriebe und die Lenkstange sind. Sie bestimmen wie schnell oder langsam etwas erreicht wird, ob also der Gang eingelegt werden kann, und ob eine eingeschlagene Richtung wirklich erwählt wird, aber sie geben sie nicht vor und treiben das Mobil auch nicht an.
Und um noch einen Vergleich zu geben. Figurenspieler sind wie Keanu Reeves. Man sieht zwar Entwicklungen und Können, aber man spürt keine Tiefe der Rolle.
Was mich zu den Charakteren führt. Charaktere gehen aus Figuren hervor. Auch sie besitzen ein Können, eine Vorgeschichte, haben Klischees und materielle Wünsche, doch das zeichnet sie nicht wirklich aus. Charaktere besitzen Ecken und Kanten, Unebenheiten und Fehler. Aber viel wichtiger ist, dass diese Merkmale auch zur Anwendung kommen. Auch wenn es nicht zum Vorteil der Rolle führt. Das kann manchmal schlecht für eine Geschichte sein, macht sie aber meist erst besonders.
Ich greife mal das erste obige Beispiel auf. Wieder ist der traumatisierte Kämpfer in einer kritischen Situation, doch anstatt zu kämpfen flüchtet er. Doch seine Flucht bedeutet eine Katastrophe für andere (Rollen, z.B. NSCs). Zu seinen schon bestehenden Ängsten kommt nun auch noch Scham hinzu. Doch die Scham wurde durch seine Ängste ausgelöst. Nun will er seinen Fehler gut machen und fängt doch wieder zu kämpfen an. Er nimmt Rache oder will etwas zurück gewinnen. Er kämpft wieder, jedoch nicht einfach so, sondern weil innere Veränderungen und Zwänge ihn dazu bringen. Das würde bei einem Charakter passieren, nicht jedoch bei einer Figur.
Aber auch ein Charakter existiert nur durch den Spieler. Wenn der Figurenspieler Was-Fragen beantworten kann, welchem Fragentyp ist dann der Charakterspieler verbunden? Meine Antwort lautet darauf: den Warum-Fragen. Analog zur Figur lauten die Fragen dann: „Warum wurde deine Rolle so?“, „Warum kann er diese und jenes?“ oder „Warum will die Rolle dieses Ziel erreichen?“
Auch hier beispielhafte Antworten:
-> Warum wurde deine Rolle so? - Weil er dachte, er könnte die Welt verändern. Er zog aus und meinte, wenn er für die Menschen kämpft, kann er ihnen ein bessere Leben ermöglichen. Doch der Krieg rieb ihn auf. Er verlor Freunde und sah die Verlogenheit der Welt. Einer Welt die seine Leistungen nicht anerkannten oder für niedere Ziele missbrauchten. Doch er blieb am Leben. Und er kämpfte weiter, trotz des Wissens, dass er früher oder später dafür sterben wird.
-> Warum kann er diese und jenes? - Er lernte zu Kämpfen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Er folgt diesem Weg, weil es sein Überleben sichert. Dabei blieben seine sozialen Fähigkeiten auf der Strecke. Körperliche Nähe ist im unangenehm.
-> Warum will die Rolle dieses Ziel erreichen? - Seiner Familie ging es seit jeher schlecht und er wollte etwas für all jenen Familien tun, denen es genauso erging. Dies hatte er von seinem Großvater, der ihm viel Liebe gab, aber früh aufgrund der schlechten Umstände starb. Für ihn will er diese Ziele erreichen.
Wie man sieht, sind auch hier massig Klischees vorhanden und jede Antwort reicht in eine andere Frage hinein. Doch ist die Rolle nicht auf einen Bereich festzunageln. Sie ist runder. Motive und Motivationen überschneiden sich. Bedingen sich. Das Wichtige einer Rolle liegt auch eher im Inneren der Rolle und kann schlechter mit Werten festgehalten werden.
Was am Ende von der Rolle ankommt, obliegt in der Darstellung. Sind die Klischees platt und vorhersehbar, wie im obigen Beispiel, muss die Darstellung schon gut sein, um kein schlechtes Bild zu hinterlassen. Wirkt sie dagegen überzeugend, kann auch so eine Rolle überzeugen. Um eine gute Darstellung zu bieten, muss aber auch mehr aus der Rolle heraus gespielt werden. Das InGame, die Immersion wird wichtiger. Es ist nun wichtig, wie eine Rolle etwas sagt oder wie sie etwas tut. Dadurch wird ihr Inneres nach außen getragen. Diese Tatsache ist wohl auch der Grund dafür, dass einige Charakterspieler lieber Freeform oder nur mit wenig Regeln spielen. Regeln und Werte können dieses Innere eben nur schlecht darstellen. Am Ende liegt es in der Hand des Spielers, ob er erfolgreich war. Auch haben Emotionen einen größeren Einfluss auf die Rolle. Sie sind unmittelbarer und werden im besten Fall greifbar. Charaktere sind direkter zu berühren. Werte sind ihre Basis, aber nicht ihr Ziel.
Die Stärke von Charakteren liegt in diesem Innern. Sie sind der Motor. Sie treiben die Geschichte und die Runde an. Sie sind das Lenkrad, das eine Richtung vorgibt. Um das Beispiel des Autos zu bemühen. Charakterspieler haben eine aktivere Auffassung des Spiels. Sie geben Initialzündungen. Charakterspieler wollen die Runde und Geschichte prägen oder/und gestalten. Und sie greifen auf Vergangenes zurück und ziehen es bei zukünftigen Entscheidungen mit ein.
Auch hier möchte ich ein Beispiel aus dem Film nehmen. Charakterspieler sind wie Christian Bale. Auch dort kann eine Entwicklung durchgemacht und Können gezeigt werden, doch es gibt eine Tiefe der Rolle. Entwicklungen entstehen aus dem Inneren und bleiben nicht nur Selbstzweck.
War das alles? Nein, denn eine Runde ist nicht so in Stein zu meißeln. Zudem gibt es ja auch noch so jemanden wie den SL. Oft zumindest.
Allgemein soll der Nutzen der beiden Wege und ihre Mischformen genannt werden. Nicht immer ist die Charakterebene hilfreich. Als negatives Beispiel führe ich die meist als unsäglich empfundene Einkaufstour auf. Auf der anderen Seite kann ein Gespräch zwischen Rollen auf Figurenebene, bei nur Inhalte ausgetauscht werden, sinnvoll sein, ist aber auch recht ausdruckslos und abstrakt. Z.B. weil Positionierungen innerhalb einer Gruppe nicht zum tragen kommen oder ein mögliches Konfliktpotential nicht zur Geltung kommt.
An sich sind also die Situation und die Spielweise der Gruppe entscheidend. Was ist sinnvoll, was gewünscht. Eine Lösung bietet diese Betrachtungsweise daher nicht, sondern gibt sie eine Aussage, wie man reagieren kann und wie man eine Runde spielen kann.
Noch ein Wort zum SL. Dieser hat ebenso wie die Spieler je nach Situation und Wunsch zu wählen, ob auf Figurenebene oder Charakterebene gespielt wird. Er stellt die fehlenden Teile des Autos dar und muss dabei mit entscheiden, was sinnvoll ist. Wählt er falsch aus, wird das Auto ins stocken geraten oder sich nicht lenken lassen. Oder er blockiert Entscheidungen, was ebenso für Missmut führen kann. Für ein Vorwärts kommen, müssen also alle Teile zusammenspielen.
Neu wird in diesem Text nichts sein, aber mir hat diese Überlegung einige Klarheit gebracht.