Es gibt weder ein Spiel in 100% Actor Stance noch in 100% Author Stance.
Ich denke, man sollte nicht fragen "aus welcher Sicht will ich spielen", sondern die Entscheidungen, die gefällt werden betrachten und dann bewerten, wurden die aus der Perspektive der Autoren-Position oder der Schauspieler-Position getroffen wurden.
Bzw. kann jemand für sich entscheiden, ob er für sein Charakterspiel die Autoren-Sicht bewusst zulassen möchte oder
nach Möglichkeit ausblenden will. Nach Möglichkeit bedeutet eben "so gut es geht". Wie gesagt, 100% ist da nicht erreichbar.
(Beispiele kann ich da gern aufführen)
Was bedeuten diese Stances jetzt fürs Rollenspiel oder die Kampagne?
Actor Stance ist (unter anderem) der Standpunkt der typischen Method Actors, die eben das Rollenspiel (möglichst stark) aus der Sicht der Charaktere erleben und aus dieser Perspektive auch die wesentlichen Entscheidungen und Handlungen ausführen möchte. Ziel ist hier eben das "sich in die fiktive Person hineinversetzen". Alternative Perspektiven stören nur, und verleiten zu Entscheidungen die für das Spielgeschehen vielleicht interessant oder besser wären, für den Charakter aber untypisch oder unplausibel. Daher wird diese alternative Perspektive abgelehnt. Sie wird als Unterwanderung des "rollengerechten Spiels" und auch als "Ablenkung" wahrgenommen.
Author Stance ist die bewusste Akzeptanz, dass man Entscheidungen losgelöst von der Charakterperspektive fällen kann
und dass diese Entscheidungen eben auch dem Spielverlauf helfen können.
Letztendlich ist diese Entscheidung, ob man Authos Stance zulassen möchte, eine Frage von "Erleben wollen" oder "Story entwickeln wollen".
Der Actor Stance Bezug ist der Wunsch des "Erlebnisses" - und damit auch die Einstellung, dass Rollenspiel als "Was passiert dann Erlebnismaschine" funktionieren soll, die, (wenn der Spielleiter das Geschehen nicht manipuliert) ausschliesslich im Rahmen von Plausibilität resultierenden "Ursache und Wirkung" Ereignisketten arbeitet.
Der Author Stance ist "Story comes first", also die Einstellung, dass die im Rollenspiel entstehende Handlungsabfolge zu einer strukturierten Geschichte werden soll, die zB einen dramturgischen Verlauf hat oder bestimmten genretypische Merkmale besitzt
- und damit auch die Bereitschaft sich bestimmter Interessen (Dramaturgie, etc.) zu unterwerfen, und auf dieser Basis die Entscheidungen im Spiel zu treffen.
Ich sage es mal platt:
Beim Actor Stance hat der Spielleiter mehr Verantwortung und die die Spieler mehr Konsum und auch keine Gestaltungsrechte, die über die Handlungen des eigenen Charakters hinausgehe- diese Gestaltungerechte werden sogar abgelehnt (wichtig für das Verständnis, warum manche Spieler erweiterten Gestaltungsrechten gegenüber skeptisch oder ablehnend eingestellt sind).
Beim Authos Stance übernehmen die Spieler mehr Verantwortung und fordern meistens auch mehr Gestaltungsrechte ein / sind bereit solche zu übernehmen - auch wenn das keinen echten Bezug hat zu Author/Actor haben muss.
Auch Spielmethoden wie Kicker oder Flags werden beim Actor Stance eher selten zum Tragen kommen, bzw. obliegt es dem Spielleiter alleine, Flags zu erkennen, während das bei Authos Stance Spielern eher in Interaktion geschieht.
Interessant / Schwierig wird es, wenn die Spieler sich auf die Actor Stance Schiene konzentrieren wollen, ABER (!!!) erwarten, dass das Rollenspiel trotzdem einen dramaturgischen Verlauf haben soll.
Das nimmt den Spielleiter nämlich in eine Verantwortung, die er oft gar nicht erfüllen kann (zumindestens nicht, ohne Hilfsmittel wie Illusionism oder Railroading einzusetzen) - denn einerseits erwarten die Spieler eine Dramaturgie und selbstverständlich auch, dass sowas wie ein Abenteuer erlebt wird oder erwarten das dramatische Finale und sind über ein fehlendes Happy End enttäuscht, andererseits sind sie aber nicht bereit, irgendwas zu unternehmen, damit das unterstützt wird. Denn das wäre Authos Stance Spielerei...
(Wie gesagt, 100% Actor Stance gibt es nicht, daher wird es auch immer irgendeine Unterstützung der Spieler in dieser Hinsicht geben, aber je geringer die ausfällt, desto schwerer hat es der Spielleiter, wenn die Spieler in dieser Richtung anspruchsvoll sind.)
Ich meine, das ist eine sehr entscheidende Ursache, die zum Tragen kommt, wenn Rollenspielsitzungen schief gehen.
Das wars erstmal, nur noch eine kleine Anregung:
Einer meiner Spieler sagte in einer Diskussion zum Thema Author Stance mal "Dann kann ich ja gleich Spielleitern!"
Das ist natürlich schon übertrieben, aber ich glaube trotzdem, dass da etwas dran ist.
Ich denke, die meisten Spieler, die das Author Stance Spiel gern betreiben, sind Rollenspieler, die selbst leiten, oder daran auch ihre Freude haben würden. Denn dazu gehört ein Interesse an den Zusammenhängen im Rollenspiel, ein gewisses Engagement und auch mehr Überblick.
Und die Actor-Stancer sind meist die reinen "Spieler", die den Spielleiter-Job auch nicht machen wollen oder können. Weil das Interesse an dem Blick "jenseits der Kulissen" fehlt, oder weil das Engagement fehlt oder die Bereitschaft eben mehr zu tun als "nur mitzuspielen".
Und meistens sind Diskussionen über diese Thematik bei Actor-Stancern auch nicht besonders produktiv, weil diese Spieler eben gar kein Interesse haben, über den Tellerrand ihrer SC-Perspektive hinauszublicken. Warum dann also über was diskutieren, "was sie eh nichts angeht."
Meine Erfahrungen...
andere können andere gemacht haben!