Das Interessante an der ganzen Westernhypothese ist, dass sie es ermöglicht, die Geschichte des Rollenspiels mal unter einem völlig neuen Blickwinkel zu sehen, und in Teilen gfinde ich sie sehr überzeugend. Über Star Trek/Raumschiff Enterprise wird ja auch gesagt, dass es eigentlich als Weltraumwestern konzipiert wurde, weil damals sich eben Western gut im amerikanischen Fernsehen vermarkten ließen. Und das in der amerikanischen Populärkultur der Frontier-Mythos fest verankert ist, möchte ich nicht bestreiten. Ob das zwangsläufig mit der Protestantischen Arbeitsethik nach Max Weber zusammenhängt, müsste man eigens prüfen, vor allem, da Webers Theorie auch nicht mehr unumstritten ist.
Den Einfluss Tolkiens auf die Genese des Rollenspiels allgemein und speziell auf D&D einerseits und die frühe deutsche Rollenspiellandschaft (Midgard, DSA) andererseits so gering zu schätzen, halte ich für falsch. Die Völker in D&D entsprechen z.B. stark den tolkienschen Klischees. Allerdings war Tolkien nur ein Einfluss, es gab ja in den 60ern bereits die New Wave of Fantasy and Science Fiction, die sich von Tolkien abgewandt hatte. Man sieht hin und wieder Moorcocksche Ideen (ab wann kamen Hand und Auge von Vecna auf, und an wen erinnert das wohl ?), aber eben auch die bereits erwähnten älteren Vorbilder. Bis eben zurück in die Antike, denn Harpyen, Zentauren und Faune hüpfen ja auch immer durch die Gegend.
Bliebe noch die Frage, wie es mit der heutigen Rollenspielszene in Deutschland aussieht... und da würde ich vorschlagen, zwischen dem Fantasy-Mainstream, dem Rollenspiel-Mainstream und den Exoten zu unterscheiden.
Der Fantasymainstream (zB. DSA, D&D) orientiert sich stark an Tolkien, z.B. bei der Gestaltung der spielbaren Völker. Das gilt sowohl für die vorgefertigten Spielwelten (jaja, Abweichungen gibts, aber warum sind denn die FR das populärste D&D-setting?), als auch, meiner Meinung nach, für die meisten Spielgruppen (auch hier gibts Abweichungen, aber versucht mal bei Gelegenheitsspielern eine richtig dekadente Elfenkultur zu vermarkten...). (Letztere Aussage ist natürlich reine Spekulation und beruht auf völlig subjektiven Erfahrungen.)
Beim Rollenspielmainstream in Deutschland ist der Fantasyaspekt nur noch eine von mehreren Wurzeln, da sind Horror-, Science Fiction- und Cyberpunkelemente angekommen (Shadowrun, WoD).
Für die Exoten, also die Spieler, die regelmäßig weniger verbreitete Systeme spielen oder als Hintergrund ungewöhnlichere Settings (ohne Elben
) nutzen, hat Tolkien kaum noch eine Bedeutung.
soweit,
Tümpelritter