Was sind denn die großen Unterschiede?
(...) inwiefern muss mich das Ziel, das Spiel irgendwann vielleicht zu publizieren, jetzt schon bei der Arbeit beeinflussen - zu einem Zeitpunkt also, wo ich noch keine Ahung habe, ob ich überhaupt irgendetwas halbwegs Interessantes auf die Beine stellen werde?
Deine Arbeit
wird schon dadurch beeinflusst, dass du dir das fertige Produkt vorstellst, d.h. die Form der Veröffentlichung. PDF als Download? Als Informations-Cluster in einem Wiki, ohne vorgegebene Lese-Reihenfolge? Altmodisches Buch?
Bei einer stofflichen Veröffentlichung entstehen Sachzwänge in Form von Papierformaten und Seitenzahlen. Die Vorstellung, wie das Produkt am Spieltisch genutzt werden soll, kann ein bestimmtes Layout erzwingen, was wiederum eine bestimmte Herangehensweise an den Text erzwingt. Sehr deutlich wird dies bei
Dragon Warriors, das als Taschenbuch in den Achtzigern völlig anders aufgebaut war als in der heutigen Hardcoverausgabe.
Von der Darreichungsform können sogar Regelmechanismen erzwungen oder verworfen werden: Ein Einsteigerrollenspiel, das vielflächige Würfel verwenden soll (egal ob ein Pool aus vielen w10 oder ein D&D/Savage Worlds-artiges Sammelsurium aller Polyhedrons), muss diese Würfel enthalten - also in einer Box kommen. Schachteln sind teuer zu fertigen. Eine Box mit Würfeln hat eine andere Mehrwertsteuer als ein Buch, das wiederum preisgebunden werden muss. Also doch besser ein System um w6 herum bauen, die in jeder Kniffelschachtel vorhanden sind?
Vor der Festlegung der äußeren Form kommt unter Umständen die Frage nach dem Vertriebsweg. Dadurch verbieten sich manche Formen nämlich auch. (Knaur wollte 1985 DSA-Boxen im Buchhandel platzieren - das konnte nicht klappen. Ein Einsteigerrollenspiel kann man nicht als PoD bei Lulu oder Books on Demand veröffentlichen, weil Einsteiger es dort nicht finden können.)
Die meisten Leute haben diese Fragen schon unterschwellig für sich beantwortet, wenn sie sich an ihr Manuskript setzen. "100 Seiten, DIN A5, typisches Indie-Layout, Verkauf über Lulu, meine Homepage und die Indie-Insel auf Conventions, Zielgruppe Story Gamer" - das hat schon Einfluss auf Textmenge, Regelumfang oder sogar Regelmechanismen (eben
keine Spieleffektkarten à la MTG).
Wer allein von einer coolen Regelidee ausgehend ein Spiel entwickelt, ohne sich Gedanken über den Vertrieb (und Marketing) zu machen, kann schon am Anfang scheitern, obwohl er das Spiel fertigstellen und veröffentlichen wird.
Throwing Stones und
Everway waren zwei Systeme, die an den potenziellen Spielern vorbei entwickelt wurden.