Ich habe einfach bisher ausschießlich Leute beobachtet, die es praktisch als reines Miniaturen-Brettspiel benutzt haben. Da ich Designer bin, gelten für mich auch die Design-Grundsätze, dass etwas das ist, als was es von der überwiegenden Mehrheit benutzt/verstanden wird.
Ich nehme auch absolut zur Kenntnis, dass es hier jede Menge Leute gibt, die das anders beobachtet haben, was mich in diesem Thema auch schon zu Aussagen gebracht hat, dass man D&D4 durchaus zum Rollenspielen benutzen kann.
Wieso gehst Du davon aus, dass die von Dir (also einer Person) gemachten Beobachtungen dem Zustand der "überwiegenden Mehrheit" entspricht, während die Aussagen einiger (also mehrerer Personen) dass bei Ihnen ein anderer Zustand herrscht als Ausnahme gewertet werden muß?
Wenn Du bisher nur D&D4 Brettspiel wahrgenommen hast, hier aber etliche andere davon berichten, dass D&D4 Rollenspiel gemacht wird, ist Deine Wahrnehmung doch die Ausnahme und nicht die Regel.
Ansonsten ist für mich P&P-Rollenspiel im Prinzip kreative Charaktererzählung (oder auch Darstellung)
Da Du es mit "für mich" als subjektive Bewertung deklarierst ist das natürlich prinzipiell akzeptabel, aber als allgemeingültiger Bewertungsmaßstab ist dieser Bewertungsmaßstab nicht hinreichend, denn Du schließt eine Menge Kriterien aus, die die üblichen Rollenspiele gemein haben und läßt mit dieser Eigenschaft als zentrales Kriterium eine Menge Elemente als Rollenspiel zu, die dies eindeutig nicht sind.
Die Tatsache, dass es sich bei Rollenspielen um Gesellschafts"
Spiele" handelt zum Beispiel - Denn kreative Charaktererzählung und Charakterdarstellung kann auch zB Spontantheater oder Hörbuch/-spiel-Konsum einschliessen oder sogar den eigenen Kindern eine Geschichte erzählen - also stellt das kein hinreichendes Bewertungskriterium dar.
Ebenso läßt Du das immersive Spielerlebnis, welches typisch für eigentlich alle Rollenspiele ist, vollkommen aus.
Als Designer kennst Du ja die Problematik, des "form follows function" - dass die Funktion im Mittelpunkt steht und das ist beim Rollenspiel doch das spielen selbst.
Auch bei anderen Rollenspielen gibt es Visualisierungshilsmittel (Skizzen, Pläne, Zeichnungen) um den gemeinsamen Vorstellungsraum (wie stellt sich die aktuelle Situation dar) zu vereinheitlichen. Bodenpläne und Figuren sind da nur ein Mittel zum selben Zweck und wenn es Regeln dafür gibt, dann ist das auch ein Mittel zum Zweck.
Wenn diese Regeln und der Einsatz dieses Mittel einen zentralen Inhalt in einem Rollenspiel ausmacht, dann ist das sicherlich eine Besonderheit dieses Rollenspiels, aber eben eine Eigenheit und kein Ausschlußkriterium, dass es nicht mehr Rollenspiel sein läßt.
Insbesondere wenn die anderen Kriterien bei diesem dann speziellen Spiel ja eben nicht negiert werden, sondern sich durchaus damit vereinbaren lassen - kreatives Charakterspiel ist mit D&D4 mehr als sehr gut möglich - ich würde sogar sagen: ohne das funktioniert D&D4 nicht.
Rollenspiele sind allesamt zu einem guten Teil keine Rollenspiele sondern irgendwas anderes. Mir ist aber wichtig, dass die kreative Charaktererzählung ein wichtiger Teil des Spiels ist.
Mit diesem Teil sagst Du ja selbst, dass der von Dir aufgestellte Wertungsmaßstab eigentlich nicht hinreichend ist, sondern nur wiedergibt, welcher Bestandteil im Spiel für Dich elementar wichtig ist. Was vollkommen okay ist...!
Eines vergisst Du bei der Kategorisierung aber vollständig: Rollenspiel ist vor allem das, was die Spieler selbst daraus machen.
Wenn Du also beim Beobachten der D&D4 Runden einen Eindruck gewonnen hast, dann nur, das der zentrale Spielinhalt dieser Runden genau das ausmachte, was die beteiligten Spieler daraus machen wollten - offensichtlich Brettspiel.
Eine Betrachtung von aussen muss daher scheitern. Übrigens auch deshalb, weil eine Betrachtung von außern niemals die immersiven Erlebnisse der Spielbeteiligten wiedergibt.
Wenn Du wissen willst, ob es für Dich als Rollenspiel tauglich ist, dann gibt es nur einen Weg: ausprobieren - und zwar mit Leuten, die das selbe daraus machen wollen wie Du. Erst dann wird sich zeigen, ob D&D4 das zulässt oder behindert.
Selbst wenn Du das Ausprobieren in einer Runde machen würdest, die eben nicht Deine Vorlieben teilt, würde ein nicht repräsentatives Spielerlebnis entstehen - denn die für Dich wesentlichen Inhalte würden nur zu dem Anteil im Spielerlebnis werden, wie Du selbst anteilig Teil der Runde bist.