OK, vielleicht ist die Frage zu viel des Guten. Daher splitte ich die Ursprungsfrage mal in zwei Unterfragen auf:
1) Beeinträchtigt würfeln den Einfluss der Spieler auf die Handlung? Bzw. beeinträchtigt würfeln die Relevanz der Spielerentscheidungen?
2) Was ist die Essenz von Railroading?
Beantworten wir diese Fragen erstmal einzeln.
zur ersten Frage:Wenn man würfelt, dann bedeutet dass erstmal, dass der Spieler nicht die Entscheidung fällt. Sicherlich, da Würfeln hätte keinen Einfluss auf auf den Spielereinfluss, wenn der Würfel anstelle des SLs entscheiden würde.
Aber wenn anstatt des Würfels der Spieler entscheiden würde, wäre naturgemäß der Einfluss des Spielers höher. (Muss ich wirklich näher ausführen, warum ein Spieler mehr Einfluss hat, wenn er selber entscheiden kann, anstatt, wenn die Entscheidung nicht beim Spieler liegt oder ist das klar?)
Das heißt, man kann bis zu einem gewissen Grad den Würfelanteil erhöhen, ohne dass der Spieler an Einfluss verliert. (nämlich alle Entscheidungen, die der SL trifft, werden fortan vom Würfel getroffen.) Dadurch hat man zwar den Einfluss des Würfels erhöht, aber nicht auf Kosten des Spieler-Einflusses, sondern auf Kosten des SL-Einflusses.
In diesem extremen Wendepunkt hätte der Spieler also noch genau so viel Einfluss, wie vorher, der SL hätte überhaupt keinen Einfluss und der Würfel hätte den gesamten Einfluss, den vorher der SL hatte.
Wenn man jetzt noch mehr würfeln lässt
*, dann erhöht sich der Einfluss des Würfels. Dies bedeutet aber zwangsläufig, dass ein anderer Einfluss sich verringert. (Der Einfluss des SLs kann sich nicht mehr verringern, da sein Einfluss in diesem Wendepunkt bereits bei Null ist. - Also bleibt noch der Spieler übrig, dessen Einfluss sich verringert.)
*"mehr würfeln" sagt in diesem Zusammenhang nicht aus, wie häufig ich den Würfel werfe, sondern wie viele Entscheidungen vom Würfel getroffen werden.
Weiter vorne wurde ja das Beispiel mit dem Kronleuchter gebracht und man überlässt dem Würfel die Entscheidung, ob der SC erfolgreich am Kronleuchter schwingt oder herunterfällt:
Hierbei ist es egal, ob der Spieler 10 Proben würfeln muss (mit einer jeweiligen Erfolgswahrscheinlichkeit von 80%) oder ob der Spieler nur eine Probe würfeln muss (mit 10,7% Erfolgswahrscheinlichkeit). Beide Fälle sind im Prinzip absolut äquivalent. Sowohl von der Gesamterfolgswahrscheinlichkeit als auch an der Anzahl der Entscheidungen, die vom Würfel getroffen werden.
Neben den gerade eben beschriebenen Fall kann noch ein weiterer Fall eintreten:
Der Würfel fungiert quasi nur als Schiedsrichter, falls sich Spieler und SL uneinig sind. Wenn Spieler und SL also unterschiedlicher Meinung sind, wird ein Würfel geworfen, der entscheidet, wessen Meinung befolgt wird.
Hier haben wir praktisch drei Parteien und eine Quasi-Abstimmung. (Wenn zwei Parteien der gleichen Meinung sind, dann wird dessen Wunsch erfüllt.)
Hier kann man sagen: Durch diese Dreier-Abstimmung hat der Spieler mehr Einfluss, als wenn der SL alleine bestimmen würde. Aber der Spieler hat weniger Einfluss, als wenn der Spieler alleine bestimmen würde.
Der Würfel würde hier also verhindern, dass der SL zu viel Einfluss verliert, aber er würde auch verhindern, dass der Spieler zu viel Einfluss bekommt. (Der Würfel hat in diesem Fall also sozusagen beiden anderen Parteien eine Stück Einfluss weggenommen, so dass jede Partei ein Drittel Einfluss besitzt.)
Kommen wir nun zu einem dritten Punkt:
"Ja, der Würfel entscheidet zwar, ob die Aktion klappt, aber ich selber entscheide doch noch wenigstens, welche Aktion ich tätige."Darauf auch zwei Antworten:
a)- Wenn der Würfel entscheidet, welche Aktion der SC tut und ob die Aktion klappt, dann hat der Würfel viel Einfluss und der Spieler hat überhaupt keinen Einfluss.
- Wenn der Spieler entscheidet, welche Aktion der SC tut, und der Würfel entscheidet, ob die Aktion klappt, haben sowohl Spieler als auch Würfel beide mittelmäßig viel Einfluss.
- Wenn der Würfel entscheidet, welche Aktion der SC tut, und der Spieler entscheidet, ob die Aktion klappt, haben sowohl Spieler als auch Würfel beide mittelmäßig viel Einfluss.
- Wenn der Spieler entscheidet, welche Aktion der SC tut und ob die Aktion klappt, dann hat der Spieler viel Einfluss und der Würfel hat überhaupt keinen Einfluss.
Wir sehen also auch hier: Je mehr gewürfelt wird, desto geringer wird der Einfluss des Spielers.
b) Nehmen wir mal an, der Spieler kann entscheiden, welche Aktion der SC tut, und der Würfel kann entscheiden, ob die Aktion klappt.
Dann wählt der Spieler sich eine von mehreren Aktionen aus. Bei Würfelpech ist es aber irrelevant, welche Aktion sich der Spieler ausgesucht hat. Aufgrund des Würfels ist die Entscheidung des Spielers nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit relevant.
Und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Entscheidung des Spielers relevant wird, desto geringer ist die durchschnittliche Relevanz der Spieler-Entscheidungen.
zur zweiten Frage:Der Begriff Railroading ist ja entstanden, als sich einige Leute darüber beschwert haben, dass es egal ist, was sie ihre SCs tun lassen, es hätte keine Relevanz für die Handlung.
Ob sie nun A oder B tun, ist egal, es würde ja eh das gleiche Plotrelevante geschehen. Also könnte man sich ebensogut zurücklehnen und der Geschichte lauschen. - (Ändern kann man sie selber ja sowieso nicht.)
Und dieses Gefühl, das dabei aufkommt haben sie halt metaphorisch als Eisenbahnfahrt beschrieben:
Als Passagier in einer Eisenbahn kann man auch im Zug hin und herlaufen und mit anderen Leuten sprechen. - Aber egal, was man tut: Man kommt doch durch die gleichen Stationen und man kann den Weg der Eisenbahn nicht ändern.
Und weil das sehr wahrscheinlich ein paar Amerikaner waren, haben sie diese Sache nicht Eisenbahnfahrt sondern Railroading genannt.