Autor Thema: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?  (Gelesen 20614 mal)

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Offline Beral

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Zur Zeit beschäftige ich mich mit mythologischem Material und muss dabei oft an Parallelen zum Fantasy Rollenspiel (FR) denken. Ein Teilaspekt aus einer aktuellen Diskussion im Forum bringt mich nun dazu, meine Gedanken zu diesem Thema öffentlich zu machen:
Aber da sieht man, dass Logistik und Management vor allem dann immer eine Rolle spielt, wenn es nicht nur darum geht Monster umzuhauen oder Intrigen aufzulösen. Immer wenn es darum geht etwas aufzubauen, werden solche Dinge plötzlich ganz normal. Eigentlich wäre es schöner, wenn das auch im Abenteuerrollenspiel häufiger vorkäme. Mittlerweile kann ich es nämlich nicht mehr sehen, dass sich 3-4 Hanseln (aka die SCs) allein um die Weltenrettung kümmern, anstatt Gefolgsleute um sich zu scharen.

Meine These: Fantasyrollenspiel ist ein schwacher Abklatsch des Heldenmythos, der Geschichte des Erwachsenwerdens.

Ich glaube, Joseph Campbell wurde im Zusammenhang mit dem Heldenmythos schon hier im Forum erwähnt. Ich beziehe mich zusätzlich auf Norbert Bischof, der in seiner Analyse des gleichen Themas etwas stringenter und konsequenter agiert.

Die Grobstruktur des Heldenmythos:
  • Es gibt ein Problem, und der Held ist auserkoren (gewollt oder ungewollt), das Problem zu beheben.
  • Der Held bricht auf sein Abenteuer auf (es spielt sich immer fernab des Heimatdorfes ab), trifft auf dubiose Gestalten, die ihm Prüfungen stellen, aber auch magische Hilfsmittel bereitstellen.
  • Der entscheidende Kampf. Der Held besiegt den Drachen, vögelt die Prinzessin, schnappt sich den Schatz und flieht nach Hause. Er wird verfolgt, schafft es aber heil anzukommen.
  • Zu Hause gibt es ein Problem, jemand anders gibt sich als der richtige Held aus, der wahre Held muss wieder Aufgaben bestehen, bevor er als wahrer Held erkannt wird.
  • Der wahre, strahlende Held ist endlich erkannt. Nun präsentiert er sein holdes Antlitz, übernimmt mit dem Segen des Vaters dessen Königreich und heiratet die geile Prinzessin, die er vom Drachen befreit hatte und die ihm zwischenzeitlich nachgefolgt ist.

Hinter dieser Erzählstruktur verbirgt sich ein Psychogramm des Erwachsenenwerdens. Darauf müssen wir nicht eingehen, ebenso wenig auf die Feinheiten, die sich hinter der dargestellten Grobstruktur noch verbergen. Die Tatsache, dass wir hier eine Struktur haben, die genau das repräsentiert, was ein Jugendlicher fühlt und erlebt, wenn er erwachsen wird, macht diese Erzählstruktur so interessant und wichtig. Das eigene Werden spiegelt sich darin.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass FR (beachte auch die Zielgruppe, zum Großteil aus männlichen Jugendlichen bestehend) dieser Struktur nacheifert: Es gibt ein Problem, der Held bekommt den Auftrag, es zu lösen, er zieht aus, killt den Drachen und streicht den Schatz ein.

Nur wird die Geschichte nicht zu Ende gespielt. Der getötete Drache und der Schatz in den Händen sind längst nicht das Ende der Entwicklung, hier weiß uns FR aber keine weitere Hilfe anzubieten. Der Entwicklungsprozess des Helden kommt im FR nicht zum Abschluss. Man bleibt in der Entwicklung hängen, nicht mehr Kind, aber auch nicht richtig erwachsen geworden. In dieser Spirale gefangen schlachtet man einen Drachen nach dem nächsten ab, aber die Erlösung bleibt aus. Keiner der Anläufe führt zum eigentlichen Ziel und so versucht man es immer wieder.

[Kurzer Einschub: Meine Erfahrung mag nicht repräsentativ sein. Wenn jemand schon den kompletten Zyklus durchgespielt hat – Glückwunsch! Aus den Diskussionen schließe ich aber indirekt, dass das nicht der Regelfall ist. Belehrt mich, wenn ich damit falsch liege.]

Das ewige Drachentöten macht so lange Spass, wie man selbst in eben dem Reifestadium gefangen ist, das man – unbewusst – in FR durchspielt. Wenn dann der Spieler diese Schwelle überwindet und erwachsen wird, dann verliert dieses Drachentöten, die Herausforderung des Adoleszenten, plötzlich seinen Reiz. Dann will man diese Geschichte zu Ende spielen und eine neue anfangen. Ich verweise an dieser Stelle auf Eins Zitat oben. Er wird mich korrigieren, aber ich lese da genau diesen Wunsch heraus, die Geschichte der Jugend abzuhacken, und sich neuen Aufgaben zu widmen. Was jetzt kommen muss, ist die Heirat mit der Braut, die Verantwortung für die eigene Familie und die Verantwortung für andere, im Mythos symbolisch das ganze Königreich.

Welche Fragen eröffnen sich? Für mich folgende:

- Können wir Rollenspiel gezielter gestalten, so dass es eine Hilfe für persönliche Reifung wird? FR ist ohnehin genau deshalb so attraktiv, also brauchen wir uns nicht zu scheuen, die pädagogische Herausforderung, die an das Spiel gestellt wird, auch anzunehmen. Wie können wir aus dem Abklatsch eines Heldenmythos einen richtigen, wegweisenden, Heldenmythos gestalten? Wie können wir aus dem verkorksten Ritual des Erwachsenenwerdens ein funktionierendes Ritual machen? Gerade das Storytelling bietet dafür eine uneingeschränkt nutzbare Plattform. Hier steht die Story über anderen Dingen (wie Logik oder Charakterfreiheit), hier lässt sich die Struktur des Heldenmythos konsequent durchziehen.

- Wie sieht das Rollenspiel für Erwachsene aus? Welche gibt es bereits?


Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

ChaosAmSpieltisch

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Passend zum Thema ist das Buch:

Ramona Kahl - "Fantasy-Rollenspiele als szenische Darstellung von Lebensentwürfen"

Dort wird diese These auch vertreten.

Offline Skar

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@Beral: Alles was du oben beschreibst ist ein (1) Spielstil.
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Mann ohne Zähne

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Beral, Fantasy-Rollenspiel mit einem Entwicklungsroman oder der Heldengeschichte gleichzusetzen ist schwierig... weil in vielen Systemen immer noch ein kleiner Rest des Urvaters D&D steckt, und der baut halt auf dem Pulp-Genre auf. Und Pulp folgt völlig anderen Gesetzen als die Heldengeschichte.

Offline Joerg.D

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Es gibt viele verschiedene Arten Geschichten zu erzählen und die Heldenreise ist eine davon.

Selbst wenn der Fokus einer Gruppe auf einer guten Story liegt muss sie nicht der Heldenreise folgen, sondern es ergeben sich viele verschiedene Möglichkeiten die Geschichte zu strukturieren. Das ist insbesondere wichtig, wenn der SL beim Würfeln nicht schummelt und die Geschichte dadurch unerwartete Wendungen nehmen kann.

Für mich ist FR also nur bei schlechten Spielleitern ein Abklatsch des Heldenmythos, denn gute Spielleiter haben irgendwann mal erkannt, dass es um ein Spiel in einer Gruppe geht und Spiele nun einmal keine Geschichten sind, die vom SL erzählt werden, sondern Geschichten, die durch das Zusammenspiel von SL, Gruppe und Zufallselementen entstehen.

Bei einer RSP-Gruppe wird meistens im Nachhinnein eine gute Geschichte aus dem, was die Gruppe erlebt.
« Letzte Änderung: 22.07.2009 | 14:44 von Joerg.D »
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Offline Merlin Emrys

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Meines Erachtens geht schon der Versuch am Thema vorbei. Alle diese wunderbaren Stufenmodelle übersehen, daß man die Treppe zu beliebigen Zeiten in beide Richtungen, schnell oder langsam, gewollt oder nicht hinauf- und hinabsteigen kann, und dabei vorschreiben, daß "sie genau das repräsentieren, was jeder Jugendlicher fühlt und erlebt, wenn er erwachsen wird", ohne belegen zu können, daß das auch nur für mehr als einen einzigen tatsächlich stimmt. Und ansonsten passiert hier mal wieder, was manche Leute offenbar nicht lassen können: Aus einem Spiel einen Sport machen. Zweckfrei, nur aus Vergnügen und um des Vergnügen willens darf man doch nichts machen! Es muß doch etwas dabei herumkommen, ein Lerneffekt oder irgendwas Meßbares; alles andere ist zu wenig, reicht nicht, soll und dar einfach nicht sein.

Ein Spiel, daß mich belehren will (egal ob es das schafft oder nicht), ist mir in aller Regel zu blöd zum Spielen. Wenn ich spiele, muß ich nichts lernen, nicht reifen, mich nicht schon wieder als Klein-Doof hinstellen lassen. Ich kann auch ohne das spielen - einfach so, weil ich's mag.
« Letzte Änderung: 22.07.2009 | 14:41 von Merlin Emrys »

Offline nicolai

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...wenn also die Deutung richtig ist, dann hab´ ich wohl den Prozeß des Erwachsenwerdens irgendwie nicht ganz geschafft, ich meine, Problemlösen und Drachentöten, an dem scheitert´s nicht wirklich, aber die bumsbaren Prinzessinnen vermiß´ ich irgendwie... ;D

...ganz allgemein glaube ich aber, daß eine quasi "Hilfestellung" beim Erwachsenwerden durch den Spielleiter (auch ich bin einer) in Form von gezielter Gestaltung der Abenteuer, respektive Kampagnen eher nicht erfolgen sollte, da sich solches meiner Ansicht nach von selbst ergibt, was im Normalfall so aussieht, daß der jugendliche Spieler automatisch durch Ereignisse, die seinen Charakter betreffen, ein wenig beeinflußt wird und üblicherweise daraus lernt - wobei er/sie natürlich auch ein wenig vom Weltbild des Spielleiters übernimmt (was auch für "erwachsene" Spieler zutreffen dürfte), da sich dieser ihm/ihr ja als Autoritätsperson darstellt (nonanet). Ob diese Beeinflussung allerdings positiv oder negativ erfolgt, ist vom jeweiligen Spielleiter abhängig, und dieses zu forcieren erscheint mir nicht allzugünstig (obwohl ich dieser Versuchung auch ganz gern nachgebe), da es sich zumeist um subjektive Wertkriterien und -vorstellungen handelt, deren Beurteilung wohl von Person zu Person variiert.

...natürlich hab´ ich leider recht !

Mann ohne Zähne

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Und ansonsten passiert hier mal wieder, was manche Leute offenbar nicht lassen können: Aus einem Spiel einen Sport machen. Zweckfrei, nur aus Vergnügen und um des Vergnügen willens darf man doch nichts machen! Es muß doch etwas dabei herumkommen, ein Lerneffekt oder irgendwas Meßbares; alles andere ist zu wenig, reicht nicht, soll und dar einfach nicht sein.

 :d

Offline Skar

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Meines Erachtens geht schon der Versuch am Thema vorbei. Alle diese wunderbaren Stufenmodelle übersehen, daß man die Treppe zu beliebigen Zeiten in beide Richtungen, schnell oder langsam, gewollt oder nicht hinauf- und hinabsteigen kann, und dabei vorschreiben, daß "sie genau das repräsentieren, was jeder Jugendlicher fühlt und erlebt, wenn er erwachsen wird", ohne belegen zu können, daß das auch nur für mehr als einen einzigen tatsächlich stimmt.
Nicht ganz, denn egal ob man sich über die Self-Determination-Theory, die Maslowsche Bedürfnispyramide oder welchen Ansatz auch immer dem Rollenspiel nähert, wird man darauf gebracht, dass individuelle Bedürfnisse den - ich sage mal platt - Spieltrieb des Spielers ausmachen.

Diese Bedürfnisse können ja sehr vielfältig sein (Status, Macht, Siege, Auszeichnungen, Altruismus, lieben und geliebt werden, Freiheit ...), zudem können sie mit Bedürfnissen anderer Spieler korrespondieren oder im Gegensatz stehen. Aber es bleibt festzuhalten, dass sie die Spielmotivation bedingen und daran kann man seine Zielgruppe für ein Spiel und damit die Ausrichtung des Spiels hängen. Sicher gibt es da wieder verschiedene Interpretationen zu den Bedürfnissen, aber erstmal sind sie der kleinste gemeinsame Nenner, den es zu betrachten gilt.

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Offline Dr.Boomslang

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Die Diskrepanz zwischen Fantasy-Rollenspiel und Heldenmythen ist keine (zufällige) Fehlentwicklung, sondern einfach ein Anzeichen dafür das beides gar nicht so viel miteinander zu tun hat. Ich habe die Heldenreise auch in der Form noch nie komplett in einem Rollenspiel gesehen, aber das liegt daran dass Rollenspiel sich gar nicht an dieser Struktur orientiert.

Die Standardform des Spiels so wie es durch D&D geprägt wurde und immer noch als Fallback in jeder Runde vorkommt ist eine Variante die ich mal "Spiel des Lebens" nennen möchte. Man lebt in einer fantastischen Welt und versucht das beste draus zu machen. Man könnte auch etwas überspitzter sagen das Motto lautet: "Get rich or die trying"!
Das Ende ist hier viel offener, es geht zwar auch um Entwicklung aber nicht zwangsläufig um ein festes Ziel. Wenn es abgeschlossene Geschichten innerhalb dieser Struktur gibt, dann sind sie nur Teile eines größeren ganzen und nicht die Geschichte des Charakters. Old-School ist ja noch nicht einmal charakterzentriertes Spiel, das kam erst mit Vampire und Konsorten.

Heldenmythen funktionieren doch alleine schon deshalb nicht als Vorbild, da es darin um einen Helden geht, während man im Rollenspiel Gruppen hat. Selbst in Herr der Ringe ist Frodo der eigentliche Held und die anderen eben nur Gefährten.
Es zeigt sich wieder das Rollenspiel und Geschichten unterschiedliche Medien sind, die nur begrenzte Schnittstellen haben.

Ein

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #10 am: 22.07.2009 | 18:23 »
Ich denke traditionelles Rollenspiel bietet durchaus primär Inhalte, die sich an jugendliche Spieler richten.  Daher steigen mM auch viele Spieler aus dem Hobby aus, sobald sie eine bestimmte Reife erreicht haben.

Ab einem bestimmten Alter sieht man es meist einfach nicht mehr als sinnvolles Verhalten an, seinen Hals zu riskieren, wenn es ebenso möglich ist, andere die Drecksarbeit machen zu lassen.

Offline Merlin Emrys

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #11 am: 22.07.2009 | 19:20 »
Nicht ganz, denn egal ob man sich über die Self-Determination-Theory, die Maslowsche Bedürfnispyramide oder welchen Ansatz auch immer dem Rollenspiel nähert, wird man darauf gebracht, dass individuelle Bedürfnisse den - ich sage mal platt - Spieltrieb des Spielers ausmachen.
Ich habe mich dem Rollenspiel mit genau einem Ansatz genähert: Jemand, der das beurteilen kann, hat geasgt, es macht Spaß und ich soll es probieren. Die ganze "Verwissenschaftlichung" kam erst später. Und ich denke auch, daß man sie leicht mißbrauchen kann, anstatt sie hilfreich sein zu lassen.

Online Skyrock

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #12 am: 22.07.2009 | 19:27 »
Normales Fantasyrollenspiel ist kein Heldenmythos um auserwählte Helden, die Kraft von Prophezeiungen die Welt retten - es ist Western mit dünner Schwert&Ork-Tünche über den Friedensstiftern und Indianern, wo Stufe-1-Tellerwäscher sich aus eigener Kraft an der "Frontier" der unendlichen Möglichkeiten hocharbeiten.

Thread bitte schließen, das Thema wurde mit diesem Post und Querverweis erschöpfend abgehandelt und in maximalst möglicher Tiefe ausgelotet.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #13 am: 22.07.2009 | 19:33 »
So gesehen ist das Konzept eine versteckte Heldenreise, die immer und immer wieder neu in einem Stufenaufstieg kulminiert, der den vorherigen in seiner Relevanz übersteigt.
Man kann sich natürlich alles so hin biegen dass es irgendwie passt und dann sagen es sei eine (defekte) Form der Heldenreise. Jede Stufe eine Heldenreise? Die letzte Ratte mit 5 XP zur nächsten Stufe steht für das große Finale...? Der Aufstieg auf Stufe 2 verändert das Leben des Charakters und macht ihn zum strahlenden Helden?

Ich sage hingegen, es hat damit aus nahe liegenden Gründen wenig zu tun und das ist eben kein Defekt. Den Defekt sieht man da nur weil der Vergleich von vornherein falsch ist. Ansonsten kann ich ja auch sagen der Apfel sei nur eine defekte Banane.

Vergleichen kann man die beiden Sachen natürlich trotzdem gerne, aber dann muss man auch mit den Unterschieden leben und sie erklären können und nicht sagen da handele es sich einfach um einen "lahmen Abklatsch des Heldenmythos".

Offline Dom

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #14 am: 22.07.2009 | 20:09 »
Boomslang, kannst du uns noch verraten, wie du den Unterschied erklärst? Oder meinst du dein "die beiden haben gar nicht so viel miteinander zu tun" sei Erklärung genug?

Beral hat in seinem Eingangspost die "Geschichte des Erwachsenwerdens" als Begründung gegeben, warum der Heldenmythos so ist, wie er ist. Wieso ist das also bei der beschriebenen Art des Fantasy-Rollenspiel anders? Schaut man in den von Skyrock verlinkten Thread, so kommt man auf die Erklärung "Amerikanischer Pioniersgeist".

Offline Dr.Boomslang

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #15 am: 22.07.2009 | 20:27 »
Ich habe erstmal erklärt warum ich meine dass Rollenspiel sich nicht leicht am Heldenmythos orientieren lässt und warum Spieler sich nicht daran orientieren. Warum sie sich aber an was anderem orientieren, dafür gibt es sicher unterschiedliche Gründe. Einen einfachen Grund, aus meiner Sicht, habe ich genannt: Weil D&D es so und so gemacht hat und das ein historisches Beispiel geprägt hat, so entsteht ein "so macht man dass" das sich durch alle möglichen späteren Spiele hindurch zieht, genau so wie es mit konkreten Regelmechanismen auch aussieht. Sowas wie ein informeller Stil hält sich in der Tradition anscheinend noch länger als konkrete Regeln.

Noch tiefer nach Ursachen zu forschen ist nicht leicht. Ich spekuliere einfach mal, dass es eine der naheliegendsten Formen des Spiels ist zu versuchen zu "gewinnen". Da es im Rollenspiel keine formalen Gewinnbedingungen gibt sucht man diese in der Fiktion. Man überträgt also ein Konzept von Erfolg aus seiner realen Erfahrung. Dabei kommen dann solche Dinge wie Streben nach Macht, Reichtum und Anerkennung bei raus. Das kann man sicher als ein universelles menschliches Streben bezeichnen.

Ein

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #16 am: 22.07.2009 | 20:53 »
Es geht im Rollenspiel aber in der Regel nicht um Macht, Reichtum und Anerkennung, sondern darum von Monsterhort zu Monsterhort zu ziehen, alles auszurotten, was sich dort findet und die dortigen Schätze darin zu investieren, noch größere Monster töten zu können.

Wenn man das als Macht definieren will, dann ist das mehr so eine Macht auf Level eines billigen Schlägertypens.

Offline Backalive

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #17 am: 22.07.2009 | 20:59 »
Meine These: Fantasyrollenspiel ist ein schwacher Abklatsch des Heldenmythos, der Geschichte des Erwachsenwerdens.
Ich glaube, Joseph Campbell wurde im Zusammenhang mit dem Heldenmythos schon hier im Forum erwähnt. Ich beziehe mich zusätzlich auf Norbert Bischof, der in seiner Analyse des gleichen Themas etwas stringenter und konsequenter agiert.

Boooh Ayy.
Ja, dieser Thread ist wirklich ein Beispiel dafür, daß man aus allem, aber wirklich aus allem eine Wissenschaft machen kann  8]
Wie in diesem Thread http://tanelorn.net/index.php/topic,48375.0.html von mehreren festgestellt wurde.

Ich selbst finde es einfach fantastisch, wie viele wirklich kluge Leute sich hier auf Tanelorn tummeln  :d
Schöne Tage - nicht weinen, daß sie vergangen, sondern lächeln, daß sie gewesen (Rabindranath Tagore)

Offline Naga

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #18 am: 22.07.2009 | 21:16 »
Wie können wir aus dem Abklatsch eines Heldenmythos einen richtigen, wegweisenden, Heldenmythos gestalten?

Da liegt imho schon der Denkfehler vor. Der Heldenmythos an sich ist doch schon die romantische Utopie: Eine kleine Elite tut das, wozu die tumbe Masse nicht in der Lage ist. Der Heldenmythos benötigt eine dysfunktionale Gesellschaft - denn eine funktionierende würde sich um ihre Probleme ja selbst kümmern.

"Substanzielles"/aufklärerisches Rollenspiel würde also auf eine Verbesserung der Gesellschaft abzielen. Willkommen in der Politik.  ;D

Für die des Englischen Kundigen wird das in David Brins großartigem Artikel J.R.R. Tolkien - Enemy of Progress sehr schön auf den Punkt gebracht. (Und auch sein etwas bissigeres "Star Wars" despots vs. "Star Trek" populists ist in dieser Hinsicht lesenswert.)

Offline Dr.Boomslang

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #19 am: 22.07.2009 | 21:30 »
Es geht im Rollenspiel aber in der Regel nicht um Macht, Reichtum und Anerkennung, sondern darum von Monsterhort zu Monsterhort zu ziehen, alles auszurotten, was sich dort findet und die dortigen Schätze darin zu investieren, noch größere Monster töten zu können.
Nunja, jemanden verhauen zu können ist doch wohl die verbreitetste (männliche?) Machtfantasie überhaupt. Und Reichtum brngt natürlich nur was wenn man ihn ausgibt und wenn Monster verhauen das einzige ist was einen interessiert, dann gibt man das Geld eben fürs effektivere Monster verhauen aus (nachdem man es anderen Monstern abgenommen hat). Das verbindet alles auf eine möglichst einfache Weise.

Und schon in den ersten D&D Inkarnationen war "rumlaufen und Monster verhauen" nur der Einstieg zu einer persönlichen Machtposition der Charaktere innerhalb der Welt (Name-Level, Gefolge etc.).

Fantasy eignet sich ja auch gerade für solche Machtfantasien weil hier diese primitiven Formen der Machtausübung (Gewalt) scheinbar akzeptierter sind und dass die Gegner Monster sind macht die Sache noch einfacher. Aber auch andere Genres, eröffnen immer irgend eine Möglichkleit um Gewalt zu rechtfertigen, um eben diesen einfach zu verstehende Spielweise zu ermöglichen.
Es ist ja wohl kein Zufall dass Gewalt in nahezu allen Rollenspielen eine entscheidende Rolle spielt ;)

Edit: Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, der persönliche Machtzuwachs ist das entscheidende am klassischen Rollenspiel. Kampfspiele gibt es haufenweise, aber Rollenspiele legen den Fokus auf den Machtzuwachs. Was wäre Monsterkloppen ohne Stufen?
Insofern gibt es hier ja noch eine Übereinstimmung mit Heldenmythen: Der Machtzuwachs der Protagonisten. Und bei beiden Medien mögen Machtfantasien eine Rolle spielen (bei Literatur die des Autors bzw. des Publikums).
Ablauf und Zusammenhänge der Entstehung sind aber ganz anders. Das Rollenspiel braucht den Mythos nicht als 1zu1-Vorlage. Wenn dann kann man gemeinsame Wurzeln annehmen, oder meinetwegen auch eine Inspiration bestimmter Themen, aber nicht mehr.
« Letzte Änderung: 22.07.2009 | 21:42 von Dr.Boomslang »

Offline nicolai

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #20 am: 22.07.2009 | 23:40 »
...röchel...das wird mir schön langsam ein wenig zu abgehoben; muß das eigentlich sein, daß, kaum daß man an einem Hobby Freude findet, ganze Horden von Analysierern und Zerredern auftauchen, um einem diese Freude wieder zu nehmen ? Kann das eigentlich nicht einfach genug sein, daß man Spaß am Rollenspiel hat und es deshalb tut ? Wenn ich mir heute ein Brötchen kaufe, versuche ich ja auch nicht gleich, meine Beweggründe und den psychologischen Hintergrund des Bäckers zu analysieren, und ich denk´ auch nicht gleich an Freud´sche Komplexe oder ähnliches, nur weil es möglich ist, in dieses Brötchen die Form einer Vulva hineinzuinterpretieren, ich eß´ es einfach, um meinen Hunger zu stillen, und dafür war´s ja auch gedacht...
...natürlich hab´ ich leider recht !

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #21 am: 23.07.2009 | 08:36 »
@Boomslang
Kann ich mehr oder weniger so stehen lassen, allerdings behandelst du nicht die Fragestellung des OP.

Offline Skar

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #22 am: 23.07.2009 | 08:37 »
Die ganze "Verwissenschaftlichung" kam erst später.
Nö. :P

Zitat von: nicolai
...röchel...das wird mir schön langsam ein wenig zu abgehoben; muß das eigentlich sein, daß, kaum daß man an einem Hobby Freude findet, ganze Horden von Analysierern und Zerredern auftauchen, um einem diese Freude wieder zu nehmen ?
Es gibt solche und solche Themen...

Keiner nimmt dir die Freude, die nimmst du dir vielleicht selbst. Eher im Gegenteil soll das Theoretisieren ja in irgendwas münden: nämlich in ein gutes Spiel, dass Freude bringt.

Zitat
Wenn ich mir heute ein Brötchen kaufe, versuche ich ja auch nicht gleich, meine Beweggründe und den psychologischen Hintergrund des Bäckers zu analysieren,
Wenn das mein Hobby oder Job wäre, würde ich das tun.
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Offline Thot

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #23 am: 23.07.2009 | 08:58 »
Interessant!

Aber Du hast auch was von einfach nur Spaß haben gesagt. Das ist insofern genau der Punkt, weil wir ja alle mal (jugendlichen) Spaß am Hobby hatten. In diesem Thread geht es aber darum, dass man irgendwann erwachsen wird und am jugendlichen Konzept plötzlich nicht mehr so den Spaß findet. Was also tun, wenn der naive Spaß am Spiel ausbleibt? [...]

Was anderes spielen? Meine Güte, es ist ja nun *wirklich* nicht so, als gäbe es nicht Hunderte von Kampagnenideen da draußen, die mit dem "Monster töten" gar nichts mehr zu tun haben!

Ich habe schon Kampagnen geleitet, in denen die Spieler (meist sehr erwachsene) Führungsoffiziere auf einem Schiff der StarTrek-Sternenflotte waren, oder Magierfürsten und Leiter einer Universität.

Der Dungeoncrawl mag als "lahmer Abklatsch des Monomyth" interpretierbar sein, das Rollenspiel als Hobby sicher nicht.

Ein

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Re: Fantasy Rollenspiel - ein lahmer Abklatsch des Heldenmythos?
« Antwort #24 am: 23.07.2009 | 09:00 »
Es geht ja weniger darum, was man alles machen kann, sondern was von der Masse der Rollenspiele gezielt unterstützt wird.