Autor Thema: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading  (Gelesen 9211 mal)

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Offline Crimson King

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Die - laut Spielerfeedback gelungene - Kult-Runde am Treffen hat bei mir persönlich einiges an Fragen aufgeworfen.

Mein Problem war an dieser Stelle, dass ich einen recht stark auf atmosphärisch durchdachte, mit Effekten angereicherte Szenen basierenden Plot geplant hatte, unterstützt von einer speziell auf diese Szenen zugeschnittene Musikauswahl.

Das Ergebnis ließ sich im Bereich Stimmung und Atmosphäre sicherlich sehen. Die Kehrseite der Medaille: weil die Szenen auf Effekthascherei beruhten, also eher auf Wirkung der Spielwelt auf die Charaktere, waren die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt, ihre Bedeutung für das Fortlaufen des Plots minimal. Um es kurz zusammenzufassen: das war Railroading.

Man könnte jetzt sagen, solange die Spieler ihren Spaß haben, ist das ok. Ich persönlich würde aber gerne wissen, ob und wie es möglich ist, den durchdachten atmosphärischen Teil mit der Spiel-Komponente zu verknüpfen.

Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Meinungen bitte.
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J.W. von Goethe

Offline Christoph

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #1 am: 19.08.2009 | 18:12 »
Sagen wir es mal so, aus meiner Erfahrung heraus:

Setzt man auf eine grosse Sandkiste ist szenenorientierte Musik ein Problem. Einfach weil man nie weis wo die Spieler hingehen werden, was sie tun werden usw... genaugenommen ist die Vorbereitung ansich schon ein Problemchen.

Ich verzichte darum auf Musik. Hat den praktischen Grund, dass ich die Musik nicht problemlos am Spiel anpassen könnte und / oder ich müsste nen Lappi mit Soundanlage zur Verfügung haben um das passende Stück zu finden. Beides unterbricht das Spiel, was ich als störender empfinde.

Generell ist die Athmosphäre nicht so dicht, schlicht weil enorm viel improvisiert werden muss. Ich denke darum ernsthaft drüber nach ob ich nicht versuche meine Runde aufzustocken und gleichzeitig einen zweiten SL dazu hole, sofern ich einen finde um die Arbeit aufzuteilen: Einer bastelt die Welt "on the fly" und der andere übernimmt die NSC, einfach damit man Luft hat.

Die einzige Möglichkeit die ich sehe ist vor dem Spiel die Locations auszuarbeiten und dazu passende Musik auszuwählen, dazu ist ein Laptop aber Pflicht. In dem Fall hättest du quasi eine unsichtbare Karte mit vielen Locations die von den Spielern angesteuert werden können.
Ein Problem hast du aber auch, es kann gut sein, dass du 20 Locations ausarbeitest und die Spieler besuchen davon nur 2-3...

Pyromancer

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #2 am: 19.08.2009 | 18:13 »
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Ich hab in meiner alten Traveller-Kampagne mit Musik gearbeitet; dabei war die Musikauswahl an Orte und SCs - und darüber dann auch an Emotionen - geknüpft. Z.B. hatte ich ein Stück für das Hauptquartier und die fürsorgliche Enkelin des Professors; das war nach 2-3 Mal fest mit Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe verdrahtet.

Dazu noch 3-4 Stücke in der Hinterhand für besondere Situationen; für Tod und Abschied hatte ich z.B. noch ein paar Tränendrüsendrücker in der Hinterhand, und ein paar actiongeladene Stücke für Kampf und Flucht.

Mehr muss es meiner Meinung nach auch nicht sein.

Offline Crimson King

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #3 am: 19.08.2009 | 18:21 »
Ich hab in meiner alten Traveller-Kampagne mit Musik gearbeitet; dabei war die Musikauswahl an Orte und SCs - und darüber dann auch an Emotionen - geknüpft. Z.B. hatte ich ein Stück für das Hauptquartier und die fürsorgliche Enkelin des Professors; das war nach 2-3 Mal fest mit Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe verdrahtet.

Dazu noch 3-4 Stücke in der Hinterhand für besondere Situationen; für Tod und Abschied hatte ich z.B. noch ein paar Tränendrüsendrücker in der Hinterhand, und ein paar actiongeladene Stücke für Kampf und Flucht.

Mehr muss es meiner Meinung nach auch nicht sein.

Für Kampagnenspiel kann man das machen. Wie sieht es bei Oneshots aus? Generische Musik in dem Sinne, dass sie an Personen und Stimmungen geknüpft ist und nicht an Szenen?

Damit hätte man auch nur das Musikproblem gelöst. Das Problem, dass gezielt für bestimmte Charaktere designte Erlebnis-Szenen halt erst einmal keine Handlungsmöglichkeiten eröffnen, besteht dann immer noch.
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Humpty Dumpty

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #4 am: 19.08.2009 | 18:23 »
Ich hab in meiner alten Traveller-Kampagne mit Musik gearbeitet; dabei war die Musikauswahl an Orte und SCs - und darüber dann auch an Emotionen - geknüpft. Z.B. hatte ich ein Stück für das Hauptquartier und die fürsorgliche Enkelin des Professors; das war nach 2-3 Mal fest mit Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe verdrahtet.
Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee, an die ich noch nie gedacht und von der ich auch noch nicht gehört hatte. Vielen Dank!

Kardinal Richelingo ist bezüglich der Einbindung von Musik vermutlich eine hervorragende Quelle. Habe jedenfalls vor rund 15 Jahren bei dem gespielt und der arbeitete schon damals mit einem ziemlich ausgefuchsten System: ein an die Anlage angeschlossener Videorecorder (Videocassetten damals wegen der immensen Spielzeit) und Cues auf den Cassetten. Eine Liste der Cues samt zu transportierender Stimmung hatte er direkt neben seinem Tisch, so dass er locker per einfachem Knopfdruck die gewünschte Stimmung musikalisch erzeugen konnte (ohne erst aufwendig direkt in den Liedern herumorgeln zu müssen). Das ist aus heutiger Sicht natürlich ziemlich antiquiert, aber bestimmt hat Ingo noch immer den einen oder anderen Kniff auf Lager.

Offline K!aus

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #5 am: 19.08.2009 | 18:32 »
Zitat
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Na ja, ich finde die Frage lässt sich auch sehr schnell allgemein formulieren:
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. einzelne vom SL erdachte Szenen nicht mehr möglich sind?

Ich meine, die Spieler haben eine Idee was ihre Charaktere tun, können, an Status erringen, an Vermögen anhäufen, etc.

Der SL hat hingegen ein paar Ideen, die er gerne einbauen würde: klassischer Kampf auf dem Wagondach, Gerichtsverhandlung mit den einzelnen Beteiligten sauber ausgearbeitet, etc.

Und jetzt kommen die Spieler daher und erschießen den Kerl, bevor er aufs Dache fliehen kann, jetzt bringen sie den Kerl in einem Anfall von Selbstjustiz einfach um, um den die Gerichtsverhandlung gehen sollte. Manno!

An der Stelle denke ich einfach, dass solche Szenen von dem SL so flexibel wie möglich geplant werden sollten und vielleicht "technisch" einfach ein breites Anwenderfeld finden. Man überlegt sich was sind die Elemente der Szene, die sie cool machen und behält diese einfach im Hinterkopf.

Nehmen wir z.B. den Kampf auf dem Wagon. Was sind die Elemente? Nun, es ist wackelig und manchmal kommt eine Brücke?
Jetzt findet das Szenario so nicht statt, aber später treffen die Helden auf ein paar Ganoven in einer Werkstatthalle. Und spontan wirft einer einen riesen Bottich mit Öl um (wie in Transporter I) und schon ist der Fußboden wackelig. Dann tun sich ein paar Leute zusammen und schieben ein Auto an der Deckenaufhängung auf die Helden zu (Brücke!), etc.

"Technisch" äquivalent zu einem Kampf  auf dem Zug abzuhandeln. Mit anderen Worten die Vorbereitung ist nicht vollkommen in die Tonne zu treten, sondern einfach abgewandelt worden:
"War schon cool dieser Kampf in der Werkstatt, mit dem glitschigen Boden und dem Auto, dass auf uns zuflog!! Woher wusstest du, dass wir da ein paar Verbrecher stellen, um das so gut vorzubereiten?" - "Tja!"  8)

Cheers,
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Offline Crimson King

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #6 am: 19.08.2009 | 18:33 »
Kardinal Richelingo ist bezüglich der Einbindung von Musik vermutlich eine hervorragende Quelle. Habe jedenfalls vor rund 15 Jahren bei dem gespielt und der arbeitete schon damals mit einem ziemlich ausgefuchsten System: ein an die Anlage angeschlossener Videorecorder (Videocassetten damals wegen der immensen Spielzeit) und Cues auf den Cassetten. Eine Liste der Cues samt zu transportierender Stimmung hatte er direkt neben seinem Tisch, so dass er locker per einfachem Knopfdruck die gewünschte Stimmung musikalisch erzeugen konnte (ohne erst aufwendig direkt in den Liedern herumorgeln zu müssen). Das ist aus heutiger Sicht natürlich ziemlich antiquiert, aber bestimmt hat Ingo noch immer den einen oder anderen Kniff auf Lager.

Mit einer Mp3-Liste geht das flott, wenn man die Lieder nach den Stimmungen etc. benennt. Ich habe die Stücke für die Kult-Runde nach den Szenen benannt, wodurch ich sie schnell finden konnte.

Ich will aber im Grunde den Schwerpunkt nicht auf die Musik legen, sondern auf das maximale Atmosphäre vs. maximale Entscheidungsfreiheit-Problem.
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J.W. von Goethe

Preacher

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #7 am: 19.08.2009 | 18:47 »
Ich finde inzwischen ja auch Soundeffekte statt Musik (oder auch nur als Ergänzung) ziemlich super. Mit Sturm-, Erdbeben- und Monstergeräuschen hab ich beim Eishorror jedenfalls ganz gute Atmosphäre erzeugen können.

Die Tips von Pyro lassen sich auch auf einen Oneshot anwenden, in jedem Fall ist weniger aber mehr - niemals überfrachten das ganze.

Eine Lösung für deine eigentliche Frage hab ich aber leider nicht wirklich anzubieten. Du müsstest höchstens die Szenen so gestalten, daß sie absichtlich offen sind und auf die Reaktionen der SC angewiesen sind. Wenn Du natürlich die Dinger durchgescriptet hast, damit Du einen möglichst coolen Beschreibungstext am Start hast, dann wird das schwierig. Mittelweg finden ist die Kunst.

Hilft natürlich, wenn die Spieler das von alleine mittragen oder gar stimmungsvolle Szenen von sich aus initiieren. Dann verkommst Du als SL nicht zum Alleinunterhalter oder Erzählonkel und hast trotzdem Atmosphäre drin.

Offline Crimson King

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #8 am: 19.08.2009 | 18:52 »
Gerade im Horror dürfte es aber problematisch sein, wenn die Spieler Szenen selbst initiieren. Horror lebt stark vom Unerwarteten bzw. vom Ausbleiben des Erwarteten. Das muss aus meiner Sicht vom SL gesteuert werden.

Die Szenen offen gestalten ist klar. Die Folgen der Szenen offen gestalten ist eine andere Sache. Mir scheint hier aber, dass das szenenbasierte Konzept generell ein Problem darstellt. Ich denke da vieleicht einfach zu cinematisch.
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J.W. von Goethe

ChristophDolge

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #9 am: 19.08.2009 | 19:40 »
Generell scheint mir musikalische Untermalung am Besten zu einem cinematischen Stil zu passen, da im Kino ein großer Teil der Stimmung auch über die Musik transportiert wird. Bei einigen Spielstilen, die viel Wert auf Action, Bodenpläne etc. legen kann ich mir Musik kaum vorstellen, es sei denn es handelt sich immer um den quasi gleichen conanesquen Stil.

Preacher

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #10 am: 19.08.2009 | 19:43 »
Bei einigen Spielstilen, die viel Wert auf Action, Bodenpläne etc. legen kann ich mir Musik kaum vorstellen
Also bei den Action-Szenen der Matrix-Runde auf dem GROSSEN, hat die Musikauswahl das Feeling gut unterstützt.

Online Vash the stampede

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #11 am: 19.08.2009 | 19:44 »
Musik rockt! Auch im Rollenspiel. ;)

Das Wichtigste beim Leiten ist und bleibt das Loslassen. Und mir ist durchaus bewusst, dass ich das auch schlecht kann. Doch ist es wichtig und es gilt ebenso für die Musik. Daneben bin ich kein Freund von Dauerbeschallung und suche Musik auch lieber szenisch aus. Ich brenne ja sogar CDs, weil ich lieber durch 17 Tracks skippe als durch 5000 Alben auf dem Rechner. ;)

Warum ich suche szenisch aus? Weil Musik für mich ein Emotionsmultiplikator darstellt. Ich mache damit eine Stimmung klar. Im Comic wird häufig eine ganzseitige Splash-Seite verwendet, damit man im folgenden nicht mehr erklären muss wo man ist und man sich die Hintergrundzeichnungen sparen kann. So sehe ich die Musik im Rollenspiel. Oder besser gesagt, so höre ich sie. :D

Doch muss man sie fallen lassen können. Oder sich so aufstellen, das sie auch zu einer anderen Szenen passt. Beim letzten Wintertreffen hatte ich eine nWoD, die war hervorragend darin. Ich hatte schon Bilder im Kopf zur Musik. Durch die Spieler wurde jedoch die Reihenfolge verändert, durch ihre Ideen wurde die Stimmung und die Kombination deutlich verbessert oder verändert oder ich musste Tracks gänzlich weggelassen.

Nun noch zur Kampagne. Hier habe ich mit einem Soundtrack gearbeitet. Einen selbst erstellten Soundtrack. Mit Titeltrack, Abspann, 2 Tracks für jeden Charakter und mehreren Situationentracks (der Club, Kampf, Ruhe, usw.). Das hat super funktioniert. Beispiel: Als einmal ein Charakter am Ende eines Abenteuers in sein leeres Haus zurück kehrte (seine Frau hatte ihn verlassen), spielte ich das vom Spieler ausgesuchte Lied "She shoot me down" von J.L. Hooker an und es war Gänsehaut pur.

Fazit: Weniger ist mehr* und Dinge aufgeben auch wenn es schwer fällt. Erstes kann ich inzwischen ganz gut. Zweites wird mein ewiger Feind bleiben.  8]

* Bei der Musikauswahl bedeutet das, wie sonst auch, Mehraufwand. Denn man muss dennoch so viel aussuchen, das man sinnvoll kürzen kann.
« Letzte Änderung: 19.08.2009 | 19:50 von Vash the stampede »
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Ich sitze im Bus der Behinderten und Begabten und ich sitze gern darin.

Offline Joerg.D

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #12 am: 19.08.2009 | 19:49 »
Zitat
Ich persönlich würde aber gerne wissen, ob und wie es möglich ist, den durchdachten atmosphärischen Teil mit der Spiel-Komponente zu verknüpfen.

Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Nein, du verlierst als SL der den Spielern die freie Wahl lässt absolut nicht die Möglichkeit zur Kontrolle der Szenen. Du hast bloß viel mehr Variablen, wie die Szenen ausgehen oder ihre Grundstimmung sein kann.

Ich habe früher oft mit Hintergrundmusik gearbeitet und es dann sein gelassen, weil ich zu oft falsche Stimmungen transportiert habe und das mein Spiel störte. Dann habe ich eine wunderbare Runde bei Kaymac gespielt, in der sie mit Musik zu passenden Szenen und Jingels (Kampf/Kneipe/Romanze/Verfolgungsjagt/Reiten/Seefahrt oder bestimmten Tracks für als Ankündigung für meine Bösewichte oder Helden) wirklich bombastisch Stimmung erzeugt hat.

Ich ließ mir von einem Kumpel eine Jingel Maschine bauen, die auf Knopfdruck bestimmt Geräusche gemacht hat. Zu der Zeit war Speicher noch sehr teuer und von passenden Musikstücken auf Abruf habe ich nur geträumt.

Heute geht es einfacher. Wenn du den Spielern freie Wahl lässt, folgen sie bei einem guten Plot doch in 95% der Fälle deinen ausgelegten Brotkrumen zu bestimmten Szenen und kümmern sich um ihre Flags oder die Handlung.

Du kannst also die grundsätzliche Vorbereitung erst einmal genau so lassen, wie sie ist und ergänzt die Liste der Musikstücke um Titel, die für die spezielle Situation unter einem anderen Aspekt passen. Wichtig ist dabei nur, dass du nicht daruf pochst, bestimmte Stücke zu spielen, weil du sie toll findest.

In der Playlist benennst du diese Stücke nach den entsprechenden Situationen um sie auch in der Hektik des Spieles schnell zu finden und gruppierst sie so, wie der Plot im Idealfall laufen wird. Dabei stückelst Du das Ganze nach Schlüsselszenen die den Flags der Spieler oder bestimmten Schlüsselelementen entsprechen. So kannst du auch in dem Fall, dass die Spieler nicht den linearen Weg gehen schnell zu den entsprechenden Elementen springen und sie anspielen um die gewünschte Manipulation/Unterstützung der Stimmung zu erreichen.

Auf diese Art kannst du auch in Situationen in denen sich etwas unerwartet entwickelt, schnell die Musik ändern und so die entsprechende (gewünschte) Atmosphäre erreichen oder unterstützen.

Es ist also mehr Arbeit, wenn du den Spielern die Freiheit lässt. Doch mit etwas Kreativität kannst Du schnell improvisieren und fast immer etwas passendes zur Hand haben. Dazu suchst du einfach ein paar Stücke für bestimmte Grundstimmungen, die du erzeugen willst und hast neben den passenden Stücken etwas in der Hinterhand, falls etwas unerwartetes passiert.

Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, statt mit einer Playlist mit Verknüpfungen auf dem Desktop zu arbeiten, wenn ich den Laptop mit habe. Aber auch meine Playlist auf dem Handy oder der gute alte MP3 Gettoblaster mit einer Nummernliste und der Möglichkeit zum Vor oder zurückspringen haben schon gut funktioniert.

Es ist also in meinen Augen nur eine Frage der Organisation. Das Anwählen der Musikstücke oder das Umgruppieren, weil etwas anders gelaufen ist, als man es wollte, kann man prima in den Pausen oder während der Charaktergespräche organisieren. Einfach ein Gespräch zwischen zwei Charakteren anregen oder einem Spieler einen SLC spielen lassen und die gewonnene Zeit nutzen, um die Liste zu pflegen oder etwas passendes aus der Vorauswahl zu suchen.

Ich hoffe, ich habe deine Frage richtig gedeutet.

Jörg
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Humpty Dumpty

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #13 am: 19.08.2009 | 19:50 »
Vielleicht noch mein persönlicher, ganz pragmatischer Ansatz: zu Beginn eines Spieleabends werfe ich eine fette mp3-Liste im Zufallsmodus an, die durchgehend im Hintergrund dudelt.

Wenn es angebracht erscheint, hören wir am Rande immer mal in die Musik rein und freuen uns dann über Zufallstreffer, bei denen die gerade laufende Musik wunderbar zur jeweiligen Szene passt. Dann wird auch schon mal etwas lauter gestellt und alle freuen sich. Diese Zufälle kommen bei uns überraschend häufig vor. Das liegt vermutlich daran, dass wir die gerade laufenden Stücke so interpretieren, wie es uns gerade passt. Aber das tut der Funktionalität keinen Abbruch und entbindet den SL von nerviger Vorbereitung und erleichtert die Immersion am Abend selbst, weil sich nicht dauernd jemand um die Musik kümmern muss.

Zugegeben: nicht die Krone der Sophistication, aber in unserer Runde fahren wir damit seit vielen Jahren hervorragend.

Offline Joerg.D

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #14 am: 19.08.2009 | 19:54 »
Solange die Liste gut zusammengestellt ist und keine Sachen enthält, die falsche Stimmungen erzeugen, ist das bestimmt nicht schlecht. Ich habe so eine Playlist für Western City erstellt, die ganz gut funzt.

Aber wenn man es nicht richtig macht und die Kavalerie gerade in Juma einreitet, während ein Spieler seiner Geliebten das Herz ausschütten will, dann ist es ein echter Stimmungstöter.

Eine Fernbedienung für den Player ist da Gold wert.
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Humpty Dumpty

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #15 am: 19.08.2009 | 19:57 »
Aber wenn man es nicht richtig macht und die Kavalerie gerade in Juma einreitet, während ein Spieler seiner Geliebten das Herz ausschütten will, dann ist es ein echter Stimmungstöter.
Entscheidend: eine einfache, schnelle Lautstärkeregulierung  :D

ChristophDolge

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #16 am: 19.08.2009 | 20:00 »
Passt folgende Frage zum Thema: Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren? Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

Erwischt man das trotzdem mit gut improvisierten Stimmungshelferlein? Ich habe ja von vielen Gruppen gehört, die z.T. den gesamten Spielraum entsprechend der Stimmung gestalten (Beleuchtung, Kerzen, Deko etc.), verzichte aber selbst weitestgehend auf sowas, weil ich mich selbst zu wenig auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren kann (ich altes ADS-Opfer)...

Offline Joerg.D

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #17 am: 19.08.2009 | 20:17 »
Zitat
Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren?

Dafür hat man im Backup die Playlist mit bestimmten Grundthemen, die immer vorkommen können


Zitat
Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

Das sollte ja schon in der Playlist mit enthalten sein Also einfach zur Begegnung mit dem Obermotz in der Playlist und die Stimmung friedlich, aggressiv, neutral oder romantisch wählen.
« Letzte Änderung: 19.08.2009 | 20:20 von Joerg.D »
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Preacher

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #18 am: 19.08.2009 | 20:52 »
Passt folgende Frage zum Thema: Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren? Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

Erwischt man das trotzdem mit gut improvisierten Stimmungshelferlein?
Um ehrlich zu sein verstehe ich die Frage nicht. Du willst also wenn die Stimmung "kippt" gegensteuern, damit es wieder gruslig wird? Mein Tip: Lass das. Das ist genau das, was Vash mit "Loslassen" titulierte. Wenn Du eine hochgruslige Szene im Keller eingeplant hast, aber die Spieler in eine andere Richtung gehen, dann lass es. Wenn Du die gewünschte Stimmung nicht aufgebaut kriegst, dann unterstütz die, die sich einstellt. Ein Gespür für die Stimmung, für die Dynamik der Story und für die Wünsche der Spieler ist da wichtig - aber immer aufgreifen und damit arbeiten, was da ist.

Nichts tötet jede Stimmung so zuverlässig, wie auf Krampf eine aufbauen wollen, die nicht gewünscht wird.

Vielleicht noch mein persönlicher, ganz pragmatischer Ansatz: zu Beginn eines Spieleabends werfe ich eine fette mp3-Liste im Zufallsmodus an, die durchgehend im Hintergrund dudelt.
Puh, das kann ich gar nicht leiden. Hintergrundberieselung während des Spiels find ich ziemlich nervtötend. Imho ist weniger mehr. Aber die schnelle Lautstärkeregelung ist natürlich wirklich wichtig.

ChristophDolge

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #19 am: 19.08.2009 | 20:53 »
Zitat
Nichts tötet jede Stimmung so zuverlässig, wie auf Krampf eine aufbauen wollen, die nicht gewünscht wird.

Nein, geht schon eher in die Richtung: Was mache ich, nachdem ich losgelassen habe.

Preacher

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #20 am: 19.08.2009 | 20:54 »
Nein, geht schon eher in die Richtung: Was mache ich, nachdem ich losgelassen habe.
Naja...wenn man keine Alternativen vorbereitet hat: Improvisieren ;)

Offline Crimson King

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #21 am: 19.08.2009 | 20:55 »
Hintergrundberieselung gibbet nicht. Das Ziel ist ja, mit Mucke exakt die gewünschte Stimmung zu unterstützen. Das geht nur mit geschickter Wahl.
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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #22 am: 19.08.2009 | 20:57 »
Gut, dann ist die Technik nix für mich, da ich dann vermutlich nur noch krampfhaft nach dem richtigen Musikstück suche, dass meinen hohen Ansprüchen gerecht wird. Aber einer meiner Mitspieler hat das recht gut drauf.

Preacher

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #23 am: 19.08.2009 | 20:59 »
Gut, dann ist die Technik nix für mich, da ich dann vermutlich nur noch krampfhaft nach dem richtigen Musikstück suche, dass meinen hohen Ansprüchen gerecht wird. Aber einer meiner Mitspieler hat das recht gut drauf.
Ach so - Du meinst, was für Musik Du auswählst, wenn Du eine mit Musik geplante Szene verwirfst. Einfach: Keins. Es sei denn, Du hast zufällig gerade was passendes im Kopf. Aber während des Improvisierens die Mucke suchen ist Käse.

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Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
« Antwort #24 am: 19.08.2009 | 21:00 »
Da ist die von Tobi und Jörg vorgeschlagene Themen-Standarddatenbank schon hilfreich.

Kritischer ist aber das loslassen. Wobei mein Kult-Abenteuer schon darin krankte, dass die Spieler kaum Entscheidungen treffen konnten. Da musste ich nichtmal was entwerten. Das war Erzählonkelspiel pur.
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