Meta-Sidenote voraus: Leute, schreibt ihr lange Posts.
Nach einer gewissen Threadlänge ist es immer mühsam, sich reinzulesen.
Ich fang mal von vorne an. Inzwischen behandelt der Thread ja mehrere Fragen. Ich versuche mich jeweils kurz zu fassen.
Atmosphäre vs. EntscheidungsfreiheitDas Problem, dass gezielt für bestimmte Charaktere designte Erlebnis-Szenen halt erst einmal keine Handlungsmöglichkeiten eröffnen, besteht dann immer noch.
"designte Erlebnis-Szenen" = Railroading. Just don't do that.
Gerade im Horror dürfte es aber problematisch sein, wenn die Spieler Szenen selbst initiieren. Horror lebt stark vom Unerwarteten bzw. vom Ausbleiben des Erwarteten. Das muss aus meiner Sicht vom SL gesteuert werden.
Aber da ist doch gar kein Widerspruch. Gerade als SL kannst Du doch Unerwartetes überall dort auftauchen lassen, wo Du willst. Oder Erwartetes ausbleiben lassen. Da ist es doch unerheblich, ob das Geschehen durch Spieler gestaltet wird oder nicht.
Wie sieht es da mit Techniken aus? Gibt es welche?
Die Frage ist da auch immernoch offen. Wie kann ein SL detaillierte Vorbereitungen machen ohne das Spiel in die entsprechende Richtung zu lenken, also den Spielern volle Freiheit zu lassen?
Also ich weiß jetzt nicht so richtig wie ich das sagen soll, aber ich habe ein Buch geschrieben, in dem Methoden zum Angehen exakt dieser Fragen vorgestellt werden. *hüstel*
Ich bin sehr gerne bereit, diese Techniken auf dem nächsten Treffen mal vorzustellen und auch am Beispiel zu zeigen.
Jörg erwähnte auch Scene Framing, und das halte ich für eine der zentralsten Techniken überhaupt. [...] Sich ein einfaches Diagramm zu bauen und so immer im Blick zu haben, was für Szenentypen aufeinander folgen können, hilft ebenfalls ungemein - insbesondere, wenn man sich die aktuelle Szene noch mit einem beweglichen Pöppel markiert (Stichwort Endlicher Automat).
Sorry Haukrinn, aber das halte ich selbst als Verfechter des Erzählrollenspiels hier für wenig hilfreich. Gut, Zugeständnis, es kommt auf den Spielstil an. Ausdrückliche "Szenen" will ich selber nur in Hardcore-Erzählspielen wie Western City oder PtA sehen. Crimson Kings Problem war ja gerade das Denken in Szenen, von dem er sich nicht lösen konnte; als Lösung dafür bietet sich eher ein Actio-Reactio-Modell mit einem Netz aus Personen, Orten und Vorhaben an, in das der SL dramatisierend eingreift. Ich nenne das mal eine pervertierte Handlungsmaschine.
MusikKardinal Richelingo ist bezüglich der Einbindung von Musik vermutlich eine hervorragende Quelle. Habe jedenfalls vor rund 15 Jahren bei dem gespielt und der arbeitete schon damals mit einem ziemlich ausgefuchsten System: [...]
@TAFKAKB: Na da scheine ich ja damals im April nicht viel Eindruck gemacht zu haben...
Musik im Rollenspiel war einer meiner allerersten Workshops (NordCon 2003). Ich selber setze als SL Musik exzessiv ein, besonders wenn ich auf atmosphärisches Erzählrollenspiel aus bin.
Dabei habe ich viel probiert und auch als Spieler viel gesehen und bin schließlich bei einem Eigenbau gelandet: ich habe mir eine Software geschrieben, welche meine Laptoptasten in Trigger für Musikstücke verwandelt, pro Taste ein Titel. Mit Verwendung der Umschalttaste kann ich so ca. 80 Musikstücke triggern, das war bis jetzt mehr als genug für jede Session. Ich muss nicht mit der Maus fuhrwerken und auf meinem Desktop oder in Playlists suchen. Außerdem schaltet die Software den Bildschirm schwarz, so dass dessen Licht nicht stört. Den Laptop habe ich nicht auf dem Tisch, sondern neben dem SL-Stuhl.
Dazu gibt es Tasten für Lautstärkeänderungen und Ein- und Ausblenden. Die Software lässt sich leicht konfigurieren, läuft unter Linux, Win und OS X und kann auch Bilder anzeigen, falls man einen Beamer verwenden will. Bei mir seit Jahren sehr zufriedenstellend im Einsatz.
Geschichtenwenn in der retrospektive eine gute geschichte entstanden ist, haben dann nicht alle zusammen eine gute geschichte erzählt? Abgesehen von den unterschiedlichen deutungsmöglichkeiten der worte - wo ist der wirkliche unterschied, der zeitpunkt der reflexion. ansonsten?
Uuh! Vorsicht! Ich denke, mit Deinem Hintergrund weißt Du sehr genau, dass der Messzeitpunkt einen entscheidenden Unterschied machen kann!
Ich nehme mal eine Metapher zu Hand: Du setzt mehrere Personen mit einem GPS-Tracker in ein Auto und lässt sie durch eine Großstadt fahren. Anschließend plottest Du die Strecken, die sie gefahren sind, auf einen Stadtplan.
Frage: "wenn in der retrospektive eine
interessantes Linienmuster entstanden ist, haben dann nicht alle zusammen eine gutes
Linienmuster gemalt?"
Hier sollte es deutlich werden: es geht um die Intention. Die Leute können ihre Strecke aus ganz unterschiedlichen Gründen gefahren sein. Und so ist das auch im Spiel, entweder Du willst tatkisch spielen (z.B. "schnell oder effizient zum Ziel fahren"), oder Du willst erzählen ("eine ästhetisch befriedigende Linie plotten"). Eine retrospektiv gute Geschichte sagt aber
nichts über die Intention aus.
Dieses sehr häufige Mißverständnis spreche ich kurz am Schluss meines
Schismas unter der Überschrift "Das Problem: Erzählen als Spiel" an.
Florian