Hallo zusammen,
ich habe vor ein paar Stunden den neuen E-Mail-Newsletter von Anime House bekommen. Darin steht ein längerer Bericht über eine Podiumsdiskussion, die kürzlich auf einer Convention in Kassel stattgefunden hat.
Darin geht es wieder einmal um das Problem der Verbreitung von Bootlegs und Fansubs von Anime. Dieses Problem grassiert schon so weit, dass die offiziellen Lizenznehmer zum Teil schon kein Geld mehr in Deutschland machen, weil so viele Fans die Serien schon von irgendwo als Fansubs haben. Die Anime-Szene scheint auch alles in allem viel kleiner zu sein, als ich in den letzten Jahren angesichts der vielen Veröffentlichungen angenommen hatte. Es gibt wohl nur eine begrenzte Anzahl von richtig interessierten Fans (wenige Tausend!). Viele Fans holen sich aber die Serien, die sie gern haben möchten, einfach als illegale Downloads. Dass dann nicht dieselben Leute, die bereits die Downloads oder die Bootlegs besitzen, auch noch in den Laden gehen und sich jede offizielle DVD für €24.95 holen, sollte klar sein.
Ich fand diesen Artikel ausgesprochen gut und möchte ihn deshalb gern mal komplett hier einfügen. Es geht glaube ich um ein Thema, das viele von uns angeht.
Publisher, Fansubber und RaubkopiererMit besonderer Spannung erwartet wurde dieses Mal eine Diskussionsrunde, in der sich Anime- und Manga-Publisher mit Fans und Vertretern der Fansubber-Szene zusammensetzen wollten.
Moderiert von Andreas Vogler, bestand die Runde unter anderem aus Vertretern der DVD-Hersteller Anime Virtual und Anime House, von Tokyopop (die sich als dritter Großverlag nach Carlsen und EMA bereits 2007 vom Anime-DVD-Markt zurückgezogen haben), ein Repräsentant der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen GVU, einer der legalen Online-Plattform Anime on Demand sowie Vertreter der beiden größten deutschen Fansub-Portale und engagierte Fans.
Das Thema der Debatte „Raubkopien und Fansubs: Steht die Anime-Kultur vor dem Untergang, weil immer weniger Fans für die Animes bezahlen wollen?“ war und ist von besonderer Aktualität, da in jüngster Zeit drei weitere Anime-Labels wegzufallen drohen: Ende Juli wurde das Insolvenzverfahren über SPV eröffnet, die neben eigenen Releases auch den Vertrieb für andere Firmen übernommen haben. Darunter Panini Anime, die Ende September angekündigt haben, sich nach dem Anschluss von Bleach und Naruto ebenfalls „zunächst“ vom deutschen Markt zurückzuziehen. Nur 2 Tage vor Fertigstellung des Newsletters hat OVA Films in ihrem Forum die Planinsolvenz angekündigt. Theoretisch ist zwar noch offen, wie es weitergeht, aber derzeit sieht es doch eher trübe aus.
Der Saal platzte aus allen Nähten, so dass allein aus Platzgründen leider nicht alle, die sich dafür interessiert haben, die Diskussion live miterleben konnten. Die Runde wurde jedoch aufgezeichnet und ist online auf emania.de als .avi zu finden, der Animexx e.V. will ebenfalls eine Aufzeichnung online zugänglich machen. Ansehen lohnt sich auf jeden Fall!
An dieser Stelle wollen wir nur einige Highlights wiedergeben.
Zu Beginn gab Dr. Matthias Leonardy von der GVU, Jurist, Einblick in die rechtlichen Grundlagen. Das Urheberrecht ist im Prinzip das Recht eines jeden, der in irgendeiner Weise kreativ ist, die Früchte seiner Kreativität so zu nutzen, dass er davon profitieren kann. Gerade, wenn es um ein Werk geht, das internationale Verbreitung findet, ist die Situation oft sehr kompliziert, und in den seltensten Fällen ist es der Künstler selbst, der seine Werke direkt an die Fans verkauft. In der Regel finden vielschichtige Produktions- und Verteilungsprozesse statt, bis das Werk vom Künstler bei dem ist, der sich dafür interessiert. Ermöglicht wird dies durch das Urheberrecht, das es dem Kreativen erlaubt, die Rechte an seinem Werk jemandem zu verkaufen, der dieses dann vermarktet. Gleichzeitig sichert es ihn aber auch so ab, dass er noch eine Kontrolle über sein Werk behält. Das Urheberrecht stellt sicher, dass die Entscheidung, wie und durch wen ein Werk verbreitet wird, beim Künstler liegt.
Das alles ist natürlich nur dann möglich, wenn nicht jeder andere „einfach so“ auch auf dieses Werk zugreifen und es nutzen oder verbreiten kann.
Der Produzent wiederum muss die Möglichkeit haben, das Geld einzunehmen, das er dem Künstler für die Rechte bezahlt. Das fertige Produkt (z.B. eine DVD) muss zu einem Preis angeboten werden, der für den Konsumenten attraktiv ist, von dem aber alle an dem Produktions- und Distributionsprozess Beteiligten, die damit ja ihren Lebensunterhalt verdienen, existieren können.
Dem gegenüber stehen Fansubber, die als Hobby, ohne davon finanziell zu profitieren, Material übersetzen und im Internet zugänglich machen, weil sie die Freude daran mit möglichst vielen anderen teilen wollen. Andere greifen auf bereits vorhandenes übersetztes Material zurück und rippen DVDs, zeichnen Fernsehausstrahlungen auf oder schneiden heimlich Kinovorführungen mit, um diese dann hochzuladen.
Mit dem Idealismus der Fans verdienen einige Leute gutes Geld, von dem weder der Künstler noch irgendjemand anderes, der sich in die Produktion (sei es des Films an sich, der lizenzierten DVD oder sogar des Fansub…) eingebracht hat, etwas zu sehen bekommt: Die Betreiber der verschiedenen Internet-Plattformen (z.B. via Werbung auf der Seite, Spenden…) und diejenigen, die Kopien brennen (oder Billigkopien importieren, Stichwort: Hong Kong DVDs) und z.B. auf Flohmärkten verkaufen. Diese „Profis“ wollen weder dem Künstler etwas Gutes tun, indem sie kostenlos Werbung für sein Werk machen, noch dem Abnehmer, der zum „Geiz ist geil“-Preis an die Produkte herankommt. Sie tun das, was sie tun, einfach nur, um auf Kosten anderer Geld zu machen.
Der Endeffekt ist leider bei den Idealisten der gleiche wie bei den Profi-Kopierern: Es kommt kein Geld bei denen an, die das kreative Potenzial aufgewendet haben; die Geld und Energie in die Umsetzung der Idee investiert haben und die davon leben (wollen). Was es für diese sowohl schwieriger macht, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten als auch kommende Projekte zu realisieren.
Dirk Remmecke von Anime Virtual/AV Visionen schilderte als Nächstes in Kürze den komplexen Ablauf einer DVD-Produktion von den Lizenzverhandlungen mit Japan bis zur fertigen Silberscheibe im Laden und erläuterte auch einige der Grenzen, die den Publishern dabei aus unterschiedlichen Gründen gesetzt sind. Welche Medien (DVD, TV, …) produziert werden dürfen, welche Sprachfassungen enthalten sind, welches Bildmaterial wie verwendet wird und auch mögliche Extras und Beilagen – alles ist im Lizenzvertrag genau geregelt bzw. muss vor der Produktion den Lizenzgebern vorgelegt und durch diese genehmigt werden.
Nun ging das Wort an die Vertreter der Fansubber-Portale, Dinoex und Conanmichi, die das Selbstverständnis der Fansubber darlegten und einen Einblick in deren Arbeitsweise gaben. Betont wurde der seit Entstehen der Szene bestehende Ehrenkodex, nach dem lizenzierte Titel nicht weiter angeboten werden. Ihnen sei vor allem daran gelegen, Animes bereits vor einer Veröffentlichung in Deutschland bekannt zu machen. Von allen Animes, die bisher als Fansubs auf ihren Portalen angeboten worden seien, sei nur weniger als ein Fünftel lizenziert worden. Derzeit gebe es ca. 90 aktive Fansubber-Gruppen (dem gegenüber stehen nach dem Wegfall von SPV und Panini weniger als ein Dutzend DVD-Publisher), die aus Liebe zum Anime oder aus Wettbewerb zu anderen Gruppen aktiv seien. Selbstdarstellung und die Bewunderung der Fansub-Konsumenten seien natürlich auch häufige Motivationen.
Zur Frage des wirtschaftlichen Schadens durch Raubkopien wurde dann Dr. Joachim Kaps von Tokyopop befragt.
Tokyopop hatte sich 2007 aus dem Anime-Markt zurückgezogen, nachdem von den 8 Serien, die sie damals auf den Markt gebracht hatten (u.a. Rozen Maiden, Meine Liebe, DearS, Emma, Loveless) es nur eine einzige geschafft hatte, (niedrige) schwarze Zahlen zu schreiben. Allgemein war in den letzten Jahren zu beobachten – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Amerika –, dass sich immer mehr Publisher vom Markt zurückziehen (müssen). Kern des Problems ist, dass der Anime-Markt immer noch ein vergleichsweise kleiner Markt ist, auch wenn es einzelne große Erfolgstitel wie Dragonball gibt und einzelne Großfirmen, die den einen oder anderen Mainstream-geeigneten Anime in ihr Programm aufnehmen.
Die meisten Labels, die schwerpunktmäßig Animes veröffentlichen, sind aber keine großen Konzerne und kommen durch sinkende Absatzzahlen immer mehr in die Bredouille. Je geringer die Verkäufe werden, umso schwerer wird es auch, Synchronisationen zu finanzieren, die der Anime-Markt aber nun einmal braucht, um nicht ganz zu einem Nischenmarkt für Hardcore-Fans zu werden. Die Problematik wird durchaus auch in Japan gespürt.
Das Problem sind dabei nicht die „ehrbaren“ Fansubber wie von Conanmichi und Dinoex vertreten, sondern vielmehr die Fansubber, denen der „Ehrenkodex“ der Szene vollkommen egal ist, und die auch lizenzierte Titel nach wie vor weiterverbreiten sowie die Ripper: Kriminelle, die legale lizenzierte Fassungen kopieren und entweder hochladen oder als Kopie verkaufen. „Das hat dann auch nichts mehr mit Liebe zum Anime zu tun, das ist schlicht Diebstahl.“ Leider sind die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen oft fließend. Die Raubkopierer (die sich gerne als Robin Hoods darstellen, die von den reichen Publishern nehmen, um es den armen Fans zu geben) machen zum Teil mehr Geld mit Animes als die Publisher, weil sie natürlich kaum Geld investieren müssen.
Nach diesen Ausführungen hatte das Publikum die Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Die Frage, warum die Publisher nicht einfach auf die Arbeit der Fansubber zurückgreifen, bei denen untertitelte Fassungen ja bereits fertig vorliegen, beantwortete Dirk Remmecke dahingehend, dass die Dateien der Fansubs aus technischen Gründen nicht für eine DVD-Produktion verwendbar sind, da z.B. bei Fansubs – anders als bei DVD-Produktionen - die Untertitel fest in das Filmbild eingesetzt werden. Conanmichi hatte kurz zuvor bereits erwähnt, dass viele deutsche Fansubber nicht das japanische Original, sondern englische Fansubs übersetzen. Die Übersetzung müsste also nochmals nachgeprüft werden, was aber den gleichen Aufwand darstellen würde wie eine von Grund auf neue Übersetzung. Grundsätzlich wurde in der Diskussion sowohl die Bereitschaft der meisten Publisher, mit Fans zusammenzuarbeiten, als auch die Bereitschaft vieler Fans zu einer solchen Zusammenarbeit festgehalten.
Auf die Frage, wie viele Exemplare bei einem durchschnittlichen Serien-DVD-Release pro DVD verkauft werden müssten, um in den schwarzen Bereich zu kommen, und wie viele Downloads pro Episode der Fansub einer Serie erreicht, antwortete Joachim Kaps, dass dies natürlich von Label zu Label und von Serie zu Serie unterschiedlich ausfalle. Für Tokyopop war es so, dass die Zielmarke bei 3.000 – 4.000 verkauften DVDs gelegen hatte, was aber bei den meisten ihrer Veröffentlichungen nicht erreicht werden konnte - nicht einmal dann, als zum Auslaufen des DVD-Programms die Preise massiv gesenkt wurden.
Dirk Remmecke ergänzte, dass allgemein die Auflagen von Anime-DVDs in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind. Bei XXX-Holic seien die DVD-Verkäufe weit unter den Erwartungen geblieben, aber vom ersten Tag des Release an die Download-Zahlen auf den Torrentseiten in den Tausenden gewesen - jenseits von allem, was hätte verkauft werden müssen, um auch nur auf Null zu kommen.
Ähnliche Ausführungen machte Dr. Kaps auch in einem Interview mit AnimeY, das wir ergänzend empfehlen wollen:
http://www.animey.net/specials/87„Wir haben … inzwischen die Situation, dass Leute ohne mit der Wimper zu zucken die komplett synchronisierten deutschen DVDs innerhalb von 24 Stunden ins Netz stellen. Und das so, wie sie unter enormem Kostenaufwand seitens der Firmen produziert wurden. Diese neue Generation von Raubkopierern hat – im Gegensatz zur frühen Scanlations-Szene – nicht mal mehr das Gefühl, da irgend etwas Unrechtes tun, sondern spielt sich dann noch als Robin Hood auf. Dafür fehlt mir in der Tat jedes Verständnis.
Wir sind ein Verlag, der auch Bücher verlegt, der Autoren vertritt. Wenn diese neue Auffassung als normal angesehen würde, müsste ich morgen allen meinen Autoren sagen: „Hört auf Manga zu machen, denn ihr werdet davon euren Lebensunterhalt nicht bestreiten können.“ Das kann meines Erachtens keine Antwort sein.“
„Es gibt tatsächlich ganz klare Tests, das haben die Kollegen von Alive mir erzählt. Es gab z.B. Versuche, InuYasha zwischendurch zu anderen Preisen anzubieten. Es hat keinerlei Auswirkungen auf den Verkauf gehabt. Dadurch, dass für eine Weile der Preis gesenkt wurde, sind nicht automatisch unglaubliche Mengen mehr verkauft worden. …Insofern denke ich, der Ursprung des Problems liegt eher darin, dass alles teurer ist als umsonst. So weit werden die Anbieter einfach nicht runter kommen können.“
„Wenn ich mit meinen Kollegen in Japan spreche, dann ist eines ganz klar: Die bekommen im Moment aus allen Ländern die gleichen Rückmeldungen; die ansässigen Publisher sagen, dass sie ihr Programm entweder reduzieren, stoppen, oder dafür nur noch Bruchteile dessen bezahlen können, was sie früher gezahlt haben. So geraten die produzierenden Studios in Japan im Moment massiv unter Planungsdruck, was zur Folge hat, dass die ersten Studios ihre Investitionen in neue Produktionen bereits deutlich verringert haben. Das heißt, der Effekt dessen, was da gerade passiert, wird spätestens dann eine Rückwirkung auf den Nutzer haben, wenn dieser plötzlich feststellt, dass es nur noch die Hälfte der Serien gibt, weil die Studios in Japan es sich schlicht nicht mehr leisten können, neue zu produzieren. Dort sitzen unglaublich viele Leute, die dafür bezahlt werden wollen, dass sie vernünftige Arbeit abliefern. Die trifft es am Ende der Kette und die sind eben nicht ersetzbar.
Ob TOKYOPOP Geld mit DVDs verdient, kann jedem Animefan herzlich egal sein. Das ist unser Problem, und wenn wir der Meinung sind, wir können damit gerade kein Geld verdienen, dann ist es unsere Entscheidung, das sein zu lassen. Deswegen kann man sich die Serien, die wir sonst vielleicht herausgebracht hätten, trotzdem untertitelt angucken. Wenn aber keine Anime mehr produziert werden, kann man sie auch nicht mehr illegal downloaden – und dann wird’s auch für die Fans kritisch.“Edit: Schreibfehler aus dem Newsletter korrigiert.