Empire of Dust ist ein Space Opera-Rollenspiel, in welchem die Spieler eine Rolle in den blutigen Machtkämpfen auf der abgelegenen Wüstenwelt Osaris übernehmen. Das Setting ist darauf angelegt Sandbox-play zu ermöglichen und die Entwicklungen innerhalb der Spielwelt so zu simulieren, dass Charaktere den Konflikt maßgeblich beeinflussen können, ohne auf „geskriptete“ Abenteuer angewiesen zu sein.
Wenige Sekunden nachdem ich das Konzept dieses Spiels auf RPGnet las, schickte ich bereits meine Bestellung ab. Wenige später erhielt ich die Mitteilung, dass mit Lieferschwierigkeiten zu rechnen sei – meine Ungeduld siegte und ich holte mir auch noch das PDF bei IPR. Inzwischen ist das „Toter Baum“-Exemplar des Spiels auch bei mir eingetroffen und ich kann auch auf dieses eingehen.
Physische Merkmale: Das Spiel kommt in einen Box-Set daher, welches etwas größer als A5 ist. In diesem befinden sich Regelbuch (200+ Seiten), 2 Seiten mit Pappmarkern (wichtig für das Spiel), eine Karte der strategisch wichtigen Flussregion von Osaris, sowie eine Münze deren genaue Funktion im Spiel sich mir auch nach ausführlicher Lektüre des Regelwerks nicht erschließt (sieht aber nett aus). Das Ganze ist sehr eng gepackt, die Box ist wirklich prallvoll gepackt mit Goodies – alles was man sonst noch zum Spielen braucht sind Würfel (W20), sowie eine Battlemap (notfalls tut es auch ein Blatt Papier).
Produktionsqualität: Für Indie-Spiele recht gut. Box und Regelbuch sind im schlichten Schwarz gehalten und die Karte ist leider in Schwarz-Weiß, dafür findet man im Buch selbst die tollen Zeichnungen von Amy Garcia, welche die Stimmung des Spiels sehr gut transportieren. Das Buch ist vorbildlich organisiert und erlaubt es in der Regel schnell die Information zu finden, welche man benötigt (einziger Kritikpunkt: das Kapitel mit dem Regelsystem kommt erst nach dem Kapitel mit Charaktererschaffung und Ausrüstung – das stört etwas, weil man die Regeln oft im Spiel braucht, daher mag ich Spiele wo dieses Kapitel am Anfang oder Ende des Buches situiert sind lieber). Rechtschreib und Layout-Fehler konnte ich keine entdecken, das ist ein Punkt in dem auch viele (Semi-)Professionelle Verlage etwas von solch kleinen self-publishern lernen könnten (muss ja nicht alles dem "Vorbild" von Encounter Critical folgen
).
Aufbau des BuchesEinleitung: Zunächst meldet sich der Entwickler des Spiels, Clint Krause, zu Wort und erklärt kurz Spielphilosophie, wichtige Begriffe und was man zu Spielen braucht. Außerdem wird das Setting kurz beschrieben, wobei hier die „Kick-Start“ Methode aus Spielen wie Poison’d oder vielen Savage Worlds Plot-Points verwendet (sprich: kurz vor Spielbeginn ist die Spielwelt so richtig aufgemischt worden, was reichlich Potential für Charaktergetriebene Abenteuer bietet). Die Fraktionen des Spiels sind die „Allianz“ (Loyalisten des gestürzten Herrscherhauses), die „Legion“ (Verräter, welche sich einem außerirdischen Eroberer angeschlossen haben) und die „Freien Stämme“ (die von den Menschen unterdrückten Ureinwohner des Planeten, welche jetzt ihre Chance gekommen sehen). Alle Fraktionen sind klar definiert (keine „Weichspüler der Inneren Sphäre“) und haben trotzdem Ziele und Überzeugungen die komplex genug sind um eine große Vielfalt an Charakteren in ihren Reihen zu beherbergen.
Charaktererschaffung: Hier werden die Völker (drei) und die Klassen (neun) vorgestellt. Welche Völker und Klassen man wählen kann ist von der Fraktion abhängig, der man angehört. Über ein Prioritätensystem (ähnlich den „attribute packages“ aus D&D4) werden Werte für die fünf Attribute und zehn Fertigkeiten festgelegt, dann wählt man eine Handvoll „traits“ (mehr dazu im nächsten Kapitel), sowie 3 Ausrüstungsgegenstände aus und fertig ist der Charakter. Kudos für die schnelle Charaktererschaffung.
Traits: Hier gibt es das „meat“ des Spiels, in Form von zahlreichen Traits die für den Charakter gewählt werden können und ihm damit besondere Vorteile im Spiel verschaffen. Alles, von den typischen Vorteilen, über TSOY-Keys bis hin zu kewl-powerz ist im Spiel durch Traits abgedeckt. Zusätzlich gibt es noch eine besondere Sorte von Traits, welche jeweils nur einmal pro Spielgruppe gewählt werden dürfen. Diese machen die Charaktere zu kampagnenkonstituierenden Entitäten (z.B. „Alexander’s Heir“: der Charakter ist der direkte Thronfolger des Hauses Xadian und damit faktischer Anführer der Allianz – oder „I am the Autumnstar, I am the End“: es ist das Schicksal des Charakters irgendwann den gesamten Planeten zu zerstören). Dadurch dass solche „campaign seeds“ direkt in die Charaktererschaffung integriert werden wird effektiv die Rolle von Metaplot-SLCs auf die Spieler übertragen. Simpel aber nicht uninteressant.
Ausrüstung: Was der Titel sagt. Computerspielfreunde werden den Zeichenstil mögen, der an das pixelige Inventar einiger Shooter-Klassiker erinnert.
Spielregeln: Relativ simpel das Ganze (mit W20 Wert unterwürfeln, hohes Ergebnis schlägt niedriges), aber es bietet viel Potential und wird durch zahlreiche Sub-Systeme (Kampf, Soziales, Verfolgungsjagden, Reisen und Massenschlachten) ausdifferenziert und erweitert. Besonders erwähnenswert: keine Trefferpunkte, Wundstufen oder ähnliches Gedöns, sondern drei Zustände (Unverletzt, Verwundet, Lebensgefahr) mit klar geregelten Auswirkungen (der Entwickler gibt (u.a.) Savage Worlds als Inspiration an und man merkt die Verwandtschaft). Ein paar Zufallstabellen, Hinweise zur Benutzung der Battlemap (was mich als Linguist besonders freut: Tipps zur einheitlichen Ikonographie), sowie Regeln für die Erschaffung von neuen Waffen, Fahrzeugen, Traits und Klassen runden das Kapitel ab.
Spielleitung: Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen finden sich in diesen Büchern keine Hinweise der Art „Wie leite ich dieses Spiel?“. Es wird kurz auf die Rolle des SLs eingegangen, dann folgen Tipps für NSC-Erschaffung, Zufallstabellen für das Auswürfeln von Szenarios und Erklärungen zur Funktion der Regelkomponenten. All dies ist solide ausgearbeitet, richtet sich allerdings offensichtlich an erfahrene Spielleiter, welche bereits wissen wie Rollenspiel funktioniert (das wäre eigentlich ein Kritikpunkt, aber ganz ehrlich: Wie stehen die Chancen dass ein kompletter Rollenspielanfänger ausgerechnet diese Box in seine Finger kriegt?).
Setting: Es folgt eine halbe Seite mit (komplett überflüssigen, da bereits in der Einleitung abgedeckten) Planetendaten: von Regierungsform (abgesetzte Monarchie – ach was?), über Atmosphärenzusammensetzung (blablabla...atembar, mehr muss ich nicht wissen), bis hin zu Hydrografikgesülz (wir hatten schon erwähnt, dass es eine Wüstenwelt ist, ja?)...na ja, wer’s braucht. Viel besser ist die Zeitleiste auf derselben Seite: statt öde geschichtliche Daten aufzulisten wird hier mit groben Zeiträumen (Vor Jahrtausenden > Vor Jahrhunderten > Vor Jahrzehnten > Vor Jahren > Vor Monaten > Vor Wochen) gearbeitet. Da die Geschichte sowieso „old news“ ist und den Spielern die Zukunft gehört wäre es auch wiedersinnig zuviel Platz darauf zu verschwenden – richtig so. Es folgen ausführlichere Beschreibungen der Fraktionen (inklusive Organisationsstruktur) und strategisch wichtiger Punkte auf dem Planeten. Das einzige was mir fehlt wären mehr Details zum Universum in dem Osaris sich befindet (die Chancen dass es in der Kampagne wichtig wird sind minimal, aber ich mag „komplette“ Welten).
Nichtspielercharaktere: Eine beispielhafte Auflistung von SLCs (sowohl generische, als auch welche mit Namen und Hintergrundgeschichte), damit man gleich Material zum losspielen hat.
Fazit: Insgesamt ist das Spiel eine runde Sache, die Regeln sind intelligent konzipiert und ermöglichen maximale taktische Vielfalt bei minimaler Buchhaltung. Das Setting ist (obwohl sehr stark abgeschlossen) facettenreich genug um für etliche unterschiedliche Kampagnenansätze gut zu sein. Die hier (der Vollständigkeit halber) vorgebrachten Kritikpunkte am Spiel sind kosmetischer Natur und stehen dem Spielvergnügen in Keinster Weise im Wege.