Autor Thema: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?  (Gelesen 62565 mal)

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Humpty Dumpty

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #150 am: 27.11.2009 | 15:12 »
Also mal anders gesagt: als ich damals das erste Mal den Begriff Railroading gehört habe, hab ich doch eigentlich sofort und ohne weitere Erörterung verstanden, was damit gemeint war. Auch ohne zehnseitige Theoriediskussion.
Ja, ich auch. Aber das ist ja gerade das Verführerische und Irreführende an dem Begriff. Du und ich haben nach meinem Eindruck das gleiche Verständnis, Großkomtur hingegen ein anderes.

Offline sir_paul

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #151 am: 27.11.2009 | 15:13 »
Aber die Frage ist doch, habt ihr den Begriff Railroading auch so verstanden wie euer Gegenüber ihn gemeint hat?

Offline Hector

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #152 am: 27.11.2009 | 15:21 »
Was ist denn freiwilliges Erzählrollenspiel?
Das Erdulden, ja sogar Begrüßen eines Spielleiters, der gerne mal ganze für den Handlungsverlauf relevante Plotsequenzen vorträgt, als sie durchzuspielen.

Zitat
SL-Willkür kann schlicht und ergreifend akzeptiert, ja sogar gewollt sein. Was nichts am Fakt ändert, dass es sich um SL-Willkür handelt.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist "Willkür (...) bei einer Maßnahme gegeben, welche im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist." Wer sollte so etwas wollen?
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Offline Crimson King

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #153 am: 27.11.2009 | 15:22 »

Mein Definitionsvorschlag: Von Railroading spricht man, wenn der SL durch eigene Entscheidungen dafür sorgt, dass die erspielte Handlung einem von ihm selbst im Vorfeld geplanten Ablauf folgt.

Das würde dann bedeuten, dass
1. der SL nicht notwendigerweise den Gruppenvertrag brechen muss
2. der SL nicht notwendigerweise die Spielregeln brechen muss
3. die Spieler nicht notwendigerweise erkennen müssen, dass es sich um Railroading handelt
4. aus dem Gefühl des Spielers, gerailroadet zu werden, nicht folgt, dass er tatsächlich gerailroadet wird

Klassische Techniken wären
1. dafür zu sorgen, dass alle Entscheidungen der Spieler zum gleichen Ergebnis führen
2. dafür zu sorgen, dass es für die Spieler nur eine einzige sinnvolle Entscheidung geben kann, es also de facto nichts zu entscheiden gibt
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Offline Horatio

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #154 am: 27.11.2009 | 21:39 »
Hm.. also Zwang oder Einschränkungen können sich aus vielen Umständen ergeben und gehören in jedes Abenteuer rein und sicher ist nicht jedes lineare Abenteuer oder jeder Konflikt, der nur auf eine Art entschieden werden kann, automatisch Railroading.

Hier ein paar Beispiele über die ich in dem Zusammenhang gerne diskutieren möchte. Nach meinem Verständnis ist keins davon Railroading. Ich würde aber in jedem einzelnen Railroading sehen, wenn es gegen direkte oder konkludente Absprachen der Gruppe gehen würde. Mich würde interessieren wie die Poster, die dies nicht als notwendige Komponente von Railroading sehen, diese bewerten :).

Ebenso würde es mich freuen, wenn die Leute, die Railroading schon dann sehen, wenn die Entscheidungen der Spieler nicht nur praktisch sondern nur theoretisch eingeschränkt werden, ein paar Beispiele konstruieren könnten, in denen kein Railroading bezüglich einer für das weitere Fortkommen der Geschichte nötigen Entscheidung besteht^^.


a.) Die Charaktere wollen die Prinzessin des Landes aus der belagerten Stadt bringen. Im Hafen findet sich kein Schiff das in ihre Richtung unterwegs ist, Pferde zum mieten sind alle aus und für den Bergpass findet sich kein Führer. Einzige Option ist eine Handelskarawane, die genau durch das Lager der feindlichen Armee führt. Die Spieler finden das klasse, weil sie damit die interessanteste Situation schaffen und sie damit nicht rechtfertigen müssen, warum ihre Charaktere nicht einen sicheren Weg wählen.

aa.) Nehmen wir an, Spieler nennen die Optionen und sagen dann: „Hm die Karawane klingt am spannendsten, aber die anderen wirken alle sicherer und unsere Charas würden eher eine von denen wählen". Der SL beschließt erst dann, dass doch nur die Karawane wirklich verfügbar ist.

bb.) Wie wäre es, wenn dieses Dorf wirklich nur durch einen Weg zu erreichen wäre der durch das Lager der Armee führt? Bspw. weil es auf einer großen Klippe gebaut wurde?

b.) Ein Spieler gibt seinem Charakter C die Besonderheit, dass dieser kein Duell von einem anderen Edelmann ablehnen kann. Die Truppe schnappt im ersten Abenteuer den adligen Oberbösewicht O. Der SL hat schon für den Fall festgelegt, dass dieser den C zum Duell um seine Freiheit fordert, falls sie ihn den fangen sollten. C freut sich, weil er Duelle wo so viel auf dem Spiel steht ganz besonders mag, selbst wenn er in diesem Fall von seinen Werten her keine Chance hat. C verliert und O ist wieder frei.

c.) Der SL möchte den Spielern die Eigenheiten der Spielwelt zeigen und hat ein klassisches Reiseabenteuer vorbereitet. Diese müssen von A nach B, durch verschiedene Regionen und in jeder gibt es einen Encounter, der zu dem Gebiet passt. Die Spieler finden es schön, die Dinge die sie bisher nur in den Quellenbüchern gelesen haben jetzt live zu erleben.

d.) In Western City werden Szenen, vor dem "eigentlichen Spiel", durch die Spieler in ihren Grundzügen festgelegt und dann chronologisch geordnet bevor man beginnt die Geschichte zu spielen. Railroading?

@ Crimson King
Mein Definitionsvorschlag: Von Railroading spricht man, wenn der SL durch eigene Entscheidungen dafür sorgt, dass die erspielte Handlung einem von ihm selbst im Vorfeld geplanten Ablauf folgt.

Hoffe ich zwinge dich jetzt nicht in eine Diskussion auf die du keinen Bock hast, aber ich erlaube mir einfach mal deinen Definitionsvorschlag auf meine Beispiele anzuwenden^^:

Danach sind a.) und c.) wohl Railroading. Bei bb.) und c.) bin ich mir nicht sicher. Durch die lineare Natur des Abenteuers gibt es einen festen Ablauf. Reicht das nach deiner Definition schon um als Railroading zu gelten? Was sagst du zu d.) da es in Western City ja keinen SL bzw. nur SLs gibt?
« Letzte Änderung: 28.11.2009 | 00:12 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
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Humpty Dumpty

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #155 am: 27.11.2009 | 21:54 »
Bin zwar nicht Crimson King, antworte aber trotzdem mal, da ich eine ähnliche Sichtweise bei uns vermute. Deine Beispiele aa) und c) sind aus meiner Sicht mit absoluter Sicherheit klassische Beispiele für Railroading, da Spielerentscheidungen künstlich eingeschränkt werden.

Im Beispiel bb) kann man das nur dann beurteilen, wenn man die Beweggründe des SL kennt. Solche Beweggründe werden bisweilen schon mal moralisch oder sittlich genannt.
Generell: geht es dem SL bei der Konstruktion der Situation darum, die Entscheidungsfreiheit der Spieler einzuschränken, handelt es sich um Railroading.
Speziell: Wenn sich das Lager aus nachvollziehbaren, insbesondere aus der Logik des Settings herleitbaren Gründen dort befindet und dadurch alternative Handlungen per se ausgeschlossen werden, ist das kein Railroading. Wurde das Lager dort aber intentional so platziert, dass die Spieler zwingend hindurch müssen, dann handelt es sich um Railroading.
Da die Überlegungen des SL nicht immer nach außen erkennbar sind, gibt es bei der Beurteilung von Railroading eine recht große Grauzone. Das meinte ich übrigens mit:
Natürlich ist Railroading ansonsten nicht unbedingt ein dichotomes Merkmal und lässt sich zudem nur sehr schlecht in der Außenansicht beurteilen. Deshalb kommen ja viele Railroadinghasser auch immer mit irgendwelchen sittlichen Argumentationen. Es ist eine der grundlegenden Fragen in der Herangehensweise an Rollenspiele.
Ähnlich wie bei bb) verhält es sich im Beispiel b).

Western City in Beispiel d) ist ein Sonderfall, denn das Spielprinzip entzieht sich einer Diskussion über Railroading. Gilt übrigens für beide Definitionsansätze.

Offline Bad Horse

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #156 am: 27.11.2009 | 22:06 »
Das ist einfach eine Frage davon, was passiert, wenn die Spieler etwas tun, womit der SL nicht rechnet, und dann diese Möglichkeit verwehrt bekommen, nicht weil es Sinn macht, sondern weil der SL das anders geplant hat und seinen Plan durchziehen will.

aa) Das ist gar kein Problem - der SL und die Spieler ziehen an einem Strang. Keiner der Charaktere wird versuchen, etwas unerwartetes zu tun (ein Floß zu bauen o.ä.), weil niemand daran Interesse hat. Unter Railroading verstehe ich eigentlich nicht so sehr das Einschränken der Optionen der Charaktere, sondern das Einschränken der Optionen der Spieler.

bb) Auch da seh ich noch kein Railroading. Das kommt erst, wenn die Charaktere ihre Flügel des Flugs auspacken, die der SL vergessen hatte, und die dann nicht nutzen können, weil der SL sich irgendwelche magieresistenten Ionenströme aus den Fingern saugt.

b) Schon wieder kein Problem. Das taucht dann auf, wenn die Charaktere versuchen, C zu boosten oder O zu vergiften und der SL ihnen da plötzlich unerwartete Steine in den Weg legt (dass O vorsichtig ist, ist okay und verständlich, aber wenn er plötzlich eine Giftresistenz von 99,9% hat, dann railroadet es).

c) Und? Railroading wird´s erst dann, wenn die Spieler beschließen, ihre Charaktere umkehren zu lassen, und der SL mit Wirbelstürmen und tiefgefrorenen Kühen wirft.

d) Nein. Da versucht nicht einer, mittels seiner besonderen Machtstellung seine Vorstellungen auf Kosten der anderen durchzudrücken. Zumindest nicht, ohne dass diese anderen sich revanchieren könnten.

Railroading kommt für mich in dem Moment zustande, wo der SL oder jemand anderes mit einer besonderen Machtstellung, die nur er und er allein innehat eben diese Machtstellung ausnutzt, um den Ausgang einer Szene von vorneherein festzulegen, und nicht bereit ist, von seinem geplanten Ausgang auch nur einen Millimeter weit abzuweichen, egal, was die Spieler mit ihren Charakteren anstellen.
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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #157 am: 27.11.2009 | 22:10 »
In Wetsren City sind die Szenen mit einem von den Spielern gewünschten Bestandteil festgelegt. Wenn also das passiert was der Spieler will ist es Railroading? Zumal noch überhaupt nicht festgelegt ist, was in der Szene sonst so passiert und wie es sonst so läuft.

Der Framer stellt die Szene und die anderen Mitspieler haben ein Veto Recht, wenn sie etwas nicht wollen. Letzten Endes entscheidet ein Würfelwurf darüber, wie der Konflikt ausgeht. Aber es gibt ja auch Leute die behaupten, das Würfeln Railroading ist.

*Kopfschüttel*

Wenn die Gruppe Railroading im Rahmen des Gruppenvertrages gut heißt ist und bleibt es übrigens immer noch Railroading. Es wird bloß nicht negativ besetzt.

*wieder zum AD&D enschwindet*
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Joe Dizzy

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #158 am: 27.11.2009 | 22:18 »
Wenn jemand einen Fremden von seinem Konto Geld abheben lässt und das mit einer Einzugsvollmacht gut heißt, ist und bleibst es übrigens immer noch Diebstahl. Es wird bloß nicht negativ besetzt.

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Offline Bad Horse

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #159 am: 27.11.2009 | 22:20 »
Wenn jemand einen Fremden von seinem Konto Geld abheben lässt und das mit einer Einzugsvollmacht gut heißt, ist und bleibst es übrigens immer noch Diebstahl.

Nein, dann ist das ein Geschenk.
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Preacher

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #160 am: 27.11.2009 | 22:22 »
Verwirr den Mann nicht.

Humpty Dumpty

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #161 am: 27.11.2009 | 22:23 »
The Stupid. It burns.
Damit meintest Du jetzt aber Deine hirnverbrannte Analogie oder?

Joe Dizzy

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #162 am: 27.11.2009 | 22:33 »
Nein, dann ist das ein Geschenk.

Genau das.

Offline Thalamus Grondak

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #163 am: 27.11.2009 | 22:46 »
Ja, ich auch. Aber das ist ja gerade das Verführerische und Irreführende an dem Begriff. Du und ich haben nach meinem Eindruck das gleiche Verständnis, Großkomtur hingegen ein anderes.
Nein. SIE wollen euch nur glauben machen das sei das Verführerische und Irreführende. Manche Dinge sind ganz simpel, und sie werden mit jedem versuch der Erklärung unverständlicher.
Jeder der nicht angefangen hat in Theoriediskussionen darüber zu lamentieren weiß sehr genau was Railroading ist, und jeder hat auch eine andere Schwelle an der Railroading negativ wird und erst oberhalb dieser Schwelle macht der Begriff überhaupt Sinn.
Es Diskutiert doch auch keiner darüber, das Streicheln eigentlich auch nur Schmerzen sind, nur halt unterhalb der Schwelle ab der es weh tut.
Even if you win the Rat race, you´re still a Rat

Offline Horatio

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #164 am: 27.11.2009 | 23:29 »
Hm mir ist grad ein Beispiel aus dem wahren Leben eingefallen, an dem ich glaube, meine Position gut klar machen zu können^^. War ein 7th Sea Abenteuer, das ich vor einigen Jahren geleitet hatte (stark verkürzt und ja, ich würde nicht mehr alles so machen ;)).

Die Spieler sind an eine mysteriöse Tafel gekommen. Ein äußerst interessierter Pastor aus den Eisenlanden, der ihnen eine Story von einem vergrabenem Heiligenrelikt auftischt, zu dem eine Kombination von Tafeln führt, verspricht sie zu entlohnen und bei dem Baron der Region erstmal einzuquartieren.

Die Spieler stellen fest, dass mit der ganzen Heiligen Geschichte was nicht stimmt, finden durch freies Nachforschen in der Stadt und dem angeschlossenen Kloster und die richtigen Fragen am richtigen Ort stellen (plus entsprechende Schlussfolgerungen) nach und nach raus, was wirklich dahinter steckt und wer so in etwa beteiligt ist. Sie gehen ein paar weiteren Spuren im Anwesen des Baron selbst nach und finden Beweise für eine Verschwörung, sowie die restlichen Platten und können sie entschlüsseln. Sie machen sich dann auf den Weg zum Grab. Das war ein klassischer linearer Dungeon, in dem die Tafeln zusätzlich mysteriöse Hinweise auf die nächste Falle geben. Am Ende sind die Aufzeichnungen (die das Geheimnis der Bearbeitung von Dracheneisen beinhalten sollten) natürlich größtenteils von Ratten zerfressen und die ganze Aufregung war ein wenig umsonst (auch wenns einen kleinen „Schatz“ für die Spieler gab :D).

Am Ausgang stehen natürlich alle Baron samt Pastor und deren Gang, und es kommt dort zum (von einigen Spielern lang erwarteten) Showdown. Die Spieler obsiegen und entscheiden sich den alten Baron beiseite zu schaffen, so dass seine Tochter, die eine besserer Herrscherin abgegeben würde, an dessen Stelle tritt.

Einige Sachen waren mir damals im Vorfeld klar:

1.)Der Baron wäre nicht vor dem Showdown gestorben, egal was die Spieler angestellt hätten. Den brauchte ich noch für die Handlung.
2.)Ich hatte noch eine fette Katze in petto, die die Spieler auf den Geheimgang im Anwesen aufmerksam gemacht hätte, falls sie diesen Partout nicht gefunden hätten.
3.)Wären sie nicht in das Gab gestiegen, sondern hätten den Eisenfürsten des Gebietes informieren wollen, wären sie geschnappt worden und in das Grab gezwungen worden um für die Intrigierenden die Aufzeichnungen da raus zu holen.
4.)Selbst wenn sie so vorsichtig wie möglich gewesen wären und alles perfekt abgestimmt hätten, ich hätte eine Erklärung gefunden, weshalb die „Bösen“ am Ende doch vor dem Ausgang stehen (da war auch ein Porte dabei, insofern wäre das auch nicht sooo schwer gewesen :D)

Ich lasse mir da sagen, dass ich in diesen Punkten zu RR bereit gewesen wäre, definitiv! Ich bin aber nicht der Meinung, dass diese Abenteuer gerailroadet habe, nur weil ich eine Handvoll Aktionen verhindert hätte, wäre es nötig gewesen.

So wer widerspricht mir :D.
« Letzte Änderung: 28.11.2009 | 01:25 von Horatio »
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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #165 am: 27.11.2009 | 23:49 »
Hast du deine Vormachtstellung als SL ausgenutzt, um deine Vorstellung davon, wie die Story "besser" wird, gegenüber den Spielern durchzudrücken?

 - Aussagen wie "Der Fürst wäre nicht gestorben, egal, was die Spieler gemacht hätten", weisen auf Railroading hin. Wenn die Spieler nichts in der Richtung versucht haben - Glück gehabt und der bösen Railroading-Falle entkommen.
- Fette Katze als Hinweis ist okay, solange die Spieler die Wahl haben, die Katze zu ignorieren.
- Ins Grab gestiegen: Siehe Punkt 1. Glück gehabt.
- Böse stehen zum Showdown bereit: Auch wieder Punkt 1.

Dazu muss man natürlich auch sagen, dass eine Gruppe, in der die Spieler den SL-Plot ohnehin verfolgen und nicht versuchen, ihn mutwillig zu sabotieren, viel seltener Railroading-Probleme hat - niemand muss seine Machtstellung ausnutzen, um sich durchzusetzen, wenn eh alle der gleichen Meinung sind.
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Offline Akhorahil

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #166 am: 28.11.2009 | 01:09 »
Alles richtig gelaufen würde ich sagen. Und ich bin mir relativ sicher, das jeder als SL bereits vergleichbares erlebt hat.

In der Regel gibt es folgende Möglichkeiten, wenn man als SL einen Plot leitet, der mehr oder weniger vorgescriptet ist :

1. Die Spieler und ihre Figuren folgen dem vorgesehenen idealen Handlungsverlauf.

Alles super : Spieler zufrieden weil immer die richtigen Entscheidungen getroffen, SL zufrieden weil er weder alternative Handlungsstränge bemühen noch sachte korrigierend eingreifen musste.

2. Die Spieler entscheiden sich zu einer leichten Abweichung vom idealen Handlungsstrang.

Alles super, wenn der SL darauf eingeht, die Situation vorrausgesehen hat oder gekonnt improvisiert, je nach konkreter Situation kann man auf den idealen Strang zurückgehen oder aber einen vorbereiten alternativen Verlauf angehen. Da gibts kein Patentrezept, es gibt mindestens so viele Lösungsmöglichkeiten wie es Ausgangssituationen gibt.

Gefahr : je nachdem wie gut die Improvisation oder die Vorbereitung ist, kann die Abweichung vom idealen Handlungsstrang für die Spieler mehr oder weniger offensichtlich werden.

-> Das ist NOCH nicht schlimm. Rassige Storynutten haben damit die wenigsten Probleme, Spieler mit einem gewissen Hang zum aggressiven Durchsetzen ihrer Vorstellung der Story die meisten. Hier greift die Railroading-Definition : sobald es für die Spieler OFFENSICHTLICH ist, das ihre Entscheidungen keinen Einfluss auf die Story haben UND sie diesen Umstand als NEGATIV empfinden, ist die Kacke am Dampfen.

Solange man diese Dinge geschickt verschleiern kann, hat man keine Probleme.

3. Die Spieler stampfen den Handlungsstrang ein.

Aus meiner Erfahrung passiert das extrem selten. Anekdote dazu :

Ich habe bisher erst eine einzige derartige Situation erlebt - und war zu meiner Schande auch noch selbst als Spieler beteiligt  ::). Unser Glück war, was sowohl Spieler als auch SL das mit einer dicken Portion Humor aufgenommen haben. Der Plot wurde zwar am Ende total durchgeknallt, aber zum Schluss wurde dann auf das Ur-Böse angestossen und alle hatten ihren Spass  ~;D.

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Offline Crimson King

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #167 am: 28.11.2009 | 01:36 »
@ Crimson King
Hoffe ich zwinge dich jetzt nicht in eine Diskussion auf die du keinen Bock hast, aber ich erlaube mir einfach mal deinen Definitionsvorschlag auf meine Beispiele anzuwenden^^:

Danach sind a.) und c.) wohl Railroading. Bei bb.) und c.) bin ich mir nicht sicher. Durch die lineare Natur des Abenteuers gibt es einen festen Ablauf. Reicht das nach deiner Definition schon um als Railroading zu gelten? Was sagst du zu d.) da es in Western City ja keinen SL bzw. nur SLs gibt?

Aus meiner Sicht sind a, aa und c Railroading. Bei a ist es allerdings völlig unproblematisch, weil die Spieler problemlos mit dem Railroading leben können. a und aa wirken so konstruiert, dass die Spieler eben nur tun können, was der SL will.

Zu bb stellt sich mir die Frage, ob die Situation so konstruiert ist und welche Optionen, das Lager zu überwinden, die Spieler haben.

Alle anderen beschriebenen Situationen sind aus meiner Sicht völlig ergebnisoffen und stellen dementsprechend zwar SL-Entscheidungen dar, aber keine solchen, die die Spielerentscheidungen einschränken oder entwerten. Sie machen Spielerentscheidungen sogar erst möglich, weil sie dem Spieler etwas zum Entscheiden geben.
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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #168 am: 28.11.2009 | 02:03 »
Zitat
Der Witz dabei ist, dass der SL eigentlich keine Force benutzt und die Spieler deshalb auch kein wirklich schlechtes Gefühl bekommen, aber die Spieler im Abenteuer nur dann weiter kommen, wenn sie die nächste geplante Station anfahren.

Und eben das kann man recht gut steuern, ohne viel Druck auszuüben. Übrigens auch mit ein Grund, warum man mit dem Roten Hering sparsam sein sollte und solche leicht zu identifizieren sein sollten - zu leicht steigen Spieler darauf ein, versteifen sich darauf und dann hat man den Salat.
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Humpty Dumpty

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #169 am: 28.11.2009 | 10:23 »
Hatte noch was im Hinterkopf.

In einem ausgezeichneten Text fasst Dom verschiedene, im Umfeld der Forge entstandene Spielstildefinitionen zusammen und erwähnt in diesem Zusammenhang, dass Railroading nur dann auftritt, wenn die Spieler sich durch Eingriffe gestört fühlen,  also gemäß Forgedoktrin eine Absprache verletzt wird. Wörtlich:
Zitat
Sobald sich die Spieler durch die Kontrolle des SL gestört fühlen (z.B. weil er die gewünschte Illusion nicht aufrecht erhalten kann), spricht man von Railroading.

In der sich anschließenden Diskussion merkt aber Boomslang in einem Nebensatz an, dass Railroading alleinig definiert sei als Eingriff in die Spielerautonomie. Wörtlich:
Zitat
Der definierende Punkt von Railroading ist jedoch ganz generell nur der empfundene Eingriff eines Spielers (hier ist auch der SL gemeint) in den Bereich eines anderen.

Lustig, dass sich auch zwei ausgesprochene Theoriekenner dieses Unterschiedes im Begriffsverständnis ganz offensichtlich nicht bewusst sind. Die Theorienteressierten mögen aber durchaus auch an den 4 Lösungen Spaß haben. Doms Spielleiten-Buch thematisiert ja bewusst die vierte Lösung, das Bass Playing.
« Letzte Änderung: 28.11.2009 | 10:25 von TAFKAKB »

oliof

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #170 am: 28.11.2009 | 11:16 »
Die Erweiterung des speziellen auf den allgemeinen Fall ist doch aber kein Widerspruch, oder?

Humpty Dumpty

  • Gast
Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #171 am: 28.11.2009 | 11:28 »
Die Erweiterung des speziellen auf den allgemeinen Fall ist doch aber kein Widerspruch, oder?
Naja, bemerkenswert ist zunächst mal der Umstand, dass die unterschiedlichen Vorstellungen von Dom und Boomslang exakt die hier im Thread zum Ausdruck gekommenen Differenzen reflektieren.

Ansonsten: Natürlich ist der Ansatz von Dom/Forge/Georgios/Boba etc. eine Untermenge des Verständnisses von Boomslang/Feuersänger/Crimson King/mir/etc. Und da es sich um eine Definition handelt, liegt selbstredend auch ein Widerspruch vor. Es kann nur entweder die eine oder die andere Variante gültig sein.

oliof

  • Gast
Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #172 am: 28.11.2009 | 11:39 »
Was? Das lese ich zum ersten mal. Ist das sone "geisteswissenschaftler vs. Naturwissenschaftler" Kiste bzgl. des Begriffs "Definition"?

Wenn du recht haettest, waeren alle sl-losen spiele nach doms definition railroading-sicher. Boomslang unterscheidet doch nur, weil er allen mitspielern die moeglichkeit zum railroaden zuspricht.

Einen Widerspruch kann ich nicht erkennen

Humpty Dumpty

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #173 am: 28.11.2009 | 11:46 »
??? Ich verstehe Dich nicht. Vermutlich liegt es daran. Noch mal:

Dom: Railroading ist es, wenn ein Spieler in die Entscheidungshoheit eines anderen Spielers eingreift UND sich jener andere Spieler dadurch gestört fühlt.

Boomslang: Railroading ist es, wenn ein Spieler in die Entscheidungshoheit eines anderen Spielers eingreift.

Boomslangs Definition schließt den Ansatz von Dom ein. Andersherum ist das natürlich nicht der Fall, denn nicht jedes Railroading nach Boomslang wäre Railroading nach Dom.

EDIT: Fühle mich übrigens nicht als Geisteswissenschaftler und bediene mich in der Forschung naturwissenschaftlicher Methoden.
« Letzte Änderung: 28.11.2009 | 11:51 von TAFKAKB »

Humpty Dumpty

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Re: Definition Railroding: Ja was isses denn nun?
« Antwort #174 am: 28.11.2009 | 11:59 »
Sorry für den Doppelpost, aber ich vermeine in den beiden unterschiedlichen Verständnissen ein Muster zu erkennen.

Hypothese: Diejenigen, die sich mit Theorie zur Hochzeit der Forge beschäftigt haben, sind entsprechend sozialisiert und folgen mehrheitlich diesem Ansatz. In der Folge wurde der Begriff aber zunehmend verwässert und verallgemeinert, so dass er sich mittlerweile in anderer Form manifestiert hat. Insofern verstehen diejenigen, die später in Theoriediskussionen eingestiegen sind, unter Railroading die mutierte, jüngere Version. Plausibel?

Jedenfalls erscheint mir das ein Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Gruppen zu sein. oliof tanzt ein bisschen aus der Reihe, aber der ist ja auch schon seit gefühlten Jahrzehnten im Diskurs und gilt nicht  ~;D