Ihr versucht wegzudiskutieren, dass "Railroading" per ursprünglicher Definition ganz klar negativ belegt war. In dem Moment, wo eigentlich fest definierte Begriffe umdefiniert werden und jeder sich dann etwas eigenes darunter vorstellt, werden sie aber diskussionsuntauglich. Dann braucht man wieder neue Begriffe, und plötzlich geistert negatives, positives und neutrales Railroading in der Gegend herum. Wenn jemand früher gesagt hat: "Der SL railroadet" war klar, dass der SL sich da etwas herausgenommen hat, das den Spieler, der die Aussage gemacht hat, stört. Dass er die Autonomie des Spielers über seinen Anteil am Plot beschneidet. Aber dann taucht die "Railroading ist doch cool"-Fraktion auf und definiert munter um. Und dann ist Bass Playing auf einmal auch eine Form von Railroading, und Scene Framing ist Railroading, und wenn man sagt: "wir machen eine Kippenpause" ist es Railroading, etc. Das war ja der Grund für diesen Thread.
Edit:
Der Railroader-SL entwertet die Aktionen meines Charakters, indem er sie ignoriert. Er verweigert meinen Aktionen einen Einfluss auf den Ablauf der Geschichte, die eigentlich gemeinsam gestaltet werden sollte. Insofern wird es beim RR-SL egal, ob oder wie mein Charakter handelt, weil ja ohnehin immer das gleiche passieren wird.
Die ursprünglich negative Belegung will doch niemand wegdiskutieren. Aber wenn du die zur Bedingung einer Definition machst, dann funktioniert deine Definition ganz schnell nicht mehr. Sagt also ein Spieler: "Mensch, der SL lässt meinen Charakter überhaupt keinen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte nehmen, das nervt voll, nenn ich das mal Railroading!" Sagt der andere: "Na, aber dafür ist die Geschichte toll. Wenn immer alle Charaktere kriegen, was sie wollen, zerfasert das nur, und am Ende schafft man es vielleicht nicht, das Abenteuer zu lösen, weil man sich in was Falsches verrennt. Ich stelle meinen Charakter gern in den Dienst der Geschichte, wenn die nur gut ist!"
Spieler 2 kannst du jetzt sagen:
a) Du bist doch echt ein Dosenbrot, man hat dich voll gerailroadet, und du bedankst dich auch noch dafür!
b) Naja, für Spieler 1 war das Railroading, weil es ihm nicht gefallen hat. Für dich war es aber keins, weil du's ja Spitze fandest.
c) Du spielst gar kein Rollenspiel, weil du gar kein Interesse daran hast, die Geschichte mitzugestalten. Nur Spieler 1 ist ein richtiger Rollenspieler.
oder eben Möglichkeit d): Spieler 1 hat schon recht mit seiner Kritik, und es ist auch sinnvoll, einen Begriff für den kritisierten Spielstil zu finden, nehmen wir also RR. Der Umstand, dass Spieler 2 Spaß an der Sache hatte, nimmt der Kritik nichts von ihrer Berechtigung, da beide schlicht und einfach mit unterschiedlichen Ansprüchen ans Spiel gehen.
Nun wird Spieler 1 sicher viel öfter empört ausrufen: "Das ist doch RR!", während Spieler 2 wahrscheinlich eher davon schwärmen wird, was für eine tolle Geschichte er hier erlebt und wie stimmungsvoll das alles ist. Weil RR als Begriff eben auf die Frage der Handlungsfreiheit der Charaktere abzielt, was logischerweise der Fokus des Kritikers ist, und was Spieler 2 gar nicht so interessiert. Für eine Definition macht es aber keinen Sinn, darauf abzuheben, dass 2 unterschiedliche Spieler eine jeweils eigene Perspektive auf den gleichen Stil des Spielleitens haben. Wenn Person A Hunde mag und Person B nicht, dann ist ein Hund für Person B trotzdem nicht plötzlich eine Ratte.
Oder, man muss sich halt darauf einigen, dass RR prinzipiell nur mit abwertender Konnotation zu gebrauchen ist, und braucht schon wieder einen neuen Begriff als "neutrale Form" - sowas wie "narrativer Spielstil, bei dem die Handlungsfreiheit der Charaktere dem geplanten Fortgang der Geschichte untergeordnet ist".
EDIT: Noch zum Thema "Umwertung von Begriffen": Mir erscheint das als ganz gewöhnlicher Vorgang. Hack'n'Slay diente auch mal der reinen Abwertung, inzwischen gibt es einen Haufen Leute, die das als neutrale Spielstilbeschreibung sehen - kann halt auch mal Spaß machen. Und dass etwas "unrealistisch" wäre, ist mir früher im Rahmen von Rollenspielen auch nur als negative Kritik untergekommen, inzwischen stehen die allermeisten Systeme dazu, dass sie eben "unrealistisch" sind - na schön, da wählt man hübschere Begriffe wie "cinematisch". Viele Sachen werden eben zum ersten Mal auf den Begriff gebracht, um sie zu kritisieren.