Ich habe Talislanta nicht oft gespielt. Aber gerne. Von den Versionen kenne ich die vierte von Shooting Iron (englisch) und die deutsche. Ich bin ein Fan der deutschen Version und werde im Folgenden erläutern, warum.
Aus Deinem Post geht nicht hervor, wie gut Du Talislanta schon kennst, also werde ich auch Grundlagen erklären.
Talislanta in der deutschen Version (ich glaube, das ist die Dritte) ist auf viele Bücher verteilt. Das Grundregelwerk enthält alle Regeln, aber nur wenig zum Hintergrund. Die Regeln sind dabei simpel: würfele einen W20, addiere alle Boni (Attribute, Fertigkeiten, Umstände) und Mali und schau auf die Aktionstabellle. Fertig. Die Tabelle (die einzige, die Du brauchen wirst) hast Du schnell auswendig drauf, sie hat nämlich nur 5 Zeilen also 5 mögliche Ergebnisse.
Attribute sind lediglich als Boni aufgeführt und können beliebig niedrig im negativen und beliebig hoch im positiven Bereich sein, wobei Eisriesen mit +9 auf Stärke schon enorm stark sind.
Nun zu der Sammlung an Plus- und Minuspunkten:
+ es ist mit Abstand das einsteigerfreundlichste und unkomplizierteste System das ich kenne. Savage Worlds? Kompliziert wie Hölle verglichen mit Talislanta (deutsch).
Beispiel:
Die Charaktererschaffung läuft wie folgt ab: suche Dir ein Charaktermuster aus den 118 Mustern heraus, notiere die Werte und Ausrüstung wie beschrieben, verteile drei Pluspunkte und einen Minuspunkt. Fertig. Charaktersteigerung? Bei erreichen einer neuen Stufe verteilst du +1 auf alle Fertigkeiten, gib +2 Trefferpunkte. Nur Kampf- und Magischulen steigen evtl. nur alle zwei bzw. 4 Stufen auf. Lerne eine neue Fertigkeit nach Wahl. Fertig.
+ Die Regeln sind schon im Grundregelwerk sehr vollständig. Alchimie, Erschaffung magischer Gegenstände, Massenkampfsystem, ... lediglich der Hintergrund kommt ein wenig zu kurz.
+ Offenheit: Talislanta gibt zu, dass es nicht ausbalanciert ist.
+ Anpassungsfähig. Es ist sehr leicht, neue Charaktermuster zu erstellen und somit eigene oder erweiterte Hintergründe zu spielen.
+ Interessanter und unverbrauchter Hintergrund. Der Hintergrund muss wohl Vorbild für Earthdawn gewesen sein, weist zumindest viele Parallelen auf. Die Kulturen sind jedoch schön detalliert und das Konfliktpotential super. Gerade die Entwicklung des Kang-Konfliktes ist Stoff für viele Abenteuer.
+ Keine Battlemat. Nuff said. Der Kampf wird erzählerisch betont, nicht taktisch.
+ Spruchsystem in der Magie. Das freie Magiesystem der vierten Ausgabe ist zwar das beste freie Magiesystem, das ich bisher gespielt habe, überfordert aber Einsteiger und zieht viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Das Spruchsystem der deutschen Version ist daher viel geeigneter und angenehmer.
Wo Licht ist, da ist auch Schatten:
- das CR (Combat-Rating) aller Teilnehmer am Kampf muss von Anfang an offenbart werden. Das stört mich persönlich sehr, da die Charaktere sofort die Kampfkraft der Gegner einschätzen können, was ich als SL gerne etwas geheimnisvoller hätte. Für mich der Grund, warum ich Talislanta nicht mehr leite.
- Keine Balance. So ehrlich es ist, das zuzugeben. Es hilft nicht, wenn ein Spieler merkt, dass sein Krieger nichts reißt.
- Hintergrund ohne Wiedererkennung. Derr unverbrauchte Hintergrund ist eine Wohltat für alte Hasen. Das Spiel eignet sich aber besonders für Neulinge. Nur: die brauchen lange, um in die Welt mit Ahasu, Kang, Kwan und vielen Völkern mehr hineinzufinden. So muss der SL zunächst viel lesen und einen behutsamen, wohl geplanten Einstieg vorbereiten.
Fazit: das einfachste und vollständigste deutsche Rollenspielsystem, das man bekommen kann. Für Oneshots und für die Gewinnung neuer Spieler ist das deutsche Talislanta ein Maßstab, der nicht mehr zu schlagen ist. Schnell und einfach, dabei so vollständig mit einer blühenden, unverbrauchten Fantasywelt, da kann kein anderes Fantasy-System mithalten.