Was mich allerdings noch stört ist eben, dass ein DSA-Abenteuer oft genug nicht sagt "Hauptsache, das Bild hängt am Ende", sondern stattdessen "Hauptsache, Horst-Kevin hat mit dem goldenen Hammer aus dem Wohnzimmer das Bild an die Wand genagelt; die Spieler dürfen vielleicht den Nagel halten, wenn sie möchten". Du verstehst, was ich meine?
Ja, das verstehe ich. Dazu kann ich sagen, dass es mein Ziel ist, mehr "Hauptsache, das Bild hängt" durchzusetzen, sprich die Anzahl der Nadelöhre in einem solchen Abenteuer zu reduzieren (dass ich nicht schreibe "ganz abzuschaffen" hängt mit meinen später folgenden Antworten zusammen):
dass man durchaus offen spielen kann, auch wenn der Ausgang feststeht - aber eben im Sinne von "Es ist ziemlich sicher, dass die SC am Ende wahnsinnig werden" oder "Den Spielern sollte klar werden, dass sie das Ritual selbst nicht mehr aufhalten können - aber sie haben die Möglichkeit, den Schutzkreis der Kultisten zu zerstören und sie somit dem Dämon auszusetzen" oder sowas. Er konnte das nicht verstehen, weil er meinte, dass das doch die Spieler beschneiden würde bzw. hat diesen Spielstil als "Taschenlampenfallenlasser" runtergemacht. Klar ist das kein absolut freies Spiel mehr - aber ich kann da als Spieler immer noch was machen. Wenn dann aber noch die Story geskriptet ist, dann geht das halt nicht mehr.
Da bin ich ganz bei Dir! Ich bin nämlich auch der Meinung, dass es nicht schädlich ist, wenn es in der Spielwelt Dinge gibt, die sich von den Spielern nicht beeinflussen lassen (auf dem letztjährigen Ratcon-Workshop habe ich von "Katastrophen-Abenteuern" gesprochen, wo man übertragen gesprochen zwar nicht verhindern kann, dass der Wolkenkratzer abbrennt, aber dass man die Menschen evakuieren oder sonstige wichtige Ziele erreichen kann).
Ich würde gerne noch weitergehen. "Hauptssache, das Bild hängt am Ende" reicht mir nicht. Ich will so etwas wie: Falls die Charaktere es nicht schaffen, das Bild aufzuhängen, könnte es so und so weitergehen und dies hätte die und die Auswirrkungen auf den Rest des Abenteuers. So etwas geht zugegebenermaßen nicht immer, wenn man sich nicht völlig vom Abenteuertext lösen möchte. Aber es wäre gut es zumindest ab und zu mal zu lesen.
Ich denke, der Wunsch ist nicht unerfüllbar. Eigentlich ist es beim näheren Nachdenken auch unerklärlich, warum es sowas (etwa im Stile der "Debugging"-Kapitel alter Shadowrun-Abenteuer) nicht schon längst gibt.
Ich fände es schön, wenn das Heft auflisten würde, welche Gegenstände es in der Umgebung so gibt, und die Gruppe dann selbst entscheiden könnte, ob sie ein Bild aufhängen will, ein Bild malen, eine Katze jagen oder die Katze in ein Bild verwandeln und das dann NICHT aufhängen, sondern meistbietend verkaufen oder zu Ehren ihres Gottes verbrennen will. Um mal im Bild zu bleiben . Will sagen, es sind ja Abenteuer denkbar, die keine Ziele vorgeben, weil sie keine Geschichten vorgeben.
An Moritz' nachfolgender Reaktion konnte man ja erkennen, dass es das ungefähr ist, was "LARM" auszeichnet. Ich denke, dass ein solches Setting, in dem die Helden sich frei entscheiden können, ein Bild aufzuhängen oder eben nicht, eher durch die Regionalspielhilfen ausgedrückt wird, während die Abenteuer im Grunde immer eine konkrete Zielsetzung verfolgen. Aber vermutlich sind die Regionalspielhilfen dafür wieder zu unkonkret in ihrer Ausarbeitung.
Ich bin auf das Feedback der DSA-Runden zu "LARM" gespannt, ob das ankommt oder ob die Spieler davon stehen wie die Ochsen vor dem Berg.
Mein Eindruck von vielen DSA-Spielern ist, dass sie die Geschichte als im Hintergrund laufende Bühne verstehen, auf der sie mit Genuss ihre Charaktere darstellen können. Es ist ihnen gar nicht so wichtig, auf diese Geschichte Einfluss zu nehmen, deshalb kann man es getrost der Spielleitung überlassen, sie voranzutreiben. Sie ziehen ihren Spielspaß aus anderen Dingen; die Geschichte ist für das Erleben der Spieler nur insofern relevant, als sie Anlässe bietet, eine Charakterdarstellung zu bieten, die von den anderen am Spieltisch positiv aufgenommen wird. Wenn man aber den Spielspaß daraus zieht, gegen gewissermaßen objektive Hindernisse anzutreten, die von Spielerseite durch Eigeninitiative zu bewältigen sind (was also so als "relevante Entscheidungen" bezeichnet wird, ein Begriff, den ich für falsch halte - als wäre das andere nicht relevant), also Handlungsverläufe "ehrlich zu erspielen", dann muss man sich von der Idee einer "Geschichte", die zwangsläufig ablaufen soll, verabschieden.
Teilweise kann ich zustimmen, teilweise auch nicht.
Ich glaube nämlich, dass es üblicherweise nicht ausreicht, wenn die Spielleitung "die Geschichte vorantreibt" und die Spieler sich der Charakterdarstellung widmen. Vielmehr glaube ich, dass viele Spieler einverstanden damit sind, dass bestimmte Dinge am Ende des Abenteuers passiert sein werden (das ist sozusagen der Geschichtsverlauf, von dem Du sprichst), dass sie aber bestrebt sind, mit ihren Charakteren für dieses Ende zu sorgen - und dass es für sie frustrierend ist, wenn sie selbst es nicht schaffen und der SL ihnen "goldene Brücken baut".
Um es etwas klarer zu machen: Wenn ein Abenteuer lautet: "Tötet den Schwarzmagier", dann kann man bei DSA davon ausgehen, dass der Schwarzmagier am Ende tot ist, weil für die Kontinuität der Spielwelt davon ausgegangen wird, dass dieses Abenteuer global gesehen erfolgreich abgeschlossen wird und man also mit diesem Schwarzmagier später nichts mehr anfangen kann (Nebenbei: natürlich kann man das Schicksal des Schwarzmagiers offenlassen und dem Spielleiter überlassen, so dass in der jeweiligen privaten Runde der Bursche entkommen sein kann, noch eine Zeit lang sein Unwesen treibt, bis die Helden sich ihm ein zweites Mal entgegen stellen usw. Auch das ist eins meiner Ziele für DSA, nachdem ich es inzwischen bitter bereue, bei Xeraan nicht ebenso vorgegangen zu sein). Aber ich denke, dass die meisten DSA-Spieler sich nicht damit begnügen, dass der SL für sie irgendwie den Tod dieses Schwarzmagiers inszeniert, sondern dass sie das schon selbst machen wollen, sprich: auch selbst Ideen entwickeln wollen, wie der Schwarzmagier überwunden werden kann. Dass an dieser Stelle die DSA-Abenteuer bislang zu einigen Gelegenheiten Einschränkungen machten (z.B. der Schutzschild des Magiers kann nur durch die Heilige Lanze von Blablubb, getränkt im mystischen See der Dingelsfee überwunden werden), steht auf einem anderen Blatt.
In dem Spielstil, den ich für DSA als typisch empfinde, ist die Geschichte also eigentlich am unwichtigsten, sie läuft halt so mit, und man möchte natürlich gerne was möglichst spannendes erzählt kriegen, aber der Spielspaß liegt woanders. In den beiden anderen Spielarten, die ich davon unterscheiden würde, spielt die Geschichte eine viel wichtigere Rolle, einmal als Produkt, das seinen emotionalen Wert daraus bezieht, dass es gewissermaßen erkämpft ist, einmal, weil sie Anlässe zu Aussagen über den Charakter bietet. Hier müsen Regeln und Spieltechniken unbedingt Ergebnisoffenheit ermöglichen; wenn aber der Spaß darin liegt, vor dem Hintergrund einer sich abspulenden Geschichte zur eigenen und zur Freude der anderen den Charakter zu performen, ist egal, ob man die "Geschichte" beeinflussen kann. Da kann gutes Abenteuerdesign dann tatsächlich heißen, eine "gute Geschichte" in dem Sinn zu liefern, wie auch ein Buch eine "gute Geschichte bringt, nämliche eine, die genügend Haken bietet, an die man als Spieler seine Charakterdarstellung für das Publikum der restlichen Spielrunde andocken kann (kohärente Welt, viele Details, Historie usw.)
Wie Du selbst später schriebst, existieren diese drei Spielarten zumeist in irgendwelchen Mischformen. Und zumindest aus der Sicht auf die konkreten Spielrunden ist das auch für DSA zutreffend. Ich habe ja nur meine privaten Erfahrungen, die aber mit mehreren festen Runden und zahlreichen One-Shots auf Cons und Treffen usw., und daraus kann ich kein einheitliches Bild ziehen.
Ich stimme jedenfalls zu, dass die gegenwärtigen Abenteuer bisweilen recht stark in einer Richtung tendieren, nämlich die von Dir als "typisch DSA" bezeichnete. So einseitig ist es am Spieltisch nicht, aber wenn es dort in stärker in eine andere Richtung gehen soll, sind die SL gefordert. Das könnten die Abenteuer aber auch schon liefern und genau das ließe sich in gewissen Maßen sicherlich auch umsetzen. Allein schon aus den Bewertungen der Abenteuer bei dsa4.de (von eingefleischten DSAlern) lässt sich eine kleine Tendenz erkennen (nein, und damit meine ich NICHT, dass man die Borbarad-Kampagne am besten noch dreimal neu auflegen sollte...
).
Und dazu noch ein Nachschlag:
Ich wollte darauf hinaus, dass der Einfluss auf den Verlauf der Geschichte für die Spieler hier nicht so wichtig ist; sie machen im Verlauf des Spielabends andere Dinge, ihre Aktivität richtet sich auf etwas anderes. Die Geschichte ist nicht unwichtig, aber sie wird eben durch die SL vorangetrieben, nicht durch die Spieler. Die kümmern sich um andere Sachen.
Die Frage ist natürlich: was machen sie denn dann?
Ausgehend von den letzten DSA-Sitzungen, die ich in verschiedenen Gruppen gespielt habe, würde ich sagen, dass sehr häufig die Auseinandersetzung mit der Spielwelt im Vordergrund steht. Man ist "mittendrin statt nur dabei", man nimmt an der Spielwelt teil und wird mit seinem Helden selbst ein Teil dieser Spielwelt. Das geht weit über Tavernenabende und Einkaufsgänge hinaus, aber ja, häufig wird die "Geschichte" derart inszeniert, dass die Helden mit bestimmten Elementen der Spielwelt in Kontakt kommen und sie "erleben", bzw. auch Position dazu beziehen können. Natürlich traten aber auch immer Mischformen auf.
Wenn es also das ist, was das DSA-Spiel auszeichnet, und wenn die Spielarten stets in irgendwelchen Mischformen existieren (und es auch nach meinem Verständnis gar nicht so reizvoll ist, ein hochgezüchtetes Extrem zu spielen, das wenig Breite im Spiel bietet), dann ist ein Hybrid-Abenteuer wie "Von eigenen Gnaden" wohl tatsächlich die wegweisende Richtung. Ein gänzlich freies Abenteuersetting ist da ja noch etliche Schritte weiter und es stellt sich die Frage, ob es kommerziell erfolgreich wäre. Denn der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Ich persönlich habe z.B. keine Probleme mit der Eingrenzung von Abenteuerzielen, solange die Anzahl der Nadelöhre überschaubar bleibt (ich empfehle Autoren immer ein kapitelweises "Zusammensammeln" der einzelnen Wege) und mehrere und längere Wege zwischen den Öhren existieren. Das ist nach meinem Verständnis auch schon recht weit weg vom "Railroading", bei dem es stets nur einen Weg gibt, der auch noch zwingend erforderlich ist. Ich denke, mit solchen Abenteuerformen lässt sich DSA gut bedienen. Ein freies Abenteuersetting wäre mal einen Testballon wert (so wie die Veröffentlichung eines neuen Soloabenteuers, was sich als Erfolg herausgestellt hat), der Herr Lindner nimmt sicherlich gerne Exposés in Empfang (hähä
).
Gruß
Chris