"Proxima" [...] Mal schaun, ob das Buch von da ab lesenswerte Inhalte aufweist.
Fazit: Es weist welche auf, aber in so niedriger Konzentration, daß ich es trotzdem jetzt nach der Hälfte beende.
"Proxima" enthält diverse Spurenelemente eines phantasievollen und durchdachten Weltenbaus (wenn auch teilweise von meiner eigenen Recherche schon wieder überholt). Eine Zeitlang sah es so aus, als würde es sich lohnen, sich dafür auch die "Dramaturgie" des Buches anzutun.
Aber unterm Strich leidet es mal wieder an denselben Übeln wie alles, was ich momentan an zeitgenössischer Science Fiction und Fantasy in den Buchläden finde:
1. keinerlei sympathische Identifikationsfigur, sondern nur blutleere Pappkameraden. (Und die paar Charaktere, die bei mir überhaupt Emotionen hervorrufen, sorgen bei mir für Abscheu. Blöd, wenn sie eigentlich als Sympathieträger gelabelt sind.)
2. ist der Grundton düster, egal worum es geht. Wie die Erde dargestellt wird, ist sie gerade dabei, sich von der Klimakatastrophe zu
erholen -- das Schlimmste liegt hinter uns, der Wiederaufbau in den verschobenen Klimazonen ist in vollem Gange --, aber es wird immer nur auf die vorangegangene Katastrophe hingewiesen. Eine Raumfahrerin bezeichnet die Erde als "Museum des Schreckens". Auf je einen Satz über die aktuellen, im Aufbau befindlichen Metropolen kommen zehn über die verwüsteten Gegenden, in denen früher die kulturellen Zentren lagen.
3. haben wir einmal mehr das Motiv der allmächtigen, allwissenden, superintelligenten und dankenswerterweise auch ethisch weit über dem Menschen stehenden, aber tragisch unverstandenen KIs. Verdammt noch mal, das war vielleicht in den 80ern noch ein innovativer Gedanke, aber heute sage ich dazu nur
Es Reicht Langsam! Um so mehr, wo mal wieder von einem Autor, der offensichtlich keine Ahnung hat, die wissenschaftlichen Fähigkeiten "des Menschen" kleingeredet werden, um seine KIs glänzen zu lassen. Baxter, Jungchen, ich habe menschliche Physiker Überlegungen anstellen sehen, die alles weit übertreffen, das deine ach so erleuchteten KIs in deiner Romanprothese hinbekommen, also halt den Rand!
4. wird sogar die Betrachtung des neu besiedelten Planeten grundsätzlich nur mit negativen Aspekten versehen. Die beiden letzten Überlebenden einer geplanten Kolonie -- zufällig ein Mann und eine Frau -- können sich nicht ausstehen, einigen sich aber trotzdem aufs Poppen, "damit sie über kurz oder lang wenigstens ein drittes menschliches Gesicht zu sehen bekommen und nicht ganz wahnsinnig werden". Und als es gelingt, mit den kulturschaffenden Einheimischen eine Verständigung zu etablieren, stellen die sich als total nihilistisch, komplexbehaftet und allgemein depressiv heraus. Alles ist immer nur Depri, Depri, Depri!
Bisherige Bücher dieses Kalibers habe ich dem nächsten Flohmarkt gestiftet. Angesichts des bei mir einsetzenden Düsternis-Übersättigungseffekts denke ich nun erstmals über eine Bücherverbrennung nach. Diese geballte Schwärze sollte nicht länger die Psyche von Lesern kontaminieren.
In diesem Sinne wechsle ich voraussichtlich heute noch über zum nächsten Beispiel zeitgenössischer Literatur. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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