Hierarchische Gruppenstruktur ist schon einmal ein gutes Stichwort. In vielen meiner Runden gibt es die. Bei Dark Heresy ist es der "Prime", der normalerweise die Kommunikation mit dem Inquisitor übernimmt und auch letztendlich die Entscheidungen trifft. In Fantasy-Rollenspielen hat man für gewöhnlich die Adligen und die Priester, die meist großen Einfluss bei der Bevölkerung besitzen. Im Cthulhu der 1890er oder in Private Eye hat man mitunter sehr starke hierarchische Schranken. Ich könnte noch weitere Beispiele anführen, aber ich denke Ihr könnt verstehen, worauf ich hinauswill.
Ich habe nichts gegen Hierarchie in der Gruppe. Im Gegenteil, ich begrüße sie. Sie bietet einen interessanten Ansatz für Konflikte in der Gruppe, die immer wieder mal auftreten können. Und hier ergibt sich schon ein Ansatz für interessante Inkompetenz: Ein Anführer, der nicht in der Lage ist, anzuführen, dem die Charaktere aber aus hierarchischen Gründen folgen müssen. So ein Konflikt innerhalb der Gruppe kann im Laufe einiger Abenteuer unterschiedlich gelöst werden: Der Anführer lernt anzuführen, er wird aufgrund seiner Unfähigkeit letztendlich von seinem Posten auf einen anderen herabgestuft, vielleicht richtet sich die Gruppe auch einfach so ein, dass der Charakter nominell der Anführer bleibt, aber informell einen Großteil seiner Kompetenzen an erfahrenere, fähigere Charaktere weitergibt. Auch und besonders in One-Shots kann so etwas meiner Meinung nach gut und interessant sein, wenn auch auf eine andere Weise, da sich das Problem immer nur kurzfristig lösen lässt.
Was mich an dem Ansatz einiger in dieser Diskussion hauptsächlich stört, ist die Annahme, dass die Gruppe nicht in der Lage sein soll, innere Konflikte auszuhandeln. Zumindest höre ich das heraus. Bis jetzt wurde gesagt, dass die Gruppe von Anfang an klar definierte Zuständigkeiten haben soll, eine homogene und schlagkräftige Einheit bilden muss. Dem widerspreche ich. VAMPIRE allein ist der Beweis, dass dieser Grundsatz nicht immer und auf jeden Fall gilt. Es wurde gesagt, dass Unfähigkeit nicht unterhaltsam zu spielen ist. Dem widerspreche ich. Selbst bei Charakteren, die in manchen Gebieten fähig sind, kann es unterhaltsam sein, Unfähigkeit zu spielen (ich genieße zum Beispiel die Momente, in denen mein Feral Worlder Guardsman gezwungen ist, seine nicht existenten sozialen Kompetenzen zu zeigen, auch wenn ER es natürlich meidet wie der Teufel das Weihwasser).
Was vollständig unfähige Charaktere angeht, so bin ich der Meinung, dass es sehr schwer ist, Charaktere zu bauen, die nicht zumindest in der einen oder anderen Weise etwas zum Spiel beitragen können. Es kommt auch sehr selten vor. Was viel öfter vorkommt, ist dass Spieler aus dem einen oder anderen Grund nicht willens oder in der Lage sind, etwas zum Spiel beizutragen, was die anderen Spieler und der SL als konstruktiv oder zumindest unterhaltsam betrachten. Das ist etwas vollkommen anderes, als einen Charakter ausserhalb der Situationen zu spielen, die der Charakter gut lösen kann.
Und wie gesagt sehe ich solche Probleme mit unfähigen Charakteren eben nicht grundsätzlich als ein störendes Element der Runde an. Im Gegenteil denke ich, dass sie wertvolle Impulse geben können, um Rollenspiel und besonders auch Rollenspiel in der Gruppe selbst zu betreiben.