War eher underwhelmed von dem Film. Extrem seichte Mainstreamunterhaltung, aber mehr auch nicht - ziemlich soapige Pseudo-Geschichte, wie sie immer gerne in Oscar-Bait-Filmen Verwendung findet (mein inoffizieller Titel für diesen Film ist daher: "The Kings Speech 2 - Jetzt spricht die Königin!").
Dem muss ich ganz entschieden widersprechen.
"Extrem seicht" hieße aus meiner Sicht, dass man den Film auch nebenbei laufen lassen könnte, und trotzdem dem Film folgen könnte. Dem ist aber nicht so. Man muss dem Film schon aufmerksam sehen, um die den Machtspielen und zwischenmenschlichen Beziehungen der Figuren folgen zu können. Verpasst man zum Beispiel
"Soapig" ist der Film ebenfalls nicht. Eine Soap stellt zwar ebenso wie der Film die zwischenmenschlichen Beziehungen der Akteure in den Vordergrund (anstatt eines wahnsinnig spannenden Plot). The Favoruite zeigt dabei aber unverblümt deren sexuellen Beziehungen und stellt klar die Machtverhältnisse der Akteure heraus, etwas das in einer Soap die deutliche Ausnahme ist. Auch die Inszenierung ist soweit weg von einer Soap, wie es nur geht. Es wird, anders als bei einer Soap, erst gar nicht versucht, eine naturalistische Darstellung vorzunehmen. Der Film nimmt zum Beispiel mit seinen Fischaugenobjektiven oder seinen Bildüberlagerungen eine klare artifizielle Position ein.
"Oscar-Bait" ist der Film ebenfalls auf gar keinen Fall. Oscar-Bait-Filme sind wesentlich politischer und klarer in ihrer moralischen Botschaft (zum Beispiel "The Post" oder der von dir erwähnte "The Kings Speech"). "The Favourite" ist weder ein besonders politischer Film (wobei man sicherlich entsprechende Ebenen im Film finden kann, aber sie drängen sich halt nicht auf) noch hat er eine klare moralische Position. So nimmt er aus meiner Sicht viel eher eine neutrale, beobachtende Position zwischen allen drei Protagonistinnen ein. Auch neigen Oscar-Bait-Filme eher zu einem naturalistischen Stil (um zugänglich zu sein, schließlich muss man von möglichst vielen Academy-Mitgliedern gesehen worden sein, um überhaupt für einen Oscar-Gewinn in Frage zu kommen; da schreckt eine artifizielle Darstellung aufgrund der Hollywood-Sehgewohnheiten ab), was wie oben beschrieben auf "The Favourite" ebenfalls nicht zutrifft.
Zum Vergleich: Die diesjährigen Oscar-Bait-Filme sind eindeutig "Green Book" und "Vice". Mit denen hat "The Favourite" lediglich gemein, dass sie auch Historienfilme sind. Während aber sowohl "Green Book" als auch "Vice" den Anspruch haben, etwas über die entsprechende Zeit oder Geschehnisse zu vermitteln (mit jeweiliger ideologischer Färbung), tut "The Favourite" überhaupt nicht so, als könne er Geschichtsunterricht ersetzen. Vielmehr nimmt er sich die wahren Begebenheiten als Kulisse, vor der er seine ganz eigene Geschichte erzählt. Die Geschichte könnte genauso gut auch heutzutage mit einer Vorstandsvorsitzenden eines internationalen Konzerns und ihren persönlichen Assistentinnen spielen.
Ob einem "The Favoruite" gefällt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.