Kann man so sehen. Allerdings gibt sich der Film große Mühe, seine Protagonisten zu demontieren und damit die Message zu untergraben:
- die Familie wird damit eingeführt, dass sie nicht in der Lage ist einfachste Tätigkeiten (Falten von Pizzakartons) zu erledigen, stattdessen nutzen sie Bullying und Lügen, um das zu bekommen, was sie wollen --> nicht gerade sympathische Charakterzüge
- ein Großteil der Probleme der Familie (u.a. die Tatsache, dass sie nach der Überflutung ihrer Wohnung trotzdem arbeiten müssen, weil sie ihre Lebenssituation verheimlichen) entstehen durch deren eigene Unehrlichkeit, nicht durch den Einfluss von Anderen
- auch die fehlende Solidarität der Armen untereinander wird (zumindest was die Familie angeht, die im Film der einzige Bezugspunkt für den Zuschauer zu dieser Klasse ist) eher als ihr eigenes Verschulden dargestellt, denn als gesellschaftliche Verhältnisse, welche sie dazu zwingen
- eine vergleichbare Charakter-Demontage auf Seiten der Reichen gibt es nicht
-- Die Armen sich den Reichen nur als Angestellte verpflichtet fühlen, aber nicht als Menschen
Öhmm, sie fühlen sich ihnen zumindest soweit verpflichtet, dass es ihnen nicht egal ist, wenn ihr Chaffeur (der schon länger in ihren Diensten ist) sich scheinbar an der Tochter der armen Familie vergeht.
Auch versuchen sie zumindest etwas Smalltalk zu machen, damit sie nicht nur als Arbeitgeber gesehen werden – gut, sie sind nicht besonders gut darin, aber sie versuchen es wenigstens.
Ich würde nicht sagen, dass sie makellos sind... aber im Vergleich zu dem absoluten Abscheu, welches das Framing der armen Familie hervorruft, kommen sie noch relativ gut weg.
Und moralisch integer ... nunja. Die Antwort des reichen Vaters auf den Satz "Aber Sie lieben Ihre Frau ja." ließ da für mich auch tief blicken.
a) „hat eine lieblose Ehe“ ist jetzt nicht gerade ein Charakterzug, der diesen Charakter unsympathisch macht; außerdem
b) ist das etwas, was im Laufe des Films relativiert wird – die beiden reichen Eltern kommen sich gerade wieder näher, kurz bevor der Vater getötet wird
- Die Reichen pendeln in ihrer Darstellung von naiv (Hausherrin) zu absichtlich überheblich (Hausherr)
Ich würde sagen der Hausherr ist auch naiv, da er nicht wahrhaben will, dass es den Armen tatsächlich schlecht geht (und die Familie tut auch nichts, um seine Meinung zu korrigieren – sie sind ja versorgt, da sind ihnen die anderen Armen herzlich egal). Absicht sehe ich da eher nicht.
Dazu kommt dann noch eine recht deutliche Bildsprache (Ratten die aus der Kanalisation strömen, parallel zu Armen die aus ihren überfluteten Kellerwohnungen strömen), wo man sich fragt „musste das jetzt sein?“.
Und dann wäre da noch der Schluss, wo der reiche Vater erstmals so etwas wie eine nicht verzeihbare Charakterschwäche erhält (unterlassene Hilfeleistung) – aber das dann sofort relativiert wird, durch den mit extremer Heimtücke durchgeführten Mord des armen Vaters (der absolut
keine angemessene Reaktion auf „hat sich erstmal um sein eigenes Kind gekümmert und dann wegen Gestank die Nase gerümpft“ darstellt).
Mir ist schon klar, was der Regisseur versucht hat. Aber es hätte imo bessere Möglichkeiten gegeben, um das darzustellen. Die Kaltherzigkeit des Systems und der Oberschicht, gegenüber denen die weniger besitzen, kommt imo nicht wirklich rüber (da ist z.B. „Dancer in the Dark“ deutlich besser).
Will aber auch nicht endlos darüber diskutieren: das ist halt der Eindruck, den ich beim Schauen des Films hatte.