Hab das Spiel jetzt 1 1/2 mal durch. Insgesamt ca. 50Stunden gespielt.
Schreibe keinen Test, sondern nur mal meine Meinung.
Kurzversion: Ich finde es grandios.
Langversion:
Treibt einen schon Wehrmutstränen in die Augen, endlich mal wieder ein Spiel von Bioware, daß nicht nur Inhaltlich, sondern auch spielerisch begeistern kann.
Bioware hat für mich persönlich schon lange bewiesen, daß sie keine Ahnung von Gameplay haben und das sie seit Baldurs Gate2 (+Ableger wie IcewindDale) keine Klassischen Rollenspiele mehr machen können.
Das haben sie anscheinend nun endlich auch selber erkannt. Mass Effect2 ist eine konsequente Begradigung der Art von Spiel, die Bioware eigentlich immer präsentieren will, eine dramatisch erzählte Geschichte zum Miterleben und kein Rollenspiel. Das ist mit den Rollenspielplattformen nunmal nicht möglich (wie mir der letzte Reinfall von Dragon Age zeigt). Aller Ballast wurde abgeworfen, mit dem Bioware offensichtlich sowieso nicht mehr klar kommt (Charaktersteigerungen, Sozialskills...). Das Gameplay beschränkt sich auf Shooterelemente, ist eingängig wie ein Flipperautomat und bremst das Storytelling in keinem Moment aus. Das ist genau das Ziel, was Mass Effect2 erfüllen will. Der "Pace" ist genau auf die Geschichte abgepasst. Dadurch wirds sehr motivierend, weil storytechnisch immer etwas passiert und man nie auf der Stelle tritt. Die Story ist, wie in vielen PC Spielen hohl, aber die kleinen Geschichten sind es, die begeistern. Ausserdem bietet ME2 ein bombastisches Finale auf, von dem ME1 (oder auch Dragon Age) nur träumen kann.
Sollte es wirklich mal zu hastig werden, hat man die Möglichkeit das Tempo freiwillig(!) herunter zu nehmen und sich mit anderen, ruhigen Dingen zu beschäftigen (wie Bergbau, Forschung oder das Unterhalten mit der Crew).
Erstaunlicherweise hat man durch die freie Sternenkarte trotz der absolut linearen Levels, die nun endlich in das Spielkonzept passen, ein größeres Freiheitsgefühl als in Mass Effect1. Dadurch, daß es an einigen Stellen etwas zu entdecken gibt (Distress Signals), sowie dadurch, daß man die Reihenfolge der Missionen beinahe komplett selbst bestimmen kann und sich in alten Lokationen immer mal wieder neue Quests ergeben, oder sie mehrfach genutzt werden, lohntes sich dahin zurück zu kehren
(oder man muss).
Die Entscheidungen in den Dialogen sind endlich in der Dichte eingebaut, die sich für ein Multiple-Choice System gebührt. Das war fällig seit... immer. Viele davon sind sehr dramatisch gekonnt inszeniert. Sie sind neben der guten Regie (Kameraführung, Perspektiven,Zwischensequenzen) der Hauptgrund, daß man dieses Mittendringefühl in einem Science-Fiction Film hat und auf jeden Fall die größte Trumpfkarte des Spiels. Man hat bei wiederholtem Spiel zwar nicht wirklich das Gefühl nun ein anderes Spielerlebnis zu haben, selbst wenn man extrem einseitig (gut/böse -männlich/weiblich) spielt, aber es befriedigt schon eine gewisse Neugier. Die Gefährten sind sehr abwechslungsreich und alle interessant, die Bindung mit den Gefährten wird nicht so stark, wie in einem Baldurs Gate2, aber es kann gut mithalten. Dadurch, daß es eher filmisch ist, ist es auch nicht so ärgerlich, wenn man Dialogoptionen vermisst, wenn man z.b. einer Person absolut nicht zustimmen will, es aber keine Dialogoption dafür gibt, sieht man, daß die Hauptperson eben Shepard ist und nicht eine eigene Figure, die man spielt (In dem Zusammenhang verstehe ich auch nicht, wieso man überhaupt ein eigenes Gesicht gestalten kann. Ich finde das Gesicht von Shepard ziemlich fest installiert und gut so).
Die Suicide Mission fand ich grandios. Es ist nicht nur der Dramatische Höhepunkt, sondern hier zeigt sich wie sich viele der Entscheidungen schlussendlich auswirken.
Bei mir sind 6 Gefährten, inklusive der Love Interest von Shepard (was schon emotional Inszeniert war) und viele Crewmen gestorben, und bei jeder Entscheidung hofft man das richtige zu tun (ich hab wohl fast alles falsch gemacht).
Es ist aber auch jede Menge Luft nach oben und trotz der vielen Entscheidungen und Dramatischen Elemente, mit das intensivste was ich bis jetzt gespielt habe, ist das nur ein kleiner Ausblick, was richtig gute Spieledesigner in Zukunft damit machen könnten.
Ich fand das Spiel NICHT zu leicht. Viele Stellen musste ich mehrmals spielen, obwohl ich nur Veteran gespielt habe (nun Hardcore). Die Steuerung ist etwas hakelig und es gibt arg wenig Aktionen, die man machen kann (zeigen,klicken,in Deckung gehen,über Deckung springen, Powers aktivieren. Das wars) aber ehrlich gesagt ist das bei alten EgoShootern auch nicht anders gewesen (eher sogar weniger Aktionen). Und Unreal1 gehört für mich bis heute zu den besten Spielen. Es gibt einige tolle Möglichkeiten wie Schüsse ins Bein, die Gegner stürzen lässt, Roboter kriechen und Kämpfen sogar weiter, wenn sie ihre Beine oder einen Arm verlieren.
Das Spiel ist ganz ok ausbalanciert. Jede Power und Waffe und selbst Rüstung hat irgendwo ihre Existenzberechtigung. Ich habe fast alles benutzt und hatte nie das Gefühl irgendetwas aus Selbstzweck einzusetzen. Lediglich die Powers sind etwas einfallslos geraten. Das Gameplay ist lange nicht perfekt und hinkt Shooterspezialisten bei anderen Enwicklern noch Lichtjahre hinterher aber es ist weit über den bescheidenen Möglichkeiten von Bioware.
Ein Beispiel: Störend ist, wie immer, die automatische Lebensregeneration, die viel Spannung nimmt. Das sie auch im Kampf passiert, haben sie damit ausgeglichen, daß man fast keine Chance hat Schüssen auszuweichen und ständig getroffen wird (auch hinter vielen Deckungen wird man getroffen, was gut ist), man kann passiv also kaum etwas zun, ausser schneller zu schiessen als der Gegner.
Die Gegner KI in Spielen ist allgemein unterentwickelt. In Mass Effect2 geht sie aber völlig in Ordnung, mit die beste in 3D Shootern imho, und ich würde sie auf die Stufe eines F.E.A.R. setzen, selbst die Gefährten sind hilfreich und erledigen den ein oder anderen Gegner (haben mir auch schon mehrmals den Arsch gerettet). Die Figuren BEWEGEN sich viel und Flankieren das ist das Entscheidende.
Die Technik ist nicht auf der Höhe der Zeit aber absolut ausreichend und verdammt gut ausgereizt. Die Models sehen hervorragend aus und lassen manchmal vergessen, daß das nur Pixelfiguren sind. Die Architektur der Level ist inspierierend und mitunter gewaltig. Mehr Science-Fiction Artwork als Graphikprotzerei. Relativ einfache Techniken wie Unschärfefilter gaukeln eine wesentlich bessere Graphik vor, als tatsächlich vorliegt. Das ist gut gemacht.
Störend finde ich die Charaktererstellung. Der Charakter, den man erstellt sie NIEMALS so aus, wie später im Spiel, daß sie zu wenig Beleuchtungsrichtungen zur Verfügung stehen. Wie die Figur wirklich aussieht, sieht man erst das erste mal in dem hell ausgeleuchteten Labor: Und die sieht dann meisstens Scheisse aus. Es ist dann sehr mühselig von vorne anzufangen, nur um dann im Labor zukontrollierne, ob das Gesicht auch ok ist.
Mit der Sternenkarte hat sich Bioware eine Schöne Option offengehalten das Spiel mit DLCs immer weiter zu bevölkern. Hoffentlich nutzen sie das auch aus.
Der Ton ist, wie fast immer bei Bioware Spielen, grausig. Damit meine ich nicht den Soundtrack und die Soundsamples oder die Synchronisation (wobei ich auf englisch spielen), die sind großartig. Ich meine die technische Vertonung. Bioware schafft es einfach nicht den Ton so abzumischen, daß er überall die gleiche Lautstärke hat. Mal ist die Musik zu laut, mal zu leise, Mal versteht man kein Wort der Dialoge, mal schreien, sie so laut, daß es die Boxen durchaut. Das ganze Spiel über hatte ich immer einen Finger an den Volumes, was unglaublich nervig ist und im Endeffekt natürlich nicht viel hilft, wenn man mehr Hintergrundgeräusche haben will aber die Musik gleichzeitig viel lauter wird.
Wenns nach mir geht kann Bioware komplett auf dieser Schiene bleiben, weil das eine Plattform ist, mit der sie besser ihre lineraren Kinoerlebnisse umsetzen können. Kurzum, Spielerisch ist es gutes Mittelmaß (und damit über den meisten letzten Bioware Spieen), inhaltlich aller erste Sahne und das Wichtige ist, daß sich Spiel und Inhalt hier erstmals vernünftig die Hand geben. Kein Vergleich zu der unausgegorenen Gurke Mass Effect1.