Autor Thema: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?  (Gelesen 75223 mal)

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wjassula

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[DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« am: 29.01.2010 | 12:00 »
In den letzten Wochen gab es hier eine angeregte Diskussion über DSA-Abenteuer und den zarten Trend zu "freiem Spiel" im Gegensatz zu "Railroading" in DSA-Produkten. Diese Begrifflichkeiten sind nicht immer ganz glücklich gewählt, was damit gemeint ist, ist einfach folgendes: Lange Zeit waren DSA-Abenteuer überwiegend auserzählte Geschichten mit einem dramatischen Spannungsbogen, die die Spieler nacherleben sollten. Für die Spielleitung ergab sich das Problem, wie die Spieler auf Linie zu halten sind. Unter den Stichworten "Railroading", "Illusionism", "Participationism" gab und gibt es hier und anderswo im Netz eine breite Diskussion dazu, das muss ich nicht alles wiederholen.

Dem gegenüber gibt es durch Forge und ARS-Diskussionen von zwei unterschiedlichen Seiten mittlerweile eine bessere Beschreibung davon, wie ergebnisoffenes Spiel funktioniert, das eben keine fertige Geschichte mit an den Tisch bringt. Diese Spielvariante ist überhaupt nicht neu, es gibt sie, seit es Rollenspiel gibt, und viele Menschen praktizieren sie auch, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Neueren Datums ist lediglich das Ausformulieren ihrer Prinzipien, zumindest in den mir bekannten Kreisen. Insbesondere im DSA-Kontext und insbesondere durch die Kaufprodukte wurde sie aber lange Zeit an den Rand gedrängt. Unter dem Stichwort "bass playing", "sandboxing", "old school", "player empowerment", "narrativism", "ARS", "thematisches Rollenspiel" kann man dazu lange Diskussionen hier, auf der Forge und im ORK finden; die sehr unterschiedlichen Ziele und Techniken (ARS und thematisches Rollenspiel sind was völlig verschiedenes, haben aber im RR-Erzählgeonkel einen gemeinsamen Feind) ergebnisoffenen Spiels werden dort erläutert. Muss hier auch nicht wiederholt werden, verwirrt nur.

Ich möchte hier zwei Dinge tun; einen Einwand zerstreuen und etwas länger eine Frage beantworten.

Der Einwand gegen ergebnisoffenes Spiel lautet schlicht "Das funktioniert doch eh nicht". Hinter diesem Einwand steht ein verzerrtes Bild ergebnisoffenen Spiels. Oft wird unterstellt, die Spielleitung würde hier nichts mehr vorbereiten, rein reaktiv auf die Spieler warten und keinerlei Fakten mehr über die Spielwelt setzen. Zum Beispiel würde die Spielleitung einfach sagen "Es ist der 30. Ingerimm, was tut ihr?" Dann würden die Spieler beschließen, den einen Ring in den Schicksalsberg zu werfen und das erzählen. Diese Position verweist darauf, dass das ja nie funktionieren könne, und wenn doch, dann nur mit einzelnen hochbegabten Gruppen, für die Mehrheit der Spieler sei so etwas unmöglich.
 
Hier wird übersehen, dass auch im ergebnisoffenen Spiel sehr wohl etwas vorbereitet wird und natürlich auch Input von Seiten der Spielleitung erfolgt, und natürlich auch in Form von direkten Abenteueranreizen. Allerdings bereitet die SL andere Dinge vor und sie reagiert anders auf den Input der Spieler. Sie bereitet ganz einfach  die Gesetzmäßigkeiten vor, nach denen die Welt auf die Spieler reagiert. Dabei muss es sich keineswegs um eine physikalische Simulation handeln (obwohl das in Grenzen auch möglich ist und auch versucht wird). Es kann sich auch um moralische Regeln, Motivstrukturen der Gegner, Prinzipien der Spielwelt (Magie korrumpiert, Vampire sind intrigant, Elfen sind alle schwul) handeln.

In den meisten Rollenspielen wird die Vorbereitung beides umfassen: eine hinreichend genaue Modellierung der fassbaren Umstände der Welt, wobei "hinreichend genau" sich von Gruppe zu Gruppe, von Spiel zu Spiel, stark unterscheiden kann, und eher ungreifbare Dinge, wie Motive, Pläne, Vorgehensweisen, Persönlichkeiten, Einwohnerstrukturen und Beziehungen unter Personengruppen. "Ergebisoffenheit" wird hier befördert, weil zahlreiche Abenteuer in diesem Material angelegt sind, aber keine Geschichten, die nur nachzuerleben währen. Wenn man in dramatischen Begriffen bleiben möchte, setzen SL und Spieler dramatische Konflikte als Ausgangssituation.

Damit ist übrigens auch schon eine andere Technik dieser Spielart benannt, nämlich Ziele und Motivationen auf Seiten der SC, die diese auch verfolgen. Sie müssen bewusst Reibungsflächen mit der Welt schaffen, aber auch dies wieder, ohne den Ausgang dieser Geschichtenkeime zu bestimmen.

Das ist das eine.

Das andere sind eine Reihe von Regeln, mit deren Hilfe das Ergebnis der Interaktion von SC-Motivationen und Weltmaterial bestimmt wird. Hier zeigt sich die berühmte Ergebnisoffenheit am deutlichsten. Die Spielleitung überlegt nicht, wie die Ergebnisse sich am besten und schönsten in eine schon mehr oder weniger vorbereitete Geschichte einfügen, und auch nicht, welche Entscheidung zu welcher Geschichte führen würde und welche davon wohl besser wäre. Sie überlässt das Ergebnis ganz den im Vorhinein modellierten Weltgesetzen, ohne dabei an eine Geschichte zu denken. Nochmal: Diese Gesetze müssen keine reinen Naturgesetze sein, es sind damit auch Motive, Persönlichkeiten, bereits erspielte Geschehnisse usw. gemeint. Alles, woraus eben die Welt für alle am Spieltisch besteht.

Und nun, nach langem Anlauf,  eben die Frage. Ja, warum sollte man denn das wollen? Erstens können die Geschichten, die so entstehen, ja wohl kaum mit der sorgfältigen Planung eines einzigen Autoren mithalten, das ist doch alles viel zu chaotisch. Zweitens merken die Spieler doch in vielen Fällen gar nicht, ob der Ork nun dasteht, weil es im Abenteuer steht oder weil es ausgewürfelt wurde.

Meine Antwort wäre, dass der kreative Prozess zwischen allen Spielenden (einschließlich SL) ein völlig anderer ist, wenn man auf die beschriebene Weise ergebnisoffen spielt. Tatsächlich ist es so, dass die Aufzeichung einer Runde, die ein DSA-Modul "durchspielt" und einer mit ergebnisoffenem Spiel sich nicht unterscheiden würden. Ich behaupte, dass die Spieler den Unterschied zwar nicht am einelnen Ereignisse, aber an der Dynamik einer Reihe von Ereignissen schon merken, was gerade gemacht wird.
 
Das ist aber auch nicht der Punkt. Die Konzentration auf die "Geschichte" ist für die Beurteilung der Unterschiede zwischen beiden Ansätzen nicht nur egal, sondern irreführend. Es geht ja nicht darum, andere Geschichten zu erspielen, es geht um das, was am Spieltisch passiert und was die Spieler während des Spiels erleben. Der kreative Prozess beim dem von mir beschriebenen ergebnisoffenen Spiel besteht aus ständiger Überraschung - auch für die Spielleitung. Diese Überraschung kann nur entstehen, wenn die Ergebnisse der Interaktion von Spielern und Welt nicht fest stehen, sonden an hinreichend objektive Gesetzmäßigkeiten übergeben werden. Dies führt gerade nicht zu starrem, ödem Spiel, sondern zur ständigen Herausforderung an alle Beteiligten, mit dem Unvorhergesehenen umzugehen. Dass dabei kein Nonsense rauskommt, liegt an der vorherigen Modellierung, die die Ergebnisse immer im Rahmen der Spielwelt und des bereits erspielten hält. Ich behaupte, und weiß es auch aus vielen Runden, dass sich durch den Umgang mit dem Unvorhergesehenen eine ganz andere Dynamik ergibt, als das Abklappern einer fertigen Geschichte.

Ein schönes Beispiel dafür hatte kirilow in einem anderen Thread gebracht. In VeG bringen die Spieler einen Nekromanten zur Strecke, der seine Schergen aussendet, um Kinder für seine dysteren Experimente zu fangen. Kirilow bemängelte unter anderem, dass kein Tagesplan des Nekromanten und seiner Schergen beigeben sei. Auf die Frage, wozu man denn sowas brauchen sollte, sagte er: Weil es doch sein könnte, dass die Schergen mit erbeuteten Kindern zurückkommen, wenn die Helden den Nekormanten schon erdolcht haben und das Städtchen beherrschen. Man stelle sich das vor: Die Guten habens gerade eben mit Ach und Krach auf den Thron geschafft und halten Gericht, da kommen drei abgefetzte Sölnder rein: "Öhm, wir hätten hier noch ein paar Blagen...äh, kriegen wir jetzt unser Geld? Menno, warum denn nicht?" Und die Väter und Mütter stehen vielleicht daneben. Und morden die Schergen. Wo die SC doch gerade Recht und Ordnung schaffen wollten. Oder sagen: Naja, bezahlen muss man Leute aber schon, die haben ja nur Befehle ausgeführt. Und murren, wenn die neuen Herren nicht abdrücken.
So was kan man nicht planen.

Aus solchen unvorhergesehenen Ereignissen entwickelt sich ein ganzer Rattenschwanz von unvorhergesehenen Ereignisse, Aktion führt zu Reaktion führt zu neuen Aktionen usw. Spielleitung und Spieler müssen ständig auf den Zehen denken, um das ins bisher erspielte zu integrieren. Es führt also auch in die Irre, nur isolierte Ereignisse zu betrachtehn, es geht ganz wesentlich um eine länger anhaltende Dynamik, die durch sowas in Gang kommt.

Und deshalb ist ergebnisoffenes Spiel auch nicht irgendwie schwieriger oder nur was für tolle, erfahrene Spieler. Zu dieser Ansicht gelangt man nur, wenn man der Chimäre einer Geschichte nachläuft, die es zu erhalten gilt. Klar, wenn alle spontan und unvrobereitet die Edda spielen sollen, ohne sich outgame abzusprechen, geht nicht.

Es gibt aber (noch) keine Geschichte, alle Mitspieler sind von dieser Last befreit. Das Spiel funktioniert im Gegenteil nur dann, wenn man die zu treffenden Entscheidungen keinesfalls im Licht einer Geschichte fällt, sondern als Spieler je nach Charaktermotivation und Situation entscheidet, als Spielleitung aber nach dem hinreichenden Weltmodell. Hier gleichen sich übrigens ARS-Spiele und Forgekram, auch wenn die jeweiligen Apologten sich spinnefeind sind. Bei beiden Varianten darf den Moment der Entscheidung nicht auf eine gedachte Story hin ausführen. Es gibt erstmal einen kreativen Prozess des Austausches, die Geschichte gibt es nur im Rückblick.

[Potenziell verwirrende Abschweifung: In Wirklichkeit ist die Dynamik wohl etwas komplizierter, weil man sicherlich das bisher Erspielte immer schon als Verlauf "der Geschichte" in die momentanen Entscheidungen einbinden muss. Es ist wirklich wie beim Bildhauen: Ich starte mit einer Idee, meißle, meißle, meißle, trete einen Schritt zurück, und verändere im Licht des Gesehenen das, was ich für mein Ziel halte, und dann wieder von vorne anfangen. Insofern beeinflusst "die Geschichte" schon den weiteren Verlauf, aber eben ... naja dynamischer. Wenn man das wirklich bis ins letzte Durchdringen wollte, scheinen mir aber die bisher im Rollo-Netz herumschwirrenden narratologischen und lingustischen Modelle ungeeignet; beim dem, was wir erklären wollenm geht es ja gerade nicht um eine Geschichte als Artefakt sondern um die Prozesshaftigkeit des Erzählens. Wahrscheinlich wären handlungstheoretische Ansätze der Kreativität besser: John Dewey "Kunst als Erfahrung". Ende der verwirrenden Abschweifung]

Es ist auch nicht so schwierig zu verkaufen:
Für ergebnisoffenes Spiel braucht man einfach eine hinreichend genaue Weltmodellierung - die sollte es zu kaufen geben. Man braucht Techniken, wie man die Interaktion zwischen Spielern und Welt hinreichend objektiv entscheidet - die sollte es auch zu kaufen geben. Man braucht als Spieler die Lust und die Chuzpe, sich in Situationen zu werfen und mit dem Unbekannten umzugehen, auf den Zehen zu denken.

Ja, warum, so spielen? Es ist einfacher, es ist überraschender, es ist ...naja., ein Abenteuer.
 
So weit.

Offline Xemides

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #1 am: 29.01.2010 | 12:16 »
Was mich wieder stört, ist diese Fixierung auf DSA. Dabei kenne ich das von vielen Rollenspielen.

Midgard, Cthulhu, Shadowrun, Warhammer sogar die Enemy Within. Alle Abenteuer beinhalten vielleicht freie Wege, aber auch fixe Punkte, die abgearbeitet werden müssen, um zum Ziel, der Lösung des Abenteuers, zu kommen.

Und wieder vergißt du die Spieler, die eine Geschichte erleben wollen, die z.B. die G7 spielen, weil sie genau diese Geschichte miterleben wollen.

Evolution is just a theory? Well so is gravity but I don't see you jumping off of buildings.

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #2 am: 29.01.2010 | 12:29 »

Und wieder vergißt du die Spieler, die eine Geschichte erleben wollen, die z.B. die G7 spielen, weil sie genau diese Geschichte miterleben wollen.



Jau. Und wer einen Thread über Himbeereis schreibt, vergisst die ganzen Leute, die Schokoeis mögen.

Offline Teylen

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #3 am: 29.01.2010 | 12:33 »
Jau. Und wer einen Thread über Himbeereis schreibt, vergisst die ganzen Leute, die Schokoeis mögen.
Es geht in dem Thread doch darum den Schokoeis (Plot-Spielern) Liebhabern das Himbeereis (freies Spiel) schmackhaft zu machen?

Nun und das ist eigentlich unabhaengig davon ob es in einer Waffel (DSA), Becher (SR), am Stil (Vampire), Teller (Chuthulu) oder sonst wie serviert wird,..
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Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #4 am: 29.01.2010 | 12:41 »
Ich denke, deine Argumentation "Freies Spiel vs. Railroading" geht schlicht an der modernen Rollenspielrealität vorbei. Die Kernfrage ist eben nicht "Wie 'emanzipiert' bin ich?", sondern "Welche Art Abenteuer soll denn gespielt werden?"

Und wenn man sich die klassischen "Helden-Abenteuer" anschaut, dann sind diese Geschichten eben oft Variationen von unter anderem Detektiv-Geschichten, Schatzsuchen, Kommando-Unternehmen zum Ausschalten des Bösen, (Entdeckungs-)Reisen. Das sind Abenteuer, bei denen der Spielleiter im voraus abschätzen kann, was wahrscheinlich relevant werden wird, und die er entsprechend auch in die Tiefe vorbereiten kann. Auch wenn das hier aus ner bestimmten Ecke immer wieder behauptet wird: Das hat ertstmal nichts mit "unfreiem Spiel" zu tun und benötigt auch kein Railroading.

Zu behaupten, nur bei einer Mover-und-Shaker-Kampagne wären die Spieler wirklich frei, seh ich da eher als Indiz ideologischer Scheuklappen.  ;D
Von der Warte her wird das mit dem Missionieren erfahrungsgemäß auch eher schwer...

Die beiden Kernprobleme beim ungeplanten Kampagnenspiel sprichst du übrigens gar nicht an:
- Wo soll die Tiefe in der Ausarbeitung herkommen (Farbe, Details, Nuancen und komplexere Zusammenhänge), wenn der Spielleiter nur in die Breite vorbereiten kann/darf?
- Welche Mechanismen gibt es um Leerlauf zu vermeiden, wenn der Spielleiter nicht "Regie führen" oder dem Geschehen eine Richtung geben darf?

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #5 am: 29.01.2010 | 12:50 »
Das Spiel funktioniert im Gegenteil nur dann, wenn man die zu treffenden Entscheidungen keinesfalls im Licht einer Geschichte fällt, sondern als Spieler je nach Charaktermotivation und Situation entscheidet, als Spielleitung aber nach dem hinreichenden Weltmodell. Hier gleichen sich übrigens ARS-Spiele und Forgekram, auch wenn die jeweiligen Apologten sich spinnefeind sind. Bei beiden Varianten darf den Moment der Entscheidung nicht auf eine gedachte Story hin ausführen. Es gibt erstmal einen kreativen Prozess des Austausches, die Geschichte gibt es nur im Rückblick.  

Ich finde das alles sehr überzeugend, teile diesen Punkt aber eigentlich nicht so (und finde, dass die Abschweifung danach eigentlich eher den Kern der Sache trifft): Störend ist es vielleicht, wenn Entscheidungen im Hinblick auf einen bestimmten zu erzielenden Ausgang getroffen werden ("Ach ne, den Priester des Krakengottes lassen wir mal besser laufen, der ist bestimmt später noch wichtig"). Aber die Entscheidungen sollte man durchaus auch von Spielerseite [EDIT: VÖLLIG SINNENTSTELLENDEN TIPPFEHLER KORRIGIERT] ruhig im Sinne einer Geschichte denken. In unserer Simyala-Runde habe ich z.B. damals ganz spontan beschlossen, dass mein Thorwaler, der allen Elfen misstraut, irgendwie total hin und weg von der einen Elfe in Punin ist, die alle anderen völlig blöd fanden. Das kam ja nicht aus der Eigengesetzlichkeit der Situation oder so. Ich dachte einfach "He, das wäre amüsant, und vielleicht wird da ja eine Geschichte draus - und ich weiß auch einen guten Grund dafür, denn diese Elfe verhält sich irgendwie anders als das restliche Elfengesocks". Die erste Überlegung war aber nicht: Was würde mein Charakter machen, sondern: Was würde jetzt irgendwie rocken und dabei noch Sinn ergeben? Und das ist für mich schon eine Frage der im Entstehen befindlichen Geschichte.
Ein bisschen Willkür muss dabei sein, d.h. als Spieler muss man sich so frei fühlen, auch mal die etwas unwahrscheinlichere einer Reihe denkbarer Handlungsweisen zu wählen, einfach, weil man sich erhofft, damit etwas Spaßiges oder Aufregendes anzustoßen. Andererseits: (als Spieler oder SL) einfach nur zu fragen: "Was würde jetzt voll abgefahren cool sein?" und das dann ganz willkürlich zu machen, wird ganz schnell schal, weil Handlungen und Ereignisse keine planbaren Konsequenzen mehr haben, wenn nur noch Willkür und die "Rule of Cool" herrschen. Und damit gibt es auch keine Spannung und keine Überraschung im Sinne einer unerwarteten Wendung der Ereignisse mehr, sondern nur noch eine Aneinanderreihung von Beliebigkeiten - keine Geschichte jedenfalls.
Worauf ich hinaus will: Ich glaube, gerade beim ergebnisoffenen Spiel ist es wichtig, dass Spieler und SL auch immer in der sich entwickelnden Geschichte denken, als Autor. D.h. sie müssen sich einerseits der Integrität von Welt und Figuren verpflichtet sehen und andererseits immer nach den interessanten Wendungen Ausschau halten, die sie unter den Bedingungen dieser Integrität herbeiführen können. Der Punkt ist, dass man dabei nicht versuchen sollte, drei Züge im voraus zu denken, sondern sich immer nur fragen: was wäre genau jetzt, unter Berücksichtigung des Geschehenen und der Gesetze der Welt schlüssig, überraschend, spannend, dramatisch?
« Letzte Änderung: 29.01.2010 | 13:09 von Achamanian »

Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #6 am: 29.01.2010 | 13:03 »
Für ergebnisoffenes Spiel braucht man einfach eine hinreichend genaue Weltmodellierung - die sollte es zu kaufen geben. Man braucht Techniken, wie man die Interaktion zwischen Spielern und Welt hinreichend objektiv entscheidet - die sollte es auch zu kaufen geben.

Hervorhebungen von mir. Warum braucht man das für ergebnisoffenes Spiel? Warum reicht eine herkömmliche Weltbeschreibung und ein improvisierender Spielleiter nicht aus?
Weil der dann "willkürlich" Dinge entscheiden könnte? Wo beißt sich das mit ergebnisoffenem Spiel?

Man braucht als Spieler die Lust und die Chuzpe, sich in Situationen zu werfen und mit dem Unbekannten umzugehen, auf den Zehen zu denken.

Ich glaub, manche Spieler bräuchten eher dier Chuzpe, den Spielleiter als gleichberechtigten Mitspieler, mit dem gleichen Anrecht auf das Anstossen von Wendungen und Überraschungen, zu sehen. Und nicht nur als "hinreichend objektive" Weltmaschine, die das "das Ergebnis ganz den im Vorhinein modellierten Weltgesetzen" überläßt.

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #7 am: 29.01.2010 | 13:04 »

Und wenn man sich die klassischen "Helden-Abenteuer" anschaut, dann sind diese Geschichten eben oft Variationen von unter anderem Detektiv-Geschichten, Schatzsuchen, Kommando-Unternehmen zum Ausschalten des Bösen, (Entdeckungs-)Reisen. Das sind Abenteuer, bei denen der Spielleiter im voraus abschätzen kann, was wahrscheinlich relevant werden wird, und die er entsprechend auch in die Tiefe vorbereiten kann. Auch wenn das hier aus ner bestimmten Ecke immer wieder behauptet wird: Das hat ertstmal nichts mit "unfreiem Spiel" zu tun und benötigt auch kein Railroading.

Jasper hat doch auch nichts gegen eine sorgfältige Vorbereitung gesagt, im Gegenteil. Ich weiß nicht genau, was du mit "Tiefe" meinst, wenn nicht die Vorbereitung der Schauplätze, der von den SC unabhängigen Ereignisse und der Mittel und Motivationen der NSC.


Zu behaupten, nur bei einer Mover-und-Shaker-Kampagne wären die Spieler wirklich frei, seh ich da eher als Indiz ideologischer Scheuklappen.  ;D
Von der Warte her wird das mit dem Missionieren erfahrungsgemäß auch eher schwer...

Hat das wer behauptet?
Es geht doch nicht darum, dass bestimmte Kampagnentypen prinzipiell freier wären. Du kannst eine Mover-and-Shaker-Kampagne genausogut durchrailroaden wie jeden anderne Plot, den du als SL kaufst oder  dir ausdenkst (du musst dafür nur evtl. etwas subtilere techniken Einsetzen, weil die SC nominell mehr Mittel an der Hand haben, um wirklich etwas zu ändern).


Die beiden Kernprobleme beim ungeplanten Kampagnenspiel sprichst du übrigens gar nicht an:
- Wo soll die Tiefe in der Ausarbeitung herkommen (Farbe, Details, Nuancen und komplexere Zusammenhänge), wenn der Spielleiter nur in die Breite vorbereiten kann/darf?

Die Farben und Details kommen aus der hinreichenden Erarbeitung der Umgebung oder wie Jasper das genau genannt hat.
Die komplexen Zusammenhänge werden zum Teil in Form von Figurenbeziehungen zwischen NSC vorbereitet, entstehen aber vor allem im Spiel. Die interessanten komplexen Zusammenhänge sind ja logischerweise die, in die  die SC unmittelbar verwickelt sind, sie können also nur um Spiel (und evtl. bei der Gestaltung der SC-Vorgeschichten) entwickelt werden.

- Welche Mechanismen gibt es um Leerlauf zu vermeiden, wenn der Spielleiter nicht "Regie führen" oder dem Geschehen eine Richtung geben darf?

Erstens darf der Spielleiter doch sehr wohl etwas vorgeben (da hat Jasper doch auch drauf hingewiesen), nämlich Ereignisse, auf die die SC reagieren müssen, sollten, können ... oder auch nicht. Egal ob sie reagieren oder ignorieren, das hat jedenfalls Konsequenzen, mit denen sie sich wiederum herumschlagen müssen.
Natürlich kannst du mit Zombie-Spielern geschlagen sein, die einfach nichts tun, bis du ihnen sagst: "Da lang! und keine Angst, das wird alles ein gutes Ende nehmen!" Dann funktioniert das nicht. Aber das, was Jasper darlegt, ist ja keine Anleitung dafür, wie der SL als Alleinunterhalter jede Gruppe mit jedem Bedürfnis perfekt bespaßt kriegt, sondern ein Vorschlag, wie man als Gruppe spielen kann - und das bedeutet, dass auch die Spieler sich als Gestalter des Geschehens begreifen.

Ich finde, du solltest das Eingangspost echt nochmal aufmerksam lesen, Naga ...

Offline carthinius

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #8 am: 29.01.2010 | 13:20 »
Die beiden Kernprobleme beim ungeplanten Kampagnenspiel sprichst du übrigens gar nicht an:
- Wo soll die Tiefe in der Ausarbeitung herkommen (Farbe, Details, Nuancen und komplexere Zusammenhänge), wenn der Spielleiter nur in die Breite vorbereiten kann/darf?
- Welche Mechanismen gibt es um Leerlauf zu vermeiden, wenn der Spielleiter nicht "Regie führen" oder dem Geschehen eine Richtung geben darf?
Nur kurz, da wenig Zeit.
Erstens: Die angebliche "Tiefe" von Kaufabenteuern müsste auch erstmal bewiesen werden. Da wird auch nur mit Wasser gekocht und in vielen Fällen glaube ich, dass diese Tiefe auch nur durch die geschickte Verschleierung im Plot entsteht. Denn: Die Motivation der beteiligten Personen kann ja in beiden Fällen gleich sein; wenn du moralische Herausforderungen einplanst, vielleicht sogar im "freien Spiel" noch stärker, da die NSC ja nicht geskriptet arbeiten und das Abenteuer keinen Ausgang klar präferiert. Also wo siehst du da die "Breite" und nicht die "Tiefe"? Allein darin, dass eventuell Sachen gegeben sind, die die Spieler nie erfahren werden, weil sie es nie anspielen?
Des weiteren kommen durch ausgearbeitete (Vorlese-)Texte keineswegs automatisch mehr Farbe oder Details ins Spiel, das liegt nunmal zu einem großen Teil am SL, der sowas einstreuen sollte. Auch hier gilt: Nach Bedarf und nicht, weil im Abenteuer gerade steht.

Zum anderen schließt "freies Spiel" ja das "Regie führen" nicht aus. Der SL darf durchaus Schnitte setzen, Ereignisse einstreuen etc. Du bist immer noch an dem von Jasper genannten "Es ist der 30. Ingerimm. Was tut ihr?" Natürlich darf der SL weiterhin Hooks einstreuen, Bomben platzen lassen etc., nur eben nicht, weil er auf ein bestimmtes Ziel hinwill. Einen Serienmörder zu jagen führt halt zu weiteren Morden, nur passieren die halt nicht trotzdem, wenn die Spieler etwas verhindern könnten, weil der Plot es so will, sondern die Aktionen der Spieler haben eine unmittelbare Wirkung auf das Verhalten des Mörders (so sie ihm denn auf den Spuren sind).

Worauf ich hinaus will: Ich glaube, gerade beim ergebnisoffenen Spiel ist es wichtig, dass Spieler und SL auch immer in der sich entwickelnden Geschichte denken, als Autor. D.h. sie müssen sich einerseits der Integrität von Welt und Figuren verpflichtet sehen und andererseits immer nach den interessanten Wendungen Ausschau halten, die sie unter den Bedingungen dieser Integrität herbeiführen können. Der Punkt ist, dass man dabei nicht versuchen sollte, drei Züge im voraus zu denken, sondern sich immer nur fragen: was wäre genau jetzt, unter Berücksichtigung des Geschehenen und der Gesetze der Welt schlüssig, überraschend, spannend, dramatisch?
Sicherlich sollten die Spieler nicht bewusst vor dem Abenteuer wegrennen. Das ist aber vermutlich bei allen Spielarten so. Ich finde den Gedanken, dass SL und Spieler eben genauso Autoren des zu Erlebenden sind, sehr gut und wichtig: Sie sind sich selbst halt verpflichtet, das Abenteuer spannend zu gestalten und sich nicht auf das zu verlassen, dass ihnen von einer anderen Person häppchenweise vorbereitet hat und präsentiert. DAS ist vermutlich das, was Spielern vorher klar sein muss.

Man kann natürlich auch sagen "Das kenn ich nich, das ess ich nich".
Meine itch.io-Seite | Guild of Gnomes, ein Hack von Lasers & Feelings (bisher nur auf englisch verfügbar) | Böser Mond, du stehst so stille, ein Szenario für Warhammer Fantasy RPG 3rd | DURF (Deutsche Ausgabe), ein knackiges, regelleichtes Dungeon-Fantasy-Rollenspiel

WitzeClown

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #9 am: 29.01.2010 | 13:40 »
Hervorhebungen von mir. Warum braucht man das für ergebnisoffenes Spiel? Warum reicht eine herkömmliche Weltbeschreibung und ein improvisierender Spielleiter nicht aus?
Weil der dann "willkürlich" Dinge entscheiden könnte? Wo beißt sich das mit ergebnisoffenem Spiel?

Wenn der Spielleiter willkürlich entscheidet ist für für die Spieler nicht oder kaum mehr ersichtlich welche Folgen bestimmte Aktionen in der Spielwelt haben werden. Die Ereignisse die sich durch solche Entscheidungen ergeben sind dann nicht mehr wirklich Ergebnis der Spieleraktionen. Also kann man das ganze vielleicht noch als offen bezeichnen, nicht aber als ergebnisoffen.

Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #10 am: 29.01.2010 | 13:41 »
Ich finde, du solltest das Eingangspost echt nochmal aufmerksam lesen, Naga ...

Hab ich, und die Kernaussage scheint mir weiterhin "Simulationismus ist der Weg zur Freiheit".
Und da muss ich einfach für mich feststellen: Nö, der ist mir zu einengend.

Wenn man die Allgemeinplätze abzieht bleibt da letztlich nur die Definition "Es wird nicht versucht, dem Geschehen eine dramaturgische Richtung zu geben". Und genau diese Freiheit hätte ich gerne, als Spieler wie als Spielleiter.


Vielleicht häng ich mich da auch etwas zu sehr an den dezenten Seitenhieben auf, etwa:
Zitat
Lange Zeit waren DSA-Abenteuer überwiegend auserzählte Geschichten

Denn hier wird die Art der Geschichte mit der Form in einen Topf geworfen. Reise-, Detektiv- oder Komando-Missionen haben eben einen (bei Erfolg) klar definierten Endpunkt, und von daher ergibt sich der dramaturgische Bogen fast von selbst. Der wird dann aber nicht "nacherlebt", sondern er ergibt sich aus dem Geschehen. Und da find ich Jaspers Grundannahme "Dramaturgie = Nacherleben = passiv = schlecht" schlicht falsch.

Und ohne dieses Kontrastprogramm bleibt halt der Vorteil des von Jasper vorgestellten "Spielstils" arg vage. "Die Spielwelt reagiert auf die Spieler", "NSCs haben Motivationen" etc. sind für mich Allgemeinplätze des Rollenspiels, und nichts was "Freies Spiel" (oder so) von "klassischen Abenteuergeschichten" (oder so) unterscheidet.

Für mich liest es sich halt wieder wie eins dieser "Traktate gegen zuviel Spielleiterwillkür", nur mal wieder etwas anders verpackt. ;)



Zitat
Erstens: Die angebliche "Tiefe" von Kaufabenteuern müsste auch erstmal bewiesen werden.

Da musst du was falsch verstanden haben. Es geht mir nicht um pro/kontra Kaufabenteuer. Sondern darum, dass es Abenteueransätze gibt, die planbarer sind als andere. Je planbarer ein Abenteueransatz, desto besser läßt sich das ausführlich vorbereiten, was nachher auch gebraucht wird (-> in die Tiefe). Im Gegensatz zu "Es werden viele Möglichkeiten vorbereitet, aber nur ein Bruchteil findet Verwendung" (Vorbereitung in die Breite).

Darin seh ich einen deutlichen Vorteil, weil imho viele SLs ihr Improvisationstalent überschätzen. Von daher steh ich einem unreflektierten "Weg von den klassischen Abenteuern" (und auch einem prinzipiellen "Der SL darf sich nicht einmischen") eher kritisch gegenüber.


Nachtrag:
Wenn der Spielleiter willkürlich entscheidet ist für für die Spieler nicht oder kaum mehr ersichtlich welche Folgen bestimmte Aktionen in der Spielwelt haben werden.

Willkürlich bedeutet doch nicht chaotisch, sondern kann genausogut "nach gesundem Menschenverstand" bedeuten. Durchaus unter Berücksichtigung von "Was kann ich noch managen" und "Wie bring ich leben in die Bude".

Von daher deckt sich das so gar nicht mit meinem Erfahrungsstand. Da führen SLs ohne "hinreichend Objektive Regelmechanik" durchaus nicht zu einer widersinnigen oder unplanbaren Spielwelt. ;)


Die Ereignisse die sich durch solche Entscheidungen ergeben sind dann nicht mehr wirklich Ergebnis der Spieleraktionen. Also kann man das ganze vielleicht noch als offen bezeichnen, nicht aber als ergebnisoffen.

Die reale Welt wird auch nicht nur bestimmt durch die Entscheidungen der 'Spieler'. Ist die dann auch nicht mehr 'ergebnisoffen', sondern nur noch 'offen'? Und warum sollte ich mir eine Spielwelt wünschen, die sich nur an den Handlungen der SCs ausrichtet? (Und ist es nicht so, dass Jasper das gar nicht fordert? ;) )
« Letzte Änderung: 29.01.2010 | 13:52 von Naga »

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #11 am: 29.01.2010 | 13:54 »
Hervorhebungen von mir. Warum braucht man das für ergebnisoffenes Spiel? Warum reicht eine herkömmliche Weltbeschreibung und ein improvisierender Spielleiter nicht aus?
Weil der dann "willkürlich" Dinge entscheiden könnte? Wo beißt sich das mit ergebnisoffenem Spiel?

Ich glaube, du verstehst das ganz ehrlich wirklich völlig falsch. Eine "herkömmliche Welt (oder sagen wir mal Setting-)Beschreibung" ist ja vom Prinzip her eine hinreichend genaue Modellierung, nur, dass sie besser sturkturiert und mehr auf Spielbarkeit ausgerichtet sein sollte als bei DSA. Also: Karten. NSC-Werte. NSC-Motivationen.
Und dass der Spielleiter improvisieren muss, geht doch absolut aus Jaspers Darlegung hervor. Natürlich ergeben NSC, Welt und SC keine deterministische Maschine, die dann abschnurrt. Darum geht es ja, dass man die Unwägbarkeiten zulässt, die sich aus erspielten Situationen ergeben, und aus ihnen heraus die Geschichte entwickelt. Dafür müssen Spieler und SL ständig Entscheidungungen treffen (was auch immer ein Moment der Willkür enthält, sonst wäre es keine Entscheidung ... ach, Derrida!) - sie müssen aber nicht im vorhinein im Kopf haben, wohin das alles führen soll. Die SC und die NSC verfolgen vielleicht Zwecke und langfristige Pläne, dass ist aber etwas anderes als der unbedingte Wille des SL, die Handlung in bestimmter Weise ablaufen zu lassen.

Ich glaub, manche Spieler bräuchten eher dier Chuzpe, den Spielleiter als gleichberechtigten Mitspieler, mit dem gleichen Anrecht auf das Anstossen von Wendungen und Überraschungen, zu sehen. Und nicht nur als "hinreichend objektive" Weltmaschine, die das "das Ergebnis ganz den im Vorhinein modellierten Weltgesetzen" überläßt.

Es geht hier doch gerade darum, dass der Spielleiter ein Mitspieler ist, d.h. einer, der auch unterhalten und überrascht werden will, und kein Animateur, der sich als einziger dazu verpflichtet sehen muss, Leerläufe zu überbrücken und dafür zu sorgen, dass eine interessante Geschichte entsteht. Der SL soll doch nicht zum seelenlosen Rädchen in der objektiven Weltmaschine degradiert werden. Die "Maschine", also Welt und Regeln, sind doch dazu da, einen Rahmen zu liefern, in dem SL und Spieler sich gemeinsam von den Wechselwirkungen ihrer Entscheidungen mit der Maschine überraschen lassen können. Oder bist du vielleicht auch der Meinung, dass ein Schachspieler irgendwie "degradiert" wird, indem er sein Spiel den Regeln unterwirft?

WitzeClown

  • Gast
Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #12 am: 29.01.2010 | 14:05 »
@Naga:

Zum ersten Absatz:

Da hast du mich jetzt falsch verstanden. Ich hab weder von "ansonsten chaotischen Zuständen" gesprochen, noch von "objektiven Regelmechanismen".
Ich habe nur gesagt: Sobald der SL die Folgen der Spieleraktionen nach der Prämisse bestimmt: "Es passiert etwas was ich cool finde bzw. was meiner Meinung nach die Geschichte auf interessante weise vorantreibt.", sind die Folgen aus Spielersicht deutlich schlechter abschätzbar, als wenn die Spieler wissen dass der SL sich bei seinen Entscheidungen an die (allen bekannten) Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt hält (wie Jasper es oben ausdrückt).

Natürlich ist es illusorisch hier von binären Zuständen auszugehen. Auch ich lasse mich bei meiner Reaktion auf Spieleraktion in gewissem Maße von persönlchen Vorlieben und guten Ideen beeinflussen, aber ich stelle sie eben meistens hinten an wenn ich merke, dass die Folgen dann zu weit hergeholt wären bzw. zu krass von den (begründeten) Erwartungen der Spieler abweichen.


Zum zweiten Absatz:

Das habe ich auch nirgends behauptet. Liest du eigentlich was du lesen willst?

Natürlich gibt es in der Spielwelt zig andere Akteure und die dürfen natürlich ganz unabhängig von den Spielern agieren, aber auch hier gilt eben wieder: Sobald diese Akteure irgendwelche Handlungen unternehmen, deren Ziel es ist eine "interessante Geschichte" loszutreten und die außerdem noch gegen die Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt verstoßen (Motivation, Ressourcen, etc.), dann kann man auch nicht mehr wirklich von "ergebnisoffen" reden. Dann entwertet man automatisch den Einfluss von Spieleraktionen.

PS: Bitte hör mir mit den blöden Smileys auf.

Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #13 am: 29.01.2010 | 14:09 »
Natürlich gibt es in der Spielwelt zig andere Akteure und die dürfen natürlich ganz unabhängig von den Spielern agieren, aber auch hier gilt eben wieder: Sobald diese Akteure irgendwelche Handlungen unternehmen, deren Ziel es ist eine "interessante Geschichte" loszutreten und die außerdem noch gegen die Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt verstoßen (Motivation, Ressourcen, etc.), dann kann man auch nicht mehr wirklich von "ergebnisoffen" reden. Dann entwertet man automatisch den Einfluss von Spieleraktionen.

Du nimmst für dich heraus, zu erkennen wann die "Folgen dann zu weit hergeholt wären bzw. zu krass von den (begründeten) Erwartungen der Spieler abweichen" oder wann "gegen die Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt verstoßen" wird, traust das aber anderen Spielleitern nicht zu. Das finde ich argumentativ recht unsauber.

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #14 am: 29.01.2010 | 14:11 »

Wenn man die Allgemeinplätze abzieht bleibt da letztlich nur die Definition "Es wird nicht versucht, dem Geschehen eine dramaturgische Richtung zu geben". Und genau diese Freiheit hätte ich gerne, als Spieler wie als Spielleiter.


Das kommt mir mir wirklich wie ein großes Missverständnis vor. Jasper schrieb doch auch:
Zitat
In Wirklichkeit ist die Dynamik wohl etwas komplizierter, weil man sicherlich das bisher Erspielte immer schon als Verlauf "der Geschichte" in die momentanen Entscheidungen einbinden muss. Es ist wirklich wie beim Bildhauen: Ich starte mit einer Idee, meißle, meißle, meißle, trete einen Schritt zurück, und verändere im Licht des Gesehenen das, was ich für mein Ziel halte, und dann wieder von vorne anfangen. Insofern beeinflusst "die Geschichte" schon den weiteren Verlauf, aber eben ... naja dynamischer.

Worum es ihm offenbar ging, ist doch, dass man nicht die geplante Geschichte vorwegdenkt. Das spricht aber überhaupt nicht dagegen, dramaturgisch zu denken, bloß eben vom aktuellen Konflikt her und nicht von dessen Ausgang.

Gerade hatte ich als SL eine DSA-Szene, in der die Gruppe einen Gegenspieler in einer Seitengasse stellt. Es handelte sich um einen Namenlosen-Geweihten, der denm SC ein Antiborbaradianer-Bündnis angeboten hat. Ich habe die Szene spontan zugelassen, weil sich das aus der Folge der Ereignisse ergab (ein SC war am gleichen Ort wie der Geweihte, konnte ihn erkennen und verfolgen) und nicht geplant, ob es jetzt zum Kampf kommt, ob der NSC überlebt, stirbt oder die SC zum Namenlosen bekehrt. Der NSC war vorsichtig, weil er sich einer Überzahl gegenübersah, versuchte aber weiter, die SC zur Zusammenarbeit zu bewegen, die SC waren teils völlig abgeneigt, teils ernsthaft versucht. Es hätte an ein paar Punkten zum Kampf kommen können. Ist es aber nicht, am Ende sind beide Seiten friedlich auseinandergegangen. Das war von mir nicht so geplant, es war auch nicht der "richtige" oder "falsche" Ausgang, es war aber sehr wohl "dramatisch" - weil mehrere SC gezwungen waren, Farbe zu bekennen, schwere Entscheidungen zu treffen usw. Später haben dann zwei der vier SC eine Kommandoaktion gegen den Geweihten gestartet, auch da habe ich nicht geplant, ob sie Erfolg haben, ob sie etwas wichtiges von ihm erbeuten, ob er überlebt oder stirbt. Letztlich ist die Kommandoaktion in die Hose gegangen, der NSC mit dem wichtigen gegenstand entkommen. das war eine dramatische Fortführung der Ereignisse in der Gasse - zwei SC haben sich klar positioniert, durch ihr Scheitern haben sie aber gleichzeitig ihre eigene Position geschwächt, vor den anderen steht ihr Handeln jetzt als übereilt und nicht zielführend da.

Wenn klar gewesen wäre, dass der NSC entkommen muss, aber der Gegenstand erbeutet, und dass die Gruppe ihn geschlossen als Feind betrachten muss, hätte ich ihn zum einen ganz böse, böse, böse spielen müssen, damit ganz sicher niemand in Versuchung gerät, sein Unterstützungsangebot anzunehmen. Und ich hätte ihn dumme Fehler machen lassen müssen, damit die SC den Gegenstand von ihm erbeuten. Und beides ist Mist, weil es gerade nicht dramaturgisch ist. Weil es potentiell interessante Konflikte nicht zulässt, sondern zugunsten einer geplanten Story unterbuttert.

Ich glaube, auch mit der Kritik, Jasper würde Simulationismus propagieren, liegst du völlig daneben - er schreibt doch explizit, dass die Regeln nicht die "naturgesetze" abbilden müssen.

WitzeClown

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #15 am: 29.01.2010 | 14:26 »
Du nimmst für dich heraus, zu erkennen wann die "Folgen dann zu weit hergeholt wären bzw. zu krass von den (begründeten) Erwartungen der Spieler abweichen" oder wann "gegen die Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt verstoßen" wird, traust das aber anderen Spielleitern nicht zu. Das finde ich argumentativ recht unsauber.


Öhm...nö? Wo habe ich das gesagt?

Ich habe nur gesagt, dass der SL der sich bei seinen Entscheidung primär nach Dramaturgie oder persönlichen Vorlieben richtet, sich damit weit vom ergebnisoffenen Spiel entfernt.

Das mit den "Erwartungen der Spieler" im obigen Post war etwas spezieller gemeint: Wenn ich ergebnisoffen spielen will sollten die "Gesetzmäßigkeiten der Spielwelt" und die Methoden die der SL zur Beurteilung von Spieleraktionen nutzt, allen Beteiligten bekannt sein. Dann erst macht es für die Spieler wirklich Sinn ihre Aktionen detailiert zu planen und auf die Spielsitation anzupassen. Weil warum sollte ich mir Gedanken über eine Vorhut oder meine Reiseroute machen, wenn ich weiß dass der dramatische Hinterhalt eben kommt weil es der SL so weill und nicht weil ich zu faul war meine Reise gründlich vorzubereiten.

Und anstatt dir immer kleine Teile aus den Posts anderer Diskussionsteilnehmer rauszupicken, könntest du dir ja mal die Mühe machen ausführlich darzulegen, was dich jetzt genau an Jaspers Ausführungen (oder Achamanians oder meinen) stört.


EDIT: Achamanians Ausführung mit Beispiel kann ich nur beipflichten. Ein ähnliches Verständnis von "ergebnisoffen" habe ich auch.

Offline carthinius

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #16 am: 29.01.2010 | 14:29 »
Liest du eigentlich was du lesen willst?
Fürchte ich mittlerweile auch.

Wenn man die Allgemeinplätze abzieht bleibt da letztlich nur die Definition "Es wird nicht versucht, dem Geschehen eine dramaturgische Richtung zu geben". Und genau diese Freiheit hätte ich gerne, als Spieler wie als Spielleiter.
Nein, es müsste eher heißen: "Wir versuchen nicht auf Teufel komm raus, dem Geschehen eine dramaturgische Richtung zu geben - und erst recht legen wir einen dramaturgischen Rahmen aus, an den man sich zu halten hat." Du hast als Spielleiter mehr Freiheit, wenn dir die Geschichte nicht vorgegeben ist und du frei auf das Geschehen reagieren kannst. Natürlich nicht im luftleeren Raum, aber das hat Jasper auch dargelegt. Wenn ihr alle Drama wollt, macht das doch! Niemand hindert euch! Aber ihr dürft euer eigenes Drama machen, nicht das, das irgendein Autor gerade gern hätte! Verstehst du das nicht?

Denn hier wird die Art der Geschichte mit der Form in einen Topf geworfen. Reise-, Detektiv- oder Komando-Missionen haben eben einen (bei Erfolg) klar definierten Endpunkt, und von daher ergibt sich der dramaturgische Bogen fast von selbst. Der wird dann aber nicht "nacherlebt", sondern er ergibt sich aus dem Geschehen. Und da find ich Jaspers Grundannahme "Dramaturgie = Nacherleben = passiv = schlecht" schlicht falsch.
Ja, der (mögliche!) Endpunkt mag definiert sein, aber doch nicht sein Ausgang, erst recht nicht der Weg dorthin. Heißt: Natürlich geht es darum, dem Schurken das Handwerk zu legen, aber doch nicht nach Maßgabe des Drehbuchs! Deshalb wäre ein solches Abenteuer geradezu prädestiniert dafür, den NSC Verhalten und Motivationen zuzuteilen, ohne einen direkten Ablauf zu vorzugenerieren, an den sich Spieler und SL zu halten haben. Natürlich gibt es einen dramaturgischen Bogen, aber der entsteht im Spiel und nicht, weil ein Autor den gern hätte! Erst wenn du diesen Bogen so nachspielst, wie ein Autor ihn vorgibt (also: "Der Mörder darf nicht vor dem dritten Mord gefasst werden", "die Spieler dürfen nicht am Tatort sein, um den Mord zu verhindern" etc.), dann bist du in der Schiene, die keinerlei Freiheiten zulässt, dann ist der SL nur noch damit beschäftigt, die Aktionen der Spieler zu verhindern oder bestimmte Handlungsoptionen gar nicht mehr zuzulassen. Das ist doch keine Freiheit!

Und ohne dieses Kontrastprogramm bleibt halt der Vorteil des von Jasper vorgestellten "Spielstils" arg vage. "Die Spielwelt reagiert auf die Spieler", "NSCs haben Motivationen" etc. sind für mich Allgemeinplätze des Rollenspiels, und nichts was "Freies Spiel" (oder so) von "klassischen Abenteuergeschichten" (oder so) unterscheidet.

Für mich liest es sich halt wieder wie eins dieser "Traktate gegen zuviel Spielleiterwillkür", nur mal wieder etwas anders verpackt. ;)
Nein, im Grunde ist es nicht einmal das, weil es die Willkür eines Abenteuers ist, auf die nicht einmal mehr der SL einwirken kann. Es geht darum, für jeden am Spieltisch die Optionen zu erweitern: Der SL darf tatsächlich Entscheidungen fällen, die Spieler dürfen tatsächlich frei handeln. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Wie du da immer wieder Sachen hineinlesen willst, die darin nicht stehen, erschließt sich mir einfach nicht!

Da musst du was falsch verstanden haben. Es geht mir nicht um pro/kontra Kaufabenteuer. Sondern darum, dass es Abenteueransätze gibt, die planbarer sind als andere. Je planbarer ein Abenteueransatz, desto besser läßt sich das ausführlich vorbereiten, was nachher auch gebraucht wird (-> in die Tiefe). Im Gegensatz zu "Es werden viele Möglichkeiten vorbereitet, aber nur ein Bruchteil findet Verwendung" (Vorbereitung in die Breite).

Darin seh ich einen deutlichen Vorteil, weil imho viele SLs ihr Improvisationstalent überschätzen. Von daher steh ich einem unreflektierten "Weg von den klassischen Abenteuern" (und auch einem prinzipiellen "Der SL darf sich nicht einmischen") eher kritisch gegenüber.
Du merkst, dass du auch mit Allgemeinplätzen um dich wirfst, oder? Wenn viele SL ihr Improvisationstalent überschätzen, hilft ihnen ein "vorgekautes" Abenteuer auch so gar nicht, sich darin weiter zu entwickeln.
Deine "Tiefe" wird allerdings erkauft durch Zurückbildung der Handlungsoptionen. Zum einen hast du eine bestimmte Richtung, in die du gehen MUSST (selbst, wenn du als SL oder deine Spieler im Spiel das vielleicht gar nicht wollen würden), ohne dass du Werkzeuge hast, die dir die Möglichkeit geben, auf Abweichungen zu reagieren (das, was du "Breite" nennst). Der Trick ist halt, dass sich die "Tiefe" durch die Konstellationen ergeben kann, du sie dir also mit den Spielern im Spiel erarbeiten kannst und musst. Es wird dir nicht vorgegeben, aber du kannst flexibler sein und da die Tiefe erzeugen, wo du sie tatsächlich brauchst (und nicht da, wo dir jemand sagst, dass du sie unbedingt erzeugen musst).
 
Die reale Welt wird auch nicht nur bestimmt durch die Entscheidungen der 'Spieler'. Ist die dann auch nicht mehr 'ergebnisoffen', sondern nur noch 'offen'? Und warum sollte ich mir eine Spielwelt wünschen, die sich nur an den Handlungen der SCs ausrichtet? (Und ist es nicht so, dass Jasper das gar nicht fordert? ;) )
Nein, natürlich passiert nicht nur etwas, weil die Spieler es forcieren. Es passiert immer etwas. Wenn die Spieler den Mörder nicht aufhalten, mordet er weiter. Da basiert es vielleicht darauf, dass die Spieler nichts tun, aber so gesehen passiert so etwas immer. Ergebnisoffen heißt, nur weil die Spieler sich vornehmen, den Mörder zu schnappen, steht noch lange nicht fest, wie die Sache ausgeht. Es kann gelingen, es kann auch in die Hose gehen. Das ist ergebnisoffen.
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Offline carthinius

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #17 am: 29.01.2010 | 14:33 »
Wenn klar gewesen wäre, dass der NSC entkommen muss, aber der Gegenstand erbeutet, und dass die Gruppe ihn geschlossen als Feind betrachten muss, hätte ich ihn zum einen ganz böse, böse, böse spielen müssen, damit ganz sicher niemand in Versuchung gerät, sein Unterstützungsangebot anzunehmen. Und ich hätte ihn dumme Fehler machen lassen müssen, damit die SC den Gegenstand von ihm erbeuten. Und beides ist Mist, weil es gerade nicht dramaturgisch ist. Weil es potentiell interessante Konflikte nicht zulässt, sondern zugunsten einer geplanten Story unterbuttert.
Danke, das ist eine schöne Darlegung, worum es eigentlich geht!  :d
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Offline Lord Verminaard

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #18 am: 29.01.2010 | 14:36 »
Hallo Naga, bevor ich hier einsteige, eine Frage: Was ist dein Ziel in diesem Thread? Akzeptierst du grundsätzlich, dass hier Leute ergebnisoffen spielen und trotzdem spannende Dinge erleben, und bist du interessiert, mehr darüber zu erfahren, wie die das machen? Dann will ich gerne versuchen, den Missverständnissen mit auf den Grund zu gehen. (Dazu müssten wir wohl Jaspers potentiell verwirrenden Exkurs vertiefen.)

Wenn du hier aber eigentlich nur Streit suchst bzw. meinst, deine Spielweise verteidigen zu müssen (die glaube ich gar keiner angreifen wollte, jedenfalls nicht Jasper), dann ist mir meine Zeit dafür zu schade.
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Offline korknadel

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #19 am: 29.01.2010 | 14:43 »
Da der Thread ja was mit DSA zu tun hat, wage ich folgendes Beispiel anzubringen: Ich leite die 7G Kampagne, die Geschichte, wo die Amazonenburg belagert wird. Meine Gruppe hat das anrückende Heer gesehen (zwar nicht ganz, aber das können sie nicht wissen). Die Figuren sind sehr erfahren und schlagen der Amazonenkönigin vor, sich dem anrückenden Heer am Pass, wo der Weg durch einen Hohlweg führt und leicht zu verteidigen ist, entegegenzustellen. Ihre Argumente sind unschlagbar, zumal sie das Verschanzen hinter Burgmauern als rondrianisch unehrenhaft kritisieren.

Die Geschichte hat diese Möglichkeit einfach nicht vorgesehen. Ich war an diesem Abend mit Dummheit geschlagen (hatte viel um die Ohren, hatte wenig Zeit zum Vorbereiten), deshalb musste ich die Königin ein Machtwort sprechen lassen, obwohl der Vorschlag der Gruppe viel einleuchtender war. Das haben die Spieler natürlich gemerkt: "Aha, das Abenteuer sieht halt vor, dass wir in der dämlichen Burg verrecken, na dann, sind wir halt keine Spielverderber und verschanzen uns in dem Kasten."

An dieser Stelle habe ich den Zwang der Geschichte verflucht, und wenn das Material auch nur im Geringsten auf diese Möglichkeit eingegangen wäre, hätte ich mir vielleicht noch zugertraut, das Ding abseits der Geschichte zu improvisieren, aber ich war einfach zu schlecht drauf. Ich schäme mich noch immer dafür.

Sei's drum, jedenfalls wünsche ich mir seither weniger Geschichte. Das heißt ja nicht, dass das Metaplotmäßige Ergebnis am Ende nicht dasselbe sein kann. Aber hätte das Abenteuer einfach nur massig Material zum Setting geboten und nicht eine detailgenaue Beschreibung der Belagerung mit allen möglichen Rondra-Wundern, Predigten und Drachenauftritten, dann hätte man das für die Kampagne relevante Endergebnis auch auf dem Weg der Spieler erreichen können. Das wäre Interaktion mit der Spielwelt gewesen und nicht das Herumschubsen von Pappnasen in einer vorerzählten Geschichte.

Das ist jetzt natürlich sehr viel konkreter als die eher theoretischen Ausgangspunkte des Threads und vielleicht nicht unbedingt ins Schwarze getroffen. Aber konkret muss ja nicht gleich schaden.
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Offline Naga

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #20 am: 29.01.2010 | 14:45 »
Das kommt mir mir wirklich wie ein großes Missverständnis vor.

Das kann durchaus sein, will ich gar nicht ausschliessen.
Aber einige der "Kernpunkte" gehören für mich zu den Grundlagen des Rollenspiels, etwa:
- Der Spielleiter reagiert auf die Aktionen der Spieler, oder
- Die Darstellung der Spielwelt durch den SL sollte plausibel sein.
Also geh ich mal davon aus, dass das nicht der Kern dessen sind, was Jasper eigentlich sagen will. Allgemeinplätze halt. Von daher die Frage: Was ist das Neue am "Freien Spiel"? Oder soll es tatsächlich nur "kein Railroading" bedeuten?


Zitat
Worum es ihm offenbar ging, ist doch, dass man nicht die geplante Geschichte vorwegdenkt. Das spricht aber überhaupt nicht dagegen, dramaturgisch zu denken, bloß eben vom aktuellen Konflikt her und nicht von dessen Ausgang.

Aber auch hier wieder die Frage: Inwiefern ist das praxistauglich? Wenn ein Spielleiter sich nicht alles spontan aus den Fingern saugen will, sondern auf vorbereitete Teile zurückgreifen möchte, dann beeinflusst das doch recht häufig den Ausgang. Sei es weil der Schurke zu einer Örtlichkeit flieht, die der SL vorbereitet hat, oder weil die SCs an einen NSC verwiesen werden, den der SL vorbereitet hat.

Von daher steh ich der Forderung "Der SL darf keine Agenda ausser der Spielwelt-Logik" haben eher kritisch gegenüber.

Oder um jetzt auch mal ein Beispiel auszupacken:
Ein SC ist Erhabener geworden, die SCs wollen ein Paktierer im Dienst eines anderen Erhabenen schnappen. "Zufällig" gibt Fürst einen Empfang für seine Mit-Erhabenen, um den neuen Erhabenen kennenzulernen. Auf dem Empfang gelingt das Kidnapping (auf dem Klo ;) ), kurz darauf sorgt aber auch noch ein Attentatsversuch für Wirbel.

Was davon war "logisch", hinter welchen Aktionen steht eine Agenda des SLs? Ich weiss es nicht, und damit ist es egal.
Fand der Empfang nur statt, um es den Spielern mit der Entführung leicht zu machen? Kann sein, kann nicht sein.
Fand der Empfang nur statt, damit der SL auf vorbereitetes Gelände zurückgreifen kann? Kann sein, kann nicht sein.
Fand der Empfang nur statt, weil der SL seinen bombastischen Attentatsversuch durchziehen wollte? Kann sein, kann nicht sein.

Solange das Ergebnis plausibel ist, ist es doch ziemlich egal, welche Agenden der SL sonst noch verfolgt?


Zitat
Was ist dein Ziel in diesem Thread?

Mein Ziel ist es zu erkennen, was eigentlich das von Jasper eingebrachte "Neue" ist, das in die DSA-Runden getragen werden soll.
Kann sein, dass da meinerseits ein wenig ein Beissreflex gegen Missionierung durchkommt, nur Streit suchen tue ich eigentlich nicht.
« Letzte Änderung: 29.01.2010 | 14:48 von Naga »

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #21 am: 29.01.2010 | 14:54 »
Weil es mir keine Ruhe lässt, komme ich auf mein Beispiel zurück - mir ist nämlich andererseits auch nochmal klar geworden, dass das eine für SL und Spieler einerseits spannende, ergebnisoffene Sitzung war, dass aber sehr wohl auch - und nicht nur kurzfristig - vom weiteren Verlauf der Geschichte her gedacht wurde.
Will sagen: Die Spieler hatten wohl das "Bias", den NSC falls möglich nicht um die Ecke zu bringen, weil es nämlich ein beliebter NSC ist. Mir ging es genauso, und ich habe mich natürlich gefreut, dass der NSC entkommen ist, und ich habe ihn auch eher auf Sicherheit spielen lassen. Zugleich haben die Charaktere später beim Kampf schnell gesagt: "Uff! Wir müssen erst mal seinen krassen Dämon erledigen, sonst zerfetzt der uns, wir können jetzt nicht auf ihn einprügeln!" Das lag sicher auch daran, dass die Spieler ihn lieber entkommen lassen wollten. Insofern haben sie hier schon langfristiger "von der Geschichte her" gedacht: Es gab zwei gut begründbare Vorgehensweisen - erstmal brandgefährlichen Dämon plattmachen oder um jeden Preis den Gegner zur Strecke bringen - und sie haben sich für die entschieden, bei der eine größere Chance bestand, dass ihnen ein interessanter Gegenspieler erhalten bleibt.

Aber: ich habe vor dem Kampf festgelegt, welche Mittel der NSC hat (einen Dämon, einen mächtigen Magiebann, eine Schadens-Karmalwirkung und seinen lächerlichen kleinen Rapier). Das hätten die SC durchaus knacken können, und dann (das ist zumindest mein Vorsatz gewesen) hätte ich nicht die namenlose Kavallerie eintreffen lassen, um meinen Leib-und-Magen-NSC zu retten. Nicht, weil ich so unheimlich konsequent bin, sondern weil damit das Handeln der SC weitgehend egal geworden wäre und wahrscheinlich sofort ein Gefühl der Langeweile aufgekommen wäre, statt des erzielten: "Scheiße! Überleben wir? Überlebt er? Kriegen wir diese dummen Onyx-Splitter?" Und das hätte sich auf die nächste Szene übertragen ("Naja, wenn der wichtig ist, entkommt er eh ..."), und dann wirds eben auf Dauer richtig öde. So habe ich jahrelang gespielt und geleitet, also spreche ich aus Erfahrung ...
« Letzte Änderung: 29.01.2010 | 15:14 von Achamanian »

Achamanian

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #22 am: 29.01.2010 | 15:09 »
Aber auch hier wieder die Frage: Inwiefern ist das praxistauglich? Wenn ein Spielleiter sich nicht alles spontan aus den Fingern saugen will, sondern auf vorbereitete Teile zurückgreifen möchte, dann beeinflusst das doch recht häufig den Ausgang. Sei es weil der Schurke zu einer Örtlichkeit flieht, die der SL vorbereitet hat, oder weil die SCs an einen NSC verwiesen werden, den der SL vorbereitet hat.

Von daher steh ich der Forderung "Der SL darf keine Agenda ausser der Spielwelt-Logik" haben eher kritisch gegenüber.


Es ist ganz offenbar absolut praxistauglich, es sei denn, du glaubst Leuten wie mir oder Jasper nicht, dass sie es:
a) betreiben,
und dass es
b) einen signifikanten unterschied zum leiten eines vorgeplotteten Abenteuers darstellt.

Du bringst auch "Agenda" und "Vorbereitung" durcheinander. Wenn der NSC ein Geheimversteck hat, in das er fliehen kann, dann bereitet der SL das natürlich vor. Der Punkt ist, dass der NSC nicht deshalb zwangsläufig entkommen muss, damit die Charaktere später noch sein Geheimversteck besichtigen können. (So ein Geheimversteck kann man sowieso immer und für zahlreiche NSC gebrauchen, irgendwann entkommt immer mal ein Schurke, den man dann da einquartieren kann - also war die Mühe nicht umsonst!)

Denk dir das Ganze doch einmal von den entscheidenden Konfliktpunkten her - denn natürlich gibt es viele recht vorhersehbare Sequenzen, die Reise durch den Räuberwald, die Erforschung des Spukhauses, auf die man sich nach wie vor mit geringem Aufwand vorbereiten kann. Es gibt aber auch Knackpunkte, an denen sich was entscheidet - wer lebt, wer stirbt, wer wird Freund, wer Feind, wer schafft es, seinen Familienfluch zu brechen, wer lädt sich einen auf. Wenn der Ausgang an diesen Knackpunkten vorbestimmt ist, dann hast du ein eigentlich undramatisches Spiel, weil Entscheidungen, Erfolge und Misserfolge keine Konsequenzen haben. Wenn der Ausgang hier andererseits offen ist, wird jeder darüber hinaus geplante Verlauf infrage gestellt. Wenn du es dann doch - trotz anderem Ausgang - wieder hinbiegst, gilt das Gleiche: im Endeffekt gab es keine Konsequenzen.

Also ist die einzige Lösung, eben maximal bis zum nächsten Knackpunkt zu planen. Und am besten noch offen dafür zu sein, dass es vielleicht vorher zu einem unerwarteten Entscheidenden Konflikt kommt. Das heißt ja nicht, dass du nach diesem Punkt alles wegwerfen kannst: Wahrscheinlich kommen ja immer noch die gleichen NSC vor, die gleichen Konflikte werden an Orten fortgeführt, die sich in der Umgebung befinden.

Was du dabei gewinnst, ist im besten Falle genau die Form von Tiefe und Dramatik, die du bei geplottetem Spiel nicht hast. Und dazu kommt, dass du als SL nicht ganz allein für deren Entstehen verantwortlich bist, sondern dass deine Spieler ermutigt werden, sich als Co-Autoren zu betätigen.

Offline Teylen

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #23 am: 29.01.2010 | 15:12 »
In wie weit ist es sinnvoll die Diskussion auf DSA einzuschraenken?
Ich finde sie interessant, ueberlege etwas bei zutragen bin aber unsicher da mir der DSA Bezug fehlt.
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Offline korknadel

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Re: [DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
« Antwort #24 am: 29.01.2010 | 15:24 »
Zitat
Mein Ziel ist es zu erkennen, was eigentlich das von Jasper eingebrachte "Neue" ist, das in die DSA-Runden getragen werden soll.

Bei individuellen DSA-Spielerrunden kann man das ja nicht entscheiden, denn da spielt ja jede, so wie sie will. Aber anhand der Publikationen wird eben eine gewisse Sache vorgegeben. Und das von mir vorher genannte Beispiel mit der Amazonenburg in der 7G hätte das von Jasper geforderte "Neue" mehr als nötig. Das sähe dann so aus, dass der SL ein Modul in die Hand bekommt, mit dem er den kriegerischen Konflikt in und um die Burg frei gestalten kann -- je nach dem, wie die Spieler darin agieren. Stattdessen aber bekomme ich ein genau vorgegebenes Skript inklusive Predigten. Von den Spielern wird erwartet, dass sie ihren Spielspaß daraus beziehen, das Ganze an der Seite berühmter NSCs mitzuerleben. Es selbst zu gestalten ist dabei kaum vorgesehen, und das Material unterstützt nicht auch nur den geringsten Schritt abseits des vorgegebenen Weges. Freilich muss am Ende des Abenteuers das für die Kampagne entscheidende Ergebnis vorliegen (wobei man selbst da noch improvisieren könnte), aber der Weg dahin ist vollkommen unfrei.

Das ist ein selbst für DSA extremes Beispiel, aber mehr oder weniger ausgeprägt findet sich das fast durchgehend (auch wenn es (Kurz-)Abenteuer gibt, wo das keine so große Rolle spielt oder leicht ausgebügelt werden kann). Insofern kann ich schon erkennen, was Jasper hier im Bezug auf DSA meint.
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