Autor Thema: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler  (Gelesen 3622 mal)

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Offline Beral

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Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« am: 6.02.2010 | 00:53 »
Dies ist ein Versuch, die Beziehung von SL und Spielern systematisch zu durchleuchten. Ich glaube, damit lassen sich einige Unterschiede und Abgrenzungswünsche verschiedener Spielstile befriedigen.

Kooperative Beziehungsform: Das direkte (unmittelbare) Output-Ziel von SL und Spielern ist identisch. Beispiel: Eine Geschichte erzählen.
Die Beziehungsstruktur ist horizontal, ohne eine Hierarchie.
Symbolisch:
SL ---> Story <--- Spieler


Aufgabentrennung: Das direkte Output-Ziel von SL und Spielern unterscheidet sich. Angestrebt werden entweder die jeweiligen Ziele, oder das Emergente Ergebnis, das mehr ist als die Summe der Arbeiten von SL und Spieler. Beispiel: SL simuliert die Welt, Spieler simulieren die Charaktere (Charakterdarstellung).
Die Beziehungsstruktur möchte ich als parallel bezeichnen.
Symbolisch:
SL ---> Weltsimulation      \
                                    |---> emergentes Irgendetwas
Spieler ---> Charsimulation /


Bedienende Beziehung: geht in beide Richtungen.
a) Spieler bedienen den SL. Beispiel: SL erzählt die Story, Spieler machen ganz in seinem Sinne mit.
b) SL bedient die Spieler. Beispiel: Dungeoncrawl. Spieler toben sich aus und powergamen ihre Chars, der SL bedient sie mit den passenden Monstern.
Die Beziehungsstruktur ist vertikal. Es gibt tendenziell eine Empfängerpartei und eine Geberpartei.
Symbolisch:
SL ---> Story
      ^
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Offline Blutschrei

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #1 am: 6.02.2010 | 01:15 »
Naja, das alles scheint mir allgemein genug gehalten, um dem nicht wiedersprechen zu können ;)

Das einzige was wohl noch hinzuzufügen wäre, ist der Umstand, dass bei einigen Spielstilen (Sandbox, Impro, Storytelling) Die Spieler starken, jedoch sehr unterschiedlichen Einfluss auf "Den Plot" haben und somit zumindest den Plot, bei Impro und Storytelling auch die Spielwelt im "physikalischen" Sinne mit "darstellen"/aufbauen.
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Online 1of3

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #2 am: 6.02.2010 | 01:39 »
Bei dem letzten Punkt seh ich einen Haken. Wenn einer nur gäbe und nichts geboten bekäme, warum sollte er dann mitspielen? Es muss schon je irgendwas in beide Richtungen fließen.

Wenn ich z.B. nen Dungeon leite, will ich sehen, ob die Spieler reingehen, wie sie die Monster angehen, wann sie sich zurückziehen, ob einer drauf geht.

Offline Horatio

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #3 am: 6.02.2010 | 03:29 »
Ich glaube worauf Beral hinaus will ist dass im einen Fall die Spieler selbst auch Dinge in den Shared Imagined Space "einbringen" dürfen und im anderen Fall nur der SL dieses "Recht" hat.

Das mit der Aufgabentrennung versteh ich nicht. Alles was ich das raus ziehen kann, ist die alte Formel von Edwards die geht: Character (Spieler) + Setting (SL) = Situation.

Von einem Output Ziel zu reden finde ich irrefürhend. Rollenspiel ist ein Vorgang an sich und Ziel und Zweck ist nicht ein Werk irgendeiner Art herzustellen. Story, wie immer die auch aussehen mag, ist da lediglich ein Neben- oder Abfallprodukt und sonst produziert eine Sitzunge RSP auch nichts ;).

.. aber ich denke noch mal drüber nach, wenn ich etwas Schlaf gehabt habe :D.

You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
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Offline Merlin Emrys

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #4 am: 6.02.2010 | 10:57 »
Wenn einer nur gäbe und nichts geboten bekäme, warum sollte er dann mitspielen?
Das Geben und Nehmen kann sehr vielschichtig aussehen. Ein guter Selbstdarsteller kann dem Publikum sehr viel geben (und zwar in der Tat), ohne daß das ausschließt, daß er nicht selbst etwas bekäme - nämlich eine Bühne. Auf der Ebene der Aufmerksamkeitsökonomie kann er damit der Empfänger sein, während das Publikum auf dieser Ebene komplett "leer ausgeht"; auf der Ebene dessen, was er dem Publikum gibt, geht dafür der Selbstdarsteller "leer aus". Wenn diese Selbstdarstellung nun ihren perfekten Ausdruck im Anbieten einer vielschichtig-quasilebendigen Bühne für die Spieler besteht, schadet es nichts, daß jede Seite in einem Aspekt leer ausgeht. Dafür gibt es ja noch andere, die man in einer Analyse außen vor läßt, um ein auf ein handhabbares Maß vereinfachtes System betrachten zu können.

Ich glaube worauf Beral hinaus will ist dass im einen Fall die Spieler selbst auch Dinge in den Shared Imagined Space "einbringen" dürfen und im anderen Fall nur der SL dieses "Recht" hat.
Auch da reibe ich mich an der Formulierung. Wenn ein Spieler seinen Charakter handeln läßt, bringt er damit etwas in den gemeinsamen Vorstellungsraum hinein. Er ist lediglich im Beeinflussen des gemeinsamen Vorstellungsraums auf das beschränkt, was er über das Werkzeug, das sein Charakter ist, einbringen kann. Der Spielleiter ist in der Wahl seiner Werkzeuge freier. (Aber ich vermute, daß Du das eh so gemeint hast?)

Kooperative Beziehungsform: Das direkte (unmittelbare) Output-Ziel von SL und Spielern ist identisch. Beispiel: Eine Geschichte erzählen.
...
Bedienende Beziehung: geht in beide Richtungen.
Wenn das gemeinsame Ziel von Spielleiter und Spielern ist, sich zu messen, und der Spielleiter zu diesem Zweck nur bestimmte Mittel einsetzen darf, ist das dann kooperativ (gleiches Ziel: faires Kräftemessen) oder bedienend in der Art des Dungeoncrawls? Oder ist der Spielleiter in einer solchen Situation ein Spieler mit einem anderen Werkzeugkoffer?

Offline Naga

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #5 am: 6.02.2010 | 11:14 »
Wie Merylin seh ich das Problem, dass die letzten beiden Kategorien kaum gegeneinander abgrenzbar sind.

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #6 am: 6.02.2010 | 12:11 »
@Beral
Ich sehe das genauso. Ich würde dabei Fall 2 und 3, insofern differenzieren, dass bei Fall 2 ein gemeinsamer Schaffensprozess, aber auf unterschiedlichen Ebenen, besteht, während bei Fall 3 ein klassisches Dienstleistungsverhältnis besteht, wie es auch in der Unterhaltungsbranche besteht, bei dem der Dienstleister (Spielleiter) dem Kunden (Spieler) ein fertiges Produkt (Rollenspiel) leistet und dafür mit sozialen Gegenleistungen (Anerkennung, Geld) entschädigt wird.

Fall 3 müsste also schematisch eher so aussehen:
/-- Erlebnis —--\
|               V
SL           Spieler
^               |
\-- Bezahlung --/

@Horatio
Zitat
Story [...] ist da lediglich ein Neben- oder Abfallprodukt
Komischerweise scheint es viele zu geben, bei denen sich alles um die Story dreht.

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #7 am: 6.02.2010 | 12:18 »
Bei dem letzten Punkt seh ich einen Haken. Wenn einer nur gäbe und nichts geboten bekäme, warum sollte er dann mitspielen? Es muss schon je irgendwas in beide Richtungen fließen.

Wenn ich z.B. nen Dungeon leite, will ich sehen, ob die Spieler reingehen, wie sie die Monster angehen, wann sie sich zurückziehen, ob einer drauf geht.
Nun, dieser Input (auf der Ebene der Wahrnehmung) kann dafür entschädigen, dass du auf der Ebene des Handelns (Output) dich den anderen unterordnest. Ich habe nur die Output-Ebene in die Betrachtung einbezogen. Außerdem kannst du als Dungeonleiter genauso in einer horizontalen oder parallelen Beziehung mit den Spielern stehen.
Das klassische Beispiel für eine hierarchische Beziehung ist das Erzählonkelspiel. Der Meister ist eindeutig der Chef und die Spieler sind eindeutig seine Untertanen. Da es Spieler gibt, die das mitmachen, muss es etwas geben, das für die Hierarchieakzeptanz entschädigt.

Es fließt immer in beide Richtungen, aber bei hierarchischen Verhältnissen eben ungleich verteilt, bzw. so verteilt, dass der direkte Vergleich ungleich ausfällt. Deswegen motzen die Steuerzahler über den Staat. Als Untenstehende müssen sie viel Geld abdrücken, bekommen aber nicht die gleiche Menge Geld zurück. Stattdessen bekommen sie andere Leistungen und Sicherheiten, die sich aber nicht direkt mit den Steuerabgaben vergleichen lassen und die oft gar nicht bewusst wahrgenommen werden.
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Offline Horatio

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #8 am: 6.02.2010 | 12:56 »
@Horatio
Komischerweise scheint es viele zu geben, bei denen sich alles um die Story dreht.
Ich glaube das ist einfach eine schlechte Formulierung die sich da in der RSP Szene eingebürgert hat. Beim Rollenspiel geht es um viele Dinge, wie bspw. die Herausforderung, das Erleben des Charakters oder der Welt, das Schaffen von Konflikten und diskutieren von Themen.

Fakt ist dabei aber, das in allen Fällen am Ende eine Geschichte raus kommt. Was noch lustiger ist, ist dass man dannach nicht mal sagen kann auf welche Art und Weise die Spieler gespielt haben. Partizipationismus? Herausforderungsorientiert? Oder doch die narrative Schiene mir viel Player Empowerment? All das sieht man dem Produkt "Story" nicht an.

Ich geb mal ein Beispiel aus der eigenen Praxis:
Hier eine Actual Play Zusammenfassung. Kann mir wer sagen, wie die Zustande gekommen ist ;)?

Zitat
Eine Gruppe von „Kleinkriminellen“ kommt nach einem eigentlich missglückten Einbruch an ein wertvolles Artefakt auf das allerdings schon die großen Jungs einen Blick geworfen haben und das auch die Polizei, die von der ganzen Sache, aufgrund des missglückten Einbruchs selbst, sehr schnell Wind bekommen hat, wieder haben will.
Bei einer sehr ereignisreichen Verfolgungsjagd durch Gassen und Menschenmengen, schaffen es die SCs sich von den Verfolgern abzusetzen und ihren Unterschlupf zu erreichen. Nach kurzen Schuldzuweisungen führt die allgemeine Paranoia / Vorsicht dazu, dass man sich einen neuen Unterschlupf suche muss, was auch über die Connection eines der SCs erfolgt. Leider zwitschert diese Connection dannach dem Oberboss, wo die Jungs zu finden sind.
Noch bevor er zum Rest in das neue Safehouse geht, schaut der Einbruchsexperte beim Chef der großen Jungs rein um einen Deal auszuhandeln, bei dem bestenfalls alle, aber zu mindestens mal er verschont wird. Nach einer  „Diskussion“ wird das sehr eindeutig abgelehnt und er auf die Straße gesetzt, während Chef schon mal seine Jungs losschickt.
In dem Feuergefecht am Safehouse schaffen es die SCs zu fliehen und zumindest die eine Hälfte ist, aufgrund der schwerwiegenden Umstände, dazu entschlossen das Artefakt bei der Polizei loszuwerden, falls man da einen Deal raus schlagen kann.
Auf der Polizei stellt sich dass dann alles etwas komplizierter raus, insbesondere, da die Muskeln des Teams sich nicht so ganz clever im Verhör verhält und bald klar ist, dass hier keiner unter  20 Jahren wieder raus kommt. Der Hitman der Gruppe, kämpft einen inneren Kampf zwischen Aufopferung und Selbsterhaltung, der letztendlich dazu führt, dass er seinen Jungs die Flucht ermöglicht, in dem Feuergefecht allerdings übelst krankenhausreif geschossen wird. Im Krankenhaus kann er stabilisiert werden und ist „ein wenig sauer“ auf seine alten Kumpels.

So.. wenn aber Story aber allen Ebene und mit allen Ansätzen zwangsweise entsteht, wie kann es dann jemanden explizit um die Story gehen? Wenn ich dannach nicht mal sagen kann, auf Welche Art die Geschichte entstanden ist, wie kann es dann einen Stilspiel geben, der sich gerade nur um die Story kümmert. Gerade das müsste man dem Endergebnis dann ja ansehen ;).

Auch da reibe ich mich an der Formulierung. Wenn ein Spieler seinen Charakter handeln läßt, bringt er damit etwas in den gemeinsamen Vorstellungsraum hinein. Er ist lediglich im Beeinflussen des gemeinsamen Vorstellungsraums auf das beschränkt, was er über das Werkzeug, das sein Charakter ist, einbringen kann. Der Spielleiter ist in der Wahl seiner Werkzeuge freier. (Aber ich vermute, daß Du das eh so gemeint hast?)
Ok, das war so einfach formuliert, dass es falsch sein musste :D. War aber auch spät^^. Ich denke was du sagst trifft es eher.
« Letzte Änderung: 6.02.2010 | 13:13 von Horatio »
You see, it did not matter that setting canon and expected style was being broken,
as long as the characters in the story believed in their roles, the Story Guide believed in the consequences of any actions taken,
and the players believed in the story more than mere setting facts. Whatever the story would be in genre and message,
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #9 am: 6.02.2010 | 15:08 »
Ich verstehe das mit dem Output-Ziel nicht. Warum differenzieren wir danach, wenn es dann um Einfluss geht?
Ich sehe da nur die fundamentale Unterscheidung zwischen SL-autoritärem Spiel und gleichberechtigtem Spiel, die ist ja schon alt, aber wie ich finde eine sehr wichtige. Danach kann man wirklich Spielstile in zwei große Kategorien teilen.

Im autoritären Stil ist der SL kein Spieler, sondern etwas fundamental anderes, er ist fast aus dem Spiel heraus gehoben, häufig sogar über das Spiel hinaus (goldene Regel: "SL hat immer Recht"). In diesem Stil richten sich alle Regeln eigentlich nur an den SL, genauso wie alle Beiträge von Spielern nur Vorschläge für den SL sind, die er in seine Erzählung einarbeiten kann. Das ist wie eine Art Client-Server-Architektur.
Sogar die Definitionen von Rollenspiel sind in diesem Stil häufig so angelegt dass der SL danach gar kein Rollenspiel betreibt, sondern es nur ermöglicht (so wie der Fußballplatz oder der Schiedsrichter auch keine Fußballspieler sind).

Der gleichberechtigte Stil sieht alle Teilnehmer als Spieler denen nur unterschiedliche, frei definierbare Rollen zukommen, die auf eine Weise interagieren wie sie vom System vermittelt wird. Das ist das was wir hier die letzten Jahre größtenteils verbreiten. Die Idee war aber vorher relativ neu, bzw. nicht so klar.

Eulenspiegel

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #10 am: 6.02.2010 | 15:18 »
So.. wenn aber Story aber allen Ebene und mit allen Ansätzen zwangsweise entsteht, wie kann es dann jemanden explizit um die Story gehen?
Es gibt halt einige Spielern, denen geht es um die Story.
Und es gibt andere Spieler, denen geht es um Herausforderung und die Story fällt nur nebenbei ab.

(Manche Leute treiben Sport, um ihren Körper fit zu halten. Andere Leute spielen Sport, weil sie die Herausforderung lieben. Dass ihr Körper dabei fit bleibt, ist nur ein schöner Nebeneffekt.)

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #11 am: 6.02.2010 | 15:47 »
Ich verstehe das mit dem Output-Ziel nicht. Warum differenzieren wir danach, wenn es dann um Einfluss geht?
Gemeint ist das direkte Handlungsziel. Wir differenzieren das, weil es da fundamentale Unterschiede gibt.
Bei der horizontalen Beziehungsform ist das direkte Handlungsziel von SL und Spielern identisch und sie sind gleichberechtigt.
Bei der parallelen Beziehungsform sind die direkten Handlungsziele von SL und Spielern unterschiedlich und sie sind gleichberechtigt.
Bei der vertikalen Beziehungsform ist das direkte Handlungsziel von SL und Spielern identisch, aber sie sind nicht gleichberechtigt, denn eine der beiden Parteien hat die Rolle eines Werkzeug für die andere Partei.
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Offline Zornhau

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #12 am: 6.02.2010 | 15:59 »
Im autoritären Stil ist der SL kein Spieler, sondern etwas fundamental anderes, er ist fast aus dem Spiel heraus gehoben, häufig sogar über das Spiel hinaus (goldene Regel: "SL hat immer Recht"). In diesem Stil richten sich alle Regeln eigentlich nur an den SL, genauso wie alle Beiträge von Spielern nur Vorschläge für den SL sind, die er in seine Erzählung einarbeiten kann. Das ist wie eine Art Client-Server-Architektur.
...
Der gleichberechtigte Stil sieht alle Teilnehmer als Spieler denen nur unterschiedliche, frei definierbare Rollen zukommen, die auf eine Weise interagieren wie sie vom System vermittelt wird.
In diese beiden "Stile" bekomme ich aber folgendes NICHT eingeordnet:

Es gibt Spielende. Und zwar sind das ALLE in einer Spielrunde.
Diese unterscheiden sich in Spieler (meist mehrere) und Spielleiter (meist einer).

Es gibt KLARE Regeln, an die sich ALLE halten.
Dies unterscheiden sich in Regeln, die nur jemand in der Rolle des Spielers beachten kann, und Regeln, die nur jemand in der Rolle des Spielleiters beachten kann, sowie in Regeln, die für BEIDE Arten von Rollen der Spielenden gleichermaßen zu beachten sind.

Der Spielleiter spielt MIT den anderen, aber - durch seine besondere Stellung, seine besonderen Aufgabenbereiche (u.a. definiert durch die besonderen, für die Rolle des Spielleiters geltenden Regeln) - ANDERS als die Spieler.

Der Spielleiter gehört zur Gruppe der Spieler dazu, ist aber nicht TEIL der Gruppe (wie ja auch ein Gruppenleiter nicht Teil der von ihm geleiteten Gruppe ist).

Die Aufgabe eines Spielleiters ist die Aufgabe einer "Führungskraft". Motivation, Organisation, Leitung, Entscheidung, Regelung, Förderung, usw. - Der Spielleiter ERMÖGLICHT aufgrund dieser Aufgaben erst das gemeinsame Spiel der Spieler. - Gibt es keine Basis, auf der das Zusammenspiel erfolgen könnte, und gibt es niemanden, der diese Basis auch exekutiv DURCHSETZT, dann gibt es keine Fairness im Spiel und damit nur ständige Streitsituationen unter den Spielern (nicht etwa den Charakteren). "Anarchische" Gruppen funktionieren nicht. Selbst bei IDENTISCHEN Regeln für alle Beteiligten wird es den Gruppenführer geben, der in Fragen der Regelauslegung, der Anwendung, oder sonstigen strittigen Punkten als ENTSCHEIDUNGS-INSTANZ von allen akzeptiert wird. Der Spielleiter im Rollenspiel ist nichts anderes als diese Rolle in Gruppen formalisiert und als grundsätzliche Notwendigkeit für das gemeinsame Spiel präsentiert.

In dieser Rolle als Entscheidungs-Instanz gilt NICHT etwa die "Goldene Regel", denn diese stellt einen MISSBRAUCH der Rolle dar (wie ein korrupter, bestechlicher Fußballschiedsrichter einen Mißbrauch dessen Rolle als Entscheider im Spiel darstellt).

Es ist so, daß sich die Regeln zunächst einmal an ALLE Mitspielenden richten. Auch wenn es unterschiedliche Gültigkeitsbereiche für manche Regeln gibt, die sich nach der Rolle Spieler oder Spielleiter unterscheiden, so ist die Existenz dieser Regeln ALLEN BEWUSST und die Einhaltung dieser Regeln wird VON ALLEN ERWARTET. - Ein Regelbruch wird nicht nur nicht erwartet, sondern stellt den Regelbrecher außerhalb jeglicher Gruppenbeziehungen, da er die gruppenbildenden "Gesetze" verletzt. Das ist es ja auch, was die "Goldene Regel" so schlimm macht: Es ist eine UN-REGEL! Es ist ein als "Gesetz für alle in der Gruppe" formuliertes "ERMÄCHTIGUNGSGESETZ" sich GEGEN die gemeinsame Spielgrundlage zu verhalten. Das ist DESTRUKTIV für die Bindungskräfte innerhalb einer Gruppe und auch schädlich für die Beziehung des Gruppenleiters/Spielleiters zur Gruppe. Es ZERRÜTTET das Verantwortungsbewußtsein des Anwenders dieser Ermächtigungs-"Regel". Und das stellt ganz grundsätzlich eine STÖRUNG der Gruppe und damit des Spiels dar.

Ich kann daher NICHT zustimmen, daß ein Spielstil, der eine "klassische" Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten von Spielleiter und Spielern darstellt, automatisch eine "Goldene Regel" und ein "SL hat immer Recht" beinhaltet. - Das tut er nur im GESTÖRTEN Falle eines gruppenzerrüttenden Verfahrens, wo sich Einzelne über die Gruppe erheben und sie dadurch schwächen.

Ich kann weiters NICHT zustimmen, daß "alle Beiträge von Spielern nur Vorschläge für den SL sind, die er in seine Erzählung einarbeiten kann". Es GIBT KEINE "Erzählung" während des Spiels, sondern nur NACH dem Spiel. Und da ist schon JEDER Input eines Spielers "eingearbeitet". - Damit eben NICHT jeglicher Input von Spielern durch den "Filter" der Genehmigung durch den Spielleiter erfolgen kann, gibt es ja REGELN.

Regeln legen fest, unter welchen Umständen, welche Art von Input der Spieler zu FAKTEN in der Spielwelt wird. - Da sich ALLE an die Regeln halten, ist das Ergebnis einer Regelanwendung durch die Spieler BINDEND für Spieler UND Spielleiter!

Der Spielleiter spielt die Welt, die Spieler schaffen Fakten darin. - Und der Spielleiter hat diese SOFORT in seiner Weltdarstellung zu berücksichtigen. Der "Einbau" erfolgt mit Feststehen eines Würfelergebnisses UMGEHEND. - Eine "Filterung" auf "Genehmheit" ist NICHT GEGEN DIE REGELN möglich.

Es mag Regeln geben, die hier dem Spielleiter genau diese Filterung zugestehen. Das sind Regelsysteme, die eben genau diese Filter-Instanz - aus welchen Gründen des Regelsystementwicklers auch immer - vorsehen.

Aber auch da gilt: Regeln werden EINGEHALTEN. Von ALLEN!

Das Schlimme an der Goldenen Regeln ist, daß hier ein Spielleiter einem Spieler die Regelanwendung VERWEHREN kann. Damit ZERBRICHT das gemeinsame Fundament der Gruppe, auf dem sie sicher miteinander spielen kann.

Die enorm WICHTIGE, absolut GRUNDLEGENDE Funktion von Regeln und deren DURCHSETZUNG ist das bestimmende Element bei der Spieler-Spielleiter-Beziehung. - Das gilt sowohl bei maximalem "Empowerment" der Spieler, bei beschränkten Spielleiter-Resourcen, bei Erzählrechte-Regelungen, usw.

Offline Dr.Boomslang

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #13 am: 6.02.2010 | 17:52 »
Gemeint ist das direkte Handlungsziel. Wir differenzieren das, weil es da fundamentale Unterschiede gibt.
Naja, ich verstehe wohl deine Systematik dabei einfach nicht. Unterschiede gibt's immer irgendwo, aber wie unterscheidet man?

Den Unterschied den ich genannt habe und der ja bei dir auch vorkommt (horizontal / vertikal = gleichberechtigt / hierarchisch) finde ich einleuchtend, da ist die Art der Differenzierung klar. Ich sehe aber den Sinn der zweiten Unterscheidung nicht, wonach wird da unterschieden? Du nennst das "Output-Ziel" oder "Handlungsziel". Was soll das sein? Gibt es da nicht unendlich viele Möglichkeiten?
Außerdem glaube ich nicht daran dass es diesen Unterschied den du zwischen horizontal und parallel beschreibst überhaupt so gibt. Allein die Begriffe zeigen ja bereits dass diese Sachen nichts miteinander zu tun haben. Können die Spieler nicht kooperativ und gleichzeitig unabhängig agieren? Wo schließt sich das aus? Etwas Emergentes gibt es doch auch immer, immerhin spielen ja alle zusammen und nie wirklich unabhängig. Und irgendwie kooperieren muss man doch auch immer. Du nennst da Story als Beispiel, aber dabei gibt es doch auch unterschiedliche Rollen, warum ist das dann nicht auch Aufgabentrennung und Story emergent? Wie unterscheidet man das?


@ Zornhau
Was die goldene Regel angeht sind wir völlig einer Meinung. Eventuell hast du mich aber missverstanden: Ich stelle die klassische Aufgabenverteilung (SL spielt Welt - Spieler spielen Charaktere) keinesfalls gleich mit autoritärem Stil. Häufig werden diese beiden Sachen nur miteinander verknüpft, oder begründen sich in der ein oder anderen Richtung, z.B. wird gesagt der SL müsse autoritär leiten, da sonst das Spiel in der gewünschten Form nicht aufrecht zu erhalten ist, oder aber er dürfe autoritär leiten, weil die Aufgabenverteilung ihm diese Rechte quasi indirekt gewährt (schließlich enthält die Welt auch die Charaktere, sie sind dieser also quasi "hilflos" ausgeliefert).

Wenn sich, wie du sagst, alle an verbindliche Regeln halten, die auch von allen getragen werden, ist das das entscheidende Merkmal für gleichberechtigtes Spiel. Dass unterschiedliche Gruppen der Reglung gibt ist nichts ungewöhnliches, es könnte sogar jeder seine eigenen Regeln haben. Das würde das Spiel nicht weniger gleichberechtigt sein lassen, so lange die Regelautorität bei allen gleichermaßen liegt.
Im autoritären Stil richten sich alle Regeln an den SL, d.h. auch Regeln die was zu Charakterhandlungen sagen, dienen im Prinzip nur dazu dem SL vorzuschlagen wie er mit den Spielern kommunizieren kann. In diesem Stil berechtigt ein gelungener Angriffswurf den Spieler nicht sich vorzustellen dass sein Charakter auch getroffen hat, sondern es ist nur ein Vorschlag für den SL dass er nun zulassen sollte, dass der Charakter getroffen hat. Wenn der SL es aus irgend einem Grunde in dem Moment besser weiß, dann bedeutet der Wurf gar nichts, oder was ganz anderes. Hier ist nur die Vorstellung des SL maßgeblich. Im gleichberechtigten Stil ist maßgeblich was allgemein kommuniziert und akzeptiert wurde. Dabei gilt das Lumpley-Prinzip, im autoritären Stil nicht.

Der Spielleiter gehört zur Gruppe der Spieler dazu, ist aber nicht TEIL der Gruppe (wie ja auch ein Gruppenleiter nicht Teil der von ihm geleiteten Gruppe ist).
Das kann man so sagen, entscheidend ist aber was das funktional bedeutet. Wenn es hier nur um unterschiedliche Rollen mit unterschiedlichen regeln geht kann das durchaus gleichberechtigt sein.

Deine Idee vom SL als Regeldurchsetzer und Führungskraft, kann ich aber so nicht damit in Einklang bringen. Das würde auf autoritären Stil hinweisen. Jemand darf natürlich durchaus moderierende Funktion für das Spiel übernehmen, im gleichberechtigten Stil hat das aber nichts mit den Rollen im Spiel zu tun, sondern es ist eine außerhalb des Spiels auf sozialer Ebene angesiedelte Funktion, die es z.B. genauso beim Mensch Ärger Dich Nicht geben könnte, obwohl da alle Spieler gleich sind. Meist nimmt so eine Vertrauensfunktion derjenige mit der besten Regelkenntnis ein, was in klassischen Spielen meist der SL ist da für ihn die umfangreichsten Regeln gelten. Das muss aber nicht so sein, z.B. kann man gut beobachten dass Spieler die in ihrer Gruppe meist SL sind die gleiche Funktion für die Gruppe erfüllen wenn sie nicht SL sind, sie erfüllen dann eben nur eine andere Funktion im Spiel.

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #14 am: 6.02.2010 | 20:38 »
Naja, ich verstehe wohl deine Systematik dabei einfach nicht. Unterschiede gibt's immer irgendwo, aber wie unterscheidet man?
Dazu könnten wir glatt einen eigenen Thread aufmachen. Wir können überall unterscheiden. Mein Vorschlag ist keinesfalls exklusiv. Die für mich entscheidende Frage ist, ob eine Unterscheidung für ein bestimmtes Ziel Sinn macht. Mein Ziel ist, Unterscheidungen zu finden, die eine bessere Abgrenzung der Spielstile möglich machen.

Den Unterschied den ich genannt habe und der ja bei dir auch vorkommt (horizontal / vertikal = gleichberechtigt / hierarchisch) finde ich einleuchtend, da ist die Art der Differenzierung klar. Ich sehe aber den Sinn der zweiten Unterscheidung nicht, wonach wird da unterschieden? Du nennst das "Output-Ziel" oder "Handlungsziel". Was soll das sein? Gibt es da nicht unendlich viele Möglichkeiten?
Die Handlungsziele sind die direkten Ziele, auf die SL oder Spieler hinarbeiten. Es gibt prinzipiell unendlich viele Möglichkeiten. Ich habe die genommen, die aus der Praxis und den Diskussionen bekannt sind: Story erzählen, Charakter darstellen, Spielwelt simulieren. Das scheinen einfach die wunden Punkte zu sein. Je nachdem, welche Betrachtungsebene du einnimmst, kannst du hunderte weitere Ziele hinzufügen, die neben den genannten stehen, eine Zusammenfassung davon bilden (Spaß haben ::)) oder die genannten Ziele in kleinere Abschnitte unterteilen (Klappe halten, wenn ein anderer Spieler spricht). Die Möglichkeiten sind unendlich. Ich orientiere mich an dem, was aus der Praxis heraus relevant erscheint und treffe auf diese Weise eine Auswahl aus der Unendlichkeit. Hast du Vorschläge für zusätzliche relevante Unterscheidungen?

Außerdem glaube ich nicht daran dass es diesen Unterschied den du zwischen horizontal und parallel beschreibst überhaupt so gibt. Allein die Begriffe zeigen ja bereits dass diese Sachen nichts miteinander zu tun haben. Können die Spieler nicht kooperativ und gleichzeitig unabhängig agieren? Wo schließt sich das aus?
Die horizontale und parallele Beziehungsstruktur haben insofern miteinander zu tun, als bei beiden keine Hierarchie zwischen SL und Spieler besteht. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der direkten Handlungsziele. Bei der horizontalen Struktur ist das direkte Handlungsziel von SL und Spielern das gleiche, z.B. eine Geschichte erzählen. Sie ziehen sozusagen an einem Strang. Bei der parallelen Struktur sind die direkten Handlungsziele unterschiedlich. Beispiel: Der SL simuliert lediglich die Welt, die Spieler simulieren lediglich ihre Chars. Sie ziehen in diesem Fall an zwei Strängen.
Beispiel für diese Unterscheidung aus der Praxis: Haukrinns ARStelling betont, dass SL und Spieler gemeinsam an der Story werkeln; Settembrini betont, dass er lediglich die Welt simuliert, während seine Spieler allein für ihre Charaktere verantwortlich sind. Die direkte Zielstellung ist einmal eine gemeinsame und einmal eine unterschiedliche.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #15 am: 7.02.2010 | 01:02 »
Bei der horizontalen Struktur ist das direkte Handlungsziel von SL und Spielern das gleiche, z.B. eine Geschichte erzählen. Sie ziehen sozusagen an einem Strang. Bei der parallelen Struktur sind die direkten Handlungsziele unterschiedlich. Beispiel: Der SL simuliert lediglich die Welt, die Spieler simulieren lediglich ihre Chars. Sie ziehen in diesem Fall an zwei Strängen.
Ich sehe immer noch die von dir beschriebene Unterscheidung nicht und warum das mit der Hierarchie zusammen gehört.
SL und Spieler erzählen doch nirgendwo die gleiche Geschichte. Die Spieler spielen ihre Rollen und der SL seine Rollen und daraus ergibt sich dann eine Geschichte die keiner gewollt hat oder als "Output-Ziel" hatte. Wie kommst du drauf dass das auf dieser Ebene ein Unterschied dazu ist, dass der Spieler die Welt "simuliert" und die Spieler ihre Charaktere "simulieren"? Alles was da unterschiedlich ist ist dass wir es einmal "erzählen" und das andere mal "simulieren" genannt haben. Das hat doch nichts mit Emergenz, Parallelität oder Hierarchie zu tun. Warum wirfst du das zusammen?

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #16 am: 7.02.2010 | 01:37 »
Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Mit der Hierarchie hat diese Unterscheidung nichts zu tun.
Bei der parallelen Struktur erzählt man sich eben nicht eine Geschichte. Man tut seine Aufgaben, die nichts mit der Geschichte zu tun haben. Die Geschichte entsteht nebenbei, ohne dass sie jemand geplant oder gezielt angestrebt hätte. In diesem Fall ist sie ein emergentes Nebenprodukt. Im Gegensatz dazu wird die Geschichte beim horizontalen Storytelling direkt erzählt. Sie ist das direkte Arbeitsprodukt, so wie beim parallelen Stil die Charakterdarstellung ein direktes Arbeitsprodukt ist.

Wenn du die Unterscheidung nicht siehst, dann siehst du sie halt nicht. Wir sehen alle eine Menge Dinge nicht. An dieser Kleinigkeit müssen wir uns nicht aufreiben, zumindest ich nicht.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #17 am: 7.02.2010 | 02:08 »
Nicht nur kann ich diesen Unterscheidung nicht sehen, ich sage dass es die gar nicht gibt, zumindest nicht im funktionalen Rollenspiel. Da erzählt keiner eine Geschichte, schon gar nicht zusammen. Im Rollenspiel ist das Ergebnis immer emergent, egal ob man das Story oder sonst wie nennt.
Ein railroadender SL könnte vielleicht allein eine Geschichte erzählen und so tun als hätten die Spieler einen Einfluss darauf, aber was anderes fällt mir dazu nicht ein. Ich kann mir nur vorstellen dass du dir da einen Spielstil fantasierst den du nicht kennst (soll das Narrativismus sein? PtA?).

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #18 am: 7.02.2010 | 10:17 »
Wir können Ameisen programmieren und dabei 20 wenn-dann-Beziehungen festlegen, der jede Ameise folgt. Wenn wir nun die Ameisen spielen, entsteht plötzlich eine funktionierende Kolonie. Die Kolonie ist emergent aus der Darstellung der Ameisen hervorgegangen. Wir planen nicht, wie sich die Kolonie verhält, es passiert einfach.
Wir können die Kolonie auch direkt darstellen und sagen, dass ein Zehntel von ihnen gerade die Königin versorgt, ein Fünftel gerade den Bau ausbessert, ein Zehntel die Umgebung auskundschaftet und der Rest Futter in den Bau schleppt. Und wenn ein Ameisenbär vorbei kommt, malen wir uns die Katastrophe aus, bei der der halbe Bau zerstört wird und erzählen die Geschichte von drei verzweifelten Bauameisen, die Überstunden schieben müssen, um die Löcher zu stopfen. Die Tätigkeit der Kolonie geht hier nicht emergent aus einem Zwischenschritt hervor, wir legen sie einfach fest, wie es uns passt. Und uns ist von vornherein klar, dass wir Hungerkatastrophen und Ameisenbären auf die Kolonie schicken werden, um ihre Stresstoleranz auf die Probe zu stellen und uns an diesem Schauspiel zu ergötzen.
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Offline Merlin Emrys

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #19 am: 7.02.2010 | 11:58 »
Die Kolonie ist emergent aus der Darstellung der Ameisen hervorgegangen.
In den allermeisten Fällen wird das mit hoher Sicherheit nicht passieren. Und in so gut wie allen Fällen, in denen es passiert, ist es das Ergebnis sorgfältiger Untersuchungen und mathematischer Kalkulationen (und oft genug vieler, vieler Vorversuche, in denen es nicht passiert ist). Die Entstehung des Kolonialverhaltens ergibt sich nämlich als Emergenz der "20 wenn-dann-Beziehungen".
Und die Unterschiede zu "einem Zwischenschritt, den wie einfach so festlegen", sind so groß nicht. Daß der "Zwischenschritt" eine Bedrohung und Teilzerstörung ist, gehorcht dramaturgischen Gesetzen, so wie die wenn-dann-Beziehungen Effizienzregeln. Beide werden genommen, weil sie sich bewährt haben. Wir können die Ameisen auch in eine Redundanzsituation schicken und sehen, wie sie auf Langeweile reagieren, bloß wäre das... mit hoher Wahrscheinlichkeit "nicht so spannend". Wir können auch eine Ameisengruppe spielen, die nur zwei wenn-dann-Regeln befolgen: 1.) Was eine Ameise tut (Nestbauen, Nestflicken, Futtersammeln, Brut füttern), geschieht zufällig; 2.) Was immer eine Ameise tut, hat eine Effizienz von 1000%. (Bei nur 4 Optionen muß eigentlich bei statistisch ganz gleichverteilter Wahl ab einer Effizienz von 400% eine Kolonie lebensfähig bleiben, aber ein bisschen Polster ist für Ausnahmesituationen  nie verkehrt.) Die Darstellung der Ameisen kann dann ziemlich beliebig sein, solange sie genau das ist (nämlich beliebig, zumindest was die Wahl der Tätigkeit angeht), bleibt die Kolonie bestehen. Daß da ein stabiles System ermegieren kann, steckt in den beiden Regeln: keine Präferenz und hohe Effizienz.

Offline Dr.Boomslang

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #20 am: 7.02.2010 | 15:05 »
@Beral
Ich weiß schon was Emergenz bedeutet. Ich sage dir, das ist im Rollenspiel immer so, ansonsten hat es gar keinen Sinn. Wenn im Rollenspiel irgendwer plant, dann nur einen Teil, selbst wenn man zusammen planen sollte, der Rest ist wieder emergent, das ist doch der ganze Sinn beim Rollenspiel.
Sag mal das Beispiel was du im Kopf hast für Rollenspiel ohne Emergenz und vor allem mit Kooperation und ohne Aufgabentrennung (das was Punkt 2 von 1 unterscheidet).

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #21 am: 7.02.2010 | 15:32 »
Natürlich haben wir es im Rollenspiel an jeder Ecke mit Emergenz zu tun. Emergenz findet auf den verschiedensten Ebenen statt. Ich versuche einen ganz bestimmten Zusammenhang aus der Fülle der möglichen herauszukristallisieren und nur diesen einen Zusammenhang auf Emergenz zu testen. Dieser Zusammenhang ist die Beziehung der Mitspieler zur Story.

Für die Storyteller ist die Story das direkte Handlungsergebnis. Die Story entsteht nicht emergent, sie wird aktiv gestaltet (dabei vollziehen sich selbstverständlich emergente Prozesse, in den Gehirnen, zwischen den Spielern usw., auf diesen Ebenen interessiert mich Emergenz aber nicht; ich schaue hier nur auf die Beziehung von Mitspielern zur Story). Die Handlungen sind direkt auf die Story ausgerichtet. Der Charakter verhält sich so und nicht anders, weil es für die Story gut ist. Für die NSCs gilt das umso mehr. Story ist das gestaltete Hauptprodukt. Als Nebenprodukte werden dadurch Spielwelt und Chars (emergent!) beeinflusst.

Settembrini dagegen hält nichts von Story. Er weigert sich, sie direkt zu gestalten. Er kümmert sich nur um die Welt. Seine Spieler kümmern sich nur um ihre Charaktere. Als indirektes Ergebnis kommt irgendeine Form von Story raus. Ungeplant, nicht aktiv gefördert. Sie entsteht "echt" emergent. Die aktiv gestalteten Hauptprodukte sind Spielwelt und Chars.

Wenn du behauptest, dass es diese Unterscheidung nicht gibt, bist du vielleicht der richtige Mann, um zwischen Settembrini und den Erzählspielern zu vermitteln und ihnen klar zu machen, dass sich ihre Spielstile gar nicht unterscheiden, weil sie doch alle eine Story erzählen.
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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #22 am: 7.02.2010 | 17:22 »
Die Handlungen sind direkt auf die Story ausgerichtet. Der Charakter verhält sich so und nicht anders, weil es für die Story gut ist. Für die NSCs gilt das umso mehr.
Aber es kann doch niemand "die Story" beeinflussen. Der eine erzählt was ein SC macht, der andere erzählt was ein NSC macht und dann erhält man eine Story. Auch wenn beide das so beabsichtigt haben, konnten sie doch beide gar nicht an der selben Story arbeiten, weil sie unterschiedliche Rollen, unterschiedliche Informationen und Einflussbereiche haben und zwar die gleichen wie du sie bei der Aufgabentrennung beschreibst.
Umgekehrt ist auch bei deiner Aufgabentrennung überhaupt nicht klar dass niemand das "emergente Etwas" nicht haben will. Die Spieler "simulieren" die SC, der SL die Welt, aber beide machen das in Interaktion, die sich nicht von dem anderen Beispiel unterscheidet. Ich nehme dein Zitat mit leichter Änderung: "Die Handlungen sind direkt auf die Simulation ausgerichtet. Der Charakter verhält sich so und nicht anders, weil es für die Simulation gut ist. Für die NSCs gilt das umso mehr."
In beiden Fällen liegt die Aufmerksamkeit nicht mehr oder weniger auf irgend einem Ziel oder einer direkten Aktion (der Spieler), bzw. ist das eigentlich beliebig, wo die Aufmerksamkeit liegt. Tatsache ist dass die Interaktion immer gleich abläuft, nämlich so wie in einem normalen Rollenspiel.

Den Unterschied den ich hier erkenne ist der Unterschied zwischen Simulation und Story, aber der zeigt sich nicht da wo du ihn hier verortet hast, nicht in der "Beziehung zwischen SL und Spieler", was ja das Thema hier ist.

Offline Beral

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Re: Spielstile: Beziehung zwischen SL und Spieler
« Antwort #23 am: 7.02.2010 | 18:44 »
Den Unterschied den ich hier erkenne ist der Unterschied zwischen Simulation und Story, aber der zeigt sich nicht da wo du ihn hier verortet hast, nicht in der "Beziehung zwischen SL und Spieler", was ja das Thema hier ist.
::)
Schau doch ganz an den Anfang, da ist nicht nur von SL und Spielern die Rede, sondern auch von Chars, Welt und Story als den direkten Handlungszielen. Ich habe letztere mit in die Betrachtung einbezogen, und es nicht in den Topic reingeschrieben. Asche auf mein Haupt, vielleicht kannst du mir verzeihen.

Wenn du nur die Beziehung zwischen Spielern und SL betrachten möchtest, reichen die beiden Skalen vertikal und horizontal.
Die Skala parallel ist dazu gekommen, um einen wesentlichen Unterschied zwischen Spielstilen mit horizonaler Beziehungsstruktur nicht untergehen zu lassen. Machttechnisch ist der parallele Stil ein horizontaler.
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