Seit gestern bin ich wieder Spieler und nicht mehr SL in unserer DSA-Runde, und wir sind wieder voll ins "klassische" DSA-Schema eingetreten (Märchenonkelei, Kämpfe, bei denen die Gegner sich genau dann zurückziehen, wenn man bei 5 LP ist, NSC bei wichtigen Dingen zuschauen, den ganzen Abend lang keine einzige Entscheidung von Relevanz treffen ...). ich werd das wohl echt mal wieder mit ihm besprechen müssen und Kompromisse suchen, aber hier erst mal etwas, was mir gestern konkret aufgefallen ist und wozu mich die Praxis anderer DSA-Gruppen interessieren würde:
Mutproben zur Ermittlung von Handlungsfähigkeit sind das letzte! Und Mutproben hat es gestern abend gehagelt wie nichts anderes. das hat mich natürlich besonders als Spieler eines eigentlich "mutigen" Charakters gestört, der dann in ein paar willkürlichen Situationen plötzlich gelähmt vor Angst war und nicht handeln konnte. Was dann dazu führt, dass man in der nächsten Kampfrunde eine SB-Probe kriegt, die um das doppelte der Punktedifferenz bei der misslungenen Mutprobe erschwert ist, um sich zusammenzureißen und doch was zu tun. Und wenn man die wieder nicht schafft, dann kann man es irgendwann wieder tun, wenn dem Meister danach ist.
Das hat so viele Nachteile, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll:
Erstens wird einem die Kontrolle über die Entscheidungen des Charakters aus der Hand genommen, was immer mindestens problematisch ist (klar, unter Magieeinfluss oder Besessenheit ist das was anderes).
Zweitens ist ein negatives Ergebnis eigentlich nie und von niemandem erwünscht - der Spieler ist genervt, weil sein Charakter nicht agieren kann, der SL ist genervt, weil er sich überlegen muss, wie er den Spieler trotzdem einbindet, und letztlich würfelt man möglichst schnell möglichst oft, bis irgendeine Probe gelungen ist, die rechtfertigt, dass der Charakter jetzt mal was machen kann. Womit man sich die Mutprobe auch gleich hätte sparen können.
Drittens: Mutproben u.ä. erzeugen ein inkonsistentes Bild vom Charakter. Z.B. ersichtlich an den Ängsten. Mein Ritter hat Höhenangst 6 und muss beim Drachenritt eine Höhenangstprobe machen, sie missglückt mit 11 oder so. Der Magier hat nur Höhenangst 4, schafft seine Probe aber mit 2. Der Magier ist nun "gezwungen", seine Angst auszuspielen, mein Ritter hat dagegen die Wahl. Beim nächsten Mal ist es vielleicht andersrum. Ähnlich mit Mutproben: Mal bietet man dem Dämon tapfer die Stirn, beim nächsten Mal verkriecht man sich schreiend in der Ecke.
Klar kann mein Charakter Angst empfinden (das darf auch notfalls durch einen Würfelwurf entschieden werden, z.B. wenn die magische Schreckensaura eines Dämons im Spiel ist), wie er damit umgeht, ist aber immer noch seine Sache.
Jetzt sagen wahrscheinlich einige dagegen "Aber es ist doch völlig unglaubwürdig, dass die Helden immer ohne mit der Wimper zu zucken den größten Schrecken trotzen!", und das hat man sich bei der DSA-Redaktion wahrscheinlich auch gedacht. Nur ist das völlig inkonsequent: Denn es wird ja andererseits erwartet, dass die Helden als Helden den größten Schrecken trotzen. Die Abenteuer sehen das vor, und Mutproben sind dabei eigentlich immer nur Bremsen, die das unvermeidliche ein bisschen verzögern. Deshalb ist die typische vorgeschlagene Konsequenz einer misslungenen Mutprobe ja auch ein witzloses "handlungsunfähig".
Die scheinbare Notwendigkeit für so einen widersinnigen Mechanismus hängt natürlich damit zusammen, dass die DSA-Abenteuer dazu neigen, den SL zu Kämpfen anzuhalten, die für die Helden weitgehend risikofrei sind (sprich: Bitte, lieber Meister, lass niemanden sterben, denn es ist noch nicht der Endkampf!). Als Spieler habe ich da natürlich wenig Respekt auch vor formidablen Gegnern, und das überträgt sich in gewissem Maße auch auf die Haltung meines Charakters. Müsste ich um meinen Charakter fürchten, würde ich ohnehin schon freiwillig mehr Angst oder Vorsicht ausspielen. Und wenn nicht, müsste ich eben mit den Konsequenzen leben. Bei DSA ist die Tendenz aber eher, dass man als Spieler weiß, dass schon nichts passiert, mit seinem Charakter aber bitte die Ernsthaftigkeit der Lage angemessen ausspielen soll.
Zum anderen gibt es bei DSA auch immer wieder dieses seltsame Unvertrauen in die Spieler, dass sie selbstgewählte Nachteile auch ausspielen. Wenn mein Ritter Höhenangst 6 hat, dann fürchtet er sich beim Drachenritt, egal, was er würfelt. Andererseits will ich mir auch nicht vom SL sagen lassen, dass er den ganzen Flug lang wie en Baby schreit, weil ich zufällig eine 1 würfele. Was mein Charakter empfindet, darüber bin ich noch bereit, ein Stück Kontrolle abzugeben, aber wie er mit seinen Empfindungen umgeht soll bitte ganz allein meine Sache sein. Die Spieler dazu zu zwingen, einen "komplexen" Charakter mit Ängsten und Schwächen zu spielen geht sowieso in die Hose. Entweder, ein Spieler will diese Momente für seinen Charakter, dann wird er sie auch ausspielen, oder er will sie nicht, und dann muss man ihn auch nicht gängeln, indem man seinen Charakter in einer Art und Weise handeln lässt, die dem Spieler missfällt. Dabei gewinnt nämlich keiner was, und "gutes Rollenspiel(TM)" kommt mit solchen Erziehungsmethoden sicher auch nicht raus.
Komischerweise muss ich aber feststellen, dass ich z.B. nichts gegen Schreckenssysteme wie das von Unknown Armies habe, das produziert in meinen Augen ganz hervorragende Handlungsanregungen. Vielleicht hat das aber auch damit zu tun, dass bei Unknown Armies Flucht- und Panikreaktionen besser "bespielbar" sind als bei DSA, weil die Abenteuer eben in dieser Beziehung viel offener sind. Bei DSA ist meistens eindeutig, dass eine Begegnung in bestimmter Weise "absolviert" werden muss, also z.B. durch einen Kampf, und wenn die Gruppe plötzlich flieht oder eingeschüchtert zu verhandeln versucht, dann ist das Abenteuer gleich wieder aus den Fugen ... da frage ich mich, warum baut man einen Mechanismus wie die Mutprobe überhaupt ein, wenn er solche vorgescripteten Abenteuerabläufe erstens nur ausbremst, zweitens den von der Redaktion nahegelegten Spielstil (Also: Die Helden sind Helden, sie sind mutig und tun, was getan werden muss) stört und den Spielern drittens noch mehr Kontrolle nimmt, als das bei diesen gescripteten DSA-Abenteuern eh schon der Fall ist?