Okay, Freunde, ich war am Wochenende drin und finde der Film ist rezensionswürdig. Hier meine Meinung zu ihm:
Ich hab ihn immer verteidigt.
M. Night Shyamalans Filme stoßen bei vielen Zuschauern ja nicht eben oft auf viel Gegenliebe, aber ich fand seine Filmsprache immer toll. Na gut, spätestens nach „Unbreakable“ haben seine unvorhergesehenen Wendungen gegen Ende ein wenig aufgesetzt gewirkt, aber man kann ihm nicht vorwerfen, dass seine Filme nicht ästhetisch durchdesignt gewesen wären. Ich mochte „The Village“, weil er mit den Erwartungen des Zuschauers spielt. Ich mochte „Signs“, weil es eigentlich ein Film übers Glauben ist, der im Alieninvasions-Genre ein paar andere Akzente setzt. Ich mochte „The Happening“, weil Shyamalan hier das Harmloseste, was man sich vorstellen kann, zum Aggressor macht... und weil die Leute sich selbst umbringen, eine Vorstellung, die ich schrecklicher finde als alle Monsterviecher, die kommen könnten, um Menschen zu eliminieren.
Kurz: Ich hab Shyamalan von der Kritik häufig genug für unterschätzt gehalten – nur, weil einige seiner Filme so anders sind als „The Sixth Sense“, sind sie nicht unbedingt schlechter.
Als ich dann hörte, dass Shyamalan sich des „Avatar“-Stoffes annehmen würde, war ich also nicht empört, wie viele andere, die das Projekt lieber bei einem Steven Spielberg gesehen hätten (von dem ich bei aller Liebe nicht glaube, dass er einen solchen Stoff drauf hätte) – und als ich das Gespräch von M. Night und Konietzko und DiMartino gesehen hatte, war ich sogar der festen Überzeugung, dass es etwas Tolles, etwas Großes werden würde. Man hat gemerkt, wie sehr Shyamalan der Stoff selbst am Herzen lag. Und da „Avatar“ wohl eine meiner Lieblingsserien ist, wusste ich sie in guten Händen...
Bis gestern, denn da habe ich mir den fertigen Film angesehen... und die „Legende von Aang“ entspricht nicht im Geringsten dem, was ich mir für die Serie gewünscht hätte.
Aber zuerst die gute Nachricht: Visuell ist der Film durchaus beeindruckend. Die Kulissen sind extrem auf dem Punkt und bauen ein schönes Bild der Welt auf, in der „Avatar“ spielt (die Stadt des nördlichen Wasserstamms, fantastisch). Lediglich die Feuernation hätte für mich ein bisschen mehr nach Vulkan, Rauch und dichter Besiedlung aussehen können – in einer Szene überblickt der Feuerlord eine weite, gräserne Savane von seinem Palast aus. Irgendwie unpassend, wenn auch natürlich ein schöner Kontrast zu den Internierungslagern im Erdkönigreich (hübsche Interpretation übrigens). Auch die Bändigerkräfte (bis auf Wasser, denn das sieht irgendwie sehr künstlich aus, war aber wohl auch am Schwersten zu visualisieren) sehen gut aus. Kostüme sind auch passend. Kurz: Der Film ist von vorne bis hinten hervorragend ausgestattet.
Nun die schlechte Nachricht: Der Rest stimmt einfach nicht. Wer sich an die Rassismusvorwürfe beim Casting von Seiten der Fans und Kritiker erinnert, der wird feststellen, dass der Film durchaus Multikulti ist: Die Bewohner des Erdkönigreiches sind gänzlich Ostasiaten, die Feuernation besteht aus Leuten mit bronzener Haut und Aangs Mentor Mönch Gyazo ist ein Schwarzer. Dennoch kommt man nicht Drumrum zu bemerken: Jede Hauptrolle, die nicht auf der bösen Seite (Feuernation – schrecklich unambivalent dargestellt) steht, mit Ausnahme von Zuko wurde mit Weißen besetzt. Noah Ringer nehme ich den Aang noch gut ab (er sieht ihm einfach sehr ähnlich und hat mich insgesamt auch überzeugt), Jason Rathborne ist als Sok-ka (nein, Suh-ka... nein, Soh-ka...) wenigstens gut zurechtgemacht, Katara vermittelt aber schon allein von der Optik der Schauspielerin nichts von der Figur, für die sie gecastet wurde. Und Zuko... der versucht die Ganze Zeit so krampfhaft böse zu wirken, dass es davon ablenkt, dass die Figur Zuko einfach nicht böse ist, sondern zornig... auf sich selbst, seinen Vater, die Welt. Klar, dass er dann auch im Film keinen Onkel braucht, der gelassen seinen Tee schlürft und mit chinesischen Weisheiten um sich wirft – es gibt zwar einen Onkel Iroh, aber der ist weit vom dicklich-gemütlichen alten Sensei entfernt, sondern eher ein grimmer Veteran mit langen Dreadlocks und ruhigem Gemüt. Ich würde ihn mit einem Schwertkampflehrer eines typischen, westlichen Fantasyfilms vergleichen – Brom aus „Eragon“ trifft es schon recht gut. Bis hierhin war das Ganze noch irgendwie erträglich: Aber Gran-Gran hat mich dann doch geschafft. Die Dame, die dafür besetzt wurde sieht dermaßen nach
White Anglosaxon Protestant aus, dass man denkt, man sei in einer amerikanischen SitCom-Kleinstadt und nicht am Südpol. Lächerlich wird das Ganze, wenn man darauf achtet, dass die Südpolkinder tatsächlich zum Großteil Inuit oder Indianer oder Asiaten zu sein scheinen... die werden wahrscheinlich auch weiß, wenn sie mal groß sind. Und Meister Pako, der Wasserbändigermeister mit dem roten Schnurrbart – ich mag gar nicht dran denken. Prinzessin Yue war schon wieder gut besetzt... das Mädel war wohl eine Latina und hatte entsprechend einen dunkleren Hautton im schönen Kontrast zu dem weißen Haar – ging gut. Und die Synchronisation: Naja, Zukos Stimme klingt wie die des neuen Batman, nämlich betont
BÖSE.
Aber genug davon: Ich hab auch gar kein Problem damit, dass die Leute vom Wasserstamm alle weiß sind, nee, ist schon in Ordnung... das fällt unter künstlerische Freiheit und ist so schlimm auch wieder nicht. Ich steh sogar drauf, wenn Filmemacher eine Vorlage nicht einfach nur bebildern, sondern interpretieren (die Feuernation als Indien zu sehen finde ich sogar elegant, müsste optisch aber konsequenter ausgeführt sein). Aber inwiefern das zur Gesamtaussage beiträgt, ich weiß nicht... außer dem westlichen Sieg über die terroristische Unterdrückung durch die nahöstlichen Mächte will mir da nicht so recht was einfallen. Und ich wäre mit dem Casting gut klar gekommen, jedoch nur, wenn das Besondere der Charaktere auch dann gewahrt geblieben wäre. Und das war nicht der Fall, denn das Skript war derart hölzern, brachial und seelenlos, dass ich es kaum beschreiben kann. Katara und Sokha sind austauschbar, das könnten auch zwei vollkommen andere Personen sein. Was die Vorlage mit so großartig gemacht hat, waren die sehr facettenreichen und interessanten Figuren, die wandlungsfähig waren und deren Persönlichkeiten voller Konflikte steckte. „Die Legende von Aang“ bietet nichts von dem. Kataras Sturkopf, ihre mütterliche Art und dass sie viel zu schnell erwachsen werden musste – Sokhas lockere Sprüche, seine Selbstüberschätzung und sein Hass auf die Feuernation – Irohs weiser, beruhigender Charakter, der tiefe Trauer über den Verlust seines Sohnes verbirgt – Zukos krampfhafter Versuch, seinem Vater zu gefallen, sein Selbsthass, sein unterdrückter Zorn – Aangs Liebe zu Appa und Momo, sowie sein kindliches Gemüt, dass mit einer harten Realität konfrontiert wird... von all dem ist im Film nichts übrig geblieben. Es gibt Andeutungen, aber grade im Fall von Katara und Sokha kriegt man als Zuschauer da gar nichts, außer einem gelegentlichen Voice-Over von Katara, das dann zusammengerafft schildert, wo alle grade sind und was sie so tun und fühlen. Dialoge laufen nach Schema: Schuss, Gegenschuss, Schuss, Gegenschuss, Szenenwechsel. Und dann quetschen die Leute in jeden Satz noch irgendwie den Vornamen mit rein („Ich bin deiner Meinung, KATARA. Wir müssen ihm helfen, KATARA.“). Mein Lieblingsdialog ist da der zwischen Aang und Zuko, bei dem Aang Zuko halb auftaut, als dieser in einem Eisblock gefangen ist und dann wirklich Folgendes sagt: „Bleib hier, sonst werden die Wasserbändiger dich töten. Wir können Freunde sein.“ und dann sofort den Raum verlässt – kein Abwarten auf eine Antwort, keine Drohungen von Zuko hinterher, noch nicht mal eine Aufnahme von Zukos Mimik in dieser Situation – wie bei so vielen Dialogen in „Die Legende von Aang“ läuft hier emotionales Potential ins Leere. Letztendlich hatte Yue mehr Charakter als Katara. Dass so viel Charakterentwicklung dem Rotstift zu Opfer gefallen ist, dafür aber die Actionszenen übermäßig viel Länge im Film einnehmen, aber auch nicht funktionieren, weil dafür wie im Rest des Films auch die dynamische Kameraführung fehlt (der Film geht äußerst sparsam mit Großaufnahmen und Nahaufnahmen um, sondern zoomt lieber aus der Totale ran oder bleibt in der Amerikanischen – grade beim Kampf hätte man Mut zu ein paar weichen Schnitten in die Großaufnahme haben können, damit das Geschehen einem näher scheint. So bewegt sich die Kamera oft im Kreis um den Kampf herum). Aangs letzter Kampf bei der Belagerung des Nordens geht dank des vielen Slow Motion noch, aber dem Erbändigen im Internierungslager fehlt der Pfiff (und irgendwo auch die Logik). Und Identifikation mit den Figuren ist auch schwierig, weil die Kamera sehr häufig zu sehr auf Distanz bleibt.
Auch in der Story wurde soviel rausgestrichen, dass denen, die die Serie nicht kennen, einfach Informationen fehlen oder Logiklücken das Sehvergnügen schmälern: Wenn die Erdbändiger im Lager so krass und in der Überzahl sind, warum putzen sie die paar Feuerbändiger da nicht einfach weg und brechen nach Bah Sing Se auf? Wieso sind die beiden Geisterfische Mond und Meer am Nordpol denn Ying und Yang – sind das nicht eigentlich zwei universale Prinzipien und nicht zwei spezifische Geister? Was ist das eigentlich für ein komisches Glühen, was Aang immer so umgibt, wenn er besonders krasse Bändigungssachen macht? Hat Aang die Feuerschiffe am Ende versenkt oder nicht? Nach dem Motto „Location, Location, Location“ hetzt die Geschichte einfach von einem Plotpunkt zum nächsten, nimmt sich nicht die Zeit oder Ruhe, irgendetwas langfristig zu ethablieren. Als Fan vermisst man natürlich vieles (die Kriegerinnen von Kiyoshi, die in der Serie ein echter Hingucker waren, fielen dem Rotstift zum Opfer... und das Dorf Kiyoshi wurde im Film von den Einheimischen als eines der „schwächsten Dörfer im Erdkönigreich“ bezeichnet – ich musste in mich hineinlachen). Fazit: Der Film hätte etwa so 1 Stunde mehr Zeit gebraucht, die nman hauptsächlich mit Dialogen hätte füllen sollen – vor allem ernsthafter Charakterdialog, der nicht oberflächlich bleibt, hat wirklich gefehlt. Dieser Film ist offensichtlich auf Kinder ausgerichtet (obwohl es da auch schon wieder krass ist, das Commander Zhao von den Wasserbändigern des Nordpols in einer Wasserblase erstickt wird), doch selbst mein 12-jähriger Cousin fand ihn wirklich mies.
Vielleicht gucke ich zu deutlich durch die Fanbrille: Es ist kein Geheimnis, dass es für Liebhaber einer Sache bei einer Übertragung in ein anderes Medium immer genug zu merken gibt – das können Harry Potter-Fans, Star Wars-Fans oder auch Tolkien-Fans bestimmt bestätigen. Aber auf mich hat der Film den Eindruck gemacht, als würde jedem, der die Vorlage nicht kennt und sich „Die Legende von Aang“ ansieht, die Frage in den Sinn kommen: „Und was ist an diesem 'Avatar'-Zeug jetzt so toll?“ Die Antwort muss lauten: So gut wie alles, was man rausgekürzt hat. Während die Harry Potter-Filme bei der richtigen Zielgruppe zumindest Lust auf die Bücher machen, spornt der „Avatar“-Film leider überhaupt nicht zum Konsum der Serie an. Erschwerend kommt da hinzu, dass die meisten Kritiker, die den Film bewertet haben, nicht auf die Komplexität der Vorlage im Vergleich zum Film hinweisen, sondern sich in Tiraden wie „Die Story von 'Avatar' ist simpel“,vat „Die Welt von 'Avatar' ist unlogisch“ oder „'Avatar' ist für Kinder.“ ergehen. Das mag auf den Film zutreffen – auf die Serie sicher nicht. Shyamalan hat leider in der Kritik bereits einen schlechten Ruf und der führt zu ebenso schlechter Publicity für seine Vorlage. Und das Shyamalan gerade in dem versagt, was er sonst kann, nämlich Information wohlportioniert zu servieren, viel über Dialoge zu machen und (zumindest bei „Sixth Sense“ und „Unbreakable“) Figuren aufzubauen, ist umso tragischer. Seine Frage für den Film hätte auch sein müssen: „Was fasziniert mich als Erwachsener an dem Stoff?“ und nicht nur „Was glaube ich als Vater fasziniert meine Tochter an dem Stoff?“
So sehr ich also jedem vom Film „Die Legende von Aang“ (allein der Titel ist ja schon Murks – warum denn nicht „Der Herr der Elemente“) abrate, umso mehr möchte ich empfehlen: Leute, zieht euch die Serie rein. Die Slapstickelemente der ersten Folgen weichen schnell einer phantasievollen Fantasystory mit hoher Charaktertiefe und mit vielen einprägsamen Momenten und spätestens ab der zweiten Staffel ist die Serie angekommen und hat gerade in Folgen wie „Geschichten aus Bah Sing Se“ oder „Der Strand“ definitiv auch jugendlichem und erwachsenem Publikum Einiges zu bieten. „Avatar: The Last Airbender“ ist wohl die beste Trickserie, die Nickelodeon je produziert hat... zumindest aus meiner Sicht.
Und wer das Sitzfleisch nicht hat, kann sich ja die beiden „Manga zum Film“ besorgen... die sind nämlich tatsächlich besser aufgebaut als der Film, erklären mehr und machen einiges anders.
In diesem Sinne hoffe ich, dass „Avatar“ trotz der misslungen Adaption fürs Kino doch noch eine Chance bei denen erhält, die den Stoff vorher nicht kannten.
Jetzt ihr... ähnliche Erfahrungen, gegenteilige Meinungen ?