Lieber Korknadel, natürlich kann man von dem "Bösen" sprechen. Über die Anwendbarkeit oder nicht anwendbarkeit des Begriffs des "Bösen" will ich aber überhaupt nicht diskutieren, es interessiert mich auch nicht besonders.
Aber ich bitte dich in dem Fall, ohne dass ich dir direkt widersprechen würde, meine Argumentation nachzuvollziehen. Ich habe Ausschwitz und die Bedrohung durch Atomkriege als Beispiel für eine irrationale existenzbedrohende Gefahr genannt. Und dass sowohl die komplette Vernichtung ganzer Länder qua Knopfdruck und die zugehörige Rüstungsspirale, als auch Ausschwitz, dass so viele Leute sprachlos gemacht hat, und dass bis heute nicht vollständig zu erklären ist, auch nicht einfach nur mit der "böswilligkeit" bestimmter Menschen, solche darstellen oder darstellten, wirst du kaum bestreiten. Wenn wir von der Prämisse ausgehen (und das tun meines erachtens nach viele Menschen, die Cthulhu spielen) dass der Horror bei Cthulhu daher kommt, dass man mit solchen irrationalen, existenzbedrohenden Gefahren konfrontiert wird und der eigene charakter dabei den Verstand verliert, dann ist es nur naheliegend, sich anzusehen, wie es sich denn mit solchen Bedrohungen in der Wirklichkeit verhällt. Und dabei ging es mir darum herauszustellen, dass die Konfrontation mit dem Irrationalen ganz anders verläuft als in dem Spiel, ganz abgesehen davon, dass zahlreiche Aspekte der Realität weitaus gefährlicher wirken als die meisten Mythoswesen und dass deshalb der Horror der vom Mythos ausgehen soll schwer nachvollziehbar ist. Dass die Bedrohung durch Cthulhu, ganz abgesehen davon, dass sie fiktional ist, eine andere ist, als die durch von menschlichen Systemen hervorgebrachte Menschenvernichtung, versteht sich eigentlich von alleine, die frage ist doch, ob sie in irgend einer weise
vergleichbar sind, und das sehe ich eben in der Irrationalität gegeben. Worum es mir also im Endeffekt ging, war meine These, dass der Horror bei Cthulhu eben durch die Konfrontation mit dem Irrationalen, vom Verstand nicht Fassbaren etc... entsteht, zu destruieren. Mit dem Zweck, zu erklären, warum ich eben bei Cthulhu, bei dem imho eine Variante der genannten These in der Regel eine Grundannahme ist, keinen Grusel empfinde. Man kann jetzt natürlich, wie Achamaian die erste These zurückweisen und erklären dass der Horror (bei Lovecraft zumindest) woanders her kommt. Ist absolut legitim, darüber haben wir ja kurz geredet. Oder man kann die zweite These zurückweisen, und sagen dass diverse irrationale Schrecken unserer Wirklichkeit in keiner Weise mit dem irrationalen Schrecken des Mythos vergleichbar sind. Aber dann frage ich mich erst recht, wie ich mich vor etwas gruseln soll, zu dem ich so überhaupt keinerlei Bezug haben kann und wie das überhaupt sprachlich umgesetzt werden soll, wie am Schluss meines Eingangsbeitrags angedeutet. Ganz abgesehen davon, dass der Dualismus der da aufgemacht wird, Mensch/Kosmos in Lovecrafts geschichten selbst öfters durchbrochen wird, etwa wenn Mischwesen vorkommen oder Menschen als Agenten der großen Alten agieren.
Abgesehen, dass ich sehr gut verstehen kann, wieso das Konzept des Wahnsinns aufgrund irgendwelcher Hinweise auf Große Alte nicht so recht zieht, würde ich es aber einfach als Fiktion und Gegebenheit der Rollenspielwelt hinnehmen und meinen Spaß damit haben. Dinge wie Auschwitz und die Atombombe würde ich da nicht hineintragen, denn -- darauf hat Xemides bereits hingewiesen -- wenn ich in DSA eine Feuerlanze abfeuere, nehme ich das auch als Fiktion hin und denke nicht: Eine Kassam-Rakete ist aber das eigentliche Problem, deshalb kann ich mich nicht recht mit einer Feuerlanze abgeben. Oder warum sollte ich vor dem Dämonen Schiss haben, wo ich doch auch vor Gentechnik nicht vor Furcht erbebe?
Das finde ich jetzt auch nicht so ganz hilfreich, ich meine es ging doch nie darum zu sagen, dass Cthulhu keinen Spaß macht sondern darum, dass es eben nicht unheimlich ist. In DSA habe ich mich bisher nicht noch nie gegruselt und habe auch noch nie diese Erwartungshaltung an das Spiel herangetragen.