Naja die Entscheidungen, die entwertet werden, sind eben jegliche Versuche, auf einem anderen als dem vorgesehenen Weg etwas rauszufinden. Das wird besonders deutlich, wenn die Spieler eine bestimmte Information erst dann bekommen, wenn der SL sie rausrückt (z.B. irgendein NSC, von dem vorher noch nie die Rede war, sucht die SCs auf und erzählt ihnen was). Ob das schlecht sein
muss, auf diese Weise einen Plot abzuarbeiten, steht ja auf einem anderen Blatt. Ich habe nur gesagt, dass ich persönlich es grauenhaft finde.
Ich würde aber gerne noch mal auf Karstens Ausgangsfrage zurück kommen:
Andererseits hat der SL ja immer einen Informationsvorsprung. Lässt sich RR also (diesen Aspekt betreffend) gar nicht ausschließen? Motivationen der NSCs z.B. sind i.d.R. reine Kopfgeburten des SL.
Ich glaube, das Problem sieht man überhaupt nur, wenn man zu viel Settembrini gelesen und daher verinnerlicht hat, ein SL habe „nichts zu wollen“ und jegliches Verhalten des SL, das irgendwie gezielt passiert, um den Handlungsverlauf in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, sei von Übel und im Zweifel Railroading.
Ich wiederhole hier ein bisschen das, was ich schon im anderen Thread geschrieben habe, aber das schadet vielleicht auch nicht: Alles, was in der Spielwelt ist, hat sich doch eh jemand ausgedacht. Und selbstverständlich hat dieser jemand dabei einen Plan, eine Vorstellung davon, wie das Ganze im Spiel funktionieren soll und was es für die Spieler interessant macht. Und vielleicht entscheidet auch der SL im Spiel dann hier und da mehr oder weniger spontan über die Motivationen und Handlungen von NSCs, die dem Spiel eine gewisse Richtung geben. Die Vorstellung, die Spielwelt könne unabhängig vom Willen desjenigen, der sie erschafft, existieren und sich entwickeln, ist doch absurd. Wenn einer meint, durch Zufallstabellen wird die Spielwelt glaubwürdiger und das Spielerlebnis authentischer, bleibt ihm das unbenommen, aber man wird doch nicht ernsthaft annehmen wollen, alles andere sei bereits Railroading im Sinne einer Entwertung von Entscheidungen der Spieler.
Informationsweitergabe durch den SL ist eine Notwendigkeit im klassischen Rollenspiel, und Regeln, nach denen z.B. die Spieler selbst über Inhalte der Spielwelt entscheiden, bergen ihre eigenen Fallstricke, insbesondere was die Konsistenz der Spielwelt angeht. Spieler müssen jedoch Entscheidungen treffen können. Wenn ein SL die Spieler vor ein Problem stellt, ohne ihnen jedoch die nötigen Informationen zu geben, um eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, und wenn die Spieler an diese Informationen auch nicht rankommen können, dann ist das für die Spieler eine frustrierende Situation, weil sie letztendlich dem Zufall ausgeliefert sind – sie
können nicht wissen, was Sache ist, also könnten sie genauso gut eine Münze werfen.
Eine solche Situation ist nach meinem Dafürhalten
immer Scheiße, egal ob sie nun beim Railroader oder beim ARS-SL auftritt. Sagen wir mal es war ARS, und die Spieler haben sich für Abwarten entschieden, weil sie einfach nichts rausfinden konnten, obwohl sie wirklich alles menschenmögliche versucht haben, und am Ende geht alles den Bach runter. Da wäre ich persönlich sauer und würde den SL fragen, was er sich dabei gedacht hat. Und wenn er dann sagt, gar nichts, aber es war alles fair nach Zufallstabellen ausgewürfelt, würde ich ihm den Stinkefinger zeigen. Kann mir doch keiner erzählen, dass das besseres Rollenspiel sein soll, jetzt mal ehrlich.
Abenteuer sollten so angelegt sein, dass die Spieler die Informationen, die sie brauchen, um sinnvolle Entscheidungen zu treffen, auch bekommen. Railroading ist es dann, wenn anhand dieser Informationen klar wird, dass es nur genau eine sinnvolle Entscheidung gibt, die von den Spielern erwartet wird. Das liegt dann aber nicht in erster Linie am Wissensmanagement bzw. dem Wissensvorsprung des SL, sondern es liegt eben daran, wie das Abenteuer gestrickt ist.